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Künstliche Intelligenz verstehbar machen – Erklärprozesse gestalten

Bewerbungen aussortieren, Röntgenbilder begutachten, eine neue Songliste vorschlagen – die Mensch-Maschine-Interaktion ist inzwischen fester Bestandteil des modernen Lebens. Grundlage für solche Prozesse künstlicher Intelligenz (KI) sind algorithmische Entscheidungsfindungen. Da diese in der Regel aber schwer nachzuvollziehen sind, bringen sie häufig nicht den erhofften Nutzen mit sich. Um das zu ändern, diskutieren Wissenschaftler*innen der Universitäten Paderborn und Bielefeld, wie die Erklärbarkeit künstlicher Intelligenz verbessert und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst werden kann. Der Ansatz wurde jetzt in dem renommierten Journal „IEEE Transactions on Cognitive and Developmental Systems“ veröffentlicht. Die Forscher*innen stellen Erklären dabei als eine soziale Praktik vor, bei der beide Seiten den Prozess des Verstehens gemeinsam konstruieren.

Die Mensch-Maschine-Interaktion ist komplex. Um computerbasierte Entscheidungen nachvollziehen zu können, bedarf es Erklärungen. Foto: Universität Paderborn

Erklärbarkeitsforschung
„Künstliche Systeme sind komplex geworden. Das ist ein ernsthaftes Problem – insbesondere dann, wenn Menschen für computerbasierte Entscheidungen verantwortlich gemacht werden“, betont Professor Dr. Philipp Cimiano, Informatiker der Universität Bielefeld. Gerade bei Vorhersagen im Bereich der Medizin oder der Rechtsprechung sei es notwendig, die maschinengesteuerte Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, so Cimiano weiter. Zwar gebe es bereits Ansätze, die eine Erklärbarkeit entsprechender Systeme zum Gegenstand hätten, ausreichend sei das aber noch lange nicht. Auch Professorin Dr. Katharina Rohlfing von der Universität Paderborn bestätigt den dringenden Handlungsbedarf: „Bürger*innen haben ein Recht darauf, dass algorithmische Entscheidungen transparent gemacht werden. Das Anliegen ist nicht ohne Grund Gegenstand der General Data Protection-Verordnung der Europäischen Union.“ Das Ziel, Algorithmen zugänglich zu machen, ist Kern der sogenannten „eXplainable Artificial Intelligence (XAI)“: „Bei der Erklärbarkeitsforschung stehen Transparenz und Interpretierbarkeit aktuell als gewünschte Ergebnisse im Mittelpunkt“, so Rohlfing über den Stand der Forschung.

Entscheidungsfindung nachvollziehen
Die an der Veröffentlichung beteiligten Wissenschaftler*innen gehen einen Schritt weiter und untersuchen computerbasierte Erklärungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei sehen sie es als gesetzt an, dass Erklärungen nur dann für die Anwender*innen nachvollziehbar sind, wenn sie nicht nur für sie, sondern auch mit ihnen entstehen: „Wir wissen aus vielen Alltagssituationen, dass eine gute Erklärung für sich nichts bringt, wenn die Erfahrungen der anderen Seite unberücksichtigt bleiben. Wer sich wundert, warum seine Bewerbung durch den Algorithmus aussortiert wurde, möchte normalerweise nichts über die Technologie des maschinellen Lernens erfahren, sondern fragt nach der Datenverarbeitung in Bezug auf die eigenen Qualifikationen“, erklärt Rohlfing.

„Wenn Menschen miteinander interagieren, sorgt der Austausch zwischen den Beteiligten dafür, dass eine Erklärung an das Verständnis des Gegenübers angepasst wird. Der Gesprächspartner stellt vertiefende Fragen oder kann Unverständnis äußern, das anschließend aufgelöst wird. Im Fall von künstlicher Intelligenz ist das aufgrund mangelnder Interaktionsfähigkeit mit Einschränkungen verbunden“, so Rohlfing weiter. Um das zu ändern, arbeiten Linguist*innen, Psycholog*innen, Medienforscher*innen, Soziolog*innen, Ökonom*innen und Informatiker*innen in einem interdisziplinären Team eng zusammen. Die Expert*innen untersuchen Computermodelle und komplexe KI-Systeme sowie Rollen des kommunikativen Handelns.

Erklären als soziale Praktik
Die Paderborner und Bielefelder Wissenschaftler*innen haben einen konzeptionellen Rahmen für das Design von erklärbaren KI-Systemen entwickelt. Rohlfing: „Mit unserem Ansatz können KI-Systeme ausgewählte Fragen so beantworten, dass der Prozess interaktiv gestaltet werden kann. Auf diese Weise wird eine Erklärung auf den Gesprächspartner zugeschnitten und soziale Aspekte in die Entscheidungsfindung miteinbezogen.“ Das Forscher*innenteam versteht Erklärungen dabei als Abfolge von Handlungen, die von den Parteien im Sinne einer sozialen Praktik zusammengebracht werden.

Konkret soll das durch das sogenannte Scaffolding und Monitoring gesteuert werden. Die Konzepte stammen aus dem Bereich der Entwicklungsforschung: „Vereinfacht ausgedrückt beschreibt Scaffolding – aus dem Englischen für ‚Gerüst‘ – eine Methode, bei der Lernprozesse durch Denkanstöße und Hilfestellungen unterstützt und in Teilschritte zerlegt werden. Beim Monitoring geht es um das Beobachten und Einschätzen der Reaktionen des Gegenübers“, so Rohlfing. Ziel der Wissenschaftler*innen ist es, diese Prinzipien auf KI-Systeme anzuwenden.

Neue Assistenzformen
Der Ansatz soll die aktuelle Forschung erweitern und neue Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz geben. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass es nur dann gelingen kann, aus einer Erklärung Wissen und weiteres Handeln abzuleiten, wenn der Gesprächspartner in den Erklärprozess miteinbezogen wird. Im Kern geht es dabei um die Teilnahme der Menschen an soziotechnischen Systemen. „Unser Ziel ist es, neue Formen von Kommunikation mit wirklich erklärbaren und verstehbaren KI-Systemen zu schaffen und somit neue Assistenzformen zu ermöglichen“, fasst Rohlfing zusammen.

Wie Furcht und Frieden zusammenhängen

Ein Leben in Frieden und ohne Angst bleibt für viele Menschen ein Wunschtraum. In manchen Gesellschaften gefährden Angst und Furcht den Frieden, in anderen Gesellschaften wird der Frieden durch Unterdrückung und Angst erzwungen. Diese Prozesse sind bislang kaum verstanden, denn Angst- und Friedensforschung gehen meist getrennte Wege. Dem will die Tagung „Peace and Fear – A Multidisciplinary Approach“ („Frieden und Furcht – ein interdisziplinärer Zugang“) begegnen. Expert*innen aus unterschiedlichen Weltregionen und Disziplinen diskutieren in einer digitalen Konferenz von Mittwoch bis Freitag, 17. bis zum 19. Februar darüber, wie Furcht und Frieden zusammenhängen. Der Workshop wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert. Auf dem Programm steht am 18. Februar auch ein öffentlicher, englischsprachiger Vortrag zu Emotionen in der rechtspopulistischen Mobilisierung.

„Konflikt- und Friedensforschende haben lange Zeit getrennt voneinander gearbeitet“, sagt Yaatsil Guevara González (li.). Sie gehört wie Prof. Dr. Andreas Zick (re.) zum Leitungsteam der Tagung „Peace and Fear“. Zick sagt: „Wenn wir Erkenntnisse aus der Konflikt- und Friedensforschung zusammenbringen, kann das zu weitreichenden Lösungsansätzen für gesellschaftliche Probleme führen.“ Fotos: Universität Bielefeld

„Weltweit leben Menschen in Angstregimen. Das hat Konsequenzen für zukünftige Fragen der Konflikt- und Friedensregulation“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. „Wir hoffen, gemeinsam mit den exzellenten Forschenden aus  unterschiedlichen Weltregionen, die wir in Bielefeld zusammenbringen, die Gefährdungen des Friedens innerhalb und zwischen Gesellschaften besser analysieren zu können“, so Zick. Der Sozialpsychologe leitet die Tagung zusammen mit der Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González (IKG), dem Historiker Sebastián Martínez Fernández (Leibniz Universität Hannover), dem Literaturwissenschaftler Professor Dr. Joachim Michael (Center for InterAmerican Studies, CIAS, Universität Bielefeld) sowie dem Sozialwissenschaftler und Friedensforscher Professor Dr. Roberto Briceno-León (Universidad Central de Venezuela).

Auf dem Programm steht zum Beispiel die Perspektive auf das Individuum und seine Ängste, auch in der aktuellen Pandemie. Außerdem geht ein Panel auf Fragen der Sicherheitspolitik ein. Ein weiteres Panel diskutiert, welche Kräfte Angst und Furcht in Gesellschaften bremsen können und welche Kräfte Angst und Furcht zu schüren versuchen. 

22 Expert*innen aus sieben Ländern tragen auf dem Workshop aktuelle Theorien zur Angst-, Konflikt- und Friedensforschung zusammen. Außerdem tauschen sie sich über empirische Erkenntnisse aus soziologischer, psychologischer und historischer Perspektive aus. „Dabei geht es unter anderem darum, wie sich Frieden im Verhältnis zu Angst und Furcht definieren lässt. Und wir befassen uns damit, wie sozialer Frieden und Furcht miteinander verbunden sind“, sagt der Literaturwissenschaftler Joachim Michael vom Center for InterAmerican Studies. 

