Kompetenz im Umgang mit Pandemie angestiegen
An dieser Stelle sammeln wir aktuelle Initiativen von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen. Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.
(mehr …)Künstliche Intelligenz verstehbar machen – Erklärprozesse gestalten
Bewerbungen aussortieren, Röntgenbilder begutachten, eine neue Songliste vorschlagen – die Mensch-Maschine-Interaktion ist inzwischen fester Bestandteil des modernen Lebens. Grundlage für solche Prozesse künstlicher Intelligenz (KI) sind algorithmische Entscheidungsfindungen. Da diese in der Regel aber schwer nachzuvollziehen sind, bringen sie häufig nicht den erhofften Nutzen mit sich. Um das zu ändern, diskutieren Wissenschaftler*innen der Universitäten Paderborn und Bielefeld, wie die Erklärbarkeit künstlicher Intelligenz verbessert und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst werden kann. Der Ansatz wurde jetzt in dem renommierten Journal „IEEE Transactions on Cognitive and Developmental Systems“ veröffentlicht. Die Forscher*innen stellen Erklären dabei als eine soziale Praktik vor, bei der beide Seiten den Prozess des Verstehens gemeinsam konstruieren.

Erklärbarkeitsforschung
„Künstliche Systeme sind komplex geworden. Das ist ein ernsthaftes Problem – insbesondere dann, wenn Menschen für computerbasierte Entscheidungen verantwortlich gemacht werden“, betont Professor Dr. Philipp Cimiano, Informatiker der Universität Bielefeld. Gerade bei Vorhersagen im Bereich der Medizin oder der Rechtsprechung sei es notwendig, die maschinengesteuerte Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, so Cimiano weiter. Zwar gebe es bereits Ansätze, die eine Erklärbarkeit entsprechender Systeme zum Gegenstand hätten, ausreichend sei das aber noch lange nicht. Auch Professorin Dr. Katharina Rohlfing von der Universität Paderborn bestätigt den dringenden Handlungsbedarf: „Bürger*innen haben ein Recht darauf, dass algorithmische Entscheidungen transparent gemacht werden. Das Anliegen ist nicht ohne Grund Gegenstand der General Data Protection-Verordnung der Europäischen Union.“ Das Ziel, Algorithmen zugänglich zu machen, ist Kern der sogenannten „eXplainable Artificial Intelligence (XAI)“: „Bei der Erklärbarkeitsforschung stehen Transparenz und Interpretierbarkeit aktuell als gewünschte Ergebnisse im Mittelpunkt“, so Rohlfing über den Stand der Forschung.
Entscheidungsfindung nachvollziehen
Die an der Veröffentlichung beteiligten Wissenschaftler*innen gehen einen Schritt weiter und untersuchen computerbasierte Erklärungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei sehen sie es als gesetzt an, dass Erklärungen nur dann für die Anwender*innen nachvollziehbar sind, wenn sie nicht nur für sie, sondern auch mit ihnen entstehen: „Wir wissen aus vielen Alltagssituationen, dass eine gute Erklärung für sich nichts bringt, wenn die Erfahrungen der anderen Seite unberücksichtigt bleiben. Wer sich wundert, warum seine Bewerbung durch den Algorithmus aussortiert wurde, möchte normalerweise nichts über die Technologie des maschinellen Lernens erfahren, sondern fragt nach der Datenverarbeitung in Bezug auf die eigenen Qualifikationen“, erklärt Rohlfing.
„Wenn Menschen miteinander interagieren, sorgt der Austausch zwischen den Beteiligten dafür, dass eine Erklärung an das Verständnis des Gegenübers angepasst wird. Der Gesprächspartner stellt vertiefende Fragen oder kann Unverständnis äußern, das anschließend aufgelöst wird. Im Fall von künstlicher Intelligenz ist das aufgrund mangelnder Interaktionsfähigkeit mit Einschränkungen verbunden“, so Rohlfing weiter. Um das zu ändern, arbeiten Linguist*innen, Psycholog*innen, Medienforscher*innen, Soziolog*innen, Ökonom*innen und Informatiker*innen in einem interdisziplinären Team eng zusammen. Die Expert*innen untersuchen Computermodelle und komplexe KI-Systeme sowie Rollen des kommunikativen Handelns.
Erklären als soziale Praktik
Die Paderborner und Bielefelder Wissenschaftler*innen haben einen konzeptionellen Rahmen für das Design von erklärbaren KI-Systemen entwickelt. Rohlfing: „Mit unserem Ansatz können KI-Systeme ausgewählte Fragen so beantworten, dass der Prozess interaktiv gestaltet werden kann. Auf diese Weise wird eine Erklärung auf den Gesprächspartner zugeschnitten und soziale Aspekte in die Entscheidungsfindung miteinbezogen.“ Das Forscher*innenteam versteht Erklärungen dabei als Abfolge von Handlungen, die von den Parteien im Sinne einer sozialen Praktik zusammengebracht werden.
Konkret soll das durch das sogenannte Scaffolding und Monitoring gesteuert werden. Die Konzepte stammen aus dem Bereich der Entwicklungsforschung: „Vereinfacht ausgedrückt beschreibt Scaffolding – aus dem Englischen für ‚Gerüst‘ – eine Methode, bei der Lernprozesse durch Denkanstöße und Hilfestellungen unterstützt und in Teilschritte zerlegt werden. Beim Monitoring geht es um das Beobachten und Einschätzen der Reaktionen des Gegenübers“, so Rohlfing. Ziel der Wissenschaftler*innen ist es, diese Prinzipien auf KI-Systeme anzuwenden.
Neue Assistenzformen
Der Ansatz soll die aktuelle Forschung erweitern und neue Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz geben. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass es nur dann gelingen kann, aus einer Erklärung Wissen und weiteres Handeln abzuleiten, wenn der Gesprächspartner in den Erklärprozess miteinbezogen wird. Im Kern geht es dabei um die Teilnahme der Menschen an soziotechnischen Systemen. „Unser Ziel ist es, neue Formen von Kommunikation mit wirklich erklärbaren und verstehbaren KI-Systemen zu schaffen und somit neue Assistenzformen zu ermöglichen“, fasst Rohlfing zusammen.
Stärkung der Prävention bei jeder Form von islamistischer Radikalisierung
„Islamistischer Terrorismus kann nicht alleine mit repressiven Mitteln bekämpft werden. Deutschland braucht eine koordinierte wissensbasierte Prävention vor allem an Schulen und in der Jugendhilfe“, so die Projektpartner des Forschungsverbundes MAPEX in ihrem Abschlussbericht. In den vergangenen drei Jahren haben sie alle Präventions- und Interventionsprojekte im Bereich des islamistischen Extremismus in Deutschland auf einer interaktiven Online-Plattform zusammengetragen. Sie fordern ein Zentrum praxisorientierter Präventionsforschung, in dem Wissen zu Extremismus- und Radikalisierungsphänomenen gespeichert, laufend analysiert und vermittelt wird. An dem Forschungsverbund MAPEX nahmen die Universitäten Bielefeld, Osnabrück, Frankfurt sowie die FH Münster teil.
(mehr …)Mit Wärme Strom erzeugen, ohne seltene Elemente zu nutzen
Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in Strom um. Bisher musste für die Herstellung solcher Generatoren Tellur verwendet werden – eines der seltensten Elemente der Erde. Professorin Dr. Gabi Schierning von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld hat nun mit Kolleg*innen gezeigt, dass auch aus alternativen Materialien effiziente thermoelektrische Module gefertigt werden können. Diese Materialien basieren auf besser verfügbaren Elementen wie Magnesium. Forschende des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden, der University of Houston (USA), dem Harbin Institute of Technology (China) und Gabi Schierning haben die Ergebnisse im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.

„Alternativen zu Tellur zu finden, ist sehr wichtig für die Anwendbarkeit der Thermoelektronik“, sagt Professorin Dr. Gabi Schierning von der Universität Bielefeld. Die Physikerin erforscht thermoelektrische Materialien und Bauelemente in der Arbeitsgruppe Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen. Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in elektrische Energie um: Ladungsträger haben bei hohen Temperaturen eine größere thermische Geschwindigkeit als bei niedrigen. Gibt es in thermoelektrischen Materialien einen Temperaturunterschied, wandern die Ladungsträger von wärmeren in kältere Bereiche und erzeugen dadurch eine nutzbare elektrische Spannung.
Die Technologie könnte eingesetzt werden, um Abwärme – die Wärme, die bei der Energieerzeugung an die Umgebung abgegeben wird – zum Teil wieder nutzbar zu machen. „Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe geht ein großer Teil der erzeugten Energie als Abwärme verloren. Indem aus der Abwärme wieder Elektrizität generiert wird, ließe sich zum Beispiel der Ausstoß von Treibhausgasen verringern“, sagt Schierning.
Die neuen Bauelemente basieren auf Magnesium und Antimon
Abwärme hat meistens Temperaturen bis etwa 250 Grad Celsius. Module aus Tellur-basierten Materialen wandeln in diesem Bereich effizient Wärme in elektrischen Strom um. „Das Ziel ist, Materialien zu finden, die ähnlich effizient sind, aber häufiger in der Erdkruste vorkommen und damit kostengünstiger sind – dadurch steigt die Chance, dass die Technologie marktfähig wird“, sagt Schierning. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler*innen chemische Verbindungen verwendet, die auf den Elementen Magnesium und Antimon basieren. „Dass solche Verbindungen geeignete Materialien für die Thermoelektronik sind, war schon einige Zeit bekannt. Bisher konnte aber nicht gezeigt werden, dass sich aus ihnen auch funktionierende thermoelektrische Bauelemente herstellen lassen. Das ist uns nun gelungen“, so Schierning.
Zunächst haben die Wissenschaftler*innen die thermoelektrischen Materialien synthetisiert. Dazu werden alle Bestandteile zu einem feinen Pulver vermahlen und unter Hitze verdichtet. Aus diesen Materialien wird danach das Modul angefertigt. Dr. Pingjun Ying und Dr. Ran He vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden haben dafür sowohl die Synthese der Materialien als auch den Aufbau so optimiert, dass das Bauelement möglichst effizient elektrische Energie generieren kann, was zum Beispiel von der Schichtung des Materials oder der geometrischen Struktur des Moduls abhängt. Diese Untersuchungen zeigen, dass die Magnesium-basierten Bauelemente genauso effizient sind wie Tellur-basierte.
Wissenschaftlerin wird vom Europäischen Forschungsrat gefördert
Gabi Schierning, die vorher ebenfalls am Leibniz-Institut in Dresden tätig war, ist seit Oktober 2020 Professorin für Experimentalphysik an der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Der Europäische Forschungsrat ERC hat sie Ende 2019 mit dem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet: In dem mit zwei Millionen Euro geförderten Projekt MATTER geht Schierning der Frage nach, wie Oberflächen von thermoelektrischen Materialien beschaffen sein müssen, um effizient elektrischen Strom zu transportieren. „Ich versuche in meiner Forschung den Spagat zwischen Anwendung und Grundlagen“, sagt Schierning.
Wie Furcht und Frieden zusammenhängen
Ein Leben in Frieden und ohne Angst bleibt für viele Menschen ein Wunschtraum. In manchen Gesellschaften gefährden Angst und Furcht den Frieden, in anderen Gesellschaften wird der Frieden durch Unterdrückung und Angst erzwungen. Diese Prozesse sind bislang kaum verstanden, denn Angst- und Friedensforschung gehen meist getrennte Wege. Dem will die Tagung „Peace and Fear – A Multidisciplinary Approach“ („Frieden und Furcht – ein interdisziplinärer Zugang“) begegnen. Expert*innen aus unterschiedlichen Weltregionen und Disziplinen diskutieren in einer digitalen Konferenz von Mittwoch bis Freitag, 17. bis zum 19. Februar darüber, wie Furcht und Frieden zusammenhängen. Der Workshop wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert. Auf dem Programm steht am 18. Februar auch ein öffentlicher, englischsprachiger Vortrag zu Emotionen in der rechtspopulistischen Mobilisierung.

„Weltweit leben Menschen in Angstregimen. Das hat Konsequenzen für zukünftige Fragen der Konflikt- und Friedensregulation“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. „Wir hoffen, gemeinsam mit den exzellenten Forschenden aus unterschiedlichen Weltregionen, die wir in Bielefeld zusammenbringen, die Gefährdungen des Friedens innerhalb und zwischen Gesellschaften besser analysieren zu können“, so Zick. Der Sozialpsychologe leitet die Tagung zusammen mit der Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González (IKG), dem Historiker Sebastián Martínez Fernández (Leibniz Universität Hannover), dem Literaturwissenschaftler Professor Dr. Joachim Michael (Center for InterAmerican Studies, CIAS, Universität Bielefeld) sowie dem Sozialwissenschaftler und Friedensforscher Professor Dr. Roberto Briceno-León (Universidad Central de Venezuela).
Auf dem Programm steht zum Beispiel die Perspektive auf das Individuum und seine Ängste, auch in der aktuellen Pandemie. Außerdem geht ein Panel auf Fragen der Sicherheitspolitik ein. Ein weiteres Panel diskutiert, welche Kräfte Angst und Furcht in Gesellschaften bremsen können und welche Kräfte Angst und Furcht zu schüren versuchen.
22 Expert*innen aus sieben Ländern tragen auf dem Workshop aktuelle Theorien zur Angst-, Konflikt- und Friedensforschung zusammen. Außerdem tauschen sie sich über empirische Erkenntnisse aus soziologischer, psychologischer und historischer Perspektive aus. „Dabei geht es unter anderem darum, wie sich Frieden im Verhältnis zu Angst und Furcht definieren lässt. Und wir befassen uns damit, wie sozialer Frieden und Furcht miteinander verbunden sind“, sagt der Literaturwissenschaftler Joachim Michael vom Center for InterAmerican Studies.
Die Konferenz soll Einschätzungen zu sozialen Bedingungen in friedlichen wie auch konfliktreichen Gesellschaften sammeln. Ein Ziel ist es, Lösungsansätze zu erörtern, wie mit Angstregimes umzugehen ist. Dazu haben die Tagungsleiter*innen nicht nur Wissenschaftler*innen eingeladen, sondern auch Aktivist*innen von Nichtregierungsorganisationen, die sich weltweit in der Friedenssicherung engagieren, sowie Vertreter*innen von Forschungsförderungsorganisationen.
„Der interdisziplinäre Austausch soll auch junge Friedens- und Konfliktforscher*innen in ihrer Fähigkeit stärken, die Grenzen bisheriger Ansätze zu hinterfragen, um neue Ansatzmöglichkeiten zu erkennen“, erklärt die Soziologin und Ethnologin Yaatsil Guevara González vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. „Wir möchten damit das Feld der Friedens- und Konfliktforschung so erweitern, wie es der Wissenschaftsrat in Deutschland in einer seiner Empfehlungen nahegelegt hat.“
Auf dem Programm des Workshops steht auch ein öffentlicher Vortrag der Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Birgit Sauer von der Universität Wien. Sie spricht am Donnerstag, 18. Februar, um 16.30 Uhr auf Englisch darüber, wie rechtspopulistische Akteur*innen Gender-Themen nutzen, um Emotionen zu schüren und so ihre Anhänger*innen zu mobilisieren. Die Teilnahme an dem Vortrag ist über diesen Link möglich.
Für Interessierte ist eine Online-Teilnahme am Workshop möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei marina.hoffmann@uni-bielefeld.de gebeten. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Veranstaltung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch. Für den öffentlichen Vortrag ist keine Anmeldung erforderlich.
Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG), dem Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität und dem Center for Advanced Latin American Studies (CALAS) statt.
Inklusionshelfer*innen für das Digitale
Ob Rechnen und Schreiben üben mit ANTON und Scoyo oder Online-Kurse auf Moodle: Digitales Lernen wird an Schulen zunehmend zur Normalität – besonders jetzt während der Coronapandemie. Aber wie zugänglich sind solche digitalen Lernangebote für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Und welche Möglichkeiten bieten sie für den inklusiven Unterricht? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das neue Projekt DILBi hoch hundert der Universität Bielefeld: Studierende begleiten den Schulunterricht und unterstützen als Digital Scouts Schüler*innen mit und ohne festgestellten Förderbedarf beim digitalen Lernen. Das Projekt kooperiert mit Gesamtschulen im Kreis der Bezirksregierung Detmold. Gefördert wird DILBi hoch hundert vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
DILBi hoch hundert – das steht für Digitale inklusionssensible Lehrer*innenbildung Bielefeld hoch hundert. „Unsere Idee hinter dem Projekt ist es, allen Schüler*innen eine gleichberechtigte Teilhabe an digitaler Bildung zu ermöglichen“, sagt die Professorin Dr. Anna-Maria Kamin von der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Die Bildungsforscherin leitet das Projekt zusammen mit Dr. Claudia Mertens. „Gleichberechtigte Teilhabe ist nur dann möglich, wenn Lernplattformen, Lern-Apps und andere Lernressourcen im sogenannten Universal Design konzipiert sind – also so, dass alle sie uneingeschränkt nutzen können“, so Claudia Mertens, die ebenfalls an der Fakultät für Erziehungswissenschaft forscht.
Das ist aber nicht bei allen digitalen Lernangeboten der Fall – etwa weil die Schrift zu klein, die Sprache zu kompliziert, die Bedienung nicht intuitiv ist oder aber weil Hilfestellungen wie Untertitel und Sprachausgabe fehlen. Schüler*innen fällt es mitunter schwer, solche Angebote zu nutzen – das gilt zum Beispiel für Kinder und Jugendliche, die eine Lese- und Rechtschreibschwäche haben, die nur vermindert sehen oder hören können oder die aufgrund motorischer Einschränkungen Schwierigkeiten haben, auf einem Display zu tippen. „Dabei haben digitale Lernmedien prinzipiell ein hohes Potenzial, Schülerinnen mit Förderbedarf bei der Bearbeitung von Lerninhalten zu unterstützen“, so Kamin.

Studierende prüfen digitale Lernangebote auf Zugänglichkeit
Wie müssen digitale Lernangebote also gestaltet sein, damit sie für alle Schüler*innen barrierefrei zugänglich sind und chancengerechtes Lernen unterstützen? „Das ist die Ausgangsfrage unseres Basisprojekts DILBi, auf dem DILBi hoch hundert aufbaut“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Claudia Mertens. „Hierzu bieten wir seit Herbst 2020 ein Seminar an, in dem wir Studierende zu Digital Scouts ausbilden.“ Die Teilnehmer*innen des Seminars prüfen, wie barrierefrei digitale Angebote sind – und entwickeln darauf aufbauend eigene inklusive digitale Lernmaterialien. Zielgruppe sind dabei Schüler*innen mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ und „geistige Entwicklung“.
Digitale Lernwerkzeuge für individuelle Förderung nutzbar machen
Bei der Bearbeitung haben die Studierenden die Wahl: Entweder entwickeln sie Tools, die Schüler*innen mit und ohne festgestellten Förderbedarf dabei helfen, digitale Kompetenzen zu erwerben. Beispiele sind etwa Lern- und Erklärvideos zu Themen wie dem Schreiben von E-Mails, dem Einloggen bei Videotelefonie-Diensten wie Zoom oder der Verwendung von Lern-Apps. Oder sie erarbeiten Materialien, die fachliches Wissen in den Fächern Mathe, Deutsch und Deutsch als Fremdsprache vermitteln.
„Den Praxistransfer stellen wir dann in diesem Jahr mit DILBi hoch hundert her“, sagt Mertens. Die Studierenden erproben die Materialien, die sie erarbeitet haben, in kooperierenden Schulen im Regierungsbezirk Detmold. Quereinsteiger*innen können ebenfalls auf die digitalen Tools aus dem Seminar zurückgreifen. Geplant ist, dass die Seminarteilnehmer*innen im Sommersemester 2021 die Praxisphase zum Seminar an den Schulen absolvieren. Je nachdem, wie sich die Coronapandemie entwickelt, soll es Präsenztermine vor Ort und Onlinetermine geben.
Die Studierenden haben so die Möglichkeit, ihre theoretischen Kompetenzen als Digital Scouts in der Schulpraxis anzuwenden und die erarbeiteten Lernmedien mit einer Schulklasse zu erproben. Ziel dabei ist, für Schüler*innen mit Förderbedarf Teilhabemöglichkeiten beim gemeinsamen Lernen zu schaffen. „Im Idealfall bedeutet Inklusion, dass alle Schüler*innen – ob mit oder ohne Förderbedarf – zusammenarbeiten“, erklärt Mertens. „Digitale Medien können dabei helfen. Das heißt: Alle lernen am gemeinsamen Unterrichtsgegenstand. Wer Hilfestellungen, wie zum Beispiel eine leichtere Sprache oder Rechtschreibstrategien, braucht, kann diese individuell anfordern – zum Beispiel durch bestimmte Funktionen in einer Lern-App.“
Indem die Digital Scouts ihre Ideen in den Unterricht einbringen, sollen außerdem Lehrkräfte für das Thema digitale Teilhabe sensibilisiert werden. Sie bekommen von den Studierenden außerdem Methoden, Tools und Materialien an die Hand, die sie wiederum für den Unterricht verwenden können. Das Projekt hilft, ein bestehendes Betreuungsproblem zu lösen: „Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf benötigen idealerweise eine Eins-zu-eins-Betreuung, gerade wenn es darum geht, Medienkompetenzen zu erwerben“, sagt Mertens. „Das können Lehrkräfte im Schulalltag kaum leisten – erst recht nicht in der aktuellen Pandemielage. Diese Betreuung übernehmen dann zum Teil die Digital Scouts.“ Die Erfahrungen, die Digital Scouts und Lehrkräfte im gegenseitigen Austausch sammeln, können schließlich ins Fort- und Weiterbildungssystem für Lehrkräfte zurückgespiegelt werden.
Wirkung hoch 100
Die Jubiläumsinitiative Wirkung hoch 100 des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e.V. fördert in einem mehrstufigen Prozess herausragende Projekte aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation. In der ersten Förderphase wurden nun aus über 500 Bewerbungen die hundert besten ausgewählt – darunter das Projekt DILBi hoch hundert. Außer mit einer finanziellen Förderung – 5.000 Euro für das Bielefelder Projekt – unterstützt der Stifterverband die Projekte praktisch, indem er sie mit Expert*innen und Partner*innen aus ihrem jeweiligen Wirkungsfeld zusammenbringt und vernetzt.
Wie türkische Migrant*innen Zusammenhalt in Deutschland erleben
„Wir diskutieren in Deutschland darüber, dass sich Migrant*innen aus der Türkei aus der Gesellschaft zurückziehen. Ob das so ist und was genau geschieht, ist allerdings wissenschaftlich kaum untersucht“, sagt Professor Dr. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. In dem neuen Projekt „Transnationale Einflüsse, migrantische Identitäten und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (TransMIGZ) erforscht Zick gemeinsam mit türkischen IKG-Kolleginnen, wie Menschen aus der Türkei gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland wahrnehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit einer halben Million Euro.

„Wenn Menschen zusammenhalten, helfen sie einander in Krisen, sie tauschen sich aus und teilen eine gemeinsame Identität“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Das neue Projekt TransMIGZ gehört zu 19 Forschungsprojekten zum Zusammenhalt in Europa, die vom BMBF ausgewählt wurden. „Neben allen wissenschaftlichen und politischen Definitionen werden wir Gruppen von Menschen fragen, was sie unter Zusammenhalt verstehen – in diesem Fall die größte Migrant*innen-gruppe in Deutschland, die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.“
Wissenschaftler*innen aus der Türkei forschen im Projekt
Was empfinden Migrantinnen aus der Türkei als wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft? Wie erfahren sie Zusammenhalt in Deutschland und wie erleben sie ihn? Zick geht diesen Fragen gemeinsam mit seinen drei türkischen Kolleginnen Dr. Ekrem Düzen, Elif Sandal Önal und Aydin Bayad am IKG nach.
„In den vergangenen Jahren hat der türkische Staat die in Europa lebenden türkeistämmigen Menschen vermehrt an ihre Herkunft erinnert und dazu aufgerufen, eine Art nationale Diaspora aufzubauen, also eine geschlossene Gemeinschaft im Aufnahmeland“, sagt Dr. Ekrem Duzen. „Dabei behandeln der türkische und auch der deutsche Staat die türkeistämmigen Menschen als eine homogene Gruppe, obwohl es sich um viele unterschiedliche Gemeinschaften handelt. Niemand hat diese vielen verschiedenen Menschen bisher gefragt, wie sie sich von beiden Ländern wahrgenommen fühlen.“ Duzen forschte als Psychologe an der Universität Izmir (Türkei). Seit vier Jahren lebt er in Bielefeld und wird von der Philipp Schwartz-Initiative für gefährdete Wissenschaftler*innen gefördert.
Mediale Analysen mit Befragungen kombinieren
Das zweisprachige Forschungsteam geht im Projekt empirisch vor. In einem ersten Schritt werten die Sozialpsycholog*innen aktuelle politische Texte über Integration und Zusammenhalt in türkischen Zeitungen und sozialen Medien aus. „Wir analysieren dabei, was Medien darüber vermitteln, wie sich Menschen aus der Türkei in Deutschland verhalten sollen und ob es dazu eine einheitliche politische Agenda gibt“, sagt Ekrem Duzen.
In einem zweiten Schritt schauen die Forschenden auf die medialen Beiträge, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch durch das türkische Militär im Jahr 2016 stehen. Das Team konzentriert sich auf die Medien, die am häufigsten konsumiert wurden, und untersucht, welche Appelle in den Beiträgen an die türkeistämmigen Menschen in Deutschland gerichtet wurden. Was wurde von der türkischen Regierung mit Blick auf die im Ausland lebenden türkeistämmigen Menschen diskutiert? Welche Bedeutung hatte die Zeit nach dem Putschversuch für die türkeistämmigen Menschen in Deutschland?
In einem dritten Schritt führen die Wissenschaftler*innen Interviews mit Menschen aus der Türkei, die Deutschland als ihre Heimat betrachten. „Neben den Fragen nach dem gelebten und erlebten Zusammenhalt interessieren wir uns dafür, wie sich ihre Beziehung zur Türkei gestaltet, was Türkischsein heute heißt und welche Rolle nostalgische Gedanken an ein großes türkisches Reich spielen“, sagt Zick.
Ergebnisse sollen mit deutsch-türkischen Gemeinden diskutiert werden
Nach den Analysen und Befragungen nimmt die Übertragung in die Praxis einen großen Teil des Projekts ein: „Im letzten halben Jahr der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit werden wir Vorschläge für politische Entscheidungsträger*innen entwickeln“, so Zick. „Außerdem wollen wir in Workshops mit deutsch-türkischen Gemeinschaften genauer diskutieren, was Zusammenhalt bedeutet und wo es Probleme geben könnte.“
Das Projekt TransMIGZ wird für zweieinhalb Jahre mit 500.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderziffer 01UG2115). Die Fördermaßnahme steht unter dem Dach des Rahmenprogramms „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“. Damit fördert das BMBF Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften, die zu einem besseren Verständnis und zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt.
Bielefelder Forschende liefern 3D-Aufnahmen von Coronaviren
Wissenschaftler*innen der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ist es erstmals gelungen, das Coronavirus SARS-CoV-2 mit einem Heliumionen-Mikroskop abzubilden. Im Gegensatz zur herkömmlicheren Elektronenmikroskopie müssen die Proben bei der Heliumionen-Mikroskopie nicht mit einer dünnen Metallschicht überzogen werden. Dadurch lassen sich Interaktionen zwischen den Coronaviren und ihrer Wirtszelle besonders gut beobachten. Ihre Ergebnisse, die in Kooperation mit der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld und Forschenden der Justus-Liebig-Universität Gießen entstanden sind, haben die Wissenschaftlerinnen am heutigen Dienstag (02.02.2021) im Fachmagazin Beilstein Journal of Nanotechnology veröffentlicht.

