Flexibles Verhalten bei Menschen, Tieren und Maschinen


Autor*in: Universität Bielefeld

Intelligente Technik verfügt heute über beeindruckende Fähigkeiten, doch bislang sind alle diese Systeme Spezialisten. Kein Roboter und kein Computerprogramm kann sich so flexibel auf unterschiedliche Situationen einstellen wie Menschen und Tiere. Zehn Monate, von Oktober 2019 bis Juli 2020, hat eine internationale Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld daran gearbeitet, flexibles Verhalten besser zu verstehen. Auf ihrer Abschlusstagung, die vom 31. August bis zum 3. September am ZiF stattfindet, diskutieren die Forscher*innen nun ihre Ergebnisse. Der Titel der Tagung: Enabling flexible behavior: From frameworks to mechanisms and complete systems (Flexibles Verhalten ermöglichen: von Rahmenwerken bis zu Mechanismen und vollständigen Systemen).

Für Menschen ist es meistens nicht weiter schwierig, sich auf Veränderungen in ihrer Umwelt einzustellen: Steht die Tasse nicht richtig unter der Kaffeemaschine, rücken wir sie zurecht. Ist über Nacht Schnee gefallen, greifen wir zur Schaufel. Sind keine Kartoffeln mehr da, kochen wir eben Nudeln. Für Computerprogramme ist der Umgang mit unvorhergesehenen Veränderungen eine viel größere Herausforderung, als den Weltmeister im Schach zu schlagen. Ähnliches gilt für Roboter: Sollen sie sich in der Welt bewegen, statt festgeschraubt an Fließbändern immer dieselbe Bewegung auszuführen, müssen sie ihre Umwelt wahrnehmen, Entscheidungen treffen und Handlungen planen. Mensch und Tier dienen dabei als Vorbilder – deshalb arbeiten Forschende aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Psychologie, Biologie und Verhaltensforschung zusammen, um Maschinen zu befähigen, sich an wechselnde Situationen anzupassen.

Der Neuroinformatiker Prof. Dr. Helge Ritter (li.) und der Psychologe Prof. Dr. Werner Schneider (re.) leiten die Tagung. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche kognitiven Prozesse Menschen, Tiere und Maschinen beherrschen müssen, um situationsflexibel Aufgaben bewältigen zu können. Fotos: Universität Bielefeld

„Derzeit sehen wir faszinierende Fortschritte in ganz unterschiedlichen Forschungsbereichen und arbeiten daran, diese zusammenzubringen, um flexibles Verhalten bei Menschen, Tieren und Maschinen besser zu verstehen“, sagt der Psychologe Professor Dr. Werner Schneider von der Universität Bielefeld, der die Forschungsgruppe zusammen mit dem Neuroinformatiker Professor Dr. Helge Ritter, ebenfalls von der Universität Bielefeld, geleitet hat.

Ausgangspunkt der Forschenden waren die sogenannten Situationsmodelle. Diese geben an, welche kognitiven Prozesse nötig sind, um eine Aufgabe zu bewältigen. Dazu gehört die Wahrnehmung und Erkundung einer Situation, das Durchspielen verschiedener Handlungsmöglichkeiten in Gedanken, die Ausführung einer Handlung sowie das Erinnern an ähnliche Konstellationen und das Lernen aus Erfolgen und Misserfolgen. „Um einen produktiven Dialog zwischen den unterschiedlichen Forschungsfeldern zu ermöglichen, haben wir uns auf basale, nicht sprachlich vermittelte Formen des Verhaltens konzentriert, auf Navigation und Suche, Lernen und Gedächtnis“, berichtet Helge Ritter.

An der Abschlusstagung nehmen über 60 Forschende aus acht Ländern teil. Im Mittelpunkt der Abschlusstagung stehen vier Themenfelder: Wie entscheidet ein Organismus, was für die Lösung einer anstehenden Aufgabe wichtig ist und was dieser ignorieren kann? Welche Rolle spielen Lernen und Entscheiden? Wie repräsentieren Organismen eine Situation im Kopf? Und schließlich: Wie spielen diese verschiedenen Bereiche zusammen? „Letztlich erhoffen wir uns Einsichten in grundlegende Mechanismen im flexiblen Verhalten von Menschen und Tieren, die sich auch für den Bau intelligenter Maschinen nutzen lassen“, sagt Helge Ritter und Werner Schneider ergänzt: „Situationsmodelle werden dabei eine zentrale Rolle spielen.“