Die Konferenz soll Einschätzungen zu sozialen Bedingungen in friedlichen wie auch konfliktreichen Gesellschaften sammeln. Ein Ziel ist es, Lösungsansätze zu erörtern, wie mit Angstregimes umzugehen ist. Dazu haben die Tagungsleiter*innen nicht nur Wissenschaftler*innen eingeladen, sondern auch Aktivist*innen von Nichtregierungsorganisationen, die sich weltweit in der Friedenssicherung engagieren, sowie Vertreter*innen von Forschungsförderungsorganisationen. 

„Der interdisziplinäre Austausch soll auch junge Friedens- und Konfliktforscher*innen in ihrer Fähigkeit stärken, die Grenzen bisheriger Ansätze zu hinterfragen, um neue Ansatzmöglichkeiten zu erkennen“, erklärt die Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. „Wir möchten damit das Feld der Friedens- und Konfliktforschung so erweitern, wie es der Wissenschaftsrat in Deutschland in einer seiner Empfehlungen nahegelegt hat.“

Auf dem Programm des Workshops steht auch ein öffentlicher Vortrag der Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Birgit Sauer von der Universität Wien. Sie spricht am Donnerstag, 18. Februar, um 16.30 Uhr auf Englisch darüber, wie rechtspopulistische Akteur*innen Gender-Themen nutzen, um Emotionen zu schüren und so ihre Anhänger*innen zu mobilisieren. Die Teilnahme an dem Vortrag ist über diesen Link möglich. 

Für Interessierte ist eine Online-Teilnahme am Workshop möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei marina.hoffmann@uni-bielefeld.de gebeten. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Veranstaltung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch. Für den öffentlichen Vortrag ist keine Anmeldung erforderlich. 

Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), dem Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität und dem Center for Advanced Latin American Studies (CALAS) statt. 

Wie türkische Migrant*innen Zusammenhalt in Deutschland erleben

„Wir diskutieren in Deutschland darüber, dass sich Migrant*innen aus der Türkei aus der Gesellschaft zurückziehen. Ob das so ist und was genau geschieht, ist allerdings wissenschaftlich kaum untersucht“, sagt Professor Dr. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. In dem neuen Projekt „Transnationale Einflüsse, migrantische Identitäten und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (TransMIGZ) erforscht Zick gemeinsam mit türkischen IKG-Kolleginnen, wie Menschen aus der Türkei gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland wahrnehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit einer halben Million Euro.

Die IKG-Forschenden Prof. Dr. Andreas Zick (li.o.), Aydin Bayad (re.o.), Dr. Ekrem Duzen (li.u.) und Elif Sandal-Önal (re.u.) untersuchen, was Türkischsein in Deutschland heute heißt. Fotos (3): Universität Bielefeld, Foto li.u.: Arti Media GmbH

„Wenn Menschen zusammenhalten, helfen sie einander in Krisen, sie tauschen sich aus und teilen eine gemeinsame Identität“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Das neue Projekt TransMIGZ gehört zu 19 Forschungsprojekten zum Zusammenhalt in Europa, die vom BMBF ausgewählt wurden. „Neben allen wissenschaftlichen und politischen Definitionen werden wir Gruppen von Menschen fragen, was sie unter Zusammenhalt verstehen – in diesem Fall die größte Migrant*innen-gruppe in Deutschland, die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.“

Wissenschaftler*innen aus der Türkei forschen im Projekt
Was empfinden Migrantinnen aus der Türkei als wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft? Wie erfahren sie Zusammenhalt in Deutschland und wie erleben sie ihn? Zick geht diesen Fragen gemeinsam mit seinen drei türkischen Kolleginnen Dr. Ekrem Düzen, Elif Sandal Önal und Aydin Bayad am IKG nach.

„In den vergangenen Jahren hat der türkische Staat die in Europa lebenden türkeistämmigen Menschen vermehrt an ihre Herkunft erinnert und dazu aufgerufen, eine Art nationale Diaspora aufzubauen, also eine geschlossene Gemeinschaft im Aufnahmeland“, sagt Dr. Ekrem Duzen. „Dabei behandeln der türkische und auch der deutsche Staat die türkeistämmigen Menschen als eine homogene Gruppe, obwohl es sich um viele unterschiedliche Gemeinschaften handelt. Niemand hat diese vielen verschiedenen Menschen bisher gefragt, wie sie sich von beiden Ländern wahrgenommen fühlen.“ Duzen forschte als Psychologe an der Universität Izmir (Türkei). Seit vier Jahren lebt er in Bielefeld und wird von der Philipp Schwartz-Initiative für gefährdete Wissenschaftler*innen gefördert.

Mediale Analysen mit Befragungen kombinieren
Das zweisprachige Forschungsteam geht im Projekt empirisch vor. In einem ersten Schritt werten die Sozialpsycholog*innen aktuelle politische Texte über Integration und Zusammenhalt in türkischen Zeitungen und sozialen Medien aus. „Wir analysieren dabei, was Medien darüber vermitteln, wie sich Menschen aus der Türkei in Deutschland verhalten sollen und ob es dazu eine einheitliche politische Agenda gibt“, sagt Ekrem Duzen.

In einem zweiten Schritt schauen die Forschenden auf die medialen Beiträge, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch durch das türkische Militär im Jahr 2016 stehen. Das Team konzentriert sich auf die Medien, die am häufigsten konsumiert wurden, und untersucht, welche Appelle in den Beiträgen an die türkeistämmigen Menschen in Deutschland gerichtet wurden. Was wurde von der türkischen Regierung mit Blick auf die im Ausland lebenden türkeistämmigen Menschen diskutiert? Welche Bedeutung hatte die Zeit nach dem Putschversuch für die türkeistämmigen Menschen in Deutschland?

In einem dritten Schritt führen die Wissenschaftler*innen Interviews mit Menschen aus der Türkei, die Deutschland als ihre Heimat betrachten. „Neben den Fragen nach dem gelebten und erlebten Zusammenhalt interessieren wir uns dafür, wie sich ihre Beziehung zur Türkei gestaltet, was Türkischsein heute heißt und welche Rolle nostalgische Gedanken an ein großes türkisches Reich spielen“, sagt Zick.

Ergebnisse sollen mit deutsch-türkischen Gemeinden diskutiert werden
Nach den Analysen und Befragungen nimmt die Übertragung in die Praxis einen großen Teil des Projekts ein: „Im letzten halben Jahr der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit werden wir Vorschläge für politische Entscheidungsträger*innen entwickeln“, so Zick. „Außerdem wollen wir in Workshops mit deutsch-türkischen Gemeinschaften genauer diskutieren, was Zusammenhalt bedeutet und wo es Probleme geben könnte.“

Das Projekt TransMIGZ wird für zweieinhalb Jahre mit 500.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderziffer 01UG2115). Die Fördermaßnahme steht unter dem Dach des Rahmenprogramms „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“. Damit fördert das BMBF Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften, die zu einem besseren Verständnis und zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt.

Bielefelder Forschende liefern 3D-Aufnahmen von Coronaviren

Wissenschaftler*innen der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ist es erstmals gelungen, das Coronavirus SARS-CoV-2 mit einem Heliumionen-Mikroskop abzubilden. Im Gegensatz zur herkömmlicheren Elektronenmikroskopie müssen die Proben bei der Heliumionen-Mikroskopie nicht mit einer dünnen Metallschicht überzogen werden. Dadurch lassen sich Interaktionen zwischen den Coronaviren und ihrer Wirtszelle besonders gut beobachten. Ihre Ergebnisse, die in Kooperation mit der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld und Forschenden der Justus-Liebig-Universität Gießen entstanden sind, haben die Wissenschaftlerinnen am heutigen Dienstag (02.02.2021) im Fachmagazin Beilstein Journal of Nanotechnology veröffentlicht.

Prof. Dr. Armin Gölzhäuser und Dr. Natalie Frese von der Fakultät Physik haben SARS-CoV-2 mit dem Heliumionen-Mikroskop untersucht. Foto links: Universität Bielefeld/M.-D. Müller, Foto rechts: Thomas Popien

„Die Studie zeigt, dass das Heliumionen-Mikroskop geeignet ist, um Coronaviren abzubilden – und zwar so genau, dass sich das Zusammenspiel von Viren und Wirtszelle beobachten lässt“, sagt die Physikerin Dr. Natalie Frese. Sie ist Erstautorin der Studie und forscht in der Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ an der Fakultät für Physik.

Coronaviren sind winzig klein – im Durchmesser nur etwa 100 Nanometer, also 100 Milliardstel Meter. Mit dem Virus infizierte Zellen wurden bisher vor allem mit Rasterelektronenmikroskopen untersucht. Dabei rastert ein Elektronenstrahl die Zelle ab und liefert ein Bild der Oberflächenstruktur der mit Viren besetzten Zelle. Rasterelektronenmikroskope haben jedoch einen Nachteil: Die Probe lädt sich während des Mikroskopievorgangs elektrostatisch auf. Weil die Ladungen bei nichtleitenden Proben, zum Beispiel Viren oder anderen biologischen Organismen, nicht abtransportiert werden, müssen die Proben mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung, etwa einer dünnen Goldschicht, überzogen werden.