„Die Studie zeigt, dass das Heliumionen-Mikroskop geeignet ist, um Coronaviren abzubilden – und zwar so genau, dass sich das Zusammenspiel von Viren und Wirtszelle beobachten lässt“, sagt die Physikerin Dr. Natalie Frese. Sie ist Erstautorin der Studie und forscht in der Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ an der Fakultät für Physik.
Coronaviren sind winzig klein – im Durchmesser nur etwa 100 Nanometer, also 100 Milliardstel Meter. Mit dem Virus infizierte Zellen wurden bisher vor allem mit Rasterelektronenmikroskopen untersucht. Dabei rastert ein Elektronenstrahl die Zelle ab und liefert ein Bild der Oberflächenstruktur der mit Viren besetzten Zelle. Rasterelektronenmikroskope haben jedoch einen Nachteil: Die Probe lädt sich während des Mikroskopievorgangs elektrostatisch auf. Weil die Ladungen bei nichtleitenden Proben, zum Beispiel Viren oder anderen biologischen Organismen, nicht abtransportiert werden, müssen die Proben mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung, etwa einer dünnen Goldschicht, überzogen werden.
Coronaviren (blau) beim Austritt aus einer Nierenzelle, aufgenommen mit einem Heliumionen-Mikroskop. Foto: Universität Bielefeld/N. Frese Eine mit SARS-CoV-2-infizierte Nierenzelle unter dem Heliumionen-Mikroskop (ausschnittsweise Vergrößerung von links nach rechts, ein einzelnes Virus ist etwa 100 Nanometer groß): Die Aufnahmen weisen darauf hin, dass manche Coronaviren beim Austritt aus der Zelle nur lose aufliegen, während andere Viren an die Zelle gebunden sind. Foto: Universität Bielefeld/N. Frese
„Diese leitende Schicht verändert allerdings auch die Oberflächenstruktur der Probe. Die Heliumionen-Mikroskopie benötigt keine Beschichtung und erlaubt daher ein direktes Abtasten“, sagt Professor Dr. Armin Gölzhäuser, der die Arbeitsgruppe „Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen“ leitet. Beim Heliumionen-Mikroskop rastert ein Strahl aus Heliumionen die Oberfläche der Probe ab. Heliumionen sind Heliumatome, denen jeweils ein Elektron fehlt – sie sind also positiv geladen. Der Ionenstrahl lädt die Probe ebenfalls elektrostatisch auf, dies kann jedoch ausgeglichen werden, indem die Probe zusätzlich mit Elektronen bestrahlt wird. Zudem besitzt das Heliumionen-Mikroskop eine höhere Auflösung und eine größere Schärfentiefe.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler*innen Zellen, die künstlich aus dem Nierengewebe einer Affenart gewonnen werden, mit SARS-CoV-2 infiziert und im toten Zustand mikroskopiert. „Unsere Aufnahmen ermöglichen einen direkten Blick auf die 3D-Oberfläche der Coronaviren und der Nierenzelle – mit einer Auflösung im Bereich weniger Nanometer“, sagt Frese. Dadurch konnten die Forschenden Interaktionen zwischen den Viren und der Nierenzelle sichtbar machen. Ihre Studienergebnisse weisen etwa darauf hin, dass sich mit dem Heliumionen-Mikroskop beobachten lässt, ob einzelne Coronaviren nur auf der Zelle aufliegen oder an sie gebunden sind. Das ist wichtig, um Abwehrstrategien gegen das Virus zu verstehen: Eine infizierte Zelle kann die Viren, die sich in ihrem Inneren bereits vermehrt haben, beim Austritt an ihre Zellmembran binden und so verhindern, dass sie sich weiter ausbreiten.
„Die Heliumionen-Mikroskopie eignet sich sehr gut, um die Abwehrmechanismen der Zelle darzustellen, die sich an der Zellmembran abspielen“, sagt auch der Virologe Professor Dr. Friedemann Weber. Er forscht an der Justus-Liebig-Universität Gießen zu SARS-CoV-2 und hat für die Studie mit den Bielefelder Forschenden zusammengearbeitet. Professor Dr. Holger Sudhoff, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie am Klinikum Bielefeld, ergänzt: „Das Verfahren ist eine wesentliche Verbesserung, um das SARS-CoV-2-Virus in Wechselwirkung mit der infizierten Zelle abzubilden. Die Heliumionen-Mikroskopie kann dabei helfen, das Infektionsgeschehen bei Covid-19-Erkrankten besser zu verstehen.“
Die Heliumionen-Mikroskopie ist eine vergleichsweise neue Technologie. Im Jahr 2010 hat die Universität Bielefeld als erste deutsche Universität ein Heliumionen-Mikroskop angeschafft, das vor allem in der Nanotechnologie eingesetzt wird. Zur Untersuchung biologischer Proben wird die Heliumionen-Technologie weltweit noch selten eingesetzt. „Unsere Studie zeigt, dass es hier ein großes Potenzial gibt“, sagt Gölzhäuser. Die Studie erscheint in einer Sonderausgabe des Beilstein Journals of Nanotechnology zum Heliumionen-Mikroskop.
Verborgenes Wissen heben, um Ökovielfalt der Meere zu retten
Den Schutz der Lebensräume und der Artenvielfalt in den Meeren und an den Küsten in Zukunft effizienter gestalten: Ein neues Verbundprojekt forscht an den Grundlagen dafür. In dem Projekt arbeiten Wissenschaftler*innen aus der Ökonomie und der Ökologie zusammen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie bessere Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz gefällt werden können, auch unter den Bedingungen von Unsicherheit und unvollständigen Informationen. Für das Forschungsprojekt „Value of Information“ (Informationswerte) kooperiert die Universität Bielefeld mit dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB).
„Der Umwelt- und Artenschutz gehören zu den zentralen Herausforderungen der heutigen Zeit“, sagt Privatdozent Dr. Thorsten Upmann. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht sowohl an der Universität Bielefeld als auch am HIFMB und leitet das neue Projekt. „Um die Erderwärmung zu begrenzen und Tier- und Pflanzenarten zu schützen, ist rasches Handeln erforderlich – auf Basis wissenschaftlicher Daten“, sagt Upmann. Um beispielsweise gefährdete Tierarten schützen zu können, ist es nötig, den Lebensraum der jeweiligen Population genau zu kennen und die Zusammenhänge innerhalb dieses Ökosystems zu verstehen. Die Forschung und Datengewinnung ist gerade im Kontext mariner Lebensräume sehr kosten- und zeitintensiv. „Durch den voranschreitenden Klimawandel und das Artensterben steht die Suche nach den besten Lösungen zusätzlich unter Zeitdruck“, sagt Upmann. An dieser Stelle setzt das neue Forschungsprojekt an.
Die richtigen Informationen für zielführende Entscheidungen
Täglich fällen Menschen Entscheidungen. Dabei ist der Ablauf bei den meisten Personen wahrscheinlich ähnlich: Eine Person informiert sich, vergleicht und fragt andere Personen nach ihrer Erfahrung oder Meinung. Anschließend wägt sie die gewonnenen Informationen ab und fällt eine Entscheidung. „Die Frage, welche Informationen als Grundlage für die Entscheidung zur Verfügung stehen, ist für den Entscheidungsprozess von zentraler Bedeutung“, erklärt Thorsten Upmann. Oft fehlen im Alltag jedoch relevante Informationen. Das kann am Zeitdruck liegen oder daran, dass Informationen zunächst nicht verfügbar sind.
Ökosysteme in den Meeren sind komplexe Systeme von Lebewesen
Trotz solcher Beschränkungen treffen Menschen Entscheidungen auf Basis der Informationen und der Wissenslücken, die zum jeweiligen Zeitpunkt bestehen. „Beim Schutz der marinen Biodiversität – also der biologischen Vielfalt in den Meeren und an den Küsten – ist die Situation ähnlich“, sagt Thorsten Upmann. „Wissenschaftler*innen, die die dortigen Ökosysteme erforschen, haben es mit komplexen Systeme zu tun, in denen es zu vielseitigen Wechselwirkungen kommt. Die Forschung kann lediglich eine Momentaufnahme in solch einem dynamischen System festhalten. Die Beobachtungen und damit die gewonnen Daten sind also immer selektiv und unvollständig.“ Zusätzlich sei die Forschung zu den Ökosystemen langwierig und aufwändig. Deswegen könne lediglich eine Auswahl von Forschungsprojekten realisiert werden.
Doch welche Wissenslücken müssen gefüllt werden, um sinnvolle Entscheidungen im Umwelt- und Artenschutz fällen zu können? Welche Forschungsprojekte sind am geeignetsten, um diese Lücken zu füllen? Und in welchen Fällen ist schon genug Wissen vorhanden, um erfolgsversprechende Maßnahmen in der Politik einzuleiten? „Unser Projekt soll dazu beitragen, zielführende Entscheidungen trotz Ungewissheit treffen zu können“, sagt Upmann. Dazu arbeiten Forschende sowohl mit den Methoden der Datenwissenschaft als auch der Modellierung. Durch die Datenwissenschaft können die Forschenden große Datenmengen automatisiert auswerten, während sie durch die Modellierung der Daten die chancenreichsten Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt ableiten können. „Auf diese Weise können wir zum Beispiel ermitteln, zu welchen gefährdeten Tierarten umfassend geforscht werden sollte.“
Handlungsempfehlungen für den Schutz der Arten
Thorsten Upmann forscht als Ökonom schon seit Jahren dazu, wie sich die Akteur*innen in einem Wirtschaftssystem regional oder überregional gegenseitig beeinflussen. „Auf die gleiche Art können wir auch modellieren, wie die Lebewesen in maritimen Regionen miteinander interagieren.“ So profitieren die Umweltwissenschaften von den Wirtschaftswissenschaften. In dem Projekt erstellen die Forschenden Modelle, mit denen sie etwa nachvollziehbar machen, wie Pflanzen- und Tierpopulationen in einem bestimmten Küstengebiet zusammenhängen. Aus solchen Modellen der marinen Biodiversität lassen sich Handlungsempfehlungen für den Schutz der jeweiligen Arten ableiten.
Das Projekt „Value of Information“ läuft von Januar 2021 bis Dezember 2023. Auf lange Sicht hoffen die beteiligten Wirtschafts- und Umweltwissenschaftler*innen, ihre Forschung zur marinen Biodiversität auch auf andere Bereiche des Naturschutzes und der Biodiversität ausweiten zu können. Mit dem Projekt startet eine langfristige Zusammenarbeit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld mit der Universität Oldenburg sowie dem Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB). Die Kooperation soll die Stärken beider Partner verbinden: die Expertise der Bielefelder Forschenden in der Modellierung und den Datenwissenschaften mit der Expertise der Forschenden in Oldenburg in der Ökologie, dem Ökosystemmanagement und dem Schutz mariner Lebensräume.
Weitere Informationen:
Steckbrief des Projekts „Value of Information“
Mehrheit zweifelt daran, ob Informationen über Krankheiten in Medien vertrauenswürdig sind
Wie kompetent ist die deutsche Bevölkerung, wenn es um den Umgang mit Informationen zur Gesundheit geht? Für das Pandemiejahr 2020 belegt eine repräsentative Studie, in die mehr als 2.000 Personen im Alter ab 18 Jahren einbezogen waren: Große Teile der Bevölkerung sind nicht ausreichend vorbereitet, um Gesundheitsrisiken richtig einzuschätzen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen. „Ein Vergleich unserer Erhebungen zwischen 2014 und 2020 zeigt, dass sich die Gesundheitskompetenz sogar noch verschlechtert hat“, sagt die Studienleiterin Professorin Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld. Klagten 2014 etwa 54 Prozent der Befragten über große Schwierigkeiten, sich im unüberschaubaren Angebot von Gesundheitsinformationen zu orientieren, so waren es 2020 schon fast 60 Prozent. Für die Forschung kooperieren die Universität Bielefeld und die Hertie School in Berlin.

„Der Grund für den Anstieg liegt nach den Angaben der Befragten in der Menge, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Informationen“, sagt Doris Schaeffer. „Hinzu kommt, dass auch Falsch- und Fehlinformationen zu Gesundheitsthemen zugenommen haben, wie wir seit der Coronapandemie besonders intensiv beobachten können“. Drei Viertel der Befragten finden es schwierig, Gesundheitsinformationen richtig einzuschätzen. Dabei spielt zunehmend die Frage eine Rolle, ob die Informationen durch kommerzielle Interessen geprägt und zuverlässig sind. 76 Prozent halten es beispielsweise für schwierig zu beurteilen, ob Informationen zu Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig sind. 61 Prozent der Befragten fühlen sich überfordert, Informationen aus den Medien abzulesen, um sich vor Krankheiten zu schützen. 56 Prozent tun sich damit schwer, Informationen zu finden, wie man mit psychischen Problemen umgeht.
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit
Die Schwierigkeiten spitzen sich zu, wenn Menschen nur über einen niedrigen Bildungsgrad verfügen. „Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können. Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf“, sagt Professor Dr. Hurrelmann von der Hertie School. Diese Entwicklung sei auch deshalb ernst zu nehmen, weil eine geringe Gesundheitskompetenz viele negative Folgen habe. Sie sei mit ungesundem Verhalten wie geringer Bewegung, schlechter Ernährung und häufigerem Übergewicht verbunden, ebenso mit mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und intensiverer Nutzung von Notfalldiensten.
Durchgeführt wurden die Untersuchungen unter der Leitung von Doris Schaeffer vom Interdisziplinären Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Public Health der Hertie School in Berlin unter der Leitung von Klaus Hurrelmann. Mit Hilfe eines ausführlichen Fragekataloges wurde die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland durch repräsentative Erhebungen bei 2.151 über 18-jährigen Menschen eingeschätzt. Diese Daten wurden mit der ersten Erhebung aus dem Jahr 2014 verglichen. Um die Auswirkungen der Coronapandemie zu erfassen, folgte im Herbst 2020 eine Zusatzerhebung mit 532 Personen. Die Erhebungen wurden von den Forschungsinstituten Ipsos und Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und vom Ministerium für Justiz und für den Verbraucherschutz und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert.
Der Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen
Erstmals wurde auch die digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung untersucht. „Die digitale Gesundheitskompetenz wird zunehmend wichtig – auch angesichts der jetzt umzusetzenden Digitalisierungsgesetze“, so Schaeffer und Hurrelmann. „Auffällig ist, dass die digitale Gesundheitskompetenz sehr schwach ausgeprägt ist – das belegt unsere Studie deutlich.“ Rund 75 Prozent der Befragten weisen hier eine geringe Kompetenz auf und sehen sich vor enorme Schwierigkeiten im Umgang mit digitaler Information gestellt. Das zeigt sich auch daran, dass digitale Informationsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend genutzt werden. 36 Prozent der Befragten greifen nie auf sie zurück. Das gilt besonders für Menschen über 65 Jahre. „Während der Coronapandemie hat die Bevölkerung offenbar im Schnellverfahren gelernt, besser mit digitalen Gesundheitsinformationen umzugehen“, so die Studienleiter.
Um sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, müssen sich Menschen im Gesundheitssystem zurechtfinden. Das wird vom Forscherteam als „navigationale Gesundheitskompetenz“ bezeichnet. Nahezu vier Fünftel der Bevölkerung haben in diesem Bereich eine geringe Gesundheitskompetenz und finden es schwierig, Informationen zum Gesundheitssystem zu verstehen. Doris Schaeffer: „Eine solche Unübersichtlichkeit ist gerade in einer Pandemie problematisch, wenn Menschen zum Beispiel klären wollen, wo sie sich auf eine Infektion testen lassen können.“
Mit der Zusatzerhebung im Spätherbst 2020 erfasste das Forschungsteam Veränderungen der Gesundheitskompetenz während der Pandemie. Die Befragung zeigt, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sich seither leicht verbessert hat. „Am Beispiel der Coronapandemie wird sichtbar, dass umfangreiche, verständliche und wiederholte Gesundheitsinformationen sich rasch auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung auswirken“, so Doris Schaeffer.
Originalveröffentlichungen:
Hier geht es zu den beiden Originalveröffentlichungen.
Die unterschätzte Dynamik der Vormoderne
Bevor die Weltgeschichte in der Moderne Fahrt aufnahm und sich das Leben immer schneller wandelte, gab es eine lange Phase, in der sich nichts veränderte: Das ist die gängige Interpretation der sogenannten Vormoderne, der Zeit zwischen dem Mittelalter und etwa dem Jahr 1700. Bei der Online-Tagung „Veränderung aus sich selbst heraus – Eigendynamik in vormodernen Gesellschaften“, die vom 28. bis zum 30. Januar stattfindet, nehmen Forschende diese Sicht kritisch unter die Lupe. Ihre These: Statt eines Stillstandes hat eine ganz eigene, in den gesellschaftlichen Strukturen selbst angelegte Dynamik die Vormoderne geprägt.
„Die vormodernen Gesellschaften weisen weltweit Elemente auf, die aus sich heraus für ständigen Wandel sorgten“, so der Historiker Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Universität Bielefeld, der die Konferenz mit seinem Fachkollegen Professor Dr. Andreas Rüther (ebenfalls Universität Bielefeld) und dem Japanologen Professor Dr. Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) leitet.

Anders als der rasche Wandel in der Moderne, habe sich der vormoderne Wandel auf eine spezifische Weise vollzogen und dazu geführt, dass die Gesellschaften komplexer wurden, sagt Arlinghaus. In diesem Prozess habe sich die hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft fortwährend neu austariert und die Abgrenzung zwischen Familien- und Personenverbänden, etwa den Zünften, sei immer wieder neu gezogen worden. „Dies alles fand weitgehend unter den Bedingungen einer Präsenzgesellschaft statt, die zwar Schrift und Druck kannte, aber in anderer Weise nutzte als heute“, so der Historiker. Diese Prozesse führten dann zur Neubildung von Gruppierungen und Ständen und zu immer raffinierteren Formen der Grenzziehung zwischen ihnen, erklärt Arlinghaus. Der Historiker befasst sich auch in dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) mit der Vormoderne und untersucht, wie sich Menschen als Individuen ab dem 11. Jahrhundert mit anderen Menschen verglichen haben.
Die Eigendynamik der Vormoderne sei auch ein Merkmal, das ganz unterschiedliche Gesellschaften weltweit in dieser langen Epoche verbinde. Nach 1700 habe es dann eine vergleichsweise rasche Umgestaltung zur Moderne gegeben. „Es geht nicht darum, die Vorgeschichte der Moderne zu schreiben, sondern darum, den ganz eigenen Wandel in der Vormoderne zu analysieren“, sagt Andreas Rüther. „Das würde auch ein neues Licht auf das Verhältnis von Moderne und Vormoderne werfen.“
Auf der Tagung diskutieren Expert*innen, die zum vormodernen Äthiopien, China, Indien, Japan, Korea und Mitteleuropa arbeiten, über diesen neuen Ansatz.
Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dafür ist eine Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.
Weitere Informationen:
Website der Tagung
Wie interkulturelle Konflikte in Großstädten gelöst werden
Durch Migration hat über die Jahrzehnte die Vielfalt an Kulturen in Großstädten zugenommen. Welche Chancen, Probleme und Konflikte ergeben sich aus dieser Vervielfältigung der Vielfalt? Das erforscht das Verbundprojekt „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“. Es untersucht in Dortmund, Bonn und Magdeburg, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen zusammenleben. Das Projekt wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld koordiniert. Kooperationspartner sind das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität Berlin. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert die Forschung bis 2022 mit rund einer Million Euro.
In der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei Migrationsbewegungen: die der Gastarbeitenden und die der Geflüchteten. „Durch diese neuen Einwohner*innen ist insbesondere in den Städten die Anzahl an interkulturellen Begegnungen stark angestiegen und es gibt mehr kulturell unterschiedliche Gruppen im öffentlichen Raum“, sagt Dr. Jörg Hüttermann vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). „Es sind neue Formen von interkulturellem Miteinander entstanden. Die kulturelle Vielfalt in Schulen und Unternehmen und weiteren Organisationen nimmt zu“, erklärt der Migrationssoziologe.
Jörg Hüttermann ist fachlicher Leiter des neuen Projekts „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“, das er mit seinen Kollegen Johannes Ebner und Denis van de Wetering initiiert hat. „Als Ballungszentren spielen Städte mit Blick auf interkulturelle Begegnungen eine besondere Rolle“, sagt Hüttermann. „In den Stadtquartieren leben Menschen in einer hohen Dichte zusammen – entsprechend hoch ist die Dichte der interkulturellen Begegnungen und Konfrontationen.“
Ob Sprache, politische Ansichten oder die Art und Weise, wie Religion ausgelebt wird: „Mit neu hinzukommenden Menschen gelangen neue Überzeugungen und Werteorientierungen in die Gesellschaft“, sagt Denis van de Wetering, Konfliktforscher am IMIS der Universität Osnabrück und assoziierter Wissenschaftler am IKG der Universität Bielefeld. „Dadurch werden etablierte Vorstellungen mit den neuen Vorstellungen konfrontiert. Wir gehen im Projekt der Frage nach, wie die damit verbundenen Konflikte gelöst werden.“

Wird ein Konflikt destruktiv ausgetragen, kann es unter anderem zu verbaler oder physischer Gewalt gegen Personen kommen. Werden die Konflikte konstruktiv gelöst, kann das dazu führen, dass sich kulturell unterschiedliche Gruppen einander angleichen oder sich miteinander arrangieren. „Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn Menschen mit Migrationshintergrund in politischen Gremien vertreten sind, wenn Schulen auch Unterricht in der Muttersprache eingewanderter Gruppen anbieten, aber auch wenn Probleme in der Nachbarschaft geklärt werden“, erklärt der Soziologe Johannes Ebner vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung.
„Wir wollen in unserem Projekt Maßnahmen entwickeln, mit denen sich der Zusammenhalt in den Quartieren stärken lässt. Deshalb wollen wir herausfinden, wie die beteiligten Gruppen ihre interkulturellen Konfrontationen lösen und welche Rahmenbedingungen darauf einwirken“, sagt Denis van de Wetering. Einen ersten Ansatz zur Verbesserung des Zusammenhalts haben die Forschenden bereits gefunden: „Vorstudien zum neuen Projekt weisen darauf hin, dass das interkulturelle Zusammenleben in Städten stark von staatlichen und behördlichen Maßnahmen beeinflusst wird“, sagt Jörg Hüttermann. „Es zeigt sich allerdings, dass in der Planung solcher Maßnahmen momentan kaum die Perspektive der betroffenen Migrant*innen berücksichtigt wird. Sie stellen einen möglichen Ansatzpunkt dar, um das interkulturelle Miteinander zu verbessern.“
Ziel der Forschenden ist es, zu ermitteln, wie Gruppen ihre Konfrontationen in Städten selbstständig aushandeln. „Wenn wir verstehen, welche Faktoren die Aushandlungen positiv beeinflussen, können diese künftig in der Stadtplanung berücksichtigt werden“, sagt der Konfliktforscher van de Wetering. Dafür konzentrieren sich die Wissenschaftler*innen vor allem auf zwei Schwerpunkte: Sie untersuchen die städtische Wohnsituation von Migrant*innen und sie erheben, wie stark die kulturelle Vielfalt in den untersuchten Stadtquartieren ausgeprägt ist. Um die Lebenswelten der Stadtteilbewohner*innen zu erforschen, greifen die Forschenden auf ethnographische Methoden zurück. Für ihre Analyse vergleichen sie von Migration geprägte Stadtteile in Dortmund, Bonn und Magdeburg.
Der vollständige Titel des Forschungsprojekts ist „Neuaushandlung lokaler Ordnungen: Migrations-induzierte Vielfalt, Intergruppenbeziehungen, Konflikte und Integrationsdynamiken im Stadtteil“. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt Migration und Sozialer Raum der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Weitere Informationen:
Steckbrief zum Projekt
Wie sich Metallatome auf einem Isolator ordnen können
Um in Zukunft winzig kleine elektronische Speicher oder Sensoren herzustellen, ist es entscheidend, einzelne Metallatome auf einer isolierenden Schicht anordnen zu können. Wissenschaftler*innen der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld haben nun nachgewiesen, dass dies bei Zimmertemperatur gelingt: Moleküle der metallhaltigen Verbindung Molybdänacetat bilden auf dem Isolator Calcit eine geordnete Struktur, ohne an andere Positionen zu springen oder sich zu drehen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler*innen heute (21.12.2020) im Fachmagazin Nature Communications. Die Arbeit ist in Kooperation mit Forschenden der Universitäten Kaiserslautern, Lincoln (Großbritannien) und Mainz entstanden.
Jetzt mitmachen: FameLab sucht junge Wissenschaftler*innen
Wissenschaftsthemen in wenigen Minuten mitreißend erklären: Darum geht es beim internationalen FameLab-Wettbewerb für junge Wissenschaftler*innen. Für den Vorentscheid am 8. März 2021 werden Forschende gesucht, die ihre Themen spannend präsentieren. Teilnehmen können Masterstudierende, Promovierende und Wissenschaftler*innen ab 21 Jahren, die in den Bereichen Naturwissenschaft, Technik, Mathematik, Informatik, Psychologie oder Medizin forschen, studieren oder arbeiten. Bis zum 22. Februar können sich Interessierte online anmelden.
Beim FameLab haben die Teilnehmer*innen genau drei Minuten Zeit, um ein naturwissenschaftliches Thema sachlich richtig und unterhaltsam zu erklären. Dabei sind alle Hilfsmittel erlaubt, die am Körper getragen werden können – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
In Bielefeld und weiteren Städten im gesamten Bundesgebiet finden zunächst Vorentscheide statt. Die Sieger*innen der Vorrunde qualifizieren sich für das Deutschlandfinale am 22. April. Die Teilnahme lohnt sich: Wer mitmacht hat nicht nur Gelegenheit, Kontakte zu engagierten Nachwuchswissenschaftler*innen zu knüpfen und die öffentliche Aufmerksamkeit für die eigenen wissenschaftlichen Themen zu gewinnen. Die drei Finalist*innen des Vorentscheids in Bielefeld erhalten außerdem attraktive Preise. Unter anderem erhalten die beiden Erstplatzierten einen zweitägigen Workshop zur Wissenschaftskommunikation in Berlin.
Das Wissenschaftsbüro von Bielefeld Marketing ist bundesweiter Partner des FameLab-Wettbewerbs, der inzwischen in rund 35 Ländern weltweit ausgetragen wird. Seit der Gründung 2005 hat es sich zu einem internationalen Wettbewerb in der Wissenschaftskommunikation entwickelt. Das FameLab in Bielefeld wird unterstützt durch die Goldbeck GmbH, die Volksbank Bielefeld-Gütersloh sowie die Universität Bielefeld.
Termine
FameLab Germany: Vorentscheid Bielefeld
Zeit: Montag, 8. März 2021, um 19 Uhr
Ort: Stadthalle Bielefeld (Willy-Brandt-Platz 1, 33602 Bielefeld)
FameLab Germany: Finale
Zeit: Donnerstag, 22. April 2021, um 19 Uhr
Ort: Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld (Lampingstraße 16, 33615 Bielefeld)
Erfolge beim FameLab 2020
Beim FameLab 2020 qualifizierte sich Niklas Hoffmann für das Finale. Der 26-Jährige forscht an der Universität Bielefeld im Fach Biologie.
Gewinnerin des FameLab 2020 wurde Nicola Ganter wurde mit ihrem Vortrag „Pimp my Part“. Anschaulich erklärt sie ihre Forschung und Arbeit am Institut für Produktentwicklung (iPEG) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.
Covid-19-Debatten und andere Online-Diskussionen mithilfe von Bots vielseitiger machen
Bots stehen als Programme, die automatisiert mit Nutzerinnen in Verbindung treten, oft in der Kritik. So werden sie genutzt, um in sozialen Medien Falschinformationen zur Covid-19-Pandemie zu verbreiten. Welchen Einfluss haben Bots aber genau und wie lassen sich Diskussionen beeinflussen, in denen sie aktiv sind? Für ein interdisziplinäres Projekt, das sich mit dieser Frage befasst, gibt es nun eine Förderung der Volkswagenstiftung in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre. Für die Forschung, an der Informatikerinnen, Soziologinnen und Psychologinnen mitwirken, kooperieren Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, der Fachhochschule Bielefeld, des Trinity College in Dublin (Irland) und der National University of Australia in Canberra (Australien).
Das Projekt heißt „Bots Building Bridges“ (3B, auf Deutsch: Roboter, die Brücken bauen). Professor Dr. Philipp Cimiano vom Institut CITEC der Universität Bielefeld leitet zusammen mit Dr. Ole Pütz eines der Projektteams, Professorin Dr. Elena Esposito und Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie leiten das zweite Projektteam, das an der Universität Bielefeld angesiedelt ist.
Hintergrund des Projekts ist die Erkenntnis, dass Bots erhebliche Wirkung entfalten können, wenn es ihnen gelingt, Meinungen zu beeinflussen. „Sie können zum Beispiel dazu führen, dass ein Thema überhaupt als relevant wahrgenommen wird, indem Bots Tweets massiv teilen“, erläutert Professor Dr. Philipp Cimiano vom Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC), Leiter der Forschungs-gruppe Semantische Datenbanken. Er forscht nicht nur im aktuellen Projekt zu Bots, sondern leitete auch das Vorgängerprojekt Unbiased Bots That Build Bridges (U3B, auf Deutsch: Unparteiische Roboter, die Brücken bauen.)

Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller
Bots als Verbreiter von Fake News
Hat da eigentlich gerade ein Mensch kommentiert – oder eine Maschine? Manchmal ist das gar nicht so einfach zu unterscheiden: Es gibt automatisierte Programme, die im Internet mit Nutzer*innen in Verbindung treten und beispielsweise Nachrichten verbreiten können. Solche Computerprogramme werden als Bots bezeichnet. Diese Meinungsroboter sind speziell dafür entwickelt, in sozialen Netzwerken zu agieren.
Die Programme stehen deshalb oft in der Kritik – so sollen sie beispielsweise bei den vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen in den USA die öffentliche Meinung beeinflusst haben. Aber womöglich könnten Bots auch auf positive Weise zur Meinungsbildung beitragen. „Das Gesamtprojekt hat das Ziel, zu analysieren, ob wir Bots nicht auch als eine Lösung ansehen könnten“, erläutert Cimiano. Dafür wollen die Forschenden nun eigens programmierte Bots einsetzen, die den Diskurs beleben und bei strittigen Themen Argumente liefern. Dafür ist es für die Forschenden zunächst einmal wichtig, Bots überhaupt als solche zu erkennen. So können Bots beispielsweise dadurch auffallen, dass sie in regelmäßigen Abständen posten oder bei ihren Inhalten und Ausdrücken nur wenig variieren.
Mit Bots Forschungsbefunde zu Covid-19 in Diskussionen tragen
Im aktuellen Projekt geht es nun darum, mit den eigens programmierten Bots aktiv in den Diskurs einzugreifen. Als Untersuchungsfeld dienen dazu die sozialen Netzwerke Twitter und Reddit. „Wir überlegen aktuell, ob wir uns thematisch auf Covid-19 konzentrieren“, sagt Cimiano. Zu diesem Thema gebe es viele Falschinformationen und Verschwörungserzählungen – und es polarisiere stark. Die Forschenden wollen Accounts sowie Diskussionen identifizieren, bei denen bestimmte Schlüssel-begriffe übermäßig stark auftauchen. „Unser Ziel ist es, eine neutrale Sichtweise zu schaffen und Argumente dafür zu liefern, dass man etwas auch anders sehen könnte“, erläutert der Informatiker. „Wir wollen nicht sagen, wie etwas ist, sondern die Nutzer*innen dazu animieren, Dinge zu hinterfragen.“

Beim Thema Impfungen, das auch bei Covid-19 gerade aktuell ist, taucht beispielsweise schon seit Jahren immer wieder die Behauptung auf, dass Impfen Autismus auslösen könne. „Ein Bot könnte in dem Fall auf Forschungsergebnisse verweisen, die diese Theorie widerlegen“, erläutert Cimiano. Wichtig sei es, auf Quellen zu verweisen. Ebenfalls ein entscheidender Punkt: Der Bot der Forschenden würde sich immer als solcher zu erkennen geben und offen agieren. Damit unterscheidet er sich von den Bots, die verdeckt aktiv sind. „Alles andere wäre unethisch.“
Wie Bots agieren, haben die Forschenden bereits in dem vorangegangenen Projekt U3B analysiert. Nun wird es darum gehen, Inhalte und Diskurse weiter zu erforschen. „Außerdem führen wir qualitative Analysen durch, bei denen wir untersuchen, was für Typen von Bots es gibt und welche Kommunikationsstrategien diese nutzen“, sagt Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Damit wollen die Wissenschaftler*innen die Möglichkeit verbessern, Bots automatisch zu erkennen.
„Wir wollen mit unserem Projekt aber nicht nur die Aktivitäten von sozialen Bots aufdecken, sondern Werkzeuge entwickeln, die von menschlichen Nutzer*innen genutzt werden können, um die Debattenkultur im Internet zu verbessern,“ erklärt Dr. Ole Pütz, Mitarbeiter in Cimianos Forschungsgruppe. Die Wissenschaftlerinnen setzten dabei auch auf Kooperationen mit NGOs. „Wir glauben, dass Bots Teil der Lösung sein können, aber noch wichtiger sind die Menschen selbst, die sich an Debatten beteiligen.“
Muttermilchversorgung von Frühgeborenen verbessern
Ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt soll den Effekt der Versorgung von Frühgeborenen mit Muttermilch möglichst genau messen – in Zusammenarbeit mit zwölf teilnehmenden Krankenhäusern. Langfristiges Ziel des Projekts mit dem Namen NEO-Milk: Zugang zu Muttermilch ab dem ersten Lebenstag für jedes Frühgeborene unter 1.500 Gramm. Die Forschungsgruppe von Professorin Dr. Friederike Eyssel am Institut CITEC der Universität Bielefeld ist an dem Projekt beteiligt. Geleitet wird NEO-Milk vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln. Das Projekt startet zum 1. Januar 2021. Es wird für vier Jahre mit insgesamt rund 4,7 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung gefördert. Neben einer Vielzahl an wissenschaftlichen und klinischen Kooperationspartnern sind auch Krankenkassen an dem Projekt beteiligt.
„Besonders für frühgeborene Kinder ist Muttermilch wichtig – auch, weil sie dazu beiträgt, gefährliche Erkrankungen zu verhindern“, sagt Professorin Dr. Friederike Eyssel, Forscherin am Institut CITEC und der Abteilung für Psychologie. Sie leitet die Forschungsgruppe Angewandte Sozialpsychologie und Geschlechterforschung. „Trotz Stillbetreuung im Krankenhaus und mit Beratungsangeboten führen unterschiedliche Faktoren dazu, dass manche Mütter nicht oder nur kurze Zeit stillen. Deswegen erforschen wir in dem neuen Projekt zum Beispiel, was dazu führt, dass Mütter stillen oder eigene Muttermilch für andere Kinder zur Verfügung zu stellen.“
Dafür soll unter anderem ermittelt werden, welche psychologischen Faktoren voraussagen, ob Mütter ihre Neugeborenen stillen oder darauf verzichten. „Ob eine Mutter stillt, hängt zum Beispiel damit zusammen, wie sehr sie sich an als typisch wahrgenommenen Geschlechtsrollen orientiert“, sagt Dr. Ricarda Wullenkord, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Eyssels Forschungsgruppe. Die Sozialpsychologin wird in dem neuen Projekt erforschen, welche persönlichen Einstellungen die Stillbereitschaft und das Stillverhalten voraussagen können. Sie arbeitet zudem an einem Stillförderkonzept mit, das in den teilnehmenden Krankenhäusern erprobt und evaluiert werden soll.

„Außerdem entwickeln wir im Projekt eine App“, sagt Friederike Eyssel. „Die App soll Mütter von Frühgeborenen künftig über das Stillen informieren und ihnen helfen, mühelos zu erfassen, wie oft sie ihr Kind stillen und wie die Milchproduktion zu- oder abnimmt. Für die App berücksichtigen wir auch sozialpsychologische Aspekte, indem wir die Nutzerinnen zum Beispiel fördern, die eigene Selbstwirksamkeit wahrzunehmen.“
In dem Projekt Neo-Milk werden Wissenschaftler*innen unter anderem 2.700 Mütter von Frühgeborenen auf neonatologischen Intensivstationen (Frühgeborenenstationen) nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen befragen. Das Stillförderungskonzept soll im Anschluss entwickelt werden, ebenso die App für Mütter von Frühgeborenen. Das Projekt sieht ebenfalls Schulungen der Pflegekräfte und Ärzt*innen vor.

Nach den Vorarbeiten werden ab 2022 das Stillförderungskonzept und die Muttermilchbanken an zwölf beteiligten Perinatalzentren starten. Solche Zentren sind für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen zuständig. Zwei Jahre lang wird der Einsatz des Versorgungskonzeptes wissenschaftlich beobachtet und begleitend evaluiert. Die Forscher*innen erfassen Daten über den Anteil der Kinder, die bei der Entlassung mit Muttermilch ernährt werden. Sie analysieren das Spende- und Stillverhalten der Mütter. Auch untersuchen sie, wie Muttermilchbanken genutzt werden.
In Deutschland kommen jedes Jahr circa. 10.500 Frühgeborene mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Sie sind in besonderem Maße von Komplikationen betroffen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder zum Tod führen können. Stillförderung ist ein Schlüsselelement, um Frühgeborene bestmöglich zu versorgen. Muttermilch ist gerade für frühgeborene Kinder essenziell, zum einen für die Verhinderung vital bedrohlicher Infektionen wie beispielsweise die nekrotisierende Enterokolitis (NEC), eine häufig akute Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Zum anderen ist sie für die Prägung des Immunsystems und die kognitive Entwicklung entscheidend.
Muttermilchbanken existieren weltweit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während die DDR an dem Konzept der Humanmilchbanken festhielt, wurden sie in Westdeutschland im Laufe der Jahrzehnte abgeschafft. Neben vielen Faktoren war eine Ursache dafür das Aufkommen der industriell gefertigten Formula-Nahrung. Auch wenn sich wieder ein Trend in Richtung der Muttermilch abzeichnet: Aktuell findet in Deutschland weder eine strukturierte Stillförderung statt, noch ist für Frühgeborene der Zugang zu Muttermilch in der Breite gewährleistet. So sind momentan etwa 30 Muttermilchbanken in Betrieb, es existieren jedoch alleine mehr als 200 Perinatalzentren (Level 1), in denen Früh- und Neugeborene versorgt werden.
Nach Projektende bewertet die Förderinstitution die Ergebnisse und entscheidet auf Basis der erarbeiteten rechtlichen und strukturellen Grundlagen über die bundesweite Etablierung von Muttermilchbanken.
Statement von Rektor Sagerer zu einem Helmholtz-Institut in Bielefeld
Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld:
Wir haben mit großer Freude erfahren, dass das von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld koordinierte de.NBI-Projekt mit Mitteln des Bundes im Rahmen der Helmholtz-Gemeinschaft über 2021 hinaus verstetigt werden soll. De.NBI steht für „Deutsches Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur”. Die hierfür notwendigen Mittel sind Teil des Haushalts 2021, die der Bundestag am 11. Dezember 2020 verabschiedet hat.
Nun ist es unsere Aufgabe gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich (Helmholtz-Gemeinschaft) in einen wissenschaftlichen Prozess einzutreten, um die Form der Verstetigung hier an der Universität Bielefeld zu konzipieren, zu planen und aufzubauen. Es wird für die deutschen Lebenswissenschaften nachhaltig eine innovative und umfangreiche Infrastruktur zur Analyse und Verarbeitung von großen Datenmengen zur Verfügung gestellt. Für die Universität Bielefeld entsteht ein starker Partner für vielfältige Forschungsaktivitäten, insbesondere in der Medizin, Biologie und Bioinformatik. Für den Wissenschaftsstandort Bielefeld und Ostwestfalen-Lippe wird diese Einrichtung ein neuer Forschungsleuchtturm, der die ganze Region stärkt.
Ich danke allen, die sich für diesen einzigartigen Erfolg stark gemacht haben. Herausheben möchte ich dabei Professor Dr. Alfred Pühler, der seit vielen Jahren auf diesem Feld sehr er-folgreich arbeitet. Er hat de.NBI aufgebaut und erfolgreich koordiniert. Damit hat er die Grundlage für diese Verstetigung gelegt. Mein Dank gilt auch Ralph Brinkhaus, dem Vorsit-zenden des CDU-Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe und Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag. Er hat sich in Berlin mit großem Engagement für das Institut einge-setzt. Herausheben möchte ich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das der Initiative von Anfang an sehr offen gegenüberstand und uns sehr unterstützt hat.
Weitere Informationen:
• http://www.denbi.de
• https://50jahre.uni-bielefeld.de/2020/02/12/fuenf-millionen-euro-fuer-bioinformatik-netzwerk-de-nbi/
• https://www.ralph-brinkhaus.de/bielefeld-erhaelt-ein-helmholtz-institut/
Universität Bielefeld kooperiert mit Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS)
Die Universität Bielefeld und das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. in Dortmund haben eine Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre geschlossen. Die Partner möchten sich auf den Gebieten Bioinformatik, Bioanalytik und Biomedizin strategisch ergänzen. Als Erstes wird jetzt eine gemeinsame Juniorprofessur für mehrdimensionale Omics-Analysen ausgeschrieben. Die Professur ist in der Bioinformatik angesiedelt und soll an Methoden zur Analyse und Visualisierung von Messdaten arbeiten, die auf genomischer Ebene Einblick in den Menschen gewähren. Gemeinsames Ziel ist es, einen Beitrag zur personalisierten Medizin zu leisten.
Um zu verstehen, wie Erkrankungen entstehen oder Krankheitsmechanismen funktionieren, bedarf es einer ganzheitlichen Darstellung verschiedener molekularer Zusammenhänge. So geben mehrdimensionale Analysen bei einer Probe zeitgleich Aufschluss über die Menge, Art, den Zeitpunkt und Ort von etwa Proteinen, Lipiden oder Metaboliten. „Multi-Omics-Analysen sind eine Kernexpertise unseres Instituts und ein wichtiger Bestandteil der biomedizinischen Forschung. Wir freuen uns daher sehr, mit dieser Juniorprofessur die Forschung, beispielsweise bei der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in der Region ausbauen zu können“, sagt Professor Dr. Albert Sickmann, ISAS-Vorstandsvorsitzender.

Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, der Rektor der Universität Bielefeld: „Ich bin hoch erfreut, dass uns diese Kooperation in der Bioinformatik gelungen ist. Sie ergänzt hervorragend unsere bisherigen Initiativen auf diesem Gebiet, wie zum Beispiel das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur – de.NBI –, das von Bielefeld aus gesteuert wird.“
Die Juniorprofessur wird mit einer Arbeitsgruppe in der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld ansässig sein. Zeitgleich wird sie eine Forschungsgruppe am ISAS in Dortmund aufbauen. Professor Dr. Markus Nebel, Dekan der Fakultät und gleichzeitig Bioinformatiker, erklärt die Vorteile dieses Konstrukts: „Diese Professur wird sich speziell mit den einzelnen Gebieten der molekularbiologischen Datenanalyse beschäftigen (Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik). Dabei kann sie direkten Bezug zu Anwendern in der Universität aus Biotechnologie und Biologie sowie dem ISAS herstellen.“ Geplant ist, die Professur und die Kooperation dauerhaft fortzuführen.
Über das ISAS
Das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. entwickelt leistungsfähige und wirtschaftliche Analyseverfahren für die Gesundheitsforschung. Mit seinen Innovationen trägt es dazu bei, die Prävention, Frühdiagnose und Therapie von Krankheiten zu verbessern. Ziel des Instituts ist es, die personalisierte Therapie voranzutreiben. Dafür kombiniert das ISAS Wissen aus Chemie, Biologie, Pharmakologie, Physik und Informatik. Das Institut arbeitet eng mit Universitäten im In- und Ausland zusammen, etwa durch gemeinsame Berufungen. Außerdem kooperiert es mit nationalen und internationalen Partnern aus der Wissenschaft und Industrie. Das ISAS wurde 1952 gegründet und beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter*innen.
Über die Universität Bielefeld
Die Universität Bielefeld ist eine forschungsstarke Universität in Nordrhein-Westfalen. Sie ist etwa 120 Kilometer vom ISAS in Dortmund entfernt. In ihrem Anspruch heißt es: „Unsere Forscher*innen überwinden Grenzen – zwischen Disziplinen, zwischen Menschen und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Grundsatz ‚Transcending Boundaries‘ ist Antrieb für grundlagenorientierte Spitzenforschung auf internationalem Niveau.“
Weitere Informationen:
Link zur Ausschreibung
Was Rassismus für die Identität von Gesellschaften bedeutet
Zu jeder Nation gehört die Vorstellung, dass ihre Mitglieder durch bestimmte Gemeinsamkeiten verbunden sind. Die Nation erscheint als eine Gemeinschaft von Menschen – und das obwohl sich diese Menschen persönlich zum größten Teil nie begegnen werden. Welche Bedeutung haben Rassismus und Rassekonstruktionen für die Identität von nationalstaatlich verfassten Gesellschaften? Das diskutieren Wissenschaftler*innen am 17. und 18. Dezember auf der interdisziplinären Online-Tagung „Rasse und das Imaginäre von Gesellschaft im Zeitalter der Migration“. Die Konferenz wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert.

Wer zu einer Gesellschaft gehört und wer „anders“ ist, sei vor allem das Ergebnis von Vorstellungen, die gepflegt, und von Geschichten, die erzählt werden, sagt Professor Dr. Paul Mecheril, der an der Universität Bielefeld Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Migration lehrt. Er leitet die Online-Tagung Mitte Dezember.
Die Vorstellungen zur Zugehörigkeit bekommen Mecheril zufolge in einer Zeit zunehmender Migration eine konkrete Bedeutung: „Die nationalstaatliche Ordnung ist darauf angewiesen, Fragen der Zugehörigkeit zu beantworten, zu klären, wer Bürger*in eines Landes ist und wer nicht. Und diese Bestimmung und Vorstellung des Eigenen stabilisiert sich durch den Bezug auf die erdachten und phantasierten Anderen“, sagt der Forscher.
„Auf unserer Tagung möchten wir aus dem Blickwinkel der Rassismus-Theorie auf das Imaginäre von Gesellschaft schauen“, so Paul Mecheril. Zwar habe sich die deutsche und die europäische Gesellschaft schon lange den Antirassismus auf die Fahnen geschrieben. Auch seien sich Wissenschaftler*innen längst einig, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Dennoch spielen Rassekonstruktionen laut Mecheril immer wieder eine Rolle, wenn es darum geht, die Zugehörigkeit und Identität von Menschen zu definieren.
Um der Rolle nachzugehen, die Rassekonstruktionen bei der Konstruktion von deutscher und europäischer Identität zukommt, wird es auf der Tagung neben Vorträgen vor allem moderierte Zweiergespräche zwischen den 20 Wissenschaftler*innen geben. In den Gesprächen soll deutlich werden, wie Forschende aus Disziplinen wie Migrationsforschung, Pädagogik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte, Germanistik, Kulturanthropologie und Politikwissenschaft das Thema Migration angehen.
Ebenfalls auf dem Programm: Eine Lesung der Autorin und Rassismusforscherin Pasquale Virginie Rotter und eine Performance der Künstlerin Soyong Ki.
Die Tagung ist die erste des neuen Arbeitsbereichs Migration der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld und ist als Startschuss einer mehrjährigen Forschungskooperation geplant.
Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de gebeten. Die Tagungssprache ist Deutsch.
Weitere Informationen
Website der Tagung mit Programm und Link zur Teilnahme
Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ verlängert
Der Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern“ (SFB 1288) der Universität Bielefeld wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ab Januar 2021 für weitere vier Jahre gefördert. Die DFG hat heute (27.11.2020) bekannt gegeben, die Laufzeit des interdisziplinären Forschungsverbunds zu verlängern. Für die zweite Förderperiode wurden 11,9 Millionen Euro bewilligt. „Das ist ein großartiger Erfolg, der die Arbeit der SFB-Mitglieder der vergangenen vier Jahre belohnt“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld.
(mehr …)ZiF-Konferenz 2020: Welche Energie für die Zukunft?
Noch immer deckt die Menschheit ihren Energiebedarf zum größten Teil mit Kohle, Gas und Öl. Und beschleunigt damit den Klimawandel. Aber was sind die Alternativen? Auf der ZiF-Konferenz 2020, der großen öffentlichen Jahrestagung des Zentrums für interdisziplinäre Forschung (ZiF), stellen Expert*innen aus verschiedenen Disziplinen ihre Antworten auf diese Frage vor. Die zehnte ZiF-Konferenz trägt den Titel „Herausforderung Energiewende“ und findet am Dienstag, 1. Dezember, als Online-Tagung statt.
Produzieren, Wohnen, Reisen, Essen, Kommunizieren: Der Energieverbrauch der Menschen nimmt ständig zu. Gedeckt wird er seit der Industriellen Revolution vor allem durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Inzwischen ist längst klar, dass die damit verbundenen Emissionen an Treibhausgasen massiv dazu beitragen, das Klima aufzuheizen. Um die Klimaschutzziele, die Deutschland sich gesetzt hat, zu erreichen, müssen diese Emissionen massiv gesenkt werden. Doch wie kann das gelingen? Können Wind und Sonne die fossilen Energieträger ersetzen? Oder brauchen wir ganz neue, synthetische Kraftstoffe?

„Was technisch möglich ist, ist dabei die erste und zentrale, aber nicht die einzige Frage“, sagt ZiF-Direktor Professor Dr. Gernot Akemann. Professor Dr. Carsten Reinhardt, ebenfalls ZiF-Direktor, ergänzt: „Wir müssen auch fragen: Welche Alternativen sind realistisch umsetzbar? Was sind die Auswirkungen? Wie funktionieren komplexe Entscheidungen wie der Wechsel zu neuen Energieträgern in einer Gesellschaft? Und wie stellt sich die Lage international dar? Diese Fragen zu beantworten, gehört zu den dringendsten Herausforderungen der Gegenwart.“ Akemann und Reinhardt leiten die Tagung mit Professor Dr. Robert Schlögl, Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und Koordinator des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Zusammen haben sie hochkarätige Referent*innen aus der Energieforschung, aber auch aus der Geschichte und der Wissenschaftsgeschichte, der Umwelt- und Planungswissenschaft und der Umwelt- und Klimapolitik eingeladen. Eine Podiumsdiskussion mit Teilnehmenden aus Wirtschaft, Politik und Umweltverbänden steht ebenfalls auf dem Programm.
„Eine einfache Antwort auf die Frage nach den Energiesystemen der Zukunft ist nicht in Sicht“, so die Tagungsleiter. „Aber eine breite und realistische Perspektive kann die Diskussion versachlichen und die Suche erleichtern.“
Die ZiF-Konferenz richtet sich wie immer an die Öffentlichkeit. Sie findet wegen der aktuellen Lage in diesem Jahr als Online-Veranstaltung via Zoom statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Deutsch.
Weitere Informationen:
• Link zur Teilnahme an der ZiF-Konferenz
• Programm der Tagung
Das Internet der Dinge lernfähig machen
Autonome Fahrzeuge oder Geräte für intelligente Wohnungen werden immer komplexer. Ein neues System des maschinellen Lernens soll die dafür genutzte Soft- und Hardware robuster, leistungsfähiger und energiesparender machen. Das neue Projekt VEDLIoT wird von der Europäischen Kommission für drei Jahre mit rund acht Millionen Euro finanziert. Davon gehen etwa zwei Millionen Euro an das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld, das das Projekt koordiniert.

In einem intelligenten Zuhause, einem Smarthome, finden die Bewohner*innen Geräte, die ihr Leben einfacher machen sollen: zum Beispiel einen Kühlschrank, der Lebensmittel nachbestellen und gleichzeitig mit dem Backofen kommunizieren kann. Die Geräte und Komponenten zählen zum Internet der Dinge (engl. Internet of Things, kurz IoT). Sie sind an ein Netzwerk angeschlossen und erfassen, speichern, verarbeiten und übertragen Daten. IoT-Geräte werden auch bei selbstfahrenden Autos oder der Industrierobotik eingesetzt.
Künstliche Intelligenz statt konventionellem Verfahren
In dem Projekt arbeiten zwölf Partner*innen aus den vier EU-Ländern Deutschland, Polen, Portugal und Schweden und dem EU-Assoziationsstaat Schweiz zusammen. Anstelle klassischer Verfahren, beispielsweise aus dem Bereich der Statistik, setzt das internationale Forschungsteam Verfahren des maschinellen Lernens ein, zum Beispiel Deep Learning (mehrschichtiges Lernen). Dafür werden künstliche neuronale Netze genutzt. „Beim Deep Learning hat das zugrunde liegende Netz neben Eingangs- und Ausgangsneuronen auch viele Zwischenneuronen und -schichten. Auf diese Weise lassen sich komplexe Sachverhalte abbilden“, sagt Jens Hagemeyer. Der Elektrotechniker forscht in der Gruppe Kognitronik und Sensorik und ist technischer Leiter des Projektes. „Wir stellen die Informationen bereit, die Maschinen lernen und entscheiden selbst.“
Mit der selbstlernenden Plattform VEDLIoT sollen IoT-Geräte leistungsfähiger werden und gleichzeitig weniger Energie verbrauchen. Dafür entwickeln die Forschenden eine modulare Hardware-Plattform: Auf einem Träger werden Microserver in der Größe einer Hand in unterschiedlichen Leistungsklassen kombiniert. „Je nach Anwendungsanforderung können die Server individuell auf dem Träger zusammengestellt werden. So ist die Plattform universell einsetzbar“, sagt Hagemeyer. Auch Totalausfälle werden mit dem neuen System vermieden: „Fällt ein Server beispielsweise wegen eines schwachen Funknetzes aus, ist das gesamte Gerät trotzdem noch bedienbar. In einem selbstfahrenden Auto würden die Benutzer*innen den Ausfall eines Servers im besten Fall überhaupt nicht merken.“
Ausschreibung für weitere Projektbeteiligungen
„Einige der Projektpartner*innen arbeiten seit vielen Jahren zusammen“, sagt Dr. Carola Haumann, Projektmanagerin und stellvertretende Geschäftsführerin des CoR-Labs. Zu den Partner*innen des Projekts zählen sieben Universitäten und Forschungsinstitute, die zur künstlichen Intelligenz und dem Internet der Dinge forschen. Die anderen Partner*innen sind Unternehmen unterschiedlicher Größe, vom Start-up EmbeDL bis zum Großkonzern Siemens.

Aber auch weitere Unternehmen können sich noch am Projekt beteiligen: „Wir gehen davon aus, dass wir im Projekt zusätzlich zu den bereits vorhandenen Anwendungen in den Bereichen Automobil, Automatisierung und Smarthome noch mindestens zehn weitere Anwendungsbeispiele finanzieren. Für diese wollen wir zusätzliche Unternehmen einbinden“, so Haumann. Mitte 2022 soll ein Prototyp fertiggestellt sein. „Die Ergebnisse aus den Anwendungen fließen während der Projektlaufzeit in die IoT-Plattform ein“, sagt Jens Hagemeyer. „Dadurch können wir die Plattform direkt weiterentwickeln.“
Das Projekt ist im November gestartet, ein erster intensiver Workshop aller Projektpartner*innen ist für Anfang Dezember geplant. Ende 2023 soll das Projekt abgeschlossen werden. Finanziert wird es über die Förderlinie zu Informations- und Kommunikationstechnologien im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 “ (Förderziffer 957197). Der Name VEDLIoT steht für „Very Efficient Deep Learning in IoT“ (Hocheffizientes Deep Learning im Internet der Dinge).
Beteiligte Forschungseinrichtungen und Hochschulen des Projekts sind neben der Universität Bielefeld: die Technische Hochschule Chalmers in Göteborg (Schweden), die Universität Neuenburg (Schweiz), die Universität Osnabrück, die Universität Göteborg (Schweden), die Research Institutes of Sweden (RISE) in Göteborg (Schweden) und FCiências.ID, eine Vereinigung für Forschung und Entwicklung in Lissabon (Portugal). Beteiligte Unternehmen sind: Antmicro in Posen (Polen), EmbeDL in Göteborg (Schweden), der Siemens-Konzern mit Sitz in München und Berlin, Christmann Informationstechnik & Medien in Ilsede sowie die Firma Veoneer in Stockholm (Schweden).
Universität erhält Graduiertenkolleg zu Geschlechterforschung
Ein neues Graduiertenkolleg an der Universität Bielefeld soll die Geschlechterforschung fächerübergreifend weiterentwickeln. Welche Erfahrungen machen Menschen mit ihrem Geschlecht? Wie fühlt es sich an, ein bestimmtes Geschlecht sein zu müssen oder sein zu wollen? Und welche Bedeutung haben diese Erfahrungen für den Wandel von Geschlechterverhältnissen und von Lebensweisen als Frau, als Mann oder als ein anderes Geschlecht? Diesen und ähnlichen Fragen geht das Graduiertenkolleg ab Mai 2021 nach. Über zunächst viereinhalb Jahre forschen zehn Doktorand*innen und eine Postdoktorandin aus unterschiedlichen Disziplinen in der neuen Einrichtung. Der Name des Kollegs: „Geschlecht als Erfahrung. Konstitution und Transformation gesellschaftlicher Existenzweisen“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat das Kolleg jetzt bewilligt und fördert es mit 3,8 Millionen Euro. Sprecherin ist die Geschlechtersoziologin Professorin Dr. Tomke König.