  • Coronaviren (blau) beim Austritt aus einer Nierenzelle, aufgenommen mit einem Heliumionen-Mikroskop. Foto: Universität Bielefeld/N. Frese
  • Eine mit SARS-CoV-2-infizierte Nierenzelle unter dem Heliumionen-Mikroskop (ausschnittsweise Vergrößerung von links nach rechts, ein einzelnes Virus ist etwa 100 Nanometer groß): Die Aufnahmen weisen darauf hin, dass manche Coronaviren beim Austritt aus der Zelle nur lose aufliegen, während andere Viren an die Zelle gebunden sind. Foto: Universität Bielefeld/N. Frese

„Diese leitende Schicht verändert allerdings auch die Oberflächenstruktur der Probe. Die Heliumionen-Mikroskopie benötigt keine Beschichtung und erlaubt daher ein direktes Abtasten“, sagt Professor Dr. Armin Gölzhäuser, der die Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ leitet. Beim Heliumionen-Mikroskop rastert ein Strahl aus Heliumionen die Oberfläche der Probe ab. Heliumionen sind Heliumatome, denen jeweils ein Elektron fehlt – sie sind also positiv geladen. Der Ionenstrahl lädt die Probe ebenfalls elektrostatisch auf, dies kann jedoch ausgeglichen werden, indem die Probe zusätzlich mit Elektronen bestrahlt wird. Zudem besitzt das Heliumionen-Mikroskop eine höhere Auflösung und eine größere Schärfentiefe.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler*innen Zellen, die künstlich aus dem Nierengewebe einer Affenart gewonnen werden, mit SARS-CoV-2 infiziert und im toten Zustand mikroskopiert. „Unsere Aufnahmen ermöglichen einen direkten Blick auf die 3D-Oberfläche der Coronaviren und der Nierenzelle – mit einer Auflösung im Bereich weniger Nanometer“, sagt Frese. Dadurch konnten die Forschenden Interaktionen zwischen den Viren und der Nierenzelle sichtbar machen. Ihre Studienergebnisse weisen etwa darauf hin, dass sich mit dem Heliumionen-Mikroskop beobachten lässt, ob einzelne Coronaviren nur auf der Zelle aufliegen oder an sie gebunden sind. Das ist wichtig, um Abwehrstrategien gegen das Virus zu verstehen: Eine infizierte Zelle kann die Viren, die sich in ihrem Inneren bereits vermehrt haben, beim Austritt an ihre Zellmembran binden und so verhindern, dass sie sich weiter ausbreiten.

„Die Heliumionen-Mikroskopie eignet sich sehr gut, um die Abwehrmechanismen der Zelle darzustellen, die sich an der Zellmembran abspielen“, sagt auch der Virologe Professor Dr. Friedemann Weber. Er forscht an der Justus-Liebig-Universität Gießen zu SARS-CoV-2 und hat für die Studie mit den Bielefelder Forschenden zusammengearbeitet. Professor Dr. Holger Sudhoff, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie am Klinikum Bielefeld, ergänzt: „Das Verfahren ist eine wesentliche Verbesserung, um das SARS-CoV-2-Virus in Wechselwirkung mit der infizierten Zelle abzubilden. Die Heliumionen-Mikroskopie kann dabei helfen, das Infektionsgeschehen bei Covid-19-Erkrankten besser zu verstehen.“

Die Heliumionen-Mikroskopie ist eine vergleichsweise neue Technologie. Im Jahr 2010 hat die Universität Bielefeld als erste deutsche Universität ein Heliumionen-Mikroskop angeschafft, das vor allem in der Nanotechnologie eingesetzt wird. Zur Untersuchung biologischer Proben wird die Heliumionen-Technologie weltweit noch selten eingesetzt. „Unsere Studie zeigt, dass es hier ein großes Potenzial gibt“, sagt Gölzhäuser. Die Studie erscheint in einer Sonderausgabe des Beilstein Journals of Nanotechnology zum Heliumionen-Mikroskop.

Verborgenes Wissen heben, um Ökovielfalt der Meere zu retten

Den Schutz der Lebensräume und der Artenvielfalt in den Meeren und an den Küsten in Zukunft effizienter gestalten: Ein neues Verbundprojekt forscht an den Grundlagen dafür. In dem Projekt arbeiten Wissenschaftler*innen aus der Ökonomie und der Ökologie zusammen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie bessere Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz gefällt werden können, auch unter den Bedingungen von Unsicherheit und unvollständigen Informationen. Für das Forschungsprojekt „Value of Information“ (Informationswerte) kooperiert die Universität Bielefeld mit dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB).

„Der Umwelt- und Artenschutz gehören zu den zentralen Herausforderungen der heutigen Zeit“, sagt Privatdozent Dr. Thorsten Upmann. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht sowohl an der Universität Bielefeld als auch am HIFMB und leitet das neue Projekt. „Um die Erderwärmung zu begrenzen und Tier- und Pflanzenarten zu schützen, ist rasches Handeln erforderlich – auf Basis wissenschaftlicher Daten“, sagt Upmann. Um beispielsweise gefährdete Tierarten schützen zu können, ist es nötig, den Lebensraum der jeweiligen Population genau zu kennen und die Zusammenhänge innerhalb dieses Ökosystems zu verstehen. Die Forschung und Datengewinnung ist gerade im Kontext mariner Lebensräume sehr kosten- und zeitintensiv. „Durch den voranschreitenden Klimawandel und das Artensterben steht die Suche nach den besten Lösungen zusätzlich unter Zeitdruck“, sagt Upmann. An dieser Stelle setzt das neue Forschungsprojekt an.  

Die richtigen Informationen für zielführende Entscheidungen
Täglich fällen Menschen Entscheidungen. Dabei ist der Ablauf bei den meisten Personen wahrscheinlich ähnlich: Eine Person informiert sich, vergleicht und fragt andere Personen nach ihrer Erfahrung oder Meinung. Anschließend wägt sie die gewonnenen Informationen ab und fällt eine Entscheidung. „Die Frage, welche Informationen als Grundlage für die Entscheidung zur Verfügung stehen, ist für den Entscheidungsprozess von zentraler Bedeutung“, erklärt Thorsten Upmann. Oft fehlen im Alltag jedoch relevante Informationen. Das kann am Zeitdruck liegen oder daran, dass Informationen zunächst nicht verfügbar sind. 

Ökosysteme in den Meeren sind komplexe Systeme von Lebewesen
Trotz solcher Beschränkungen treffen Menschen Entscheidungen auf Basis der Informationen und der Wissenslücken, die zum jeweiligen Zeitpunkt bestehen. „Beim Schutz der marinen Biodiversität – also der biologischen Vielfalt in den Meeren und an den Küsten – ist die Situation ähnlich“, sagt Thorsten Upmann. „Wissenschaftler*innen, die die dortigen Ökosysteme erforschen, haben es mit komplexen Systeme zu tun, in denen es zu vielseitigen Wechselwirkungen kommt. Die Forschung kann lediglich eine Momentaufnahme in solch einem dynamischen System festhalten. Die Beobachtungen und damit die gewonnen Daten sind also immer selektiv und unvollständig.“ Zusätzlich sei die Forschung zu den Ökosystemen langwierig und aufwändig. Deswegen könne lediglich eine Auswahl von Forschungsprojekten realisiert werden. 

Doch welche Wissenslücken müssen gefüllt werden, um sinnvolle Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz fällen zu können? Welche Forschungsprojekte sind am geeignetsten, um diese Lücken zu füllen? Und in welchen Fällen ist schon genug Wissen vorhanden, um erfolgsversprechende Maßnahmen in der Politik einzuleiten? „Unser Projekt soll dazu beitragen, zielführende Entscheidungen trotz Ungewissheit treffen zu können“, sagt Upmann. Dazu arbeiten Forschende sowohl mit den Methoden der Datenwissenschaft als auch der Modellierung. Durch die Datenwissenschaft können die Forschenden große Datenmengen automatisiert auswerten, während sie durch die Modellierung der Daten die chancenreichsten Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt ableiten können. „Auf diese Weise können wir zum Beispiel ermitteln, zu welchen gefährdeten Tierarten umfassend geforscht werden sollte.“

Handlungsempfehlungen für den Schutz der Arten
Thorsten Upmann forscht als Ökonom schon seit Jahren dazu, wie sich die Akteur*innen in einem Wirtschaftssystem regional oder überregional gegenseitig beeinflussen. „Auf die gleiche Art können wir auch modellieren, wie die Lebewesen in maritimen Regionen miteinander interagieren.“ So profitieren die Umweltwissenschaften von den Wirtschaftswissenschaften. In dem Projekt erstellen die Forschenden Modelle, mit denen sie etwa nachvollziehbar machen, wie Pflanzen- und Tierpopulationen in einem bestimmten Küstengebiet zusammenhängen. Aus solchen Modellen der marinen Biodiversität lassen sich Handlungsempfehlungen für den Schutz der jeweiligen Arten ableiten.

Das Projekt „Value of Information“ läuft von Januar 2021 bis Dezember 2023. Auf lange Sicht hoffen die beteiligten Wirtschafts- und Umweltwissenschaftler*innen, ihre Forschung zur marinen Biodiversität auch auf andere Bereiche des Naturschutzes und der Biodiversität ausweiten zu können. Mit dem Projekt startet eine langfristige Zusammenarbeit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld mit der Universität Oldenburg sowie dem Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). Die Kooperation soll die Stärken beider Partner verbinden: die Expertise der Bielefelder Forschenden in der Modellierung und den Datenwissenschaften mit der Expertise der Forschenden in Oldenburg in der Ökologie, dem Ökosystemmanagement und dem Schutz mariner Lebensräume. 

Weitere Informationen: 
Steckbrief des Projekts „Value of Information“

Mehrheit zweifelt daran, ob Informationen über Krankheiten in Medien vertrauenswürdig sind

Wie kompetent ist die deutsche Bevölkerung, wenn es um den Umgang mit Informationen zur Gesundheit geht? Für das Pandemiejahr 2020 belegt eine repräsentative Studie, in die mehr als 2.000 Personen im Alter ab 18 Jahren einbezogen waren: Große Teile der Bevölkerung sind nicht ausreichend vorbereitet, um Gesundheitsrisiken richtig einzuschätzen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen. „Ein Vergleich unserer Erhebungen zwischen 2014 und 2020 zeigt, dass sich die Gesundheitskompetenz sogar noch verschlechtert hat“, sagt die Studienleiterin Professorin Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld. Klagten 2014 etwa 54 Prozent der Befragten über große Schwierigkeiten, sich im unüberschaubaren Angebot von Gesundheitsinformationen zu orientieren, so waren es 2020 schon fast 60 Prozent. Für die Forschung kooperieren die Universität Bielefeld und die Hertie School in Berlin.

Prof’in Dr. Doris Schaeffer (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School, Berlin) erheben in Langzeitstudien, wie sich die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland entwickelt. Foto links: Steffen Roth, Foto rechts: Hertie School

„Der Grund für den Anstieg liegt nach den Angaben der Befragten in der Menge, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Informationen“, sagt Doris Schaeffer. „Hinzu kommt, dass auch Falsch- und Fehlinformationen zu Gesundheitsthemen zugenommen haben, wie wir seit der Coronapandemie besonders intensiv beobachten können“. Drei Viertel der Befragten finden es schwierig, Gesundheitsinformationen richtig einzuschätzen. Dabei spielt zunehmend die Frage eine Rolle, ob die Informationen durch kommerzielle Interessen geprägt und zuverlässig sind. 76 Prozent halten es beispielsweise für schwierig zu beurteilen, ob Informationen zu Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig sind. 61 Prozent der Befragten fühlen sich überfordert, Informationen aus den Medien abzulesen, um sich vor Krankheiten zu schützen. 56 Prozent tun sich damit schwer, Informationen zu finden, wie man mit psychischen Problemen umgeht.

Der Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit
Die Schwierigkeiten spitzen sich zu, wenn Menschen nur über einen niedrigen Bildungsgrad verfügen. „Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können. Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf“, sagt Professor Dr. Hurrelmann von der Hertie School. Diese Entwicklung sei auch deshalb ernst zu nehmen, weil eine geringe Gesundheitskompetenz viele negative Folgen habe. Sie sei mit ungesundem Verhalten wie geringer Bewegung, schlechter Ernährung und häufigerem Übergewicht verbunden, ebenso mit mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und intensiverer Nutzung von Notfalldiensten.

Durchgeführt wurden die Untersuchungen unter der Leitung von Doris Schaeffer vom Interdisziplinären Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Public Health der Hertie School in Berlin unter der Leitung von Klaus Hurrelmann. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragekataloges wurde die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland durch repräsentative Erhebungen bei 2.151 über 18-jährigen Menschen eingeschätzt. Diese Daten wurden mit der ersten Erhebung aus dem Jahr 2014 verglichen. Um die Auswirkungen der Coronapandemie zu erfassen, folgte im Herbst 2020 eine Zusatzerhebung mit 532 Personen. Die Erhebungen wurden von den Forschungsinstituten Ipsos und Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und vom Ministerium für Justiz und für den Verbraucherschutz und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert.

Der Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen
Erstmals wurde auch die digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung untersucht. „Die digitale Gesundheitskompetenz wird zunehmend wichtig – auch angesichts der jetzt umzusetzenden Digitalisierungsgesetze“, so Schaeffer und Hurrelmann. „Auffällig ist, dass die digitale Gesundheitskompetenz sehr schwach ausgeprägt ist – das belegt unsere Studie deutlich.“ Rund 75 Prozent der Befragten weisen hier eine geringe Kompetenz auf und sehen sich vor enorme Schwierigkeiten im Umgang mit digitaler Information gestellt. Das zeigt sich auch daran, dass digitale Informationsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend genutzt werden. 36 Prozent der Befragten greifen nie auf sie zurück. Das gilt besonders für Menschen über 65 Jahre. „Während der Coronapandemie hat die Bevölkerung offenbar im Schnellverfahren gelernt, besser mit digitalen Gesundheitsinformationen umzugehen“, so die Studienleiter.

Um sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, müssen sich Menschen im Gesundheitssystem zurechtfinden. Das wird vom Forscherteam als „navigationale Gesundheitskompetenz“ bezeichnet. Nahezu vier Fünftel der Bevölkerung haben in diesem Bereich eine geringe Gesundheitskompetenz und finden es schwierig, Informationen zum Gesundheitssystem zu verstehen. Doris Schaeffer: „Eine solche Unübersichtlichkeit ist gerade in einer Pandemie problematisch, wenn Menschen zum Beispiel klären wollen, wo sie sich auf eine Infektion testen lassen können.“

Mit der Zusatzerhebung im Spätherbst 2020 erfasste das Forschungsteam Veränderungen der Gesundheitskompetenz während der Pandemie. Die Befragung zeigt, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sich seither leicht verbessert hat. „Am Beispiel der Coronapandemie wird sichtbar, dass umfangreiche, verständliche und wiederholte Gesundheitsinformationen sich rasch auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung auswirken“, so Doris Schaeffer.

Originalveröffentlichungen:
Hier geht es zu den beiden Originalveröffentlichungen.

Die unterschätzte Dynamik der Vormoderne

Bevor die Weltgeschichte in der Moderne Fahrt aufnahm und sich das Leben immer schneller wandelte, gab es eine lange Phase, in der sich nichts veränderte: Das ist die gängige Interpretation der sogenannten Vormoderne, der Zeit zwischen dem Mittelalter und etwa dem Jahr 1700. Bei der Online-Tagung „Veränderung aus sich selbst heraus – Eigendynamik in vormodernen Gesellschaften“, die vom 28. bis zum 30. Januar stattfindet, nehmen Forschende diese Sicht kritisch unter die Lupe. Ihre These: Statt eines Stillstandes hat eine ganz eigene, in den gesellschaftlichen Strukturen selbst angelegte Dynamik die Vormoderne geprägt.

„Die vormodernen Gesellschaften weisen weltweit Elemente auf, die aus sich heraus für ständigen Wandel sorgten“, so der Historiker Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Universität Bielefeld, der die Konferenz mit seinem Fachkollegen Professor Dr. Andreas Rüther (ebenfalls Universität Bielefeld) und dem Japanologen Professor Dr. Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) leitet.

Auch Gesellschaften in vormoderner Zeit haben sich fortwährend gewandelt. Um die Besonderheiten des damaligen Wandels geht es jetzt bei einer Online-Tagung. Einer der Leiter ist Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Abteilung Geschichtswissenschaft. Foto: Universität Bielefeld/P. Ottendörfer

Anders als der rasche Wandel in der Moderne, habe sich der vormoderne Wandel auf eine spezifische Weise vollzogen und dazu geführt, dass die Gesellschaften komplexer wurden, sagt Arlinghaus. In diesem Prozess habe sich die hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft fortwährend neu austariert und die Abgrenzung zwischen Familien- und Personenverbänden, etwa den Zünften, sei immer wieder neu gezogen worden. „Dies alles fand weitgehend unter den Bedingungen einer Präsenzgesellschaft statt, die zwar Schrift und Druck kannte, aber in anderer Weise nutzte als heute“, so der Historiker. Diese Prozesse führten dann zur Neubildung von Gruppierungen und Ständen und zu immer raffinierteren Formen der Grenzziehung zwischen ihnen, erklärt Arlinghaus. Der Historiker befasst sich auch in dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) mit der Vormoderne und untersucht, wie sich Menschen als Individuen ab dem 11. Jahrhundert mit anderen Menschen verglichen haben.

Die Eigendynamik der Vormoderne sei auch ein Merkmal, das ganz unterschiedliche Gesellschaften weltweit in dieser langen Epoche verbinde. Nach 1700 habe es dann eine vergleichsweise rasche Umgestaltung zur Moderne gegeben. „Es geht nicht darum, die Vorgeschichte der Moderne zu schreiben, sondern darum, den ganz eigenen Wandel in der Vormoderne zu analysieren“, sagt Andreas Rüther. „Das würde auch ein neues Licht auf das Verhältnis von Moderne und Vormoderne werfen.“

Auf der Tagung diskutieren Expert*innen, die zum vormodernen Äthiopien, China, Indien, Japan, Korea und Mitteleuropa arbeiten, über diesen neuen Ansatz.

Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dafür ist eine Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.

Weitere Informationen:
Website der Tagung

Wie interkulturelle Konflikte in Großstädten gelöst werden

Durch Migration hat über die Jahrzehnte die Vielfalt an Kulturen in Großstädten zugenommen. Welche Chancen, Probleme und Konflikte ergeben sich aus dieser Vervielfältigung der Vielfalt? Das erforscht das Verbundprojekt „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“. Es untersucht in Dortmund, Bonn und Magdeburg, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen zusammenleben. Das Projekt wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld koordiniert. Kooperationspartner sind das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität Berlin. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert die Forschung bis 2022 mit rund einer Million Euro.

In der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei Migrationsbewegungen: die der Gastarbeitenden und die der Geflüchteten. „Durch diese neuen Einwohner*innen ist insbesondere in den Städten die Anzahl an interkulturellen Begegnungen stark angestiegen und es gibt mehr kulturell unterschiedliche Gruppen im öffentlichen Raum“, sagt Dr. Jörg Hüttermann vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). „Es sind neue Formen von interkulturellem Miteinander entstanden. Die kulturelle Vielfalt in Schulen und Unternehmen und weiteren Organisationen nimmt zu“, erklärt der Migrationssoziologe.

Jörg Hüttermann ist fachlicher Leiter des neuen Projekts „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“, das er mit seinen Kollegen Johannes Ebner und Denis van de Wetering initiiert hat. „Als Ballungszentren spielen Städte mit Blick auf interkulturelle Begegnungen eine besondere Rolle“, sagt Hüttermann. „In den Stadtquartieren leben Menschen in einer hohen Dichte zusammen – entsprechend hoch ist die Dichte der interkulturellen Begegnungen und Konfrontationen.“

Ob Sprache, politische Ansichten oder die Art und Weise, wie Religion ausgelebt wird: „Mit neu hinzukommenden Menschen gelangen neue Überzeugungen und Werteorientierungen in die Gesellschaft“, sagt Denis van de Wetering, Konfliktforscher am IMIS der Universität Osnabrück und assoziierter Wissenschaftler am IKG der Universität Bielefeld. „Dadurch werden etablierte Vorstellungen mit den neuen Vorstellungen konfrontiert. Wir gehen im Projekt der Frage nach, wie die damit verbundenen Konflikte gelöst werden.“

Johannes Ebner, Dr. Jörg Hüttermann und Denis van de Wetering (v.l.) erforschen in dem neuen Projekt, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen Konflikte aushandeln.