Für das Graduiertenkolleg arbeiten zehn Wissenschaftler*innen aus sechs Disziplinen zusammen: American Studies, Germanistische Literaturwissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie und Sportwissenschaft. „Wir erforschen, welche Erfahrungen Menschen mit Geschlecht machen, wie sich diese Erfahrungen in ihrem Körper niederschlagen und auch, wie körperliche Erfahrungen zu Widerstand und Protest führen können“, sagt Tomke König von der Fakultät für Soziologie. „Wie es sich anfühlt, eine Frau, ein Mann oder ein anderes Geschlecht zu sein, ist von den jeweiligen Erfahrungen der Menschen abhängig. Das Ziel des Kollegs ist es, ein präzises Vokabular zu entwickeln für das, was in der gegenwärtigen Ordnung der Geschlechter nicht gesagt, gedacht und gefühlt werden kann, sodass es auch für alle verständlich wird, die diese Erfahrungen nicht machen.“
Die Forschenden des Graduiertenkollegs verbinden ihre Analysen von Geschlecht als Erfahrung mit anderen Erfahrungsdimensionen. „Wie Menschen ein Geschlecht erleben und sich aneignen, das hängt mit einer Reihe von Dimensionen zusammen – zum Beispiel mit Klasse, Ethnizität, Staatsbürgerschaft, Sexualität, Gesundheit, Alter oder auch Religion“, erklärt König.
Zusammenführung gegensätzlicher Forschungsansätze
Mit dem Programm ihres Kollegs schlagen die Wissenschaftler*innen eine Brücke zwischen Forschungsansätzen, die Geschlecht einerseits als vorgegeben und andererseits als sozialisiert und anerzogen untersuchen. Die beiden Herangehensweisen werden in der Geschlechterforschung als essentialistische und dekonstruktivistische Ansätze unterschieden. Gemäß dem Essentialismus werden Menschen hauptsächlich oder überwiegend von ihrer biologischen Natur bestimmt und kaum von ihrer sozialen Umwelt. Der Dekonstruktivismus geht hingegen davon aus, dass Geschlechtsidentitäten und -rollen im sozialen Miteinander erlernt werden. So werden häufig unterschiedliche Verhaltensweisen bei weiblichen und männlichen Kindern und Erwachsenen gefördert: etwa, wenn einerseits aggressives Verhalten geduldet und andererseits selbstloses Verhalten eingefordert wird.
Nachwuchsforschende können sich bis Anfang des kommenden Jahres mit Dissertations- und Habilitationsthemen an dem Graduiertenkolleg bewerben. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht kommt zum Beispiel eine Dissertation in Frage, die untersucht, welche unterschiedlichen Verhaltenslehren Romane und Kurzgeschichten für weibliche und männliche Körper vorgeben und welche Körpererfahrungen die Autorinnen je nach Geschlecht schildern. Soziologisch kann es beispielsweise um Menschen in Machtpositionen gehen und darum, welche Denk-, Gefühls- und Handlungsweisen notwendig sind, um Macht auszuüben. Wie erleben sich Inhaber*innen von Machtpositionen selbst als Frau oder als Mann? Ein mögliches Forschungsthema aus der Gesundheitswissenschaft betrifft zum Beispiel vorzeitige Wechseljahre und wie diese sich darauf auswirken, wie Frauen ihre Weiblichkeit wahrnehmen und mit gesellschaftlichen Vorstellungen von Alter zusammenbringen. Solche und ähnliche Themen will das Graduiertenkolleg im interdisziplinären Austausch bearbeiten und damit die Perspektive der Einzeldisziplinen überschreiten.
DFG fördert neue Kollegs mit rund 48 Millionen Euro
Das Kolleg ist eins von zehn neuen Graduiertenkollegs (GRK), die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zur weiteren Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses einrichtet. Die neuen GRK werden ab Frühjahr 2021 zunächst viereinhalb Jahre mit insgesamt rund 48 Millionen Euro gefördert. Nach der ersten Förderphase können die Kollegs eine Förderung für weitere viereinhalb Jahre beantragen. Graduiertenkollegs bieten Doktorand*innen die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Aktuell fördert die DFG insgesamt 222 GRK, darunter 34 Internationale Graduiertenkollegs (IGK).
Langjährige Erfahrung in der Geschlechterforschung
Die Universität Bielefeld ist seit Jahrzehnten für ihre Geschlechterforschung bekannt. Das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung (IZG) an der Universität Bielefeld ist eines der ersten Zentren im deutschsprachigen Raum, das Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in den Mittelpunkt seiner Forschungen gestellt hat. Es ging aus der 1982 eingerichteten Interdisziplinären Forschungsgruppe Frauenforschung (IFF) hervor. Ebenfalls ein Beispiel für die Geschlechterforschung ist die neue ZiF-Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Unter Leitung von drei Bielefelder Wissenschaftler*innen befasst sie sich seit Oktober mit weltweiten Anfechtungen von Frauen- und Geschlechterrechten.
Weitere Informationen:
• Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft: „DFG fördert zehn neue Graduiertenkollegs“
• Website des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZG)
ERC Synergy Grant: Europäische Millionenförderung für Bielefelder Informatikerin
Die Trinkwasserversorgung angesichts des Wachstums von Städten sichern: An neuen Technologien dafür werden die Informatik-Professorin Dr. Barbara Hammer von der Universität Bielefeld und drei weitere europäische Wissenschaftler*innen forschen. Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert die vier Wissenschaftler*innen für ihr Projekt Water-Futures mit seinem Synergy Grant – einer der höchstdotierten Forschungsförderungen der Europäischen Union. Die vier Forschenden erhalten insgesamt zehn Millionen Euro für die kommenden sechs Jahre, davon gehen 2,4 Millionen Euro an die Universität Bielefeld.
(mehr …)Wie Musik in Amerika für politische Umbrüche sorgt
Reggae-Pionier Bob Marley betritt am 22. April 1978 beim One Love Peace Concert in Kingston, Jamaika, die Bühne. Zu dem Song „Jammin“ bittet er Premierminister Michael Manley und dessen politischen Rivalen Edward Seaga zu sich auf die Bühne – und bringt sie zu einem symbolischen Handschlag. „Dieser ikonische Moment wendete einen potenziellen Bürgerkrieg in dem Karibikstaat ab“, sagt Professor Dr. Wilfried Raussert vom Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität Bielefeld.

Mit solchen Wechselwirkungen von Musik und Politik in den Amerikas befasst sich der Sammelband mit dem Titel „Sonic Politics“, den Raussert gemeinsam mit dem Bielefelder Historiker Professor Dr. Olaf Kaltmeier herausgebracht hat. „Dahinter steckt die Idee, dass Musik gesellschaftspolitische und politische Bedeutung hat“, sagt Raussert. Doch der Kampf für Demokratie findet nicht immer auf der großen Bühne statt.
Raussert, selbst Musiker, hat sich für das Buch den „Fandango ohne Grenzen“ im Grenzgebiet der USA zu Mexiko angeschaut. „Dabei wird auf beiden Seiten des Grenzzauns musiziert und getanzt“, sagt der Professor für Amerikastudien. Über Lichtsignale tauschen die Teilnehmer*innen zudem Informationen zu verschwundenen Verwandten aus. „Das ist auch eine Protestbewegung gegen die Idee der Mauer von Donald Trump.“
Musik als Seismograf für soziale Bewegungen
„In den USA ist Musik bereits lange sozial verwoben“, sagt Raussert, „zum Beispiel in den bekannten Field-Songs auf den Baumwollfeldern der Südstaaten.“ Doch politisch genutzte Musik lässt sich nicht auf eine Handvoll Genres eingrenzen. Ab den 1920er-Jahren war es der Blues, zwei Dekaden später waren es Balladen wie „This Land is Your Land“ der Folk-Legende Woody Guthrie, die Ausgrenzung thematisierten. Auf den Vorreiter der Protest-Folk-Bewegung bezog sich in den 1960er-Jahren auch Bob Dylan. In Lateinamerika machte das Volk zeitgleich mit der Protestmusik Nueva Canción („Neues Lied“) auf Missstände aufmerksam, sagt Olaf Kaltmeier.
Heute gelten afrostämmiger Rap und Hip-Hop als Bindeglied von Musik und Politik in den Amerikas. Raussert und Kaltmeier stellen in ihrem Buch fest: „Musik ist auch ein Seismograf für soziale Bewegungen.“ Einer der wichtigsten Faktoren sei die große Bedeutung der Musik bei der Gemeinschaftsbildung, sagt Raussert.

„Eine extrem provokante Bühnenperformance“
Heute nutzen weltbekannte Stars wie der Grammy-Preisträger Kendrick Lamar gezielt Großevents, um politische Botschaften an ein Massenpublikum zu senden. Bei den Grammys 2016 schlurfte die Rap-Ikone in Ketten auf die Bühne, seine Musiker waren in Käfige gesperrt. „Diese extrem provokante Bühnenperformance war ein Rückverweis auf afroamerikanische Geschichte, auf Versklavung, aber auch auf die Situation junger schwarzer Männer in den USA, die für nichts ins Gefängnis gesteckt werden“, kommentiert Raussert. Diese politische Botschaft habe eine starke Wirkung auf die „Black Lives Matter“-Bewegung, die sich mittlerweile nach Brasilien, Mexiko und Kanada ausbreitet.
Künftig, prognostiziert Raussert, werde vielleicht ausgerechnet das Genre wieder eine stärkere Bedeutung bekommen, mit dem bereits Bob Marley 1978 Großes angestoßen hatte: „Der Reggae ist für Freiheitskämpfe und Jugendkulturen in Afrika neu entdeckt worden.“ Dort könnte die Musik nun in anderem Kontext erneut ihre Wirkung entfalten.
Dieser Artikel stammt aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Hier gibt es die neue Ausgabe des Magazins.
Staaten uneins über Klimaschutz
Wie verändert sich das Klima in den Amerikas? Wie gut gelingt es der Politik, Naturkatastrophen zu managen – und wer leidet besonders darunter? Mit solchen Fragen befasst sich Professorin Dr. Eleonora Rohland. Sie ist Direktorin des Center for InterAmerican Studies und Professorin für Verflechtungsgeschichte der Amerikas in der Vormoderne.
Mehr Starkregen, mehr Wirbelstürme, mehr Dürren
Das Klima in den Amerikas unterliegt starken Schwankungen, die insbesondere mit der Meeresströmung vor der Westküste Südamerikas und den jeweiligen Wassertemperaturen zusammenhängen. In manchen Phasen steigt die Wassertemperatur vor der Westküste Südamerikas an. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als El Niño. „Das verändert atmosphärische Strömungen, die unter anderem zu starken Regenfällen in Ländern wie Peru und Chile führen“, sagt Rohland. Das umgekehrte Phänomen, bei dem das Wasser vor der Küste kälter als sonst ist, wird als La Niña bezeichnet – und bedingt in der Folge unter anderem eine starke Trockenheit in Ländern wie Peru und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für aktive Hurrikansaisons im Atlantik.

„Wir wissen, dass es solche Schwankungen seit mehreren Tausend Jahren gibt“, sagt die Professorin. Wissenschaftler*innen gehen allerdings davon aus, dass der Klimawandel diese eigentlich natürlichen Effekte verstärkt – mit weitreichenden Folgen. „Damit hängen zum Beispiel die heftigen Waldbrände im Westen der USA in diesem Jahr zusammen, weil es dort extrem trocken war“, sagt Professorin Rohland. Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass extreme Wetterereignisse in den Amerikas zunehmen werden – also zum Beispiel Starkregen, Stürme oder Dürren. „Es deutet zudem alles darauf hin, dass Wirbelstürme stärker werden.“
Unterschiedliche Bestrebungen zum Klimaschutz
Spätestens seit dem UN Earth Summit von Rio im Jahr 1992 haben sich die meisten Staaten in den Amerikas dazu verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Die Ziele wurden im 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll festgehalten. Der damalige US-Präsident Bill Clinton unterschrieb das Protokoll – der US-Senat weigerte sich allerdings, es zu ratifizieren. Auf Clinton folgte Präsident George W. Bush, der sich ebenfalls gegen das Kyoto-Protokoll aussprach. Präsident Barack Obama setzte sich schließlich 2015 stark für das Klimaabkommen von Paris ein, das als Meilenstein für den Klimaschutz galt. Präsident Donald Trump kündigte wiederum 2017 an, aus dem Abkommen austreten zu wollen.
Insbesondere in Lateinamerika waren viele Länder empört über diesen Schritt von Trump – viele von ihnen hatten sich über Jahre für ein globales Klimaabkommen eingesetzt. „Allerdings sind die Länder in Bezug auf ihre Klimapolitiken natürlich extrem heterogen“, sagt Eleonora Rohland. So gilt beispielsweise Costa Rica als Vorreiter – das Land hatte angekündigt, bis 2021 klimaneutral sein zu wollen und die Elektromobilität auszubauen. „Brasilien setzt hingegen seit dem Wahlsieg von Jair Bolsonaro wieder deutlich stärker auf fossile Energien“, sagt Rohland. Insgesamt sei darüber hinaus in einigen Ländern in den Amerikas, allen voran Venezuela und Brasilien, zu beobachten, dass sie stark darauf setzten, Rohstoffe wie Öl zu exportieren, um damit ihre Sozialsysteme auszubauen – dies allerdings auf Kosten der Umwelt und indigener Bevölkerungen.
Unterschiedliche historische Verantwortung
In vielen Staaten in den Amerikas haben sich zivilgesellschaftliche und indigene Gruppierungen wie auch NGOs zum Kampf gegen den Klimawandel und für Klimagerechtigkeit zusammengeschlossen. Trotzdem hat die internationale Schüler*innenbewegung Fridays for Future laut Rohland bislang weder in Nord- noch in Südamerika eine ähnliche Schubkraft entwickelt wie in Europa. Das hängt zum einen mit dem extrem unterschiedlichen Status der einzelnen Länder im Hinblick auf den Ausstoß von CO2 und die historische Verantwortung für den globalen Klimawandel zusammen. „Und zum anderen liegt es auch daran, dass in den lateinamerikanischen Ländern andere Fragen häufig drängender für Menschen sind.“ Zum Beispiel: Armut, Gewalt, gesellschaftliche Ungleichheit oder Konflikte rund um Drogen- und Bandenkriminalität.
Auch in den USA sind zum Beispiel die NGOs 350.org und Aavaz stark, die sich für Klimaschutz einsetzen. „Eine Bewegung ähnlich wie die Fridays for Future bei uns nehme ich allerdings auch dort bislang nicht wahr“, sagt Eleonora Rohland, Mitgründerin und -organisatorin der Lectures for Future Bielefeld. Bei der interdisziplinären Vortragsreihe geht es um das Thema „Der Mensch in einer begrenzten Umwelt.“
Nicht alle leiden gleich stark unter Naturkatastrophen
Wenn sich Naturkatastrophen in den Amerikas ereignen, sind nicht alle Menschen gleichermaßen davon betroffen. Rohland hat sich mit der US-amerikanischen Stadt New Orleans von ihrer Gründung 1718 bis zum Hurrikan Katrina beschäftigt, der die Stadt 2005 teils zerstörte und überflutete. In Louisiana wurde 2004 von der staatlichen Katastrophenbehörde FEMA eine Katastrophenübung mit dem Namen „Hurricane Pam“ durchgeführt – und trotzdem versagte das Management 2005. „DieAuswirkungen des Sturms wurden durch die zu späte und ungenügende Reaktion verschiedener Behörden erheblich verschlimmert“, sagt Rohland.
Einige Bevölkerungsgruppen traf die Katastrophe stark. „Unter den Überflutungen litten insbesondere die in den USA durch systemischen Rassismus benachteiligten People of Color“, sagt die Historikerin. Einer der Gründe: Die Stadtteile, in denen hauptsächlich Afro-Amerikaner*innen leben, befinden sich oft in geografisch tiefer liegenden und somit hochwassergefährdeten Teilen der Stadt. „Ein Teil der schwarzen Bevölkerung besaß kein Auto und konnte deshalb nicht aus der Stadt flüchten“, sagt Rohland. Nach der Überflutung fehlte vielen zudem das Geld, um die beschädigten Häuser wieder instand zu setzen. „Es sind somit meist historisch gewachsene, sozioökonomische Faktoren, die insbesondere People of Color und indigene Bevölkerungen in den Amerikas besonders für Naturkatastrophen verwundbar machen.“
Dieser Artikel stammt aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Hier gibt es die neue Ausgabe des Magazins.
Größter deutschsprachiger Soziologiekongress 2022 in Bielefeld
Der 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) findet in zwei Jahren an der Universität Bielefeld statt. Das wurde jetzt zum Abschluss des in diesem Jahr ausgetragenen Kongresses bekannt gegeben. Die Konferenz ist der größte Soziologiekongress im deutschsprachigen Raum: Bis zu 2500 Wissenschaftler*innen werden dazu vom 26. bis zum 30. September 2022 an der Universität Bielefeld erwartet. Die rund 200 Vorträge, Workshops und weiteren Veranstaltungen stehen unter dem Gesamtthema „Polarisierte Welten“. Federführend organisiert wird der Kongress von der Fakultät für Soziologie.
(mehr …)Vorabveröffentlichung aus BI.research: Vorwärts ins Mittelalter
Weiß, männlich, milliardenschwer – in lateinamerikanischen Staaten sieht die politische Elite immer seltener aus wie die Bürger*innen in den Ländern. Dafür ähneln die Mächtigen denen im reichen Nordamerika. Geschichtswissenschaftler Olaf Kaltmeier beschreibt diese neue, alte politische Kultur in seinem aktuellen Essay als Refeudalisierung und Rechtsruck.
Stellen Sie sich mal ein Lateinamerika vor, wo so viele Frauen Präsidentinnen, Parlamentarierinnen und Richterinnen sind wie in keiner anderen Weltregion. Wo Staatschefs vorher Busfahrer, Bauern oder Stahlarbeiter waren. Wo eine indigene Herkunft kein Nachteil ist. Wo Sozialprogramme Millionen Menschen aus der absoluten Armut heben und lesen lernen lassen. Wo Regierungen Umweltschutz mit wirtschaftlichen Interessen vereinbaren wollen.
Klingt utopisch? Das war in den vergangenen 30 Jahren aber Realität: in Argentinien, Bolivien und Chile, in Brasilien oder Ecuador, in El Salvador, Nicaragua, Paraguay, Mexiko, Venezuela und Uruguay und, wenn die Karibikstaaten dazugezählt werden, in Kuba und der Dominikanischen Republik.

Soziale Ungleichheit als Ursache für Krisen
Heute erscheinen viele dieser Staaten weniger vorbildlich und demokratisch. Wir sehen den Amazonaswald brennen, Protestierende auf Chiles Straßen sterben, Millionen aus Venezuela fliehen. In der Corona-Pandemie wird deutlich, wie unterfinanziert das öffentliche Gesundheitswesen in der Weltregion ist. In Lateinamerika und der Karibik gibt es laut der Nachrichtenagentur AFP mehr als 300.000 registrierte Todesopfer der Pandemie, davon rund 130.000 in Brasilien (Anfang September 2020). Wähler*innen bringen einen Typus in Ämter, mit dem sich politische Kultur und Moral wandeln.
Refeudalisierung nennt Professor Dr. Olaf Kaltmeier diese Verschiebung. Der Historiker forscht am Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität Bielefeld und ist Direktor des Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies (CALAS). Er betont im Gespräch mit BI.research, dass sich der Prozess nicht nur innerhalb von lateinamerikanischen Gesellschaften abspielt, sondern weltweit. Insbesondere sehen wir Refeudalisierung ihm zufolge auch zwischen den Amerikas: auf der einen Seite der reiche Norden, auf der anderen das ärmere Mittel- und Südamerika, dazwischen Abschottung.
Gesellschaften sind extrem polarisiert
Der Begriff offenbart das soziale Grauen des Mittelalters: Schon der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas und der deutsche Soziologe Sighard Neckel benutzten „Refeudalisierung“ für die Folgen des Turbokapitalismus in unserem Jahrhundert – wegen Parallelen zum Feudalismus, der Gesellschafts- und Wirtschaftsform bis zur Aufklärung und Französischen Revolution in Europa.
Der Sozialwissenschaftler Kaltmeier beschreibt mit Refeudalisierung verschiedene Dimensionen einer „extremen sozialen Polarisierung“. Eine Dimension ist die Verteilung von Besitz: Im Mittelalter gehörten wenigen Feudalherren Land und Untertanen. Heute zeigen laut Kaltmeier Analysen wie der Oxfam-Report ähnliche Strukturen, nämlich „dass 1 Prozent der Weltbevölkerung genauso viel Reichtum besitzt wie 99 Prozent der restlichen Weltbevölkerung.“ Daraus entstehe eine undemokratische Abhängigkeit, in der sozialer Aufstieg unwahrscheinlicher werde.

Denn dem milliardenschweren einen Prozent gehören die Häuser, in denen die restlichen 99 leben; außerdem ihr Land, die Medien, die sie zu Meinung und demokratischem Handeln befähigen sollen, ihr Wasser, ihre Drogen, ihre Kredite – und immer öfter ihre politische Repräsentation.
Dass Superreiche Regierungsämter erobern, kennen wir aus Europa durch Silvio Berlusconi (Italien), Petro Poroschenko (Ukraine) oder Andrej Babiš (Tschechien). In den USA ist hier Donald Trump zu nennen. Diese Prozesse gehen oft mit einer autoritären Verhärtung an der Spitze der politischen Macht einher.
„Damit verschwindet das urdemokratische Prinzip von Gleichheit“
In Lateinamerika wiederholt sich dieses Prinzip. Beispiel Chile: Hier ist seit zwei Jahren Milliardär Sebastián Piñera Präsident. Gewählt von Menschen, die lateinamerikaweit am meisten Privatschulden haben, sagt Kaltmeier. Problematischer könnte der soziale Gegensatz zwischen Volk und Repräsentant kaum sein. Für Kaltmeier verschwindet damit „das urdemokratische Prinzip von Gleichheit oder wie in Lateinamerika gesagt wird ‚equidad‘ – Chancengleichheit.“ Nach einer Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Oxfam verstärkt sich dieses soziale Auseinanderdriften in der Corona-Pandemie. Zwischen März und Juni 2020 sei laut der Studie das Vermögen der lateinamerikanischen Geldaristokratie um 18 Prozent gestiegen, berichtet Kaltmeier. Dagegen sei gerade der informelle Sektor, in dem die unteren Schichten ihren Lebensunterhalt verdienen, massiv geschrumpft.
Mittelalterliche Abhängigkeiten paaren sich in lateinamerikanischen Staaten – ebenso wie in den USA – mit einem Rechtsruck. Beispiel Brasilien: 2018 wird der Rechtsextreme Jair Bolsonaro Präsident, ein Mann, der Frauen den gleichen Lohn wie Männern abspricht, der offen Homosexuelle diskriminiert, die Rechte von Indigenen beschneidet und mutmaßlich den Amazonaswald abbrennen lässt, um Rohstoffe und Ackerland zu gewinnen.
Weiß sein bedeutet reich sein – seit der Kolonialzeit
Kaltmeier interpretiert das als eine Art „Rache von Personen, die sich einer männlichen, weißen Elite zugehörig fühlen“ und soziale Errungenschaften zurückdrehen wollen. Dabei werde die Elite vom Aufstiegswunsch der Wähler*innen befeuert, denn „je weiter man aufsteigenmöchte, desto mehr scheint sich das Kriterium Weißsein durchzusetzen.“ Ein Kriterium, das sich seit der Kolonialzeit in Lateinamerika durchgezogen habe, so Kaltmeier.
Der Sozialwissenschaftler beobachtet aber auch ermutigende Prozesse, von denen andere Weltregionen lernen sollten. Zum Beispiel habe es die politische Debatte in Lateinamerika ermöglicht, eine diverse, plurikulturelle Gesellschaft verfassungsmäßig festzuschreiben. Und er erlebe dort eine lebendige, breite Zivilgesellschaft, die gegen Ungerechtigkeiten mobilisiere und in der Solidarität zum Alltag gehöre – trotz aller feudalen und rechten Tendenzen. „Mal ehrlich“, sagt Kaltmeier noch, „das würde ich mir für Deutschland auch mehr wünschen.“
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Oktober 2020.
Erste Digital Academy befasst sich mit Visualisierung von Daten in Geistes- und Kulturwissenschaften
Welche Chancen bieten Visualisierungen für die digitalen Geisteswissenschaften? Dieser Frage widmen sich die Teilnehmer*innen der ersten Digital Academy der Universität Bielefeld. Die Tagung trägt den Titel „Visualisieren und Vergleichen“ und wird vom 20. bis zum 23. Oktober vom Arbeitsbereich Digital History der Abteilung Geschichtswissenschaft und dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“ (SFB 1288) ausgerichtet.

Ob animierte Fallzahlenentwicklungen zu Corona, Netzwerkgrafiken oder Karten: Grafische Darstellungen können helfen, riesige Datenmengen übersichtlich und verständlich zu machen. „Für viele wissenschaftliche Disziplinen ist es eine gängige Praxis, Informationen aus einer Visualisierung zu entnehmen oder eine Visualisierung zu erstellen – und so Vergleiche anzustellen“, sagt Professorin Dr. Silke Schwandt, Leiterin des Arbeitsbereichs Digital History. Die Initiatorin der Digital Academy leitet im SFB 1288 das Projekt „Dateninfrastruktur und Digital Humanities“, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Methodik zur Erforschung von Vergleichspraktiken für die Geisteswissenschaften weiterzuentwickeln. Mit der Veranstaltung möchte sie Nachwuchswissenschaftler*innen die Gele-genheit bieten, ihre eigenen Projekte vorzustellen und die in Visualisierungen angelegten Vergleiche zu untersuchen.
Doch Visualisierungen können täuschen, denn weder sie selbst noch die Praktiken ihrer Erstellung sind neutrale Übertragungen von Informationen. Die theoretische Reflexion dieser Praktiken wird mit der Exploration neuer Techniken verbunden. Dies schließt die Diskussion von digitalen Methoden für die Geisteswissenschaften genauso ein wie die Exploration innovativer digitaler Austauschformate wie Virtual Reality Umgebungen und digitale Pinnwände.

Am 22. Oktober berichten drei renommierte Expert*innen, die Sozioinformatikerin Professorin Dr. Katharina Zweig, der Historiker Professor Dr. Andreas Fickers und der Computerlinguist Professor Dr. Noah Bubenhofer, von ihren Erfahrungen mit Visualisierungen und stellen sich den Fragen der Nachwuchswissenschaftler*innen. Ein Theoriegespräch am 23. Oktober rundet die Veranstaltung ab. Interessierte sind herzlich eingeladen, an beiden Tagen teilzunehmen, um Anmeldung (https://digital-history.uni-bielefeld.de/digital-academy/anmeldung/) wird jedoch gebeten. Die Tagungssprache ist Deutsch.
Weitere Informationen:
Website der Digital Academy
Der Zweck heiligt die Mittel
Amtsmissbrauch, Vergewaltigung, Unterschlagung, dann die Tonaufnahmen, auf denen er sagt, er habe das Coronavirus zu Jahresbeginn bewusst heruntergespielt, um eine Panik zu verhindern: Die Liste der Vorwürfe gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump ist lang. In den meisten Fällen schaden sie ihm politisch kaum. Dass Trump nach zahlreichen fragwürdigen Manövern von einem großen Teil der US-Amerikaner*innen unterstützt wird, hat er ausgerechnet den Evangelikalen in den USA zu verdanken – „trotz seines ‚amoralischen‘ Lebenswandels“, wie Professor Dr. Dr. Heinrich Wilhelm Schäfer betont. Der Religionssoziologe ist Mitglied des Center for InterAmerican Studies (CIAS) und des Center for the Research on Religion and Society (CIRRuS) der Universität Bielefeld. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Freikirchen in den USA und Lateinamerika, deren Einfluss auf die Politik er seit Langem untersucht.