Wird ein Konflikt destruktiv ausgetragen, kann es unter anderem zu verbaler oder physischer Gewalt gegen Personen kommen. Werden die Konflikte konstruktiv gelöst, kann das dazu führen, dass sich kulturell unterschiedliche Gruppen einander angleichen oder sich miteinander arrangieren. „Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn Menschen mit Migrationshintergrund in politischen Gremien vertreten sind, wenn Schulen auch Unterricht in der Muttersprache eingewanderter Gruppen anbieten, aber auch wenn Probleme in der Nachbarschaft geklärt werden“, erklärt der Soziologe Johannes Ebner vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung.

„Wir wollen in unserem Projekt Maßnahmen entwickeln, mit denen sich der Zusammenhalt in den Quartieren stärken lässt. Deshalb wollen wir herausfinden, wie die beteiligten Gruppen ihre interkulturellen Konfrontationen lösen und welche Rahmenbedingungen darauf einwirken“, sagt Denis van de Wetering. Einen ersten Ansatz zur Verbesserung des Zusammenhalts haben die Forschenden bereits gefunden: „Vorstudien zum neuen Projekt weisen darauf hin, dass das interkulturelle Zusammenleben in Städten stark von staatlichen und behördlichen Maßnahmen beeinflusst wird“, sagt Jörg Hüttermann. „Es zeigt sich allerdings, dass in der Planung solcher Maßnahmen momentan kaum die Perspektive der betroffenen Migrant*innen berücksichtigt wird. Sie stellen einen möglichen Ansatzpunkt dar, um das interkulturelle Miteinander zu verbessern.“

Ziel der Forschenden ist es, zu ermitteln, wie Gruppen ihre Konfrontationen in Städten selbstständig aushandeln. „Wenn wir verstehen, welche Faktoren die Aushandlungen positiv beeinflussen, können diese künftig in der Stadtplanung berücksichtigt werden“, sagt der Konfliktforscher van de Wetering. Dafür konzentrieren sich die Wissenschaftler*innen vor allem auf zwei Schwerpunkte: Sie untersuchen die städtische Wohnsituation von Migrant*innen und sie erheben, wie stark die kulturelle Vielfalt in den untersuchten Stadtquartieren ausgeprägt ist. Um die Lebenswelten der Stadtteilbewohner*innen zu erforschen, greifen die Forschenden auf ethnographische Methoden zurück. Für ihre Analyse vergleichen sie von Migration geprägte Stadtteile in Dortmund, Bonn und Magdeburg.

Der vollständige Titel des Forschungsprojekts ist „Neuaushandlung lokaler Ordnungen: Migrations-induzierte Vielfalt, Intergruppenbeziehungen, Konflikte und Integrationsdynamiken im Stadtteil“. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt Migration und Sozialer Raum der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

Weitere Informationen:
Steckbrief zum Projekt

Wie sich Metallatome auf einem Isolator ordnen können

Um in Zukunft winzig kleine elektronische Speicher oder Sensoren herzustellen, ist es entscheidend, einzelne Metallatome auf einer isolierenden Schicht anordnen zu können. Wissenschaftler*innen der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld haben nun nachgewiesen, dass dies bei Zimmertemperatur gelingt: Moleküle der metallhaltigen Verbindung Molybdänacetat bilden auf dem Isolator Calcit eine geordnete Struktur, ohne an andere Positionen zu springen oder sich zu drehen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler*innen heute (21.12.2020) im Fachmagazin Nature Communications. Die Arbeit ist in Kooperation mit Forschenden der Universitäten Kaiserslautern, Lincoln (Großbritannien) und Mainz entstanden.

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Jetzt mitmachen: FameLab sucht junge Wissenschaftler*innen

Wissenschaftsthemen in wenigen Minuten mitreißend erklären: Darum geht es beim internationalen FameLab-Wettbewerb für junge Wissenschaftler*innen. Für den Vorentscheid am 8. März 2021 werden Forschende gesucht, die ihre Themen spannend präsentieren. Teilnehmen können Masterstudierende, Promovierende und Wissenschaftler*innen ab 21 Jahren, die in den Bereichen Naturwissenschaft, Technik, Mathematik, Informatik, Psychologie oder Medizin forschen, studieren oder arbeiten. Bis zum 22. Februar können sich Interessierte online anmelden.

Beim FameLab haben die Teilnehmer*innen genau drei Minuten Zeit, um ein naturwissenschaftliches Thema sachlich richtig und unterhaltsam zu erklären. Dabei sind alle Hilfsmittel erlaubt, die am Körper getragen werden können – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

In Bielefeld und weiteren Städten im gesamten Bundesgebiet finden zunächst Vorentscheide statt. Die Sieger*innen der Vorrunde qualifizieren sich für das Deutschlandfinale am 22. April. Die Teilnahme lohnt sich: Wer mitmacht hat nicht nur Gelegenheit, Kontakte zu engagierten Nachwuchswissenschaftler*innen zu knüpfen und die öffentliche Aufmerksamkeit für die eigenen wissenschaftlichen Themen zu gewinnen. Die drei Finalist*innen des Vorentscheids in Bielefeld erhalten außerdem attraktive Preise. Unter anderem erhalten die beiden Erstplatzierten einen zweitägigen Workshop zur Wissenschaftskommunikation in Berlin.

Das Wissenschaftsbüro von Bielefeld Marketing ist bundesweiter Partner des FameLab-Wettbewerbs, der inzwischen in rund 35 Ländern weltweit ausgetragen wird. Seit der Gründung 2005 hat es sich zu einem internationalen Wettbewerb in der Wissenschaftskommunikation entwickelt. Das FameLab in Bielefeld wird unterstützt durch die Goldbeck GmbH, die Volksbank Bielefeld-Gütersloh sowie die Universität Bielefeld.

Termine

FameLab Germany: Vorentscheid Bielefeld
Zeit: Montag, 8. März 2021, um 19 Uhr
Ort: Stadthalle Bielefeld (Willy-Brandt-Platz 1, 33602 Bielefeld)

FameLab Germany: Finale
Zeit: Donnerstag, 22. April 2021, um 19 Uhr
Ort: Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld (Lampingstraße 16, 33615 Bielefeld)

Erfolge beim FameLab 2020

Beim FameLab 2020 qualifizierte sich Niklas Hoffmann für das Finale. Der 26-Jährige forscht an der Universität Bielefeld im Fach Biologie.

Gewinnerin des FameLab 2020 wurde Nicola Ganter wurde mit ihrem Vortrag „Pimp my Part“. Anschaulich erklärt sie ihre Forschung und Arbeit am Institut für Produktentwicklung (iPEG) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.

Covid-19-Debatten und andere Online-Diskussionen mithilfe von Bots vielseitiger machen

Bots stehen als Programme, die automatisiert mit Nutzerinnen in Verbindung treten, oft in der Kritik. So werden sie genutzt, um in sozialen Medien Falschinformationen zur Covid-19-Pandemie zu verbreiten. Welchen Einfluss haben Bots aber genau und wie lassen sich Diskussionen beeinflussen, in denen sie aktiv sind? Für ein interdisziplinäres Projekt, das sich mit dieser Frage befasst, gibt es nun eine Förderung der Volkswagenstiftung in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre. Für die Forschung, an der Informatikerinnen, Soziologinnen und Psychologinnen mitwirken, kooperieren Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, der Fachhochschule Bielefeld, des Trinity College in Dublin (Irland) und der National University of Australia in Canberra (Australien).

Das Projekt heißt „Bots Building Bridges“ (3B, auf Deutsch: Roboter, die Brücken bauen). Professor Dr. Philipp Cimiano vom Institut CITEC der Universität Bielefeld leitet zusammen mit Dr. Ole Pütz eines der Projektteams, Professorin Dr. Elena Esposito und Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie leiten das zweite Projektteam, das an der Universität Bielefeld angesiedelt ist.

Hintergrund des Projekts ist die Erkenntnis, dass Bots erhebliche Wirkung entfalten können, wenn es ihnen gelingt, Meinungen zu beeinflussen. „Sie können zum Beispiel dazu führen, dass ein Thema überhaupt als relevant wahrgenommen wird, indem Bots Tweets massiv teilen“, erläutert Professor Dr. Philipp Cimiano vom Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC), Leiter der Forschungs-gruppe Semantische Datenbanken. Er forscht nicht nur im aktuellen Projekt zu Bots, sondern leitete auch das Vorgängerprojekt Unbiased Bots That Build Bridges (U3B, auf Deutsch: Unparteiische Roboter, die Brücken bauen.)

Prof. Dr. Philipp Cimiano vom Institut CITEC der Universität Bielefeld leitet das neue Forschungsprojekt zu Bots als Unterstützern von Meinungsvielfalt.
Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

Bots als Verbreiter von Fake News
Hat da eigentlich gerade ein Mensch kommentiert – oder eine Maschine? Manchmal ist das gar nicht so einfach zu unterscheiden: Es gibt automatisierte Programme, die im Internet mit Nutzer*innen in Verbindung treten und beispielsweise Nachrichten verbreiten können. Solche Computerprogramme werden als Bots bezeichnet. Diese Meinungsroboter sind speziell dafür entwickelt, in sozialen Netzwerken zu agieren.

Die Programme stehen deshalb oft in der Kritik – so sollen sie beispielsweise bei den vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen in den USA die öffentliche Meinung beeinflusst haben. Aber womöglich könnten Bots auch auf positive Weise zur Meinungsbildung beitragen. „Das Gesamtprojekt hat das Ziel, zu analysieren, ob wir Bots nicht auch als eine Lösung ansehen könnten“, erläutert Cimiano. Dafür wollen die Forschenden nun eigens programmierte Bots einsetzen, die den Diskurs beleben und bei strittigen Themen Argumente liefern. Dafür ist es für die Forschenden zunächst einmal wichtig, Bots überhaupt als solche zu erkennen. So können Bots beispielsweise dadurch auffallen, dass sie in regelmäßigen Abständen posten oder bei ihren Inhalten und Ausdrücken nur wenig variieren.

Mit Bots Forschungsbefunde zu Covid-19 in Diskussionen tragen
Im aktuellen Projekt geht es nun darum, mit den eigens programmierten Bots aktiv in den Diskurs einzugreifen. Als Untersuchungsfeld dienen dazu die sozialen Netzwerke Twitter und Reddit. „Wir überlegen aktuell, ob wir uns thematisch auf Covid-19 konzentrieren“, sagt Cimiano. Zu diesem Thema gebe es viele Falschinformationen und Verschwörungserzählungen – und es polarisiere stark. Die Forschenden wollen Accounts sowie Diskussionen identifizieren, bei denen bestimmte Schlüssel-begriffe übermäßig stark auftauchen. „Unser Ziel ist es, eine neutrale Sichtweise zu schaffen und Argumente dafür zu liefern, dass man etwas auch anders sehen könnte“, erläutert der Informatiker. „Wir wollen nicht sagen, wie etwas ist, sondern die Nutzer*innen dazu animieren, Dinge zu hinterfragen.“

Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie analysiert für das Projekt zum Beispiel, welche Typen von Bots es gibt. Foto: Universität Bielefeld

Beim Thema Impfungen, das auch bei Covid-19 gerade aktuell ist, taucht beispielsweise schon seit Jahren immer wieder die Behauptung auf, dass Impfen Autismus auslösen könne. „Ein Bot könnte in dem Fall auf Forschungsergebnisse verweisen, die diese Theorie widerlegen“, erläutert Cimiano. Wichtig sei es, auf Quellen zu verweisen. Ebenfalls ein entscheidender Punkt: Der Bot der Forschenden würde sich immer als solcher zu erkennen geben und offen agieren. Damit unterscheidet er sich von den Bots, die verdeckt aktiv sind. „Alles andere wäre unethisch.“

Wie Bots agieren, haben die Forschenden bereits in dem vorangegangenen Projekt U3B analysiert. Nun wird es darum gehen, Inhalte und Diskurse weiter zu erforschen. „Außerdem führen wir qualitative Analysen durch, bei denen wir untersuchen, was für Typen von Bots es gibt und welche Kommunikationsstrategien diese nutzen“, sagt Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Damit wollen die Wissenschaftler*innen die Möglichkeit verbessern, Bots automatisch zu erkennen.

„Wir wollen mit unserem Projekt aber nicht nur die Aktivitäten von sozialen Bots aufdecken, sondern Werkzeuge entwickeln, die von menschlichen Nutzer*innen genutzt werden können, um die Debattenkultur im Internet zu verbessern,“ erklärt Dr. Ole Pütz, Mitarbeiter in Cimianos Forschungsgruppe. Die Wissenschaftlerinnen setzten dabei auch auf Kooperationen mit NGOs. „Wir glauben, dass Bots Teil der Lösung sein können, aber noch wichtiger sind die Menschen selbst, die sich an Debatten beteiligen.“

Muttermilchversorgung von Frühgeborenen verbessern

Ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt soll den Effekt der Versorgung von Frühgeborenen mit Muttermilch möglichst genau messen – in Zusammenarbeit mit zwölf teilnehmenden Krankenhäusern. Langfristiges Ziel des Projekts mit dem Namen NEO-Milk: Zugang zu Muttermilch ab dem ersten Lebenstag für jedes Frühgeborene unter 1.500 Gramm. Die Forschungsgruppe von Professorin Dr. Friederike Eyssel am Institut CITEC der Universität Bielefeld ist an dem Projekt beteiligt. Geleitet wird NEO-Milk vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln. Das Projekt startet zum 1. Januar 2021. Es wird für vier Jahre mit insgesamt rund 4,7 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung gefördert. Neben einer Vielzahl an wissenschaftlichen und klinischen Kooperationspartnern sind auch Krankenkassen an dem Projekt beteiligt.

„Besonders für frühgeborene Kinder ist Muttermilch wichtig – auch, weil sie dazu beiträgt, gefährliche Erkrankungen zu verhindern“, sagt Professorin Dr. Friederike Eyssel, Forscherin am Institut CITEC und der Abteilung für Psychologie. Sie leitet die Forschungsgruppe Angewandte Sozialpsychologie und Geschlechterforschung. „Trotz Stillbetreuung im Krankenhaus und mit Beratungsangeboten führen unterschiedliche Faktoren dazu, dass manche Mütter nicht oder nur kurze Zeit stillen. Deswegen erforschen wir in dem neuen Projekt zum Beispiel, was dazu führt, dass Mütter stillen oder eigene Muttermilch für andere Kinder zur Verfügung zu stellen.“

Dafür soll unter anderem ermittelt werden, welche psychologischen Faktoren voraussagen, ob Mütter ihre Neugeborenen stillen oder darauf verzichten. „Ob eine Mutter stillt, hängt zum Beispiel damit zusammen, wie sehr sie sich an als typisch wahrgenommenen Geschlechtsrollen orientiert“, sagt Dr. Ricarda Wullenkord, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Eyssels Forschungsgruppe. Die Sozialpsychologin wird in dem neuen Projekt erforschen, welche persönlichen Einstellungen die Stillbereitschaft und das Stillverhalten voraussagen können. Sie arbeitet zudem an einem Stillförderkonzept mit, das in den teilnehmenden Krankenhäusern erprobt und evaluiert werden soll.

Die CITEC-Forscherin Prof’in Dr. Friederike Eyssel forscht in dem neuen Projekt zum Stillverhalten von Müttern und ihrer Bereitschaft, Muttermilch zu spenden. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

„Außerdem entwickeln wir im Projekt eine App“, sagt Friederike Eyssel. „Die App soll Mütter von Frühgeborenen künftig über das Stillen informieren und ihnen helfen, mühelos zu erfassen, wie oft sie ihr Kind stillen und wie die Milchproduktion zu- oder abnimmt. Für die App berücksichtigen wir auch sozialpsychologische Aspekte, indem wir die Nutzerinnen zum Beispiel fördern, die eigene Selbstwirksamkeit wahrzunehmen.“

In dem Projekt Neo-Milk werden Wissenschaftler*innen unter anderem 2.700 Mütter von Frühgeborenen auf neonatologischen Intensivstationen (Frühgeborenenstationen) nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen befragen. Das Stillförderungskonzept soll im Anschluss entwickelt werden, ebenso die App für Mütter von Frühgeborenen. Das Projekt sieht ebenfalls Schulungen der Pflegekräfte und Ärzt*innen vor.

Dr. Ricarda Wullenkord, ebenfalls vom Institut CITEC, arbeitet in dem Projekt Neo-Milk unter anderem an einer App, die Mütter von Frühgeborenen unterstützen soll, regelmäßig zu stillen. Foto: Universität Bielefeld

Nach den Vorarbeiten werden ab 2022 das Stillförderungskonzept und die Muttermilchbanken an zwölf beteiligten Perinatalzentren starten. Solche Zentren sind für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen zuständig. Zwei Jahre lang wird der Einsatz des Versorgungskonzeptes wissenschaftlich beobachtet und begleitend evaluiert. Die Forscher*innen erfassen Daten über den Anteil der Kinder, die bei der Entlassung mit Muttermilch ernährt werden. Sie analysieren das Spende- und Stillverhalten der Mütter. Auch untersuchen sie, wie Muttermilchbanken genutzt werden.

In Deutschland kommen jedes Jahr circa. 10.500 Frühgeborene mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Sie sind in besonderem Maße von Komplikationen betroffen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder zum Tod führen können. Stillförderung ist ein Schlüsselelement, um Frühgeborene bestmöglich zu versorgen. Muttermilch ist gerade für frühgeborene Kinder essenziell, zum einen für die Verhinderung vital bedrohlicher Infektionen wie beispielsweise die nekrotisierende Enterokolitis (NEC), eine häufig akute Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Zum anderen ist sie für die Prägung des Immunsystems und die kognitive Entwicklung entscheidend.

Muttermilchbanken existieren weltweit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während die DDR an dem Konzept der Humanmilchbanken festhielt, wurden sie in Westdeutschland im Laufe der Jahrzehnte abgeschafft. Neben vielen Faktoren war eine Ursache dafür das Aufkommen der industriell gefertigten Formula-Nahrung. Auch wenn sich wieder ein Trend in Richtung der Muttermilch abzeichnet: Aktuell findet in Deutschland weder eine strukturierte Stillförderung statt, noch ist für Frühgeborene der Zugang zu Muttermilch in der Breite gewährleistet. So sind momentan etwa 30 Muttermilchbanken in Betrieb, es existieren jedoch alleine mehr als 200 Perinatalzentren (Level 1), in denen Früh- und Neugeborene versorgt werden.

Nach Projektende bewertet die Förderinstitution die Ergebnisse und entscheidet auf Basis der erarbeiteten rechtlichen und strukturellen Grundlagen über die bundesweite Etablierung von Muttermilchbanken.