Andere Werte
Evangelikale sind Christ*innen. Ihre Werte unterscheiden sich jedoch deutlich von denen der eher säkular geprägten Christ*innen in Europa. „Wenn wir uns die Wurzeln der Evangelikalen anschauen, wird klar, warum: Die Pilger-Väter, in Europa verfolgt, haben auf dem neuen Kontinent ihr Reich Gottes auf Erden gefunden. Dieses neue Jerusalem, das in ihrer Vorstellung von Gott selbst initiiert wurde, beanspruchen sie für sich allein“, erklärt Schäfer.
In einer solchen Wertewelt ist die Bibel eine irrtumsfreie und unumstößliche Autorität. Und es lässt sich gut in „wir“ und „die“ unterschieden. Schäfer führt hierfür ein Beispiel an: „Wer für Abtreibung ist, tötet. Dahinter verbirgt sich eine kategorische, pauschale Abqualifizierung von politischen Gegner*innen.“ Und genau an diesem Punkt hat Trump die Evangelikalen gepackt – vor allem die religiöse Rechte.
Republikaner*innen und die religiöse Rechte
„Trump symbolisiert die Werte der religiösen Rechten beziehungsweise nutzt diese Werte gezielt, um Stimmen von Wählerinnen für sich zu generieren. Dabei ist die Person im Amt quasi irrelevant. Wichtig ist nur, wofür sie steht“, betont Schäfer. Ein augenscheinliches Beispiel dafür, wie Trump vorgeht, um seine evangelikalen Wähler zu mobilisieren, war die Szene im Juni vor der Kirche St. John’s in Washington, D.C. Der Präsident ließ sich dort während einer Demonstration gegen Rassismus mit einer Bibel in der Hand fotografieren. Um vor die Kirche zu gelangen, hatte er Beteiligte der „Black lives matter“-Demonstration mit Tränengas vertreiben lassen. In diesem Fall waren die Reaktionen der Evangelikalen gemischt. Die symbolische Geste sei völlig angemessen gewesen, sagte zum Beispiel Robert Jeffress, Leiter der „First Baptist“-Kirche in Dallas und enger Berater des Präsidenten. Die örtliche Bischöfin zeigte sich wiederum empört. Trumps Botschaft stehe im Gegensatz zur kirchlichen Lehre, sagte sie.
Donald Trump ist bei Weitem nicht der erste Präsident, der sich als „von Gottes Gnaden“ inszeniert. Die enge Verflechtung zwischen der republikanischen Partei in den USA und der religiösen Rechten besteht seit vielen Jahrzehnten. Angehörige der religiösen Rechten haben innerhalb der Partei nicht nur wichtige Ämter besetzt, sondern zählen auch viele namhafte Politiker*innen zu ihrem Lager, wie Schäfer zu berichten weiß. Deutlich wird die direkte Ansprache religiöser Wähler*innen schon bei der Wortwahl vieler Republikaner*innen. Ein Beispiel ist die berühmte „Achse des Bösen“, mit der Präsident George W. Bush 2002 zahlreiche Länder regelrecht verteufelte.
Auch am Beispiel von Trumps Herausforderer Joe Biden von den Demokraten zeigt sich, wie bedeutsam das evangelikale Lager in US Präsidentschaftswahlen ist. So engagierte Biden für seine Wahlkampagne den evangelikalen Berater und früheren Republikaner Josh Dickson als Koordinator zu Glaubensfragen. In einer evangelischen Kirche in der Stadt Kenosha hielt Biden im September eine Rede gegen Rassismus. In Kenosha war es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, nachdem ein schwarzer Amerikaner bei einem Polizeieinsatz lebensgefährlich verletzt worden war.
Exportschlager Freikirchen
Die Verflechtung zwischen Politik und Kirche wird aber nicht nur in den USA immer enger. Wer den Wahlkampf des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verfolgt hat, erkennt Parallelen, im evangelikalen Lager um Wähler*innenstimmen zu werben. Bolsonaro fiel mit rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Äußerungen auf. Sein direkter Draht nach oben: der Pfingstler Silas Malafaia. Der Prediger hat sich schon im Wahlkampf hinter Bolsonaro gestellt, man teile dieselben Werte. Abtreibung sei ein Verbrechen, die Familie heilig. Dass Bolsonaro eigentlich Katholik und bereits zum dritten Mal verheiratet ist – nebensächlich.
Auf Lateinamerika übergeschwappt ist der Protestantismus durch amerikanische Einwanderer*innen und Missionar*innen – beginnend in den 1830er-Jahren zur Zeit des Unabhängigkeitskampfes gegen die spanische Krone. Der Missionsprotestantismus hat sich in Lateinamerika allerdings gemäß den dort geltenden Lebensformen stark verändert.
„Neben der religiösen Rechten gibt es auch ein linksliberales Spektrum, für das – obwohl religiös sehr konservativ – vor allem soziale Gerechtigkeit im Mittelpunkt steht. Während die religiöse Rechte die Demokratie regelrecht untergräbt, wird sie von linken Freikirchen gefördert“, sagt Schäfer. Das schlägt sich auch im Rückfluss des Protestantismus aus Lateinamerika in die USA nieder. Die teils katholischen, teils pfingstlichen Migrant*innen aus Lateinamerika bringen das religiöse Feld in den USA in Bewegung.
Und das dürften auch Trump und künftige republikanische Präsidentschaftskandidat*innen spüren. „2016 wurde Trump nochmit 81 Prozent der Stimmen weißer Evangelikaler ins Amt gewählt. In Zukunft dürfte das nicht mehr reichen, da sich das Gewicht der weißen Evangelikalen verringert. Es gibt Berechnungen, dass den Republikaner*innen schon 2024 selbst mit 100 Prozent der Stimmen aller weißen Evangelikalen mindestens drei Prozent zur Mehrheit fehlen“, erklärt Schäfer. „Dank der linksliberalen Strömungen aus Lateinamerika besteht also Hoffnung, dass sich die Plutokratie USA dem demokratischen Wertesystem in Zukunft wieder etwas annähert.“
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Oktober 2020.
Andreas Hettich komplettiert das iFUn
Das an der Universität Bielefeld angesiedelte „Institut für Familienunternehmen“ (iFUn) wächst: Dr. Andreas Hettich, Beiratsvorsitzender und Hauptgesellschafter der Hettich-Gruppe, wird ab dem Wintersemester 2020/21 sowohl als Lehrbeauftragter als auch als Forscher in Fragen zur Führung von Familienunternehmen mitwirken.
(mehr …)Hunger macht draufgängerisch
Neue Lebensräume in unbekanntem Gelände erkunden, auf die Suche nach neuen Nahrungsquellen gehen und dabei Gefahr zu laufen, von einem Fressfeind erwischt zu werden: Für Tiere in der freien Wildbahn steckt das Leben voller riskanter Situationen mit ungewissen Ausgang. Nicht selten hängt von einer Entscheidung sogar das eigene Überleben ab. Wie sich das Tier entscheidet, ob es ein Risiko eingeht oder der Gefahr eher ausweicht, ist individuell ganz unterschiedlich. Ein Forschungsteam der Universitäten Bielefeld und Jena zeigt in einer Meta-Studie, dass schwierige Lebensverhältnisse Tieren im späteren Leben eine höhere Risikobereitschaft verleihen.

„So wie es unter uns Menschen eher vorsichtige und eher draufgängerische Zeitgenossen gibt, so finden sich auch unter Tieren einer Art Individuen mit geringer oder höherer Risikobereitschaft“, sagt Professor Dr. Holger Schielzeth von der Universität Jena. Diese Unterschiede seien zu einem gewissen Grad angeboren, zu einem nicht unerheblichen Teil aber auch der individuellen Entwicklung geschuldet, so der Populationsökologe. Wie Schielzeth und sein Kollege Professor Dr. Klaus Reinhold von der Universität Bielefeld mit ihren Forschungsteams jetzt in einer umfangreichen Meta-Studie zeigen, wird die Risikobereitschaft eines Tieres in entscheidendem Maße von den Ernährungsbedingungen während des Aufwachsens geprägt. Das berichten die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Biological Reviews“.
Studienergebnisse von über 100 Tierarten verglichen
Für ihre Untersuchung haben die Forschenden um Erstautor Nicholas Moran über 120 experimentelle Studien mit mehr als 100 Tierarten ausgewertet und deren Ergebnisse analysiert, darunter beispielsweise Untersuchungen an Spinnen, Insekten, Krebsen, Fischen, Amphibien und Vögeln. Allen Einzelstudien gemein war, dass die Tiere Phasen guter oder schlechter Nahrungsversorgung durchlebt hatten und später im Leben ihre Risikobereitschaft gemessen wurde. Dazu gab es zwei gegensätzliche Hypothesen: „Zum einen konnte man annehmen, dass Tiere, denen es immer gut ging und die daher in besserem Zustand sind, mehr zu verlieren haben und sie deshalb weniger risikobereit sind“, sagt Klaus Reinhold. Zum anderen, so setzt der Bielefelder Evolutionsbiologe fort, könne aber umgekehrt ein besserer Ernährungsstatus dazu führen, dass sie einer riskanten Situation leichter entkommen und sie ein Risiko deswegen eher eingehen können.
Die Auswertung der Ergebnisse aller untersuchten Studien brachte nun Klarheit. Ein schlechter Versorgungszustand bringt die Tiere dazu, höhere Risiken einzugehen: Um durchschnittlich 26 Prozent steigt die Risikobereitschaft an, wenn die Tiere zu einem früheren Zeitpunkt hungern mussten. „Dieses Ergebnis hat uns in seiner Deutlichkeit überrascht“, sagt Holger Schielzeth. Der Zusammenhang gelte praktisch für alle untersuchten Verhaltenskontexte, wie Explorationsverhalten, Abwanderung, Nahrungssuche mit Risiko quer durch alle untersuchten Arten. Natürlich gäbe es auch Variation in der Stärke des Effektes. Dennoch vermutet Schielzeth, dass dieser Zusammenhang zumindest zu einem gewissen Teil auch beim Menschen bestehen könnte, immerhin sei er auch eine „Tierspezies“.
Die vorgelegte Meta-Analyse ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio 212 „Eine neue Synthese zur Individualisation für die Verhaltensforschung, Ökologie und Evolution: Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion (NC³)“ entstanden, der an den Universitäten Bielefeld und Münster angesiedelt und an dem die Universität Jena beteiligt ist. In dem Sonderforschungsbereich verknüpfen 40 Forschende der Universitäten Bielefeld, Münster und Jena
Verhaltensbiologie und Evolutionsforschung mit theoretischer Biologie und Philosophie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert NC³ seit Januar 2018.
Neue Professuren: Forschung zu chronischen Erkrankungen und zu digitaler Medizin
Die Universität Bielefeld besetzt zum Oktober zwei medizintheoretische Professuren – sie sind zentral für die Entwicklung des Forschungsprofils der neuen Medizinischen Fakultät OWL. Professorin Dr. med. Christiane Muth forscht zu Medizin für Menschen mit chronischen Mehrfacherkrankungen. Sie baut die Arbeitsgruppe Allgemein- und Familienmedizin auf. Professor Dr. med. Sebastian Kuhn forscht zu digitaler Medizin und baut die gleichnamige Arbeitsgruppe auf.
(mehr …)„Bedeutender Meilenstein unseres Engagements für Open Access“
Die Universität Bielefeld fördert seit Mitte der 2000er-Jahre Open Access und entwickelt Services, die den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information ermöglichen. Vor wenigen Tagen hat die Universität Bielefeld gemeinsam mit der Fachhochschule Bielefeld die Open-Access-Tage 2020 organisiert – die zentrale Konferenz zu Open Access im deutschsprachigen Raum. Für die Universität sei die Ausrichtung der Konferenz eine große Anerkennung ihres bisherigen Engagements in diesem Themenfeld, sagt Professor Dr. Reinhold Decker, Prorektor für Informationsinfrastruktur und Wirtschaft der Universität Bielefeld. Im Interview blickt er auf die Open-Access-Tage zurück – gemeinsam mit Dirk Pieper, stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek und einer der Organisatoren der Konferenz.
(mehr …)Universitätsklinikum OWL ist Teil des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19
Das Universitätsklinikum OWL (UK OWL), d.h. das Evangelische Klinikum Bethel, das Klinikum Bielefeld und das Klinikum Lippe, ist dem Netzwerk Universitätsmedizin zu Covid-19 beigetreten. Priv.-Doz. Dr. med. Johannes-Josef Tebbe vom Klinikum Lippe übernimmt für das UK OWL die Projektleitung in diesem nationalen Netzwerk. Im Rahmen des Covid-19-Projektes hat sich eine Arbeitsgruppe aus Vertreter*innen des Universitätsklinikums OWL und der Medizinischen Fakultät OWL gebildet, welche die Forschungsaktivitäten bündelt und koordiniert. Damit nutzt das UK OWL die Chance, sich im Verbund mit den anderen Universitätskliniken auf das Pandemiemanagement strukturell vorzubereiten.
Um die Forschungsaktivitäten zu Covid-19 bundesweit zu bündeln und zu stärken, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Aufbau des von der Charité koordinierten Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) mit 150 Mio. EUR für ein Jahr (Laufzeit: 01.04.2020 bis 31.03.2021). Das NUM verfolgt das Ziel, die Corona-Pandemie durch eine optimale Zusammenarbeit schneller und effektiver bekämpfen zu können. Alle Aktivitäten sollen dazu beitragen, auf Pandemien besser eingestellt zu sein.
Durch den kontinuierlichen Austausch sowie das Lernen von- und miteinander möchten die Partner*innen gesicherte Erkenntnisse dazu liefern, wie die Bedingungen und Abläufe in den Krankenhäusern und die Versorgung in den Regionen verbessert werden können. Innerhalb kürzester Zeit haben sich sämtliche Universitätskliniken dem Netzwerk angeschlossen – das ist in der biomedizinischen Forschung in Deutschland in dieser übergreifenden Form bisher einmalig.
Professorin Dr. med. Claudia Hornberg, Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät OWL, sieht in dieser Kooperation eine große Chance: „Wir freuen uns, dass wir zu einem frühen Zeitpunkt während des Aufbaus des Universitätsklinikums OWL Mitglied des NUM geworden sind. Die Zusammenarbeit kann dazu beitragen, Erkenntnislücken in der Pandemieforschung zu schließen.“
Gemeinsames Ziel ist es, die Corona-Pandemie schneller und effektiver bekämpfen zu können. Priv.-Doz. Dr. med. Johannes-Josef Tebbe sagt: „Mit der Einbindung in das Netzwerk Universitätsmedizin bietet sich für das UK OWL die Gelegenheit, durch einen kontinuierlichen wissenschaftlichen Austausch gesicherte Erkenntnisse für die Versorgung der Bevölkerung umzusetzen. Darüber hinaus bewirkt die intensive Zusammenarbeit zwischen UK OWL und der Medizinischen Fakultät OWL einen deutlichen Schub zum weiteren Aufbau der Forschungsstrukturen, auch weit über das Thema COVID-19 hinaus.“
Das Netzwerk Universitätsmedizin möchte dazu beitragen, Wissen über ein effektives Pandemiemanagement für die Region OWL zu gewinnen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach angepassten Versorgungsstrukturen, Prozessen sowie Organisationsformen, aber auch Formen und Verfahren der Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft sowie Merkmale einer zielführenden Krisenkommunikation.
Weitere Informationen:
Website des Netzwerks Universitätsmedizin
Die neuen Anfechtungen der Frauen- und Geschlechterrechte
Gleiche Rechte für alle Menschen aller Geschlechter: Das galt lange als ein zwar noch nicht erreichtes, aber unumstrittenes Ziel. Doch diese Einigkeit ist in letzter Zeit brüchig geworden – der Einsatz für Gleichheit wird als „Gender-Ideologie“ kritisiert. Warum und auf welche Weisen sind Frauen- und Geschlechterrechte in verschiedenen Ländern weltweit zu einem umstrittenen Feld geworden? Damit befasst sich ab Oktober die neue ZiF-Forschungsgruppe „Global Contestations of Women’s and Gender Rights“ (Weltweite Anfechtungen von Frauen*- und Geschlechterrechten) im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Die Forschungsgruppe startet ihre Arbeit mit einer vor Ort und online abgehaltenen internationalen Eröffnungstagung vom 7. bis zum 9. Oktober am ZiF.

„Menschen- und Gleichheitsrechte waren niemals wirklich universell und inklusiv“, sagt die Soziologin Privatdozentin Dr. Alexandra Scheele von der Universität Bielefeld. Sie leitet die Forschungsgruppe zusammen mit Professorin Dr. Julia Roth (Amerika-Studien und Gender-Forschung) und Professorin Dr. Heidemarie Winkel (Soziologie), ebenfalls beide von der Universität Bielefeld. „Ein neues Phänomen ist, dass die bisherige Einigkeit über die Wichtigkeit von Gleichheit seit einiger Zeit strittig ist“, berichtet Julia Roth. „Das beobachten wir zum Beispiel in Ungarn, Polen, Russland, Brasilien und den USA, aber auch in Deutschland.“
Häufig gehe die Infragestellung von Gleichheitsrechten mit einer Dämonisierung von Geschlechterpolitiken und -rechten als „Gender-Ideologie“ einher, sagt Heidemarie Winkel. Damit werde versucht, Stimmung gegen Gleichheitsstandards und Geschlechterrechte zu machen. Dies führe dazu, Grenzen zwischen Bevölkerungsgruppen zu ziehen und gefährde so den sozialen Zusammenhalt.
Um eine interdisziplinäre und internationale Perspektive auf diese Vorgänge zu gewinnen, haben die Bielefelder Forscherinnen 17 renommierte Wissenschaftler*innen eingeladen: unter anderem aus Kolumbien, Pakistan, Israel, Palästina, Nigeria, Ungarn, Großbritannien und den USA. Beginnend mit der Eröffnungskonferenz werden sie von Oktober 2020 bis Juli 2021 für zehn Monate gemeinsam am ZiF forschen.
„Wir möchten klären, was Gleichheit unter den aktuellen Bedingungen überhaupt bedeuten kann“, sagt Julia Roth. Dazu werden die Teilnehmer*innen nach den strukturellen, institutionellen und
sozio-kulturellen Ursachen der weltweit zunehmenden Anfechtungen von Gleichheitsprinzipien fragen. Außerdem untersuchen sie die Gemeinsamkeiten und wechselseitigen Abhängigkeiten dieser Prozesse. Dabei stehen vor allem drei Themen im Vordergrund: Staatsbürgerschaft und sexuelle Rechte, geschlechtliche Arbeitsteilung sowie die Instrumentalisierung von Religion.
Die Eröffnungstagung der ZiF-Forschungsgruppe trägt den Titel „Mapping Women’s and Gender Rights as a Globally Contested Arena“. An der Tagung werden die Fellows (Mitglieder) der Forschungsgruppe und darüber hinaus weitere international renommierte Forscher*innen teilnehmen. Zudem sind zum ersten Mal Stipendiatinnen des neuen Norbert-Elias-Förderprogramms für afrikanische Forscher*innen an der Forschungsgruppe beteiligt.
Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ist eine unabhängige, thematisch ungebundene Forschungseinrichtung und steht Wissenschaftler*innen aller Länder und aller Disziplinen offen. ZiF-Forschungsgruppen sind längerfristige, interdisziplinäre Projekte und stehen im Mittelpunkt der Arbeit des ZiF. Neben regelmäßigen Arbeitstreffen veranstalten die Forschungsgruppen Konferenzen, Workshops und Vorträge.
Für Interessierte ist eine Online-Teilnahme möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei Marina Hoffmann (marina.hoffmann@uni-bielefeld.de) gebeten. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.
Weitere Informationen:
Website der Forschungsgruppe
Zweiter Auszug des Luhmannschen Zettelkastens jetzt online
Teile des Zettelkastens des Soziologen Niklas Luhmann sind jetzt online verfügbar. Der zweite Auszug der ersten Sammlung ist auf den Internetseiten des Niklas-Luhmann-Archivs einsehbar: https://niklas-luhmann-archiv.de. Knapp 3.300 Zettel wurden dafür transkribiert und editiert. Niklas Luhmann (1927-1998), der von 1968 bis 1993 an der Universität Bielefeld forschte und lehrte, ist neben Max Weber der berühmteste und wirkmächtigste deutsche Soziologe des 20. Jahrhunderts.
Knapp 3.300 Zettel wurden transkribiert und editiert. Screen: Universität Bielefeld „Die jetzt online verfügbare Abteilung zeigt beispielhaft die Verknüpfungslogik der Zettelsammlung“, erklärt der Projektkoordinator Johannes Schmidt. „Hier erreicht sie erstmals ihre spezifische Tiefenstruktur.“ Einen thematischen und theoriegeschichtlich bedeutsamen Schwerpunkt bildet die Abteilung „28 Das Wesen der Organisation grundsätzlich“, in der Luhmann seine Lektüreergebnisse der organisationswissenschaftlichen Literatur der späten 1950er und frühen 1960er Jahre versammelt.

Der umfangreiche wissenschaftliche Nachlass Luhmanns, den die Universität Bielefeld 2010 erwerben konnte, lässt den Autor und sein Theoriegebäude diesseits seiner publizierten Werke sichtbar werden. Das Langzeitforschungsprojekt „Niklas Luhmann – Theorie als Passion“ an der Fakultät für Soziologie, das von der Akademie der Wissenschaften und der Künste Nordrhein-Westfalen gefördert wird, erschließt und ediert den wissenschaftlichen Nachlass Luhmanns. Ein Schwerpunkt liegt in der digitalen Rekonstruktion des 90.000 Notizen umfassenden Zettelkastens.
Weitere Informationen zum Thema:
• Internetportal zum Luhmann-Nachlass geht online (Meldung vom 8. April 2019)
• research_tv-Beitrag über das Forschungsprojekt, das die Aufzeichnungen des Soziologen erschließt („Luhmanns Zettelkasten – Forschungsprojekt zu Niklas Luhmanns Nachlass beginnt“): (Veröffentlicht am 8. Juli 2015)
Intelligente Assistenz in der Ausbildung
Sechs Projekte Projekte zur Weiterentwicklung des Spitzenclusters Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe (it‘s OWL) hat ein unabhängiges Gutachtergremium als Teil einer Ausschreibung des Landes NRW ausgewählt. In den Projekten entwickeln 17 Unternehmen und fünf Forschungseinrichtungen gemeinsam Ansätze und Lösungen für die Produktion der Zukunft. Das Forschungsinstitut CoR-Lab der Universität Bielefeld ist an dem Projekt „Intelligente Assistenz für die technische Ausbildung“ (iAtA) beteiligt.
(mehr …)Stromnetz der Zukunft soll sich selbst steuern
Für die Energiewende ist es zentral, dass die erneuerbaren Energien in die elektrischen Netze integriert werden. Dafür müssen Stromerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abgestimmt werden. In dem Verbundprojekt KI-Grid arbeiten Forscher*innen mit künstlicher Intelligenz an einer Lösung. Dafür kooperieren die Universität Bielefeld, die Fachhochschule Bielefeld und die Westaflex GmbH in Gütersloh sowie als assoziierter Partner die Stadtwerke Bielefeld.
(mehr …)Zwei europäische Spitzenförderungen für junge Forschende der Universität Bielefeld
Der Europäische Forschungsrat (ERC) zeichnet eine Wissenschaftlerin und einen Wissenschaftler der Universität Bielefeld mit dem ERC Starting Grant aus. Sie erhalten jeweils 1,5 Millionen Euro für Spitzenforschung in ihren Disziplinen. Professorin Dr. Martina Hofmanová von der Fakultät für Mathematik beschäftigt sich in ihrem Projekt mit den Strömungen von Flüssigkeiten und berechnet, wie diese vom Zufall beeinflusst werden. Dr. Toni Goßmann von der Fakultät für Biologie befasst sich in seinem Projekt mit der epigenetischen Programmierung, untersucht also flexible Erbgutveränderungen, die zum Beispiel steuern, welche Gene in Körperzellen aktiviert werden. Als Empfänger*innen dieser Forschungsförderung zählen Hofmanová und Goßmann jetzt zu Europas besten Nachwuchswissenschaftler*innen.
(mehr …)Studie: 30 Prozent der Menschen erleben Diskriminierung im Arbeitsleben wegen ihrer sexuellen Orientierung
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Universität Bielefeld untersucht die Arbeitsmarktsituation von homo- und bisexuellen sowie trans-, queer und intersexuellen (LGBTQI*) Menschen in Deutschland: Diskriminierung ist immer noch weit verbreitet – Fast ein Drittel der Befragten geht vor Kolleg*innen nicht offen mit ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität um. LGBTQI*-Menschen outen sich häufiger in Branchen, in denen sie vergleichsweise stärker vertreten sind.
Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz und juristischen Gleichstellung von Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen sowie Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität sind in den vergangen 20 Jahren viele Fortschritte erzielt worden. Dennoch sind noch 30 Prozent dieser Menschen mit Diskriminierung im Arbeitsleben konfrontiert. Bei den Trans*-Menschen sind es sogar mehr als 40 Prozent. Dies hat eine Umfrage des Sozio-oekonomischen Panels und der Universität Bielefeld ergeben, die LGBTQI*-Menschen zu ihren Erfahrungen und Erwartungen im Arbeitsumfeld befragt hat.

Mit der Studie können bundesweit aussagekräftige Ergebnisse zur Arbeitsmarktsituation von LGBTQI*–Menschen vorgelegt werden. „Bisher wurde die empirische Forschung in Deutschland zu diesem Thema dadurch erschwert, dass die Fallzahlen in bestehenden Befragungen gering waren oder aber entsprechende Informationen in Registerdaten des Arbeitsmarkts fehlten“, berichtet SOEP-Forscherin Mirjam Fischer. Die SOEP-Befragung wurde durch eine Stichprobe an LGBTQI*-Menschen aufgestockt und durch eine Online-Befragung eines Forschungsprojekts der Universität Bielefeld ergänzt. Die Bielefelder Soziologin Lisa de Vries sagt: „Unternehmen sollten ein diskriminierungsarmes Arbeitsumfeld schaffen, damit Arbeitsplätze für diese Zielgruppe attraktiver werden“.
Höher gebildet, oftmals nicht geoutet
Während sich der Erwerbsstatus von LGBTQI*-Menschen weitestgehend mit dem der restlichen Bevölkerung deckt, gibt es deutliche Unterschiede bei der Qualifikation und den Branchen, in denen LGBTQI*-Menschen arbeiten. Der Anteil der Personen mit einer (Fach-)Hochschulreife liegt in den verwendeten Daten mit 60 Prozent unter LGBTQI*-Menschen deutlich über dem der restlichen Bevölkerung gleichen Alters (42 Prozent).
Land fördert standortübergreifendes Graduiertenkolleg für künstliche Intelligenz mit fünf Millionen Euro
Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft treibt die Nachwuchsförderung im Bereich der künstlichen Intelligenz voran. Im Rahmen der Förderlinie „Künstliche Intelligenz / Maschinelles Lernen“ (kurz: KI/ML) hat eine Expertenjury nun für das standortübergreifende Graduiertenkolleg „Trustworthy AI for Seamless Problem Solving: Next Generation Intelligence Joins Robust Data Analysis“ (kurz: „Data NInJA“) an der Universität Bielefeld sieben der 35 mit dem Gesamtantrag der Universität eingereichten Promotionstandems zur Förderung empfohlen. Für ein Tandem konnten sich jeweils zwei erfahrene Forschende von Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen zusammenschließen, um sich mit einem gemeinsamen Promotionsthema zu bewerben.
(mehr …)Ultraschnelle Magnetisierungsdynamik erfassen: neues Verfahren
Computerspeicher werden immer schneller – und viele arbeiten mit Magnetismus. Daten werden gespeichert, indem die Ausrichtung von sogenannten Magnetdomänen verändert wird. Dabei entsteht eine elektromagnetische Strahlung, die Rückschlüsse darauf zulässt, wie sich der Magnetzustand sich verändert hat. Wenn Daten in einem Magnetspeicher ultraschnell in Billionstel von Sekunden geändert werden, sind herkömmliche Messmethoden allerdings zu langsam – denn dabei entsteht Strahlung, die im Terahertz-Bereich liegt. Eine internationale Forschungsgruppe um den Physiker Professor Dr. Dmitry Turchinovich von der Universität Bielefeld hat nun ein Verfahren entwickelt, das solche Strahlung nutzt, um eine ultraschnelle Änderung des magnetischen Zustands in einem Material präzise nachzuverfolgen. Dies könnte in Zukunft dazu beitragen, Computerspeicher schneller zu machen und auch verschiedene Nanomaterialien besser erforschen zu können. Die Studie erscheint heute (25.08.2020) im Forschungsjournal Nature Communications.
(mehr …)Studierende erleben Probleme mit Gesundheitshinweisen zu Corona
Fast 15.000 Studierende haben sich deutschlandweit an einer Onlinebefragung zur digitalen Gesundheitskompetenz in Zeiten von Corona beteiligt. Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld und der Hochschule Fulda fragten nach Informationssuche und -zufriedenheit, dem Umgang mit den digitalen Informationen sowie der psychischen Gesundheit während der Pandemie. Der Großteil der Studierenden verfügt der Studie zufolge über ausreichend digitale Gesundheitskompetenz. Doch mehr als 42 Prozent der Befragten berichten von Schwierigkeiten, die Qualität der Gesundheitsinformationen zum Coronavirus zu bewerten.
Wie suchen und finden Studierende digitale Gesundheitsinformationen im Kontext der Corona-Pandemie? Wie gehen sie mit der Masse an Gesundheitsinformationen um, auch mit dem Nebeneinander von vertrauenswürdigen Informationen und Desinformation im Internet? Und welche Belastungen resultieren für sie aus dem Informationsangebot? Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler*innen des Interdisziplinären Zentrums für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld und des Public Health Zentrums (PHZF) der Hochschule Fulda von Ende März bis Mitte April Studierende in ganz Deutschland online befragt. Nun liegen erste ausgewählte Ergebnisse von 14.895 Studierenden aus 130 Hochschulen vor.