Universität Bielefeld kooperiert mit Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS)

Die Universität Bielefeld und das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. in Dortmund haben eine Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre geschlossen. Die Partner möchten sich auf den Gebieten Bioinformatik, Bioanalytik und Biomedizin strategisch ergänzen. Als Erstes wird jetzt eine gemeinsame Juniorprofessur für mehrdimensionale Omics-Analysen ausgeschrieben. Die Professur ist in der Bioinformatik angesiedelt und soll an Methoden zur Analyse und Visualisierung von Messdaten arbeiten, die auf genomischer Ebene Einblick in den Menschen gewähren. Gemeinsames Ziel ist es, einen Beitrag zur personalisierten Medizin zu leisten.

Um zu verstehen, wie Erkrankungen entstehen oder Krankheitsmechanismen funktionieren, bedarf es einer ganzheitlichen Darstellung verschiedener molekularer Zusammenhänge. So geben mehrdimensionale Analysen bei einer Probe zeitgleich Aufschluss über die Menge, Art, den Zeitpunkt und Ort von etwa Proteinen, Lipiden oder Metaboliten. „Multi-Omics-Analysen sind eine Kernexpertise unseres Instituts und ein wichtiger Bestandteil der biomedizinischen Forschung. Wir freuen uns daher sehr, mit dieser Juniorprofessur die Forschung, beispielsweise bei der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in der Region ausbauen zu können“, sagt Professor Dr. Albert Sickmann, ISAS-Vorstandsvorsitzender.  

Besiegelten die Kooperation: Prof. Dr. Markus Nebel, Prof. Dr. Albert Sickmann, Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer (v.l.). Foto: Universität Bielefeld/S. Sättele

Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, der Rektor der Universität Bielefeld: „Ich bin hoch erfreut, dass uns diese Kooperation in der Bioinformatik gelungen ist. Sie ergänzt hervorragend unsere bisherigen Initiativen auf diesem Gebiet, wie zum Beispiel das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur – de.NBI –, das von Bielefeld aus gesteuert wird.“

Die Juniorprofessur wird mit einer Arbeitsgruppe in der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld ansässig sein. Zeitgleich wird sie eine Forschungsgruppe am ISAS in Dortmund aufbauen. Professor Dr. Markus Nebel, Dekan der Fakultät und gleichzeitig Bioinformatiker, erklärt die Vorteile dieses Konstrukts: „Diese Professur wird sich speziell mit den einzelnen Gebieten der molekularbiologischen Datenanalyse beschäftigen (Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik). Dabei kann sie direkten Bezug zu Anwendern in der Universität aus Biotechnologie und Biologie sowie dem ISAS herstellen.“ Geplant ist, die Professur und die Kooperation dauerhaft fortzuführen.

Über das ISAS
Das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. entwickelt leistungsfähige und wirtschaftliche Analyseverfahren für die Gesundheitsforschung. Mit seinen Innovationen trägt es dazu bei, die Prävention, Frühdiagnose und Therapie von Krankheiten zu verbessern. Ziel des Instituts ist es, die personalisierte Therapie voranzutreiben. Dafür kombiniert das ISAS Wissen aus Chemie, Biologie, Pharmakologie, Physik und Informatik. Das Institut arbeitet eng mit Universitäten im In- und Ausland zusammen, etwa durch gemeinsame Berufungen. Außerdem kooperiert es mit nationalen und internationalen Partnern aus der Wissenschaft und Industrie. Das ISAS wurde 1952 gegründet und beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter*innen.

Über die Universität Bielefeld
Die Universität Bielefeld ist eine forschungsstarke Universität in Nordrhein-Westfalen. Sie ist etwa 120 Kilometer vom ISAS in Dortmund entfernt. In ihrem Anspruch heißt es: „Unsere Forscher*innen überwinden Grenzen – zwischen Disziplinen, zwischen Menschen und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Grundsatz ‚Transcending Boundaries‘ ist Antrieb für grundlagenorientierte Spitzenforschung auf internationalem Niveau.“ 

Weitere Informationen: 
Link zur Ausschreibung

Was Rassismus für die Identität von Gesellschaften bedeutet

Zu jeder Nation gehört die Vorstellung, dass ihre Mitglieder durch bestimmte Gemeinsamkeiten verbunden sind. Die Nation erscheint als eine Gemeinschaft von Menschen – und das obwohl sich diese Menschen persönlich zum größten Teil nie begegnen werden. Welche Bedeutung haben Rassismus und Rassekonstruktionen für die Identität von nationalstaatlich verfassten Gesellschaften? Das diskutieren Wissenschaftler*innen am 17. und 18. Dezember auf der interdisziplinären Online-Tagung „Rasse und das Imaginäre von Gesellschaft im Zeitalter der Migration“. Die Konferenz wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert.

Wer zu einer Gesellschaft gehört und wer „anders“ ist, sei das Ergebnis von Vorstellungen, die gepflegt, und von Geschichten, die erzählt werden, sagt Tagungsleiter Professor Dr. Paul Mecheril. Foto: Universität Bielefeld

Wer zu einer Gesellschaft gehört und wer „anders“ ist, sei vor allem das Ergebnis von Vorstellungen, die gepflegt, und von Geschichten, die erzählt werden, sagt Professor Dr. Paul Mecheril, der an der Universität Bielefeld Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Migration lehrt. Er leitet die Online-Tagung Mitte Dezember.

Die Vorstellungen zur Zugehörigkeit bekommen Mecheril zufolge in einer Zeit zunehmender Migration eine konkrete Bedeutung: „Die nationalstaatliche Ordnung ist darauf angewiesen, Fragen der Zugehörigkeit zu beantworten, zu klären, wer Bürger*in eines Landes ist und wer nicht. Und diese Bestimmung und Vorstellung des Eigenen stabilisiert sich durch den Bezug auf die erdachten und phantasierten Anderen“, sagt der Forscher.

„Auf unserer Tagung möchten wir aus dem Blickwinkel der Rassismus-Theorie auf das Imaginäre von Gesellschaft schauen“, so Paul Mecheril. Zwar habe sich die deutsche und die europäische Gesellschaft schon lange den Antirassismus auf die Fahnen geschrieben. Auch seien sich Wissenschaftler*innen längst einig, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Dennoch spielen Rassekonstruktionen laut Mecheril immer wieder eine Rolle, wenn es darum geht, die Zugehörigkeit und Identität von Menschen zu definieren.

Um der Rolle nachzugehen, die Rassekonstruktionen bei der Konstruktion von deutscher und europäischer Identität zukommt, wird es auf der Tagung neben Vorträgen vor allem moderierte Zweiergespräche zwischen den 20 Wissenschaftler*innen geben. In den Gesprächen soll deutlich werden, wie Forschende aus Disziplinen wie Migrationsforschung, Pädagogik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte, Germanistik, Kulturanthropologie und Politikwissenschaft das Thema Migration angehen.

Ebenfalls auf dem Programm: Eine Lesung der Autorin und Rassismusforscherin Pasquale Virginie Rotter und eine Performance der Künstlerin Soyong Ki.

Die Tagung ist die erste des neuen Arbeitsbereichs Migration der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld und ist als Startschuss einer mehrjährigen Forschungskooperation geplant.

Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de gebeten. Die Tagungssprache ist Deutsch.

Weitere Informationen

Website der Tagung mit Programm und Link zur Teilnahme

Universität Bielefeld kauft Gebäude für die Medizinische Fakultät OWL

Die Universität Bielefeld hat ein Büro- und Laborgebäude von der BGW Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen mbH und der Innovationszentrum Campus Bielefeld GmbH gekauft. Seit 1. Dezember ist die Universität Bielefeld offizielle Besitzerin des Gebäudes. Es wurde bereits seit 2018 hauptsächlich von der Medizinischen Fakultät OWL genutzt. Das zuvor als ICB bekannte Gebäude heißt jetzt R.1, gemäß der neuen Logik der Medizingebäudenamen an der Morgenbreede und Konsequenz.

Dr. Stephan Becker, der Kanzler der Universität: „Die Universität ist Stadt und BGW dankbar, dass wir schnell und unkompliziert eine nachhaltige Lösung für den ersten größeren Raumbedarf der schnell wachsenden Medizinischen Fakultät gefunden haben. Das Gebäude bietet mit seinen Laboren und Büros alles, was die Fakultät aktuell benötigt. Ein glücklicher Umstand für den ambitionierten Aufbauprozess.“

Sabine Kubitza, Geschäftsführerin der BGW: „Wir freuen uns, dass wir durch den Verkauf des ICB dazu beitragen konnten, die räumlichen Voraussetzungen für den Start der Medizinischen Fakultät zu schaffen und somit einen kleinen Beitrag für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in OWL leisten können.“

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte im Sommer 2017 die Gründung der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld beschlossen. Bereits im November 2018 konnte die Universität das sich noch im Bau befindliche Gebäude teilweise mieten. Im Juli 2019 wurde das ICB offiziell eröffnet.

Das Gebäude an der Morgenbreede, Ecke Voltmannstraße fällt architektonisch durch die abgerundete Ecke auf. Das vierstöckige Gebäude mit Tiefgarage hat 7.144 Quadratmeter Hauptnutzfläche, etwa die Hälfte sind Büros, die andere Hälfte Labore. Es besteht aus vier Gebäudeteilen mit einem zentralen Empfang.

Aktuell nutzt die Medizinische Fakultät das Gebäude. Neben der Fakultätsverwaltung haben die ersten berufenen Professorinnen die Räumlichkeiten bereits bezogen, Forschungsflächen werden derzeit ausgestattet. In Zukunft werden in dem Gebäude, neben Büros und Forschungsflächen, auch ein Studierendenhospital zur Erlernung praktischer Fähigkeiten im Studium, Praktikumsflächen für Medizinstudierende und weitere Seminarräume eingerichtet.

Weitere Informationen:
Campus Süd: Der aktuelle Stand der Baumaßnahmen (Nr. 70/2020), PM vom 8. Oktober 2020
Innovationszentrum Campus Bielefeld

Tag für Absolvent*innen: Online-Event mit Überraschungspost

Die Universität Bielefeld feiert den Tag für Absolvent*innen und würdigt damit die Studierenden, die 2020 erfolgreich ihr Studium beendet haben – auch in diesem besonderen Jahr. Am Freitag, 4. Dezember, kommt der feierliche Abend als Online-Event zu den Absolvent*innen nach Hause. Neben dem Livestream mit Absolvent*innen-Quiz, Singer-Songwriter-Musik von Lotte und Poetry-Slam freuen sich die Absolvent*innen auf ihre Überraschungspakete. Die Universität verschickt Pakete an rund 2.000 angemeldete Absolvent*innen. Das Online-Event ist am 4. Dezember als Livestream zu verfolgen unter www.uni-bielefeld.de/tag-fuer-absolvent_innen.

„Ich möchte unseren diesjährigen Absolvent*innen herzlich zu ihrem Studienabschluss gratulieren. Rund 3.000 junge Menschen haben in diesem herausfordernden Jahr ihr Studium erfolgreich bei uns abgeschlossen, darauf können sie stolz sein. Wir möchten die Leistungen unserer Absolvent*innen – auch ohne die Möglichkeit vor Ort zu feiern – mit einem spannenden Alternativangebot würdigen“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. 

Das Online-Event wird am 4. Dezember ab 20 Uhr live aus der leeren Uni-Halle übertragen. Moderator des Abends ist Sven Stickling, Alumnus der Universität Bielefeld und bekannt von „Die Stereotypen“ (Anmerkung der Redaktion (7. Dezember 2020): Marvin Meinhold hat die Moderation des Abends übernommen). Er begrüßt neben Rektor Gerhard Sagerer vier diesjährige Absolvent*innen. Die Vertreter*innen des Abschlussjahrgangs 2020 stellen sich in einem Quiz ihrer „letzten Prüfung“ des Studiums. Dabei beantworten sie Fragen rund um ihr Studierendenleben und die Universität. Gewinnen können sie einen Gutschein eines Einrichtungshauses und einen Preis für ihre Fachschaft.  

Singer-Songwriterin Lotte, live beim Tag für Absolvent*innen. Foto: Christoph Köstlin

Musikalischer Höhepunkt des Abends ist der Live-Auftritt von Singer-Songwriterin Lotte, bekannt von Songs wie „Auf das was da noch kommt“ und „Mehr davon“. Außerdem tritt Kolja Fach, in Bielefeld geborener Poetry-Slammer, auf. Im Vorfeld des Online-Events am 4. Dezember verabschieden viele Fakultäten sowie die Bielefeld School of Education ihre Absolvent*innen mit separaten Angeboten in digitaler Form. 

Kolja Fach, Poetry-Slammer aus Bielefeld, Foto: privat

Das Überraschungspaket wird den Absolvent*innen per Post zugestellt. Was genau darin enthalten ist, bleibt noch eine Überraschung. Nur so viel: Die Absolvent*innen erreichen Aufmerksamkeiten ihrer Universität und ihrer Fakultäten, welche zu einem schönen Abend und einem gelungenen Studienabschluss im privaten Rahmen beitragen sollen. Begleitend zum Online-Event berichtet die Universität auf ihren Social Media-Kanälen über das Online-Event. Absolvent*innen können zum Posten von Bilder ihrer privaten Abschlussfeier den Hashtag #tfa2020 nutzen.  

Die Universität Bielefeld engagiert sich für die Weiterentwicklung einer geschlechtergerechten Wissenschafts- und Universitätskultur. Ein Bestandteil ist eine gendergerechte Sprache. In diesem Zusammenhang begeht sie ab diesem Jahr den „Tag für Absolvent*innen“, zuvor bekannt als „Absolvententag“.   

Die Universität Bielefeld dankt dem Absolventen-Netzwerk der Universität Bielefeld e. V. und der Universitätsgesellschaft Bielefeld für die Unterstützung beim Tag für Absolvent*innen 2020. 

Weitere Informationen: Die Webseite des Tags für Absolvent*innen 2020 

Das Internet der Dinge lernfähig machen

Autonome Fahrzeuge oder Geräte für intelligente Wohnungen werden immer komplexer. Ein neues System des maschinellen Lernens soll die dafür genutzte Soft- und Hardware robuster, leistungsfähiger und energiesparender machen. Das neue Projekt VEDLIoT wird von der Europäischen Kommission für drei Jahre mit rund acht Millionen Euro finanziert. Davon gehen etwa zwei Millionen Euro an das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld, das das Projekt koordiniert.

Ihr Ziel ist eine selbstlernende Plattform für das Internet der Dinge (v.li.): Jens Hagemeyer, Dr. Carola Haumann und Prof. Dr.-Ing. Ulrich Rückert von der Universität Bielefeld.

In einem intelligenten Zuhause, einem Smarthome, finden die Bewohner*innen Geräte, die ihr Leben einfacher machen sollen: zum Beispiel einen Kühlschrank, der Lebensmittel nachbestellen und gleichzeitig mit dem Backofen kommunizieren kann. Die Geräte und Komponenten zählen zum Internet der Dinge (engl. Internet of Things, kurz IoT). Sie sind an ein Netzwerk angeschlossen und erfassen, speichern, verarbeiten und übertragen Daten. IoT-Geräte werden auch bei selbstfahrenden Autos oder der Industrierobotik eingesetzt.

Künstliche Intelligenz statt konventionellem Verfahren
In dem Projekt arbeiten zwölf Partner*innen aus den vier EU-Ländern Deutschland, Polen, Portugal und Schweden und dem EU-Assoziationsstaat Schweiz zusammen. Anstelle klassischer Verfahren, beispielsweise aus dem Bereich der Statistik, setzt das internationale Forschungsteam Verfahren des maschinellen Lernens ein, zum Beispiel Deep Learning (mehrschichtiges Lernen). Dafür werden künstliche neuronale Netze genutzt. „Beim Deep Learning hat das zugrunde liegende Netz neben Eingangs- und Ausgangsneuronen auch viele Zwischenneuronen und -schichten. Auf diese Weise lassen sich komplexe Sachverhalte abbilden“, sagt Jens Hagemeyer. Der Elektrotechniker forscht in der Gruppe Kognitronik und Sensorik und ist technischer Leiter des Projektes. „Wir stellen die Informationen bereit, die Maschinen lernen und entscheiden selbst.“

Mit der selbstlernenden Plattform VEDLIoT sollen IoT-Geräte leistungsfähiger werden und gleichzeitig weniger Energie verbrauchen. Dafür entwickeln die Forschenden eine modulare Hardware-Plattform: Auf einem Träger werden Microserver in der Größe einer Hand in unterschiedlichen Leistungsklassen kombiniert. „Je nach Anwendungsanforderung können die Server individuell auf dem Träger zusammengestellt werden. So ist die Plattform universell einsetzbar“, sagt Hagemeyer. Auch Totalausfälle werden mit dem neuen System vermieden: „Fällt ein Server beispielsweise wegen eines schwachen Funknetzes aus, ist das gesamte Gerät trotzdem noch bedienbar. In einem selbstfahrenden Auto würden die Benutzer*innen den Ausfall eines Servers im besten Fall überhaupt nicht merken.“

Ausschreibung für weitere Projektbeteiligungen
„Einige der Projektpartner*innen arbeiten seit vielen Jahren zusammen“, sagt Dr. Carola Haumann, Projektmanagerin und stellvertretende Geschäftsführerin des CoR-Labs. Zu den Partner*innen des Projekts zählen sieben Universitäten und Forschungsinstitute, die zur künstlichen Intelligenz und dem Internet der Dinge forschen. Die anderen Partner*innen sind Unternehmen unterschiedlicher Größe, vom Start-up EmbeDL bis zum Großkonzern Siemens.

Das neue Projekt VEDLIoT entwickelt eine modulare Hardware-Plattform, die zum Beispiel in einem intelligenten Spiegel oder anderen Smarthome-Geräten eingesetzt werden kann.

Aber auch weitere Unternehmen können sich noch am Projekt beteiligen: „Wir gehen davon aus, dass wir im Projekt zusätzlich zu den bereits vorhandenen Anwendungen in den Bereichen Automobil, Automatisierung und Smarthome noch mindestens zehn weitere Anwendungsbeispiele finanzieren. Für diese wollen wir zusätzliche Unternehmen einbinden“, so Haumann. Mitte 2022 soll ein Prototyp fertiggestellt sein. „Die Ergebnisse aus den Anwendungen fließen während der Projektlaufzeit in die IoT-Plattform ein“, sagt Jens Hagemeyer. „Dadurch können wir die Plattform direkt weiterentwickeln.“

Das Projekt ist im November gestartet, ein erster intensiver Workshop aller Projektpartner*innen ist für Anfang Dezember geplant. Ende 2023 soll das Projekt abgeschlossen werden. Finanziert wird es über die Förderlinie zu Informations- und Kommunikationstechnologien im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 “ (Förderziffer 957197). Der Name VEDLIoT steht für „Very Efficient Deep Learning in IoT“ (Hocheffizientes Deep Learning im Internet der Dinge).

Beteiligte Forschungseinrichtungen und Hochschulen des Projekts sind neben der Universität Bielefeld: die Technische Hochschule Chalmers in Göteborg (Schweden), die Universität Neuenburg (Schweiz), die Universität Osnabrück, die Universität Göteborg (Schweden), die Research Institutes of Sweden (RISE) in Göteborg (Schweden) und FCiências.ID, eine Vereinigung für Forschung und Entwicklung in Lissabon (Portugal). Beteiligte Unternehmen sind: Antmicro in Posen (Polen), EmbeDL in Göteborg (Schweden), der Siemens-Konzern mit Sitz in München und Berlin, Christmann Informationstechnik & Medien in Ilsede sowie die Firma Veoneer in Stockholm (Schweden).


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