Wie zu erwarten war, informieren sich die Studierenden zur Corona-Pandemie vor allem im Internet. Etwa 95 Prozent geben an, in den vier Wochen vor der Befragung Informationen zum Coronavirus im Netz gesucht zu haben. Jeweils über 80 Prozent der Befragten recherchieren über Suchmaschinen, Nachrichtenportale und Webseiten von Behörden wie zum Beispiel das Robert Koch-Institut. Fast 40 Prozent suchen in sozialen Medien. Die häufigsten Suchanfragen betreffen die Ausbreitung des Virus, die Einschränkungen des Lebensalltags, aktuelle Situationseinschätzungen sowie Verhaltensempfehlungen zum Schutz vor dem Virus. Mehr als die Hälfte der Studierenden zeigt sich mit der Informationslage sehr zufrieden oder zufrieden. Dabei weisen Frauen eine geringere Zufriedenheit auf als Männer.
Insgesamt hohes Maß an Gesundheitskompetenz
Den meisten Studierenden fällt der Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen zum Thema Coronavirus leicht. Sie finden die gesuchten Informationen, verstehen sie, können sie bewerten und anwenden, also auf dieser Basis Entscheidungen für die Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung im Lebensalltag treffen. „In der aktuellen Pandemie ist eine ausreichende Gesundheitskompetenz entscheidend“, betont Professor Dr. Kevin Dadaczynski von der Hochschule Fulda. „In den sozialen Medien – und nicht nur dort – gibt es eine Fülle von qualitativ unterschiedlichen Informationen zum Virus. Für Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz kann diese Menge an oft widersprüchlichen Informationen psychosozial belastend und damit riskant für die Gesundheit sein“, sagt Dadaczynski.
Hinweise auf Unterstützungsbedarf
Am häufigsten berichten Studierende über Schwierigkeiten, die Zuverlässigkeit digitaler Gesundheitsinformationen zu beurteilen (42,3 Prozent) oder zu bewerten, ob mögliche kommerzielle Interessen hinter den recherchierten Informationen stehen. Neben Schwierigkeiten, die gesuchte Infor-mation im Internet ausfindig zu machen, hat ein Teil der Studierenden Probleme, das eigene Anliegen passgenau und verständlich zu formulieren, wenn sie selbst Nachrichten zum Coronavirus verfassen, und zu beurteilen, welche Personen die in sozialen Netzwerken oder Foren geposteten Nachrichten mitlesen können. Im Internet gefundene Informationen im Lebensalltag anzuwenden, bewerten 80 Prozent der Studierenden als (sehr) einfach, während 20 Prozent angeben, dass ihnen dies schwer oder sehr schwer fällt.
Geringere digitale Gesundheitskompetenz bei Frauen
Bedeutsam erscheinen den Wissenschaftler*innen die festgestellten Geschlechterunterschiede. Insgesamt weisen Frauen gegenüber Männern eine geringere digitale Gesundheitskompetenz auf, die sich insbesondere in den Handlungsbereichen Suchen und Finden sowie Beurteilung der Qualität von digitalen Gesundheitsinformationen zeigt. Diese könnte laut den Forschenden damit zusammenhängen, dass weibliche Studierende sich durch Informationen zum Thema Coronavirus möglicherweise stärker verunsichern lassen, dass sie ein höheres Gesundheitsbewusstsein aufweisen, aber vielleicht auch kritischer gegenüber den verfügbaren Informationen sind.

Gesundheitskompetenz beeinflusst psychisches Wohlbefinden
Die Studie liefert zudem Hinweise für den Zusammenhang von Gesundheitskompetenz und psychischem Wohlbefinden: Studierende mit einer hohen digitalen Gesundheitskompetenz weisen auch ein höheres psychisches Wohlbefinden auf. Rund 20 Prozent der Studierenden geben an, schon einmal nach Informationen zum Umgang mit psychischen Belastungen gesucht zu haben. „Dies steht im Einklang mit internationalen Studien bei Studierenden und der Allgemeinbevölkerung in der Coronakrise, die bereits die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit aufzeigen konnten“, sagt Dr. Orkan Okan von der Universität Bielefeld.
Die Onlinebefragung zeigt die Selbsteinschätzung der Studierenden und deutet auf ihre selbst wahrgenommenen Herausforderungen und Belastungen hin. Rückschlüsse auf ihr tatsächliches Verhalten können daraus nicht gezogen werden. Doch eine hohe digitale Gesundheitskompetenz hilft nach Ansicht der Wissenschaftler*innen dabei, proaktiv mit gesundheitsrelevanten Informationen umzugehen und informierte Entscheidungen zu treffen. Die Wissenschaftler*innen raten dazu, bestehende hochschulische Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zu stärken, um Studierende, deren Gesundheit belastet ist, im Umgang mit Gesundheitsinformationen und weiteren Belastungen aufzufangen. Sie sehen auch die Informationsanbieter*innen und Betreiber*innen von sozialen Medien in der Pflicht. Diese müssten aufgefordert werden, vertrauenswürdige Informationen bereitzustellen und Maßnahmen gegen die Verbreitung von Des- und Fehlinformationen über ihre Webseiten und Portale zu unternehmen. Denkbar und im Einklang mit bestehenden Empfehlungen sei eine Art „Digital Detox“ – also ein zurückhaltender Gebrauch digitaler Medien, um so auch die Konfrontation mit widersprüchlichen Inhalten zu begrenzen.
Zu dem Studienteam gehören Professor Dr. Kevin Dadaczynski und Professorin Dr. Katharina Rathmann (Hochschule Fulda, Public Health Zentrum Fulda), Dr. Melanie Messer (externe Lehrende an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft, Bremen) und Dr. Orkan Okan (Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung).
Waghalsige Feuersalamander-Larven leben in Bächen
Feuersalamander-Larven, die in Bächen leben, sind risikofreudiger als solche, die in Tümpeln aufzufinden sind. Ebenso hängt von der Größe einer Larve ab, wie risikobereit sie sich verhält. Das haben Biolog*innen der Universität Bielefeld in einer neuen Studie festgestellt. Die Studie gehört zu einem Teilprojekt des Transregio-Sonderforschungsbereichs NC³, das die individuelle Nischenwahl von Feuersalamander-Larven vergleicht. Der Artikel erscheint in der Augustausgabe von „Ethology“, dem ältesten Magazin für Verhaltensbiologie.
„Die Entwicklung, das Aussehen und das Verhalten von Lebewesen sind erheblich beeinflusst von den Umweltbedingungen und den Erfahrungen, die die Lebewesen in frühen Lebensstadien machen“, sagt Professorin Dr. Barbara Caspers aus der Verhaltensökologie der Fakultät für Biologie. „Die Ergebnisse aus der Studie zeigen, dass sich auch die Larven von Feuersalamandern an ihren jeweiligen Lebensort anpassen. Es ist das erste Mal, dass bei solchen Verhaltenstests die Gewässertypen einbezogen wurden, in denen die Larven aufwachsen“, berichtet Caspers. Die Verhaltensforscherin leitet das Teilprojekt A04 des Transregio-Sonderforschungsbereiches (SFB/TRR) NC³.
Unter Leitung von Caspers haben drei Nachwuchsforschende das Verhalten der Feuersalamander-Larven erforscht: die Doktorandin Pia Oswald von der Universität Bielefeld und die Bachelorstudenten Benjamin Tunnat, ebenfalls von der Universität Bielefeld, und Luca Hahn von der Universität Köln. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie sich das Risikoverhalten von Feuersalamander-Larven, die in Tümpeln leben, von denen unterscheidet, die in Bächen ihren Lebensraum haben“, sagt Pia Oswald. „Außerdem wollten wir klären, ob die Größe der Larven eine Rolle spielt.“
Wie sich unterschiedliche Lebensräume auswirken
Ein Feuersalamander-Weibchen kann bis zu 70 vollständig entwickelte Larven pro Fortpflanzungsperiode ablegen. Von ihnen wächst jedoch nur ein geringer Anteil zu ausgewachsenen Salamandern heran. „Die Larven sind meist in klaren Quellbächen zu finden, in einigen Fällen auch in Tümpeln“, sagt Oswald. „Tümpel bringen allerdings einige Herausforderungen mit sich. Die Larven sind zum Beispiel starken Temperaturschwankungen und mehr Raubfeinden ausgesetzt. Zudem bringen trockene Sommer, wie wir sie derzeit erleben, das Risiko mit sich, dass das Gewässer austrocknet.“
Um die Daten für die Studie zu erheben, besuchten Oswald und die Studenten in den Frühjahren 2018 und 2019 das Waldgebiet Kottenforst in Bonn. Dort leben zwei Ökotypen von Larven – die einen im Bach, die anderen in Tümpeln. „Der Begriff Ökotyp bezieht sich darauf, dass sich der Unterschied zwischen Bach- und Tümpel-Salamandern auch genetisch zeigt“, sagt Oswald.
Die neue Studie zeigt: Larven von Feuersalamandern (oben) zeigen unterschiedliches Verhalten, abhängig von ihrer Größe und Lebensumfeld. Etwa acht bis zwölf Wochen brauchen die Larven, um sich zu Feuersalamander-Lurchen (unten) zu entwickeln. Foto: Universität Bielefeld Prof’in Dr. Barbara Caspers leitet das Teilprojekt A04 des Transregio-Sonderforschungsbereiches (SFB/TRR) NC³. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller Doktorandin Pia Oswald untersuchte auch, ob die Größe der Laven eine Rolle spielt. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller
Um zu erfahren, ob sich Larven aus Bächen und Tümpeln in ihrer Risikobereitschaft unterscheiden, führten die Forschenden zwei Verhaltenstests mit jeweils 100 Larven durch: 50 Larven aus dem Bach und 50 aus Tümpeln. Sie setzen die Larven in eine Petrischale, deren eine Hälfte verdunkelt war. Im ersten Test 2018 starteten die Larven im Dunkeln und es wurde ermittelt, ob sie das dunkle Versteck verließen und wenn ja, wie lange. Im zweiten Test 2019 starteten die Larven außerhalb der Versteckmöglichkeit, sodass die Larven aktiv in das Versteck schwimmen mussten.
Die Auswertung hat die Biolog*innen überrascht. „In dem ersten Test war die Größe der Larve der ausschlaggebende Faktor für unterschiedliches Verhalten. Größere Larven verließen die Dunkelheit durchschnittlich häufiger und länger als die kleineren Larven. Es spielte in dem Test allerdings keine Rolle, aus welchem Gewässertyp die Larven stammen“, sagt Oswald. „In dem anderen war der erklärende Faktor, aus welchem Gewässertyp die Larven stammen. Die Larven aus dem Bach schwammen seltener in das Versteck und gingen damit ein größeres Risiko ein. Die Größe hatte in diesem Test keinen Einfluss“, sagt Oswald. „Das macht deutlich, dass unterschiedliche Verhaltenstests unterschiedliche Aspekte zum Vorschein bringen.“ Aufbauend auf ihrer Forschung wollen Oswald und ihre Kolleg*innen nun untersuchen, ob die Larven sich an den jeweils anderen Gewässertyp anpassen können. „Was passiert also, wenn wir Larven aus einem Tümpel in einen Bach setzen? Ändern sie ihr Verhalten und werden sie risikofreudiger, indem sie zum Beispiel ihr Umfeld stärker auskundschaften? Oder ist das Verhalten der Larven genetisch bestimmt?“
Der Transregio SFB NC³
Warum wählen Tiere ganz individuell ihren eigenen, unverwechselbaren Platz im Ökosystem, ihre ökologische Nische? Wie passen sie sich an sie an? Wann formen sie ihre Nische selbst? Und wie können wir diese Prozesse verstehen? Das sind die zentralen Fragen des Transregio-Sonderforschungsbereichs (SFB/TRR) 212 mit dem Kurznamen „NC³“. Darin verknüpfen 40 Forschende der Universitäten Bielefeld, Münster und Jena Verhaltensbiologie und Evolutionsforschung mit theoretischer Biologie und Philosophie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert NC³ seit Januar 2018 für zunächst vier Jahre mit rund 8,5 Millionen Euro. Sprecher ist Verhaltensforscher Professor Dr. Oliver Krüger von der Universität Bielefeld.
Originalveröffentlichung:
Pia Oswald, Benjamin A. Tunnat , Luca G. Hahn & Barbara A. Caspers: There is no place like home: Larval habitat type and size affect risk-taking behaviour in fire salamander larvae. Ethology, https://doi.org/10.1111/eth.13070, erschienen am 18. Juni 2020
Den Mittelweg zwischen Infektionsrisiko und Rezession berechnen
Wie wirken sich die Einschränkungen durch die Coronakrise auf die Wirtschaft aus? Welche Maßnahmen sind geeignet, um die Zahl der Infizierten und Toten durch Sars-CoV-2 möglichst niedrig zu halten? Und wie hängen beide Dynamiken miteinander zusammen? Das haben Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld erforscht und nun in einer Studie veröffentlicht. Dazu haben sie in einem Computermodell mit hoher Voraussagekraft simuliert, wie sich das Virus verbreitet und wie sich zugleich unterschiedliche Eindämmungsmaßnahmen auswirken – und zwar sowohl auf das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosenzahlen als auch auf die Zahl der Infizierten und der an Covid-19 Verstorbenen.

Professor Dr. Herbert Dawid von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften forscht seit Jahrzehnten an Computer-gestützten Modellen, mit denen er die dynamischen Auswirkungen untersucht, die ganz unterschiedliche Veränderungen und politische Maßnahmen auf die Wirtschaft haben – da war es für ihn nur logisch, auch ein Modell für die Corona-Krise auszuarbeiten. Damit füllt er zugleich eine Leerstelle: Es gibt viele Modelle, mit denen man die Auswirkungen unterschiedlicher Eindämmungsmaßnahmen auf die Wirtschaft simulieren kann – und Untersuchungen, die sich mit der Ausbreitung von Sars-CoV-2 befassen. „Es gibt aber kaum Studien, die beide Aspekte miteinander verbinden“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Dabei ist es wichtig, dies kombiniert zu betrachten: „Es ist nicht nur so, dass viele Eindämmungsmaßnahmen wirtschaftliche Folgen haben“, sagt Dawid. „Umgekehrt können auch wirtschaftliche Aktivitäten dazu beitragen, dass sich das Virus weiterverbreitet.“
Für die Modellierung der Ausbreitung des Virus stützten sich die Forscher*innen auf etablierte epidemiologische Modelle. Auf Seiten der Wirtschaft sind im Modell ein öffentlicher und drei private Sektoren sowie Haushalte mit einer unterschiedlichen Altersstruktur angelegt. Berücksichtigt wird zudem individuelles Verhalten. Als Verbreitungskanäle des Virus sind Arbeit, Einkaufen und private Treffen vorgesehen.
In ihrem Modell haben die Wissenschaftler*innen zunächst Maßnahmen simuliert, um die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bekommen. Dabei stehen unterschiedliche Stellschrauben zur Verfügung, darunter auch solche, die zumindest im Modell keine Auswirkungen auf die Wirtschaftsaktivität haben. Dazu zählt zum Beispiel, dass mehr Menschen im Homeoffice arbeiten. Ziel der Simulation ist dabei immer, dass die Zahl der Infizierten nicht über einen Schwellwert steigt, bei dem die vorhandene Zahl an Intensivbetten nicht mehr ausreicht.
Das ließ sich in der Studie alleine mit solchen „weichen“ Maßnahmen allerdings kaum erreichen. Als notwendig zeigte sich hingegen ein recht harter Lockdown, der – ähnlich wie es in Deutschland geschehen ist – zum Beispiel mit der Schließung von Geschäften einhergeht. Dies hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf die Wirtschaft. „Bezüglich der Intensität des Lockdowns ist es so, dass die Politik einen Kompromiss eingehen muss zwischen einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und der Sterblichkeit infolge des Virus“, sagt Dawid. Als günstig unter diesen Bedingungen hat sich im Modell jedenfalls ein frühzeitiger Lockdown über mehrere Wochen erwiesen, durch den die Infektionszahlen stark sinken. „Werden die Maßnahmen hingegen nur kurz durchgeführt, besteht immer die Gefahr, dass es zu einer zweiten Infektionswelle kommt und erneut alles geschlossen wird“, sagt Dawid. Das würde nicht nur die Anzahl der Menschen erhöhen, die durch das Virus sterben, sondern auch die wirtschaftlichen Verluste, die insgesamt entstehen.
Das Modell simuliert außerdem die Öffnungsphase nach einem Lockdown. Dabei stellen sich der Politik Fragen: Wann soll sie einen Lockdown beenden? Welche Beschränkungen sollten sofort aufgehoben werden, welche Verbote zunächst weiter gelten? Welche individuellen Maßnahmen sind zudem sinnvoll, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen? Die Autor*innen der Studie empfehlen, nach einem langen Lockdown wie in Deutschland schnell umfassende Lockerungen zuzulassen – sofern die Zahl der Infizierten pro Woche nicht über 5 pro 100.000 steigt. „Dies gilt aber nur, wenn individuelle Maßnahmen die Lockerungen flankieren“, sagt Dawid. Falls es nicht möglich ist, Maßnahmen wie zum Beispiel Abstand halten oder das Tragen von Masken weiterhin im gleichen Ausmaß wie während des Lockdowns aufrecht zu erhalten, rät Dawid eher zu vorsichtigen Lockerungen. „Wir gehen davon aus, dass alles – von Geschäften bis zu Sportvereinen – schnell wieder öffnen sollte, wenn die ergänzenden Maßnahmen die Ansteckungsgefahr bei einem Treffen mit Infizierten im Schnitt um rund 60 Prozent reduzieren“, sagt Dawid. „Andernfalls ist eine langsame Öffnung günstiger.“ Denn sonst besteht auch hier die Gefahr, dass das Virus wiederkehrt und ein zweiter Lockdown notwendig wird – nicht nur mit mehr Todesfällen, sondern auch mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen.
Als wichtig haben sich zudem wirtschaftliche Hilfen erwiesen. „Unabhängig von der Gestaltung der Einschränkungen haben unsere Simulationen gezeigt, dass ergänzende wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen sinnvoll sind“, sagt Dawid. „Sie verringern den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts erheblich, erhöhen aber auf lange Sicht nicht die Staatsverschuldung.“ Zu den möglichen Maßnahmen gehört es zum Beispiel, Kurzarbeit zu ermöglichen, Arbeitslosengeld zu zahlen und Unternehmen zu unterstützen, die durch die Eindämmungsmaßnahmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Die Wissenschaftler*innen haben das Modell mit den Daten zur bisherigen Entwicklung in Deutschland abgeglichen. Das Modell war in der Lage, die deutschen Zahlen für die 63 Tage zwischen dem 9. März und dem 10. Mai 2020 in Bezug auf die wirtschaftlichen und virologischen Daten zu reproduzieren. Dieser Vergleich mit den deutschen Zahlen zeigt, dass das Modell valide ist. „Das Modell erscheint uns sehr geeignet, um die Ausbreitung eines infektiösen und potenziell tödlichen Virus mit seinen Folgen auf die Wirtschaft nachzuvollziehen und vorauszusagen“, sagt Dawid.
Das Modell ist darüber hinaus grundsätzlich übertragbar auf andere Länder. „Man muss dann natürlich einige Parameter ändern, die man schnell einarbeiten könnte“, sagt Dawid. Dazu zählt zum Beispiel die Altersstruktur der Bevölkerung, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und insbesondere auch die Zahl der Intensivbetten. Sollte es einmal eine Pandemie mit einem anderen Virus geben, könnte das Modell ebenfalls hilfreich sein, um die Folgen politischer Maßnahmen vorauszuberechnen. „In dem Fall müssten wir die Infektionswahrscheinlichkeiten und altersabhängigen Todesraten entsprechend modifizieren“, sagt Dawid.
Weitere Informationen:
Website des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie und Computational Economics
Leben nach der Flucht
In was für einer Unterkunft geflüchtete Menschen untergebracht sind, kann Einfluss auf ihre Gesundheit haben. Wichtig sei neben dem Zustand der Unterkunft auch die Freiheit, mobil zu sein und eigene Entscheidungen treffen zu können, sagt der Gesundheitswissenschaftler Oliver Razum. Bei übermäßiger Kontrolle hingegen könne die Zeit im Aufnahmeland zur Qual und zum gesundheitlichen Risiko werden.
(mehr …)Anschubfonds Medizinische Forschung: erste sechs Kooperationsprojekte bewilligt
Bis April konnten die Anträge zum Anschubfonds Medizinische Forschung (AMF) der Universität Bielefeld gestellt werden. Jetzt hat das Rektorat der Universität Bielefeld die Empfehlungen der Auswahlkommission gesichtet und über die Anträge entschieden. Der AMF unterstützt in der ersten Förderrunde sechs Kooperationsprojekte. Die neuen Projekte befassen sich mit technischen Anwendungen für die Rehabilitation, Mikrobiomen für die Therapie der chronischen Krankheit Rhinosinusitis, Eye-Tracking für die Diagnose von Schlaganfällen, künstlicher Intelligenz zur Nachsorge bei Hörprothesen, Schlafförderung als Präventions-maßnahme sowie mit einer verbesserten Versorgung von Patient*innen mit chronischen Schmerzen. Der AMF soll dazu beitragen, das Forschungsprofil der neu gegründeten Medizinischen Fakultät OWL weiterzuentwickeln. Gefördert werden Kooperationen zwischen Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld und Ärzt*innen des Universitätsklinikums Ostwestfalen-Lippe (UK OWL) sowie Praxen in OWL.
„Wir bedanken uns herzlich bei allen Bewerber*innen. Die zahlreichen guten Projektanträge zu verschiedenen spannenden und zukunftsträchtigen medizinischen Forschungsthemen haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Professor Dr. Martin Egelhaaf, Prorektor für Forschung und Forschungstransfer der Universität Bielefeld. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass die ausgewählten Projekte dazu beitragen, ein konkurrenz- und zukunftsfähiges Profil zu entwickeln und gratulieren den Beteiligten der Projekte, die gefördert werden.“
Folgende sechs Projekte mit breiter Beteiligung der Kliniken des UK OWL und verschiedener Fakultäten der Universität Bielefeld werden in der ersten Runde des AMF gefördert:
• „Adaptiv virtuelle Rehabilitation bei Verletzungen der oberen Extremität – Eine Machbarkeitsstudie“
• „Chronische Schmerzen bei Patient*innen mit und ohne entzündlich rheumatische Erkrankung in der Primär- und Sekundärversorgung: transsektorale Bestandsaufnahme, Überprüfung einer neuen Überweisungsstrategie und Analyse von Kontextfaktoren“
• „Detection of shifts in microbiome composition in chronic rhinosinusitis by an optimized analytical workflow” (zu Deutsch etwa: Nachweis von Verschiebungen in der Mikrobiom-zusammensetzung bei chronischer Rhinosinusitis durch einen optimierten analytischen Arbeitsablauf)
• „Ein KI-basiertes System zur optimierten Nachsorge von Cochlea Implantat‐ Patientinnen“
• „Kognitive Störungen nach Schlaganfall und bei Demenz: Neue Wege der Diagnostik mittels High-Resolution Eye-Tracking“
• „Vulnerable elderly, vulnerable brains: Modifying pathways from illness to impairment – Präoperative Schlafförderung als Prähabilitation zur Verhinderung des postoperativen Delirs bei älteren Menschen“
Zu der vom Rektorat beauftragten Auswahlkommission gehörten neben dem Prorektor für Forschung und Forschungstransfer ebenfalls die Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät OWL, drei Mitglieder des Medizinischen Beirats der Universität Bielefeld sowie die Gleichstellungsbeauftragte der Medizinischen Fakultät OWL.
„Der Fonds bietet Forschenden der Universität und forschenden Ärzt*innen der Kliniken und Praxen der Region vor allem die Möglichkeit, gemeinsame Drittmittelanträge vorzubereiten“, sagt Professorin Dr. Claudia Hornberg, die Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät OWL. Dadurch können neue Kooperationen angeregt und das Forschungsprofil Medizin für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen weiterentwickelt und geschärft werden.
Unterstützt werden so Forschungsideen und -vorhaben im geplanten medizinischen Forschungsprofil „Medizin für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen“ mit den Forschungsschwerpunkten „Gehirn – Beeinträchtigung – Teilhabe“ und „Intelligente Systeme – Assistenz – In-terprofessionelle Vernetzung“ sowie den Perspektivfeldern „Mikrobielle Diversität im Lebensraum Mensch“ und „Data Science für die medizinische Versorgung“.
Ziel ist es zudem, die trägerübergreifende Forschung innerhalb des Universitätsklinikums OWL sowie die transsektorale Forschung zu stärken.
Der AMF wurde für eine befristete Zeit von drei Jahren und mit einem Gesamtfördervolumen von 1.5 Millionen Euro eingerichtet. Eine zweite Runde des AMF ist für Herbst 2020 vorgesehen. Für die erste Runde sind 24 Projekte eingereicht worden.

Medizinische Fakultät OWL in Bielefeld
Zum Wintersemester 2021/22 wird an der Universität Bielefeld ein humanmedizinisches Studium als Modellstudiengang mit zunächst 60 Studierenden beginnen. Neben der kontinuierlichen fachbezogenen Vorbereitung auf die vielfältigen Anforderungen ärztlicher Tätigkeiten wird die Perspektive der ambulanten Medizin im neuen Modellstudiengang in besonderem Maße berücksichtigt. Aktuell laufen eine Vielzahl an Berufungsverfahren der neu zu besetzenden Professuren, die Entwicklung des Curriculums, der Aufbau der Lehr- und Forschungspraxen-Netzwerke sowie die Entwicklung der Qualifizierungsprogramme für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Für die Universität Bielefeld bedeutet die Medizinische Fakultät OWL eine strategische Erweiterung ihres Studienangebots und ihres Forschungsportfolios.
Website zum Anschubfonds Medizinische Forschung
Wie lassen sich grüne Technologien durchsetzen?
Industrieunternehmen kämpfen als Folge der Coronapandemie um ihre Existenz. Ein Vorschlag lautet: Umwelt- und Klimaziele mit Konjunkturprogrammen verknüpfen, um die deutsche Wirtschaft zu
unterstützen. Welche Chance hat Klimapolitik, den technologischen Wandel hin zu grüner Technologie zu beeinflussen? Das ist eine der Fragestellungen einer Studie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld. In einem Modell wird dafür die Volkswirtschaft eines typischen Staates der Europäischen Union nachgeahmt.
Universitäten Bielefeld und Paderborn gründen gemeinsames Institut zu künstlicher Intelligenz
Sprachassistenten, Smart Homes oder Industrie-4.0-Systeme: Künstliche Intelligenz (KI) automatisiert zunehmend Abläufe in unterschiedlichsten Lebens- und Arbeitsbereichen. Allerdings erweisen sich KI-Systeme oftmals als nicht besonders kompetent, weil ihnen Hintergrund- oder Kontextwissen fehlt oder weil sie die Tragweite und Implikationen von Annahmen und Entscheidungen nicht einschätzen und ihre Handlungen nicht erklären können. Im Joint Artificial Intelligence Institute (JAII) bündeln die beiden Universitäten Bielefeld und Paderborn ihre Forschungskompetenzen in diesem Forschungsfeld. Die Universitäten haben das Institut gestern (14.07.2020) gemeinsam gegründet. Im JAII wird zukünftig an den Grundlagen von KI-Systemen geforscht, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das Ziel: KI-Systeme sollen Menschen als kompetente Partner unterstützen und in die Lage versetzt werden, Alltagsprobleme besser und verlässlicher zu lösen als bislang.
(mehr …)Arbeiten in der Plattform-Ökonomie
Nicht erst seit der Coronakrise arbeiten immer mehr Menschen von zu Hause aus und am Computer – sei es in abhängiger Beschäftigung, als Selbstständige oder nebenberuflich. Eine besondere Form des digitalen Arbeitens ist das „Crowdworking“. Dabei werden über eine Internetplattform Arbeitsaufgaben anhand eines offenen Aufrufs an viele verschiedene Personen vergeben. Die Aufgaben sind vielfältig, sie reichen von Essen ausliefern über das Testen von Software bis hin zum Übersetzen von Texten. Die Universitäten Bielefeld und Paderborn richten am 8. und 9. Oktober das zweite Crowdworking-Symposium aus.
(mehr …)Virtual Reality in der Pflege
Die Pflege gilt als wissensintensives Berufsfeld, bei der ein gelungener Transfer der Theorie in die Praxis von großer Bedeutung für eine gute Gesundheitsversorgung ist. Das neue Projekt „Virdipa“ untersucht, wie Virtual Reality (VR) als computerbasierte Technologie Auszubildende in Pflegeberufen unterstützen kann, theoretisches Wissen praktisch zu erproben. Forschende der Universität Bielefeld und der Fachhochschule (FH) Bielefeld arbeiten in dem Projekt zusammen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Die Fachhochschule koordiniert das Projekt. Kooperationspartner außer der Universität Bielefeld sind die Hochschule Emden-Leer und der Verein „Neue Wege des Lernens“ in Bielefeld. Als Praxispartner beteiligt sind außerdem die Gesundheitsschulen des Evangelischen Klinikums Bethel in Bielefeld, das Bildungszentrum St. Johannisstift in Paderborn sowie die Akademie für Gesundheitsberufe der Mühlenkreiskliniken in Minden.
An der Universität Bielefeld arbeitet das Team der Medienpädagogin Professorin Dr. Anna-Maria Kamin in dem Projekt. „Damit Auszubildende mit Virtual Reality lernen können, müssen die Ausbilder*innen und Berufsschullehrkräfte passende Trainingsbausteine entwickeln“, sagt
Anna-Maria Kamin. „Wir befassen uns in dem Projekt damit, wie das Bildungspersonal in Schulen und Betrieben die dafür nötige Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenz erwerben kann.“
„Mit unserem Vorhaben wollen wir einen Beitrag zur Digitalisierung des Berufsfelds Pflege leisten“, erklärt Professorin Dr. med. Annette Nauerth vom Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit der FH Bielefeld, die dem Projektleitungsteam angehört. Das Projekt umfasst verschiedene Arbeitsphasen, in denen Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt und mit Mitarbeiterinnen aus betrieblichen sowie schulischen Einrichtungen erprobt werden. „Unser Ziel ist es, Teilnehmende dazu zu befähigen,
eigenständig produzierte VR-Trainingsbausteine in der Pflegeausbildung einsetzen zu können“, erläutert Professorin Dr. Patrizia Raschper, die den Schwerpunkt Pflegedidaktik im Projekt betreut.

Mithilfe bereits vorhandener VR-Trainings sollen die Teilnehmenden außerdem deren Anwendung im Unterricht und in der praktischen Anleitung erlernen. So kann beispielsweise die Reanimation von Patient*innen oder die Reaktion auf Stürze von Patient*innen erprobt werden. In der anschließenden Praxis- und Transferphase werden die Teilnehmenden darin unterstützt, mit einem noch zu entwickelnden Autorenwerkzeug selbst Lernaufgaben mit VR-Technologie zu erstellen, sogenannte „Digital Reusable Learning Objects“ (DLROs). Die Einbindung der 3D-Simulationen soll die Möglichkeiten der Auszubildenden erweitern, fachliche Fähigkeiten zu erwerben.
Die DLROs, das Autorenwerkzeug sowie das Schulungs- und Vermittlungskonzept sollen anschließend als freie Lern- und Lehrmaterialien (Open Educational Resources, OER) zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass auch andere Einrichtungen oder Personen Zugang zu den Materialien und Ergebnissen erhalten. Zusätzlich soll das Qualifizierungskonzept von den kooperierenden Weiterbildungsstätten und als wissenschaftliche Weiterbildung der FH Bielefeld in Kooperation mit „Neue Wege des Lernens e.V.“ über die Laufzeit des Projekts angeboten werden.
Der Projektname „Virdipa“ steht für „Virtual Reality basierte Digital Reusable Learning Objects in der Pflegeausbildung“. Das Projekt wird über den Förderbereich „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Es läuft von März 2020 bis Ende Februar 2023.
Internationales Graduiertenkolleg in der Mathematik verlängert
Das Internationale Graduiertenkolleg „Das Reguläre im Irregulären: Analysis von singulären und zufälligen Systemen“ (IRTG 2235) wird für weitere viereinhalb Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft investiert damit zusätzlich fünf Millionen Euro in die wissenschaftliche Ausbildung und den Austausch von Doktorand*innen zwischen der Universität Bielefeld und der Seoul National University.

Seit 2016 haben sich in dem Graduiertenkolleg Nachwuchsmathematiker*innen aus allen Teilen der Welt auf die Suche nach versteckten Gesetzmäßigkeiten in zufälligen Systemen begeben. Zweieinhalb Jahre verbrachten sie dafür an der Universität Bielefeld, sechs Monate ihrer dreijährigen Promotionszeit forschten sie an der Seoul National University (Südkorea). Durch die Entscheidung der DFG ist nun die Fortführung des Programms unter der Leitung von Professor Dr. Moritz Kaßmann (Universität Bielefeld) und Professor Dr. Panki Kim (Seoul National University) gesichert. Zwischen 2021 und 2025 werden in Bielefeld 20 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler eingestellt, die in dem Graduiertenkolleg forschen werden.
„Die Welt ist voller irregulärer Strukturen, zum Beispiel bei Krebszellen, Galaxien oder Bewegungskurven von mikroskopischen Teilchen“, erklärt Moritz Kaßmann von der Fakultät für Mathematik. „Die Dissertationsprojekte in unserem Graduiertenkollegkolleg erkunden versteckte Gesetzmäßigkeiten, die die Bildung von Irregularitäten bestimmen.“
In den Dissertationen geht es vor allem um Fragestellungen aus dem mathematischen Teilgebiet der Analysis. Angrenzende Gebiete wie die Mathematische Physik, Geometrie oder die Wahrscheinlichkeitstheorie sind ebenfalls vertreten. Die theoretischen Untersuchungen haben Bezüge zu realen Phänomenen wie Vorgängen in der Natur, bei denen es innerhalb kürzester Zeit gewaltige Schwankungen geben kann. Ein anderes Thema sind nichtlineare Wellengleichungen. Solche Gleichungen werden beispielsweise verwendet, um zu modellieren, wie sich kleine Störungen auf Wasserwellen oder auf wandernde stabile Wellenpakete in Glasfaserkabeln auswirken. In der nun bewilligten zweiten Förderperiode werden nun zusätzlich Computerverfahren zur effizienten Berechnung und Methoden des maschinellen Lernens untersucht.
Die Universität Bielefeld und die Seoul National University kooperieren seit 2012. Durch das Graduiertenkolleg IRTG 2235 konnte die Zusammenarbeit auf die junge Generation von Wissenschaftler*innen ausgeweitet werden. 19 Professor*innen aus Bielefeld und Seoul arbeiten zusammen, bilden die Doktorand*innen aus und betreuen ihre Promotionsprojekte. Während des sechsmonatigen Austauschaufenthalts wohnen die Doktorand*innen aus Bielefeld auf dem Campus der Seoul National University und arbeiten in Büros des Department of Mathematical Sciences. Im Gegenzug kommen regelmäßig acht Doktorand*innen aus Seoul nach Bielefeld. „So haben sich unter den Nachwuchswissenschaftler*innen eigene Forschungskooperationen, gemeinsame Publikationen und Freundschaften entwickelt, die Ostwestfalen und Ostasien verbinden“, sagt Professor Moritz Kaßmann.
Weitere Informationen:
• „DFG fördert elf neue Graduiertenkollegs“ (Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 8. Juli 2020)
• Website des Graduiertenkollegs
Neue Methode führt zehnmal schneller zum Corona-Testergebnis
Einen Test auf SARS-CoV-2 durchzuführen und auszuwerten dauert aktuell mehr als zwei Stunden – und so kann ein Labor pro Tag nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen testen. Zellbiolog*innen der Universität Bielefeld haben nun mit mehreren Kooperationspartnern in einer Studie ein Verfahren entwickelt, das rund zehnmal schneller ein Ergebnis liefert. „Der Test dauert nur rund 16 Minuten“, sagt Professor Dr. Christian Kaltschmidt vom Lehrstuhl für Zellbiologie der Universität Bielefeld. „Die Methode ist zudem günstiger als die herkömmlichen Tests.“
Weltweit sind inzwischen mehr als zehn Millionen Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt. Einen wirksamen Impfstoff oder eine Therapie gegen SARS-CoV-2 gibt es bislang nicht. Hinzu kommt: Nicht jede infizierte Person entwickelt auch Symptome. Die wirksamste Methode, um die Verbreitung einzudämmen, sind im Moment deshalb Tests: Wer sich infiziert hat, wird isoliert und verbreitet das Virus nicht.
Das gängigste Verfahren, um zu testen, ob sich jemand mit SARS-CoV-2 infiziert hat, sind sogenannte PCR-Tests. Sie nutzen das genetische Material des Virus als Grundlage. Das haben auch die Bielefelder Wissenschaftler*innen in ihrer Studie gemacht. PCR-Tests laufen immer nach einem ähnlichen Schema ab. Zunächst wird genetisches Material einer Testperson benötigt. Dies wird in der Regel durch einen Abstrich im Mund-, Nasen- oder Rachenraum gewonnen. „Wenn ein Mensch sich mit SARS-CoV-2 angesteckt hat, dann ist in der Probe auch genetisches Material des Virus enthalten, das als sogenannte RNA vorliegt“, sagt Kaltschmidt. Die RNA-Moleküle werden in einem chemischen Verfahren isoliert. Allerdings ist danach zu wenig RNA enthalten, als dass ein Test sie sofort nachweisen könnte. Deshalb muss sie vervielfältigt werden.
Methode spart nicht nur Zeit, sondern auch Aufwand
Das geschieht bei einer sogenannten Polymerase-Kettenreaktion, die dem PCR-Verfahren seinen Namen gegeben hat (Polymerase Chain-Reaction). Sie läuft in einem Gerät ab, das sich Thermocycler nennt. Es fährt die Temperatur nach einem vorher festgelegten Programm hoch und wieder herunter. In Kombination mit bestimmten Zusatzstoffen, einem Enzym mit Kopierfunktion und Stabilität bei hoher Temperatur vervielfältigt sich dadurch das genetische Material, bis so viel vorhanden ist, dass sich damit SARS-CoV-2 nachweisen lässt – sofern jemand infiziert ist.
Die Bielefelder Forschenden haben bei ihrem Verfahren einen speziellen Thermocycler eingesetzt – den NEXTGENPCR. Durch das besondere Design, das mehrere Temperaturzonen umfasst, laufen die Reaktionen in dem Gerät besonders effektiv und vollautomatisch ab. „Beim Vorgehen haben wir uns am sogenannten Drosten-Protokoll der Berliner Charité und am Protokoll des Centers of Disease Control and Prevention in Atlanta orientiert“, sagt Kaltschmidt. Das sind Standards für Tests auf SARS-CoV-2. Die Forschenden konnten mir ihrer Methode die Ergebnisse herkömmlicher PCR-Tests wiederholen – nur in deutlich kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand.
Spezialgerät kann stündlich 570 Tests analysieren
Entwickelt hat den Thermocycler das niederländische Unternehmen Molecular Biology Systems B.V. Für die Tests auf das Coronavirus schrieben die Entwickler eine Software, die sowohl die benötigte Zeit als auch die Arbeitsschritte verringert. „Wir haben dazu sehr viele positive Rückmeldungen erhalten“, sagt Gert de Vos, Gründer und Geschäftsführer von Molecular Biology Systems. Das Gerät kann mehrere Proben parallel analysieren – damit sind mit einem einzigen Thermocycler pro Stunde rund 570 Auswertungen möglich. Molecular Biology Systems arbeitet inzwischen mit Regierungen und privaten Laboren in den USA, Europa, dem mittleren Osten und Afrika zusammen.
Kaltschmidt sieht viele Vorteile in dem neuen Verfahren. So könnte ein solcher Test vor allem dort zum Einsatz kommen, wo schnelle Ergebnisse gefragt sind. „Wenn beispielsweise Kreuzfahrtschiffe ihren Betrieb wieder aufnehmen, könnten sie in kurzer Zeit jede Person testen, bevor sie an Bord geht.“
Beteiligt an der Studie waren zudem das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, die Arbeitsgruppe molekulare Neurobiologie der Universität Bielefeld, das Evangelische Klinikum Bethel sowie der Forschungsverbund Biomedizin Bielefeld OWL e.V.
Was Europa für Forschung, Studium und Arbeit an der Universität bedeutet
Innovative Forschung und Lehre in einem Verbund sechs junger europäischer Universitäten abseits der großen Metropolen: Mit dieser Vision bewirbt sich die Universität gemeinsam mit fünf Partnerhochschulen als Europäische Hochschule. Was bedeutet Europa für Forschung Studium und Arbeit an der Universität? Die Frage beantworten ein Wissenschaftler, eine Mitarbeiterin und eine Studentin der Universität.
(mehr …)Erster Professor an die Medizinische Fakultät OWL berufen
Die Universität Bielefeld hat den ersten neuen Professor an die Medizinische Fakultät OWL berufen: Professor Dr. med. Björn Spittau übernimmt zum 1. Juli 2020 die Professur für Anatomie an der Universität Bielefeld. Zuvor war er an der Universität Rostock am Institut für Anatomie als stellvertretender Institutsleiter tätig. Der Rektor der Universität Bielefeld, Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, überreichte ihm heute im Beisein der Gründungsdekanin Professorin Dr. med. Claudia Hornberg die Berufungsurkunde.
(mehr …)Nanoskopie in Echtzeit
In research_tv erläutern der Biophysiker Professor Dr. Thomas Huser und sein Team ihre Forschung mit höchstauflösenden Mikroskopen. Mit dieser Nanoskopie lassen sich bisher nicht sichtbare Abläufe und Strukturen in Körperzellen darstellen. Damit kann zum Beispiel untersucht werden, wie sich einzelne Viren innerhalb von Körperzellen ausbreiten.
(mehr …)Wie wird, wie soll die Welt nach der Pandemie aussehen?
Die Corona-Pandemie ist in ihrem globalen Ausmaß ein Novum. Die Maßnahmen zu ihrer Eingrenzung betreffen weite Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Zugleich nährt sie die Sorge, sie könne lediglich ein Vorgeschmack für ähnliche globale Krisen der Zukunft sein, ausgelöst etwa durch den Klimawandel. Gute Antworten auf globale Herausforderungen zu finden, könnte über die Zukunftsfähigkeit der Menschheit entscheiden. In dieser Situation sieht sich die Wissenschaft in kaum gekanntem Ausmaß herausgefordert.
(mehr …)„Katastrophen und Krisen machen historisch gewachsene soziale Ungleichheit sichtbar“
Diskriminierte Bevölkerungsgruppen leiden stärker unter der Corona-Pandemie als andere Gruppen der Gesellschaft, sagt die Historikerin Professorin Dr. Eleonora Rohland von der Universität Bielefeld. Mit Hinweis auf frühere Epidemien erinnert sie zudem daran, dass auch in der Vergangenheit Epidemien oder Naturkatastrophen verleugnet oder heruntergespielt wurden, um die Wirtschaft zu schützen. Wie Eleonora Rohland die aktuelle Lage einschätzt:
(mehr …)Ein Hormon nach Pflanzenart
Pflanzen stellen das Hormon Jasmonsäure her, wenn sie angegriffen werden. So sorgen sie dafür, dass ihre Blätter Fraßfeinden nicht mehr schmecken. Biolog*innen wollen erfahren, ob biologische Vorstufen und andere Varianten der Jasmonsäure zu ähnlichen oder abweichenden Effekten führen. Doch für Experimente waren solche Abkömmlinge des Hormons bislang zu teuer und nur schwer zu bekommen. Forschende aus den Fakultäten für Chemie und Biologie der Universität Bielefeld haben jetzt ein Verfahren gefunden, das die Produktion einer biologisch bedeutenden Vorstufe der Jasmonsäure effizienter und günstiger machen könnte. Ihre Innovation: Sie ahmen nach, wie Pflanzen das Hormon herstellen. Das Ergebnis ist 12-OPDA, eine zentrale Vorstufe von Jasmonsäure. Sie könnte langfristig auch als Vorstufe für hochwertiges Parfüm in Frage kommen. Die Forschenden präsentieren ihr Verfahren heute (29.05.2020) im Forschungsjournal Advanced Science.

„Jasmonsäure kann zum Beispiel die Freisetzung von giftigen Stoffen wie Nikotin in den Blättern anstoßen, die den Angreifern schaden“, erklärt der Biologe Professor Dr. Karl-Josef Dietz. „Tabakpflanzen stoßen eine abgewandelte Form der Jasmonsäure aus und bringen so benachbarte Pflanzen dazu, sich auf Angriffe vorzubereiten“, sagt Dietz. „Jasmonsäure wirkt auch heilend und kann in Gang setzen, dass sich beschädigte Blätter regenerieren.“
Dietz leitet die Arbeitsgruppe Biochemie und Physiologie der Pflanzen der Universität Bielefeld. Er erforscht, wie Pflanzen auf Stress reagieren und arbeitet daran, ihre Reaktion zu verändern und zu optimieren. „Damit können wir Pflanzen zum Beispiel auf die veränderten Umweltbedingungen infolge des Klimawandels vorbereiten.“ Falls das wärmere Klima dazu führt, dass die Käfer-Populationen zunehmen, könnten Pflanzen etwa mit der Fähigkeit ausgestattet werden, diesen An-greifern mit Bitterstoffen zu schaden. „Uns interessiert die Wirkung von Vorformen der Jasmonsäure, wie das 12-OPDA, das nur im Milligramm-Bereich zu bekommen ist und dann mehrere hundert Euro kostet“, sagt Dietz.
„Der hohe Preis kommt durch die arbeitsintensive Herstellung zustande, da auf klassisch-chemischen Wege die Herstellung von 12-OPDA äußerst aufwändig und mit vielen Reaktionsstufen verbunden ist“, sagt der Chemiker Professor Dr. Harald Gröger. Er leitet die Arbeitsgruppe Industri-elle Organische Chemie und Biotechnologie an der Universität Bielefeld. Gemeinsam mit Dietz entwickelte er die Idee, 12-OPDA (12-Oxophytodiensäure) als Vorstufe von Jasmonsäure in einem effizienten und synthetisch neuartigen Verfahren herzustellen. Beide Wissenschaftler forschen am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.
Das neue Verfahren greift das Prinzip aus den Pflanzenzellen auf: Es nutzt die Enzyme als Katalysatoren der Pflanzen in für synthetische Zwecke optimierter Form. „Wichtig ist, dass diese Enzyme im richtigen Verhältnis eingesetzt werden“, sagt Jana Löwe. Sie ist Erstautorin der neuen Studie und forscht in Grögers Arbeitsgruppe. Der Clou des neuen Verfahrens: Wenn alle Startbedingungen stimmen, läuft es anschließend von selbst.

„Wie die Pflanzen verwenden wir die einfach zugängliche Linolensäure in Kombination mit lediglich drei Enzym-Reaktionen“, erklärt Löwe. Linolensäure kann zum Beispiel aus Rapsöl gewonnen wer-den. Das erste Enzym baut den Sauerstoff aus der Luft in die Linolensäure ein. Darauf aufbauend erzeugt das zweite Enzym ein hochlabiles Zwischenprodukt, das dann vom dritten Enzym in 12-OPDA umgewandelt wird.
„Das klingt einfach“, sagt Gröger. „Die Schwierigkeit war aber bisher die empfindliche, kurzlebige Zwischenstufe, die durch das zweite Enzym entsteht. Wenn hier nicht sofort das dritte Enzym hinzugefügt wird, entstehen nicht brauchbare Produkte.“
Löwe löst das Problem, indem sie Bakterien als Erzeuger der Enzyme für die zweite und letzte Stufe der Reaktion verwendet – in Verbindung mit einem aus Sojabohnen stammenden kommerziellen Enzym für die erste Reaktionsstufe. Die Bakterien (Escherichia coli) sind genetisch so verändert worden, dass sie die beiden Enzyme in den erforderlichen Mengen bereitstellen. „Sobald die labile Zwischenstufe gebildet wird, ist das benötigte Enzym sofort zur Stelle und sorgt für die Herstellung von 12-OPDA“, sagt Löwe.
Danach kann das 12-OPDA direkt in biologischen Studien eingesetzt oder in weitere Stoffe umgewandelt werden, die zum Beispiel für Dietz‘ Experimente gebraucht werden. Auch dafür hat Löwe ein Verfahren entwickelt. „Damit steht uns eine Bibliothek von Abkömmlingen von 12-OPDA für pflanzenphysiologische Untersuchungen zur Verfügung“, sagt Dietz. „Durch weitere Reaktionen könnte mit dem 12-OPDA darüber hinaus zukünftig in effizienter Weise unter Umständen sogar Methyldihydrojasmonat hergestellt werden“, sagt Gröger. „Das ist eine Substanz, die als Inhaltsstoff für viele bekannte Parfüms benötigt wird.“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat Grögers Arbeitsgruppe für das Forschungsprojekt zu 12-OPDA finanziell unterstützt. Die Förderung lief über die BMBF-Initiative „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren – Biotechnologie 2020+“ (Projektnummer: 031A184A).
Originalveröffentlichung:
Jana Löwe, Karl-Josef Dietz, Harald Gröger: From a biosynthetic pathway toward a biocatalytic process and chemocatalytic modifications: Three-step enzymatic cascade to the plant metabolite cis-(+)-12-OPDA and metathesis-derived products.
Adv. Science, https://doi.org/10.1002/advs.201902973, veröffentlicht am 29.05.2020.
Die gesellschaftlichen Folgen von regionalen Ungleichheiten
Wie wirken sich regionale Ungleichheiten auf die politische Orientierung und das Verhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen aus? Und welche Folgen hat das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Mit diesen Fragen befasst sich in den nächsten vier Jahren der „SOEP RegioHub“, der neue Leibniz-WissenschaftsCampus der Universität Bielefeld und des Sozio-oekonomischem Panels (SOEP) des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin. Der an der Universität Bielefeld angesiedelte Wissenschaftscampus wurde jetzt von der Leibniz-Gemeinschaft bewilligt. Im Juli 2020 nimmt er seinen Betrieb auf.
Rund 20 Wissenschaftler*innen aus Bielefeld und Berlin kooperieren im SOEP RegioHub. Die Leibniz-Gemeinschaft fördert insgesamt drei neue Leibniz-WissenschaftsCampi, um die Zusammenarbeit von universitärer und außeruniversitärer Forschung zu stärken. „Ich freue mich außerordentlich über die erfolgreiche Einwerbung dieses Kooperationsprojekts“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. „Das ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg, außeruniversitäre Forschung nach Bielefeld zu holen. Wir arbeiten in unterschiedlichen Formaten mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen. Diese Kooperation mit der Leibniz-Gemeinschaft ist nicht nur eine sehr weitreichende Partnerschaft, sie ist zudem ein wichtiger Baustein für die Entwicklung des Bielefeld Research and Innovation Campus.“
„Das zentrale Anliegen des Wissenschaftscampus ist es, mit Hilfe der seit 1984 erhobenen repräsentativen, längsschnittlichen Haushaltsdaten des SOEP Antworten auf brennende gesellschaftliche Fragen zu finden“, sagt SOEP-Direktor Professor Dr. Stefan Liebig. „Wir freuen uns sehr, dass wir dabei in den nächsten Jahren noch enger als bisher mit der Universität Bielefeld zusammenarbeiten können.“ Dabei gehe es auch darum, junge Forscherinnen und Forscher mit dem Datenschatz des SOEP vertraut zu machen und innovative Forschung aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu fördern.
Das SOEP und die Universität Bielefeld kooperieren seit rund zehn Jahren über gemeinsame Professuren, Forschungsprojekte und Promotionen. „Mit dem Leibniz-WissenschaftsCampus vertiefen und verstetigen wir unsere starke Verbindung“, sagt Gerhard Sagerer.

Das neue Forschungsprojekt nutzt und erweitert die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), der größten und am längsten laufenden multidisziplinären Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist am DIW Berlin angesiedelt. „Der SOEP RegioHub at Bielefeld University ist damit die erste Forschungseinrichtung, die sich damit befasst, regionale und räumliche Bezugszahlen zu ermitteln und mit repräsentativen Daten aus Meinungsumfragen zu verbinden“, sagt Juniorprofessorin Dr. Anna Zaharieva von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld. Sie ist für die Universität Bielefeld Sprecherin des SOEP RegioHub.
In dem Kooperationsprojekt untersuchen die Wissenschaftler*innen die Unterschiede zwischen den 96 Regionen in Deutschland – zum Beispiel Ostwestfalen, das Ruhrgebiet, Bitterfeld-Wittenberg oder Franken. „Die Regionen in Deutschland entwickeln sich unterschiedlich“, sagt Anna Zaharieva. „Das bedeutet, dass in einigen Regionen die Bevölkerung im Durchschnitt älter ist als andernorts, die Wirtschaft ist schwächer, die Infrastruktur schlechter. Diese regionalen Ungleichheiten beeinflussen, welche Chancen Menschen in den Regionen haben. Abhängig sind diese Chancen zum Beispiel von regional verschiedenen Perspektiven im Arbeitsmarkt und davon, welche Ausbildungseinrichtungen die Region zu bieten hat.“

Die Wissenschaftler*innen des neuen Leibniz-WissenschaftsCampus erforschen, wie sich die Unterschiede der Regionen Deutschlands auf politische Einstellungen und die Lebensbedingungen auswirken. „Das hat eine hohe gesellschaftliche Bedeutung“, sagt Stefan Liebig. „Denn wenn wir verstehen, wie sich regionale Ungleichheiten individuell auswirken, können wir nachvollziehen, wie sie gesellschaftliche Konflikte verstärken oder mildern.“
Für den „SOEP RegioHub at Bielefeld University“ arbeiten rund 20 Professor*innen und Nachwuchsforschende aus verschiedenen Disziplinen zusammen: Soziologie, Statistik und Datenwissenschaft, Politikwissenschaft, Gesundheitswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften sowie Klinische Psychologie, Entwicklungs- und Sozialpsychologie.
Der neue Leibniz-WissenschaftsCampus heißt mit vollem Namen: „Studying Regional Development Dynamics and their Political Consequences: SOEP RegioHub at Bielefeld University“ (Untersuchung regionaler Entwicklungsdynamiken und ihrer politischen Konsequenzen: SOEP RegioHub an der Universität Bielefeld). Er wird zunächst bis 2024 gefördert, nach erfolgreichem Antrag ist dann eine Bewilligung für weitere vier Jahre möglich. Das Projekt hat ein Gesamtvolumen von 900.000 Euro.
Außer dem Leibniz-WissenschaftsCampus des SOEP und der Universität Bielefeld fördert die Leibniz-Gemeinschaft zwei weitere neue WissenschaftsCampi in Bochum und in Saarbrücken. Mit den jetzt geförderten Vorhaben steigt die Gesamtzahl der aktuell laufenden Leibniz-Wissenschafts-Campi auf 25. Mit den Leibniz-WissenschaftsCampi will die Leibniz-Gemeinschaft die Zusammenarbeit von universitärer und außeruniversitärer Forschung stärken. Damit sollen Netzwerke entstehen, um Forschungsbereiche weiter zu entwickeln und das wissenschaftliche Umfeld für bestimmte Themen zu stärken.
Weitere Informationen:
• Pressemitteilung der Leibniz-Gemeinschaft: „Zahl der Leibniz-WissenschaftsCampi steigt auf 25“ vom 15.05.2020
• Pressemitteilung zum Bielefeld Research and Innovation Campus (BRIC) vom 30.10.2018
• Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP)
Suche nach Varianten des Virus
An dieser Stelle sammeln wir aktuelle Initiativen von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen. Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.
(mehr …)Das Gehirn als Vorbild für stromsparende Schaltkreise
In herkömmlichen Computern müssen kontinuierlich Daten zwischen Rechen- und Speichereinheiten übertragen werden – ein langsamer und energieintensiver Prozess, der die Gesamtleistung und Energieeffizienz stark einschränkt. Ein Team internationaler Wissenschaftler*innen entwickelt in dem neuen EU-Projekt „BeFerroSynaptic“ Schaltkreise, die Aspekte eines biologischen Nervensystems nachbilden. Damit soll der Energiebedarf verringert werden. Die Universität Bielefeld ist eine von elf Partner*innen des Projekts. Die Europäische Union fördert die Forschung insgesamt mit vier Millionen Euro.
Dienste wie Bild- und Spracherkennung, Signalverarbeitung oder autonomes Fahren benötigen riesige Datenmengen. Viele kleine Geräte wie Smartphones verfügen nicht über die Rechenleistung, das Energiebudget und die komplexen Mikroprozessoren, die für viele Aufgaben erforderlich wären. Daher laden zum Beispiel virtuelle Assistenten Sprache zur Verarbeitung in die Cloud hoch. „Auch in den meisten modernen Computern sind die Rechen- und Speichereinheiten klar voneinander ge-trennt“, sagt die Informatikprofessorin Dr. Elisabetta Chicca vom Institut CITEC der Universität Bielefeld. Daten müssen aus einem Speicher heraus zu einem Rechenprozessor übertragen werden und nach der Verarbeitung wieder abgespeichert werden. „Dieser Prozess der Datenübertragung kostet sehr viel Energie und limitiert die Geschwindigkeit der elektronischen Datenverarbeitung“, sagt Chicca.

Energieeinsparungen durch biologisches Konzept der Datenverarbeitung
In dem EU-Projekt „BeFerroSynaptic“ arbeiten Forschende von elf Universitäten, Unternehmen und weiteren Institutionen zusammen. Sie sind auf verschiedene Bereiche spezialisiert: Materialwissenschaft, neuromorphe Schaltkreisentwicklung und Computerchip-Herstellung. Gemeinsam wollen sie eine neuromorphe Lösung mit niedrigem Stromverbrauch entwickeln. Diese kombiniert den Datenspeicher und die Datenverarbeitung. Dadurch verringert sich die benötigte Übertragungsmenge und die Daten können schneller verarbeitet werden. Die Neurowissenschaftlerin Chicca leitet die Forschung innerhalb des „BeFerroSynaptic“-Projekts in Bielefeld. Mit ihrer Arbeitsgruppe „Neuromorphe Systeme“ entwickelt sie biologisch-inspirierte Schaltkreise für das Projekt.
Bei der biologischen Datenverarbeitung, zum Beispiel im menschlichen Gehirn, gibt es keine klare Trennung zwischen Datenspeicher und Datenverarbeitung: „Menschen haben keinen festen Speicherplatz an dem die ‚Daten’ liegen, bis sie in einem Prozessor verarbeitet werden“, sagt Chicca. „In Nervensystemen findet die Datenverarbeitung und Datenspeicherung an den gleichen Stellen, nämlich in den Neuronen und deren Verbindungen, den Synapsen, statt. Dies ist auch ein Grund, warum biologische Nervensysteme deutlich weniger Energie verbrauchen als moderne Computer.“
Neue Möglichkeiten für den Bereich der künstlichen Intelligenz
Chicca und ihr Team forschen hauptsächlich zur Entwicklung von elektronischen Schaltkreisen und Rechnereinheiten, die in der Lage sind, wie Tiere und Menschen auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren und zu lernen. Gemeinsam mit den anderen Projektpartnern haben sie es sich zum Ziel gesetzt, die Berechnungs- und Speicherfunktion in einer Schaltung zu kombinieren, wie es auch im Nervensystem mit Neuronen und Synapsen geschieht. „Die neuen Schaltkreise sollen einfache Lern-aufgaben energieeffizient ausführen. Mit unserer Idee wollen wir immer größere neuronale Netze realisieren, die als künstliche Intelligenz genutzt werden können. Das ist ein radikal neuer Ansatz“, sagt Chicca.
Daneben entwickeln die Wissenschaftler*innen ein Verfahren für die Computerchipherstellung mit ferroelektrischen Bauteilen. Ferroelektrizität beschreibt eine physikalische Besonderheit von einigen Materialien, die ihre Eigenschaften ändern, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. In Ner-vensystemen verbinden Synapsen einzelne Neuronen miteinander und bestimmen, wie stark ein Signal von einer Nervenzelle an die nächste weitergeben wird. „Wenn zum Beispiel ein Tier etwas lernt, verändern sich die Verbindungen in seinem Nervensystem und somit auch die Synapsen“, sagt Chicca. „Wir nutzen die ferroelektrischen Veränderungen der elektrischen Bauteile in unseren Schaltkreisen, um die Veränderungen von biologischen Synapsen während des Lernens nachzubilden.“ Diese Erkenntnisse leisten auch einen Beitrag, um Nervensysteme von Tieren besser zu verstehen.
Zu Beginn des Projekts arbeiten die Bielefelder Neurowissenschaftler*innen mit Materialwissenschaftler*innen zusammen an einem Modell, das das Verhalten der neuartigen ferroelektrischen Bauteile in einem Schaltkreis beschreibt. Bis Ende des Jahres wollen die Forschenden einen Prototyp fertiggestellt haben.
Das EU-Projekt „BeFerroSynaptic“ wird vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 mit knapp vier Millionen Euro durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union finanziert. Als Partnerinstitution erhält die Universität Bielefeld eine Förderung in Höhe von rund 390.000 Euro.
Weitere Informationen:
Webseite des Konsortiums BeFerroSynaptic
Politische Bildung steht spät und kurz auf dem Stundenplan
Politik steht für Schüler*innen der Sekundarstufe I nur mit Unterbrechungen und erst spät auf dem Stundenplan. In sechs deutschen Bundesländern wird Politische Bildung frühestens ab der 8. Klasse unterrichtet, in Bayern erst ab der 10. Klasse. Nur in Nordrhein-Westfalen kann das Fach in vier aufeinanderfolgenden Schuljahren zweistündig unterrichtet werden. Zu diesen Ergebnissen kommen Professor Dr. Reinhold Hedtke und Mahir Gökbudak von der Universität Bielefeld in ihrem 3. Ranking Politische Bildung. Für 2019 verglichen die Bielefelder Sozialwissenschaftler erneut den Stellenwert Politischer Bildung in Schulen der Sekundarstufe I in allen Bundesländern.
(mehr …)Wie Nachrichten zu Falschnachrichten werden
Soziale Medien verändern die Kommunikation der Menschen genauso wie die Verbreitung von Nachrichten. So können etwa radikale Positionen, die früher im privaten Raum geäußert wurden, heute über Social Media ein weltweites Publikum erreichen. Welche Rolle Sprache, Bilder und Filme dabei spielen, untersucht die Forschungsgruppe „Multimodale Rhetorik in der Onlinemedien-Kommunikation“ (“Multimodal Rhetoric in Online Media Communications“) am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Die Gruppe nimmt am Montag, 18. Mai, mit einer virtuellen Eröffnungskonferenz ihre Arbeit auf. Ziel ist es, computergestützte Analysewerkzeuge zu entwickeln, mit denen sich die Entwicklung von Nachrichten hin zu Falschnachrichten nachverfolgen lässt.
(mehr …)„Effektiver Mieter*innenschutz ist in Krisenzeiten geradezu lebensnotwendig“
Der Bundestag hat als Teil des Corona-Notprogramms auch Maßnahmen zum Schutz von Mieter*innen beschlossen. „Die Gesetzesparagraphen zum Mietrecht sind vom Ansatz her sinnvoll, um in finanzielle Not geratene Mieter*innen zu schützen. Die Regelungen sind aber unglücklich formuliert und können so nicht beabsichtigte Folgen haben“, sagt der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Markus Artz. Der Experte für Mietrecht fordert eine Überarbeitung. Wie Markus Artz die aktuelle Lage einschätzt:
(mehr …)Moleküle in Zellen zerstörungsfrei analysieren
Wenn Forschende untersuchen, wie sich Tumore entwickeln oder wie Arzneien auf verschiedene Zellarten wirken, müssen sie erfassen, wie die Moleküle im Inneren der Zellen reagieren und interagieren. Möglich ist das mit modernen Lasermikroskopen. Doch bislang müssen Moleküle in den Zellproben durch Leuchtstoffe markiert werden, um sie sichtbar zu machen. Das kann das Verhalten der Moleküle verfälschen. Forschungsgruppen der Universitäten Bielefeld und Hongkong haben gemeinsam ein Nano-Lasermikroskop entwickelt, das ohne Markierung der Moleküle auskommt. Sie entwickelten dafür eigens kompakte Faserlaser statt der bisher üblichen Festkörperlaser.
(mehr …)Vor dem Virus sind nicht alle Erwerbstätigen gleich
Rund 20 Prozent der Erwerbstätigen leiden infolge der Corona-Pandemie unter Einkommenseinbußen. Das zeigen erste Analysen der SOEP-Corona-Studie (SOEP-CoV), die heute (13.05.2020) veröffentlicht worden sind. Für die Studie kooperieren die Universität Bielefeld und das Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Der Studie zufolge arbeiten vor allem Menschen mit höheren Einkommen und besserer Bildung im Homeoffice. Die meisten Erwerbstätigen schätzen die gesamtwirtschaftliche Lage als schlechter ein als zuvor, sehen ihre eigene wirtschaftliche Situation jedoch positiv.

Die Corona-Pandemie verändert die wirtschaftliche und soziale Situation vieler Erwerbstätiger in Deutschland. Rund 20 Prozent der Erwerbstätigen aus 2019 haben schon jetzt Einkommenseinbußen erlitten. Davon berichten Menschen mit einem geringen Einkommen und damit geringeren finanziel-len Spielräumen genauso häufig wie besser Verdienende. Etwa 35 Prozent arbeiten im Homeoffice, darunter vor allem Menschen mit höheren Einkommen und besserer Bildung. Von Kurzarbeit sind derzeit 17 Prozent der Erwerbstätigen betroffen, vor allem weniger gebildete. „Schon jetzt zeichnet sich also ab, dass Menschen mit höherem Einkommen und besserer Bildung die Krise leichter bewäl-tigen werden als andere“, sagt Professor Dr. Stefan Liebig, Direktor des SOEP und Co-Leiter der Studie.
Die meisten Erwerbstätigen schätzen laut der Studie die gesamtwirtschaftliche Lage als wesentlich schlechter ein als zuvor. „Auffällig ist indessen, dass die Mehrheit der Erwerbstätigen – hauptsäch-lich die höher Gebildeten – ihre persönliche wirtschaftliche Situation aktuell positiv bewertet“, sagt Dr. Simon Kühne, Co-Leiter der Studie, von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.
Die für Deutschland repräsentative SOEP-Corona-Studie (SOEP-CoV) untersucht die sozialen Folgen der Corona-Pandemie. Dabei geht es unter anderem um das Arbeitsleben und den Alltag, die seelische und körperliche Gesundheit, aber auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für SOEP-CoV werden seit Anfang April mehr als 12.000 Menschen befragt, die in der Vergangenheit regelmäßig an der repräsentativen Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) teilgenommen haben. Eine zweite Befragung wird stattfinden, wenn die Infektionsrate deutlich rückläufig ist.
Alleinstellungsmerkmal der SOEP-Corona-Studie ist die Langzeitperspektive. „Wir können nicht nur schon jetzt sehen, wie sich das Leben der Menschen hierzulande durch die Corona-Krise im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie verändert“, sagt Stefan Liebig. „Wir werden auf Basis der SOEP-CoV-Daten auch beobachten können, wie die Pandemie das Leben in Deutschland in den kommen-den Jahren prägen wird.“
SOEP-CoV ist ein gemeinsames Projekt des Sozio-oekonomischen Panels am DIW Berlin (SOEP) und der Universität Bielefeld und wird mit rund 500.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. „Mit unserer Studie schließen wir eine entscheidende Datenlücke und fördern sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Krise“, sagt Simon Kühne.
Ergebnisse aus der Studie SOEP-CoV werden laufend auf der Projekthomepage und im SOEP-CoV-Dossier vorgestellt.
ZiF-Forschungsgruppe: Flexibilität gleich doppelt
Die aktuelle ZiF-Forschungsgruppe arbeitet wegen der Coronapandemie mittlerweile fast ausschließlich digital miteinander. Ihr zentrales Thema lautet „Situationsmodelle: Neue Perspektiven auf das kognitive Verhalten von Menschen, Tieren und Maschinen“. Die Forschenden widmen sich dabei vor allem der Flexibilität. Diese erfahren die Wissenschaftler*innen nun gleich zweifach: als Forschungsgegenstand und als Arbeitsweise.
(mehr …)„Pflegebedürftige zum Infektionsschutz vom sozialen Leben auszugrenzen, gefährdet ihre Gesundheit“
„In der Coronakrise spitzen sich bekannte Probleme in der Altenpflege zu“, sagt die Gesundheits- und Pflegewissenschaftlerin Professorin Dr. Kerstin Hämel. Sie bemängelt, dass viele Menschen mit Pflegebedarf derzeit noch stärker als bisher sozial isoliert seien. Das bedrohe ihre psychosoziale Gesundheit. Wie Kerstin Hämel die aktuelle Lage einschätzt:
(mehr …)Verzerrte Perspektiven auf die NS-Zeit trotz Sorgen um Geschichtsrevisionismus
In der deutschen Gesellschaft finden sich teils deutlich verzerrte Perspektiven auf die Zeit des Nationalsozialismus, so lautet ein wesentliches Ergebnis der Studie „MEMO Deutschland – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Die repräsentative Befragung unter 1.000 Personen wird seit 2017 von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) unterstützt.
Quelle: MEMO Deutschland Quelle: MEMO Deutschland Quelle: MEMO Deutschland Quelle: MEMO Deutschland Quelle: MEMO Deutschland
Ein Schwerpunkt der Studie lag darauf, wie die Befragten das Ende des Zweiten Weltkriegs, das sich am 8. Mai zum 75. Mal jährt, rückblickend einordnen und bezeichnen würden. Dabei bewerten sie die Begriffe der „Befreiung“ (87,0%) und des „Neuanfangs“ (81,2%) als die geeignetsten, um zu beschreiben, was das Kriegsende 1945 für Deutschland bedeutet hat – den Begriff der „Niederlage“ (70,3%) schätzen sie im Vergleich als am wenigsten geeignet ein.
„Die Worte, die wir für historische Ereignisse wählen, verraten viel darüber, welche Rolle wir uns selbst dabei zuschreiben. Dass in Deutschland das Kriegsende vor allem als ‚Befreiung‘ und ‚Neuanfang‘ erinnert wird, erscheint nicht unproblematisch“, erklärt Sozialpsychologe Michael Papendick, Mitarbeiter am IKG und einer der Autor*innen der MEMO-Studien. „Diese Umschreibungen könnten nahelegen, die Deutschen seien dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer gefallen, sodass sie befreit werden mussten, und dabei verschleiern, dass weite Teile der Bevölkerung dieses Regime mitgetragen und geduldet haben, zum Teil selbst darin verstrickt waren.“ Verzerrte Perspektiven auf die historischen Ereignisse spiegeln sich in einer Reihe von Befunden der MEMO-Studien wider. Dies sei auch deswegen bemerkenswert, weil zugleich ein großer Teil der Befragten (64,6%) die Sorge äußert, die deutsche Erinnerungskultur könne von Rechtspopulisten vereinnahmt werden.
Wozu dient eine „deutsche Opferperspektive“?
Die Befragten schätzen, dass nur rund 40% der deutschen Bevölkerung während der NS-Zeit von der systematischen Ermordung von Menschen wusste, mehr als die Hälfte der Deutschen also „nichts gewusst“ habe. Zudem zeigt sich, dass Befragte auch gefallene deutsche Soldaten zu den Opfern während der Zeit des Nationalsozialismus zählen und die Hälfte (49,9%) eine aktive Erinnerung an diese befürwortet. Unter dem Begriff des ‚Opfers‘ verstehen Befragte nicht nur die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, sondern auch die Opfer der Bombenangriffe, Vertriebene, Soldaten. „Es stellt sich die Frage nach der möglichen gesellschaftlichen Funktion einer solchen Perspektive. Geht es dabei noch immer oder schon wieder um die Verdrängung von Verantwortung? Oder erlaubt die verbreitete Anerkennung von historischer Verantwortung auch die Erinnerung an deutsche Opfer? Historische Bildung muss konkret sein, historische Zusammenhänge aufzeigen und nach politischen Positionen fragen“, betont Dr. Ralf Possekel, Vorstand der Stiftung EVZ.
Haben die Deutschen „aus der Geschichte gelernt“?
Die Studienteilnehmer*innen schätzen, dass 34,0% der Deutschen während der NS-Zeit zu den Täter*innen zählten, aber deutlich weniger (15,4%) potentiellen Opfern geholfen haben. Dass sie selbst während der Zeit des Nationalsozialismus zu den Täter*innen gezählt hätten, halten die wenigsten Befragten für wahrscheinlich (10,5%), dass sie selbst anderen geholfen hätten dafür umso mehr (65,3%). Diese Selbsteinschätzung ließe sich positiv so deuten, dass die Befragten aus einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte gelernt haben, aber auch so, dass sie die eigene Courage über- und den Einfluss gesellschaftlicher Prozesse und situationsbedingter Faktoren unterschätzen. Eine solche Lesart deckt sich mit den Einschätzungen der Befragten, die berichten, über die Einstellungen der deutschen Bevölkerung während der NS-Zeit und ihre Reaktionen auf die Verbrechen des NS-Regimes vergleichsweise wenig zu wissen. „Wir nehmen nicht an, dass die Befragten ihren Blick auf die NS-Zeit bewusst verzerren, oder sich selbst bewusst überschätzen, sondern dies das Ergebnis von kollektiven Erinnerungs- und Wissenslücken ist“, sagt Papendick. „Umso wichtiger erscheint daher eine vielfältige Erinnerungskultur, die neben dem bloßen Erinnern auch eine Auseinandersetzung mit Geschichte ermöglicht, damit rechtes Gedankengut und Geschichtsrevisionismus nicht noch weiter in entstehenden Wissenslücken verfangen können.“
Hintergrundinformationen zu den Umfrageergebnissen, Fotos und Infografiken auf der Website der Stiftung EVZ.
„Benachteiligte Kinder und Jugendliche werden aktuell auf schwierige Bedingungen in ihren Familien zurückgeworfen“
„Als Folge der Coronakrise spitzt sich die Lebenssituation von vor allem Kindern und Jugendlichen zu, die ohnehin schon psychosozialen Belastungen ausgesetzt sind.“ Das sagt der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Ullrich Bauer, Leiter des Zentrums für Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter (ZPI) an der Universität Bielefeld. „Weitgehend isoliert in ihrem Zuhause erfahren sie noch mehr Stress als bisher. Kindertagesstätten und Schulen als wohltuende Erfahrungsräume fallen momentan weg. Das kann zum Beispiel zu psychischen Erkrankungen der jungen Menschen führen“, sagt Bauer. Kinder und Jugendliche müssten bei den aktuellen Maßnahmen weiterhin als besonders schutzbedürftig behandelt werden. Sonst würden hohe soziale Kosten in der nachwachsenden Generation drohen. Wie Ullrich Bauer die aktuelle Lage sieht:
(mehr …)Reha mit 3D-Technologie und virtueller Realität
Neurowissenschaftler*innen des Instituts CITEC der Universität wollen mit einem neuen Projekt Betroffene von Muskel-Skelett-Verletzungen unterstützen, schneller wieder fit zu werden. Für ihr System setzen sie 3D-Technologie und virtuelle Realität ein. Das Projekt „Vecury“ wird für eineinhalb Jahre mit 240.000 Euro durch die Förderlinie „Startup-Transfer.NRW“ des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert.
Wenig Zeit in der Physiotherapie, Mangel an Anleitung und oft fehlende Motivation verzögern die Erholung der Patient*innen und damit die Rückkehr in den Alltag. Das soll „Vecury“ ändern: Dr. Rümeysa Gündüz Can und die Doktoranden Miguel Angel Cienfuegos Tellez und Alessio D’Aquino entwickeln eine Virtual-Reality-Plattform, die auf die individualisierten Bewegungsmöglichkeiten der Patient*innen abgestimmt ist und auf diese Weise ihre Rehabilitation außerhalb der Physiotherapie unterstützt. Dafür arbeiten die Neurowissenschaftler*innen mit den Medizinern Professor Dr. med. Thomas Vordemvenne und Privatdozent Dr. med. Dirk Wähnert von der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Evangelischen Klinikum Bethel zusammen.

Individuelles Physioprogramm für jede*n Patient*in
Rümeysa Gündüz Can und ihre beide Projektmitarbeiter forschen im Arbeitsbereich „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“ unter der Leitung von Professor Dr. Thomas Schack am Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC). „Das Bemerkenswerte an Vecury ist, dass das Rehabilitationssystem auf die realen und individuellen Bedürfnisse der Patient*innen zugeschnitten ist und nicht auf abstrakten Modellen basiert“, erklärt Schack.
„Mit unserem System können die Patient*innen selbstständig Bewegungen trainieren, indem sie die in der Rehabilitationseinrichtung durchgeführten Übungen wiederholen“, sagt Dr. Rümeysa Gündüz Can. „Indem das System das Training dokumentiert, gewinnen Ärzt*innen und Physiotherapeut*innen einen objektiven Überblick über den Rehabilitationsfortschritt. Auch die Patient*innen können ihren Genesungsfortschritt kontrollieren.“ Das System stellt sich auf die Nutzer*innen individuell ein. „Zunächst werden die Präferenzen, Erwartungen, Leistungen und die Gesamterfahrung der Patient*innen identifiziert. Damit ist unser System in der Lage, die Art und Intensität des Trainings auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen und das richtige Maß an Herausforderung für die Patient*innen zu bieten“, sagt Gündüz Can.
Zusammenarbeit mit Kliniken
Behandelt werden sollen zunächst vor allem junge Patient*innen, die aufgrund von Unfällen schwere Verletzungen erlitten haben und eine umfassende Rehabilitation benötigen, bevor sie wieder ihrem täglichen Leben nachgehen können. „Die Patient*innen bekommen eine Reihe von Übungen verordnet, die täglich bis zum nächsten Physiotherapiebesuch durchgeführt werden sollen. Im Grunde genommen verbringen die Patient*innen den Großteil der Zeit mit Übungen, die sie ohne Aufsicht durchführen“, sagt Gündüz Can. „Unsere Plattform soll direkt zu Beginn einer Physiotherapie eingeführt werden, sodass die Patient*innen direkt mit einem individuellen Programm ohne medizinische Aufsicht starten können.“ Dafür erfassen die Physiotherapeut*innen den Bewegungsbereich der Patient*innen und erstellen auf diesen Daten aufbauend einen Trainingsplan.
Im vergangenen Jahr entwickelten die Forschenden bereits eine funktionierende Demonstration ihrer Idee, die sie auf Veranstaltungen und Konferenzen in Europa vorstellten. Dafür befragten und testeten sie auch 16 Patient*innen vom Zentrum für ambulante Rehabilitation in Bielefeld und vom Evangelischen Klinikum Bethel am Beginn und am Ende ihrer Rehabilitation. „Obwohl wir keine streng wissenschaftliche Studie durchgeführt haben, waren die Informationen, die wir aus dem Feedback gezogen haben, für unsere Idee sehr wertvoll“, sagt Gündüz Can. „Nun bereiten wir eine Machbarkeitsstudie mit unserem klinischen Partner in Bethel vor. Die Zusammenarbeit mit Bethel ermöglicht es uns, eng mit den Patient*innen zusammenzuarbeiten und Erkenntnisse zu gewinnen, wie die technische Entwicklung unserer Plattform aus ärztlicher Sicht am besten angegangen werden kann.“
Ziel einer marktfähigen medizinischen Plattform
Zunächst wird das System nur in Kliniken und Krankenhäusern getestet, langfristig soll es aber auch zu Hause angewendet werden können. „Wir sehen definitiv die Möglichkeit einer Heimanwendung, aber wir müssen mit Rechtsexpert*innen die Datensicherheit bewerten“, sagt Gündüz Can. „Außerdem wollen wir so viele Patientinnen und Physiotherapeutinnen wie möglich erreichen, um ihre Meinung zu hören und unsere Idee auf der Grundlage ihrer und unserer Vision dynamisch zu gestalten.“
In den kommenden eineinhalb Jahren streben die Forschenden eine voll funktionsfähige und marktfähige Version ihrer medizinischen Plattform an. Doch danach soll das Projekt Vecury nicht zu Ende sein, so Gündüz Can: „Wir wollen Vecury als ein Unternehmen für digitale Medizintechnik in Deutschland etablieren und innerhalb der nächsten fünf Jahre weitere europäische Märkte erreichen. Mit Bethel haben wir bereits eine gute Zusammenarbeit geschaffen, die wir unter Einbeziehung verschiedener Interessengruppen wie Krankenkassen und wissenschaftlicher Partner ausbauen wollen.“

Förderung als wissenschaftliches Startup
Der Projektname „Vecury“ steht für „Virtual Reality Platform for the Motor Rehabiliation of Upper-Limb Impairments“ (Virtual-Reality-Plattform für die Bewegungsrehabilitation bei Beeinträchtigungen der oberen Gliedmaßen). Das Projekt wird ab Mai über das Programm Startup-Transfer.NRW unterstützt. Die Förderlinie des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen soll junge Wissenschaftler*innen bei ihren ersten unternehmerischen Erfahrungen unterstützen. Gefördert werden vor allem innovative Geschäftsideen im Bereich Digitales, die ein tragfähiges Geschäftskonzept vorweisen können. Auf diese Weise geförderte Startups können bis zu 240.000 Euro für einen Zeitraum von 18 Monaten erhalten, um ihre Idee zu entwickeln und ihr Unternehmen am Ende des Projekts zu gründen.
FameLab Germany: Premiere als Streaming-Show
Das große Finale von FameLab Germany sollte in Bielefeld eigentlich vor mehr als 1.000 Zuschauer*innen in der Rudolf-Oetker-Halle steigen. In Corona-Zeiten ist das natürlich gerade nicht möglich, darum bringt Veranstalter Bielefeld Marketing den Wissenschaftswettbewerb jetzt erstmals als Live-Show ins Internet. Als Finalist mit dabei ist auch Niklas Hoffmann von der Universität.
(mehr …)Große Bereitschaft, Vorräte und Medikamente in der Krise zu teilen
Wissenschaftler*innen des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) machen in der Corona-Krise einen „bemerkenswerten gesellschaftlichen Zusammenhalt“ aus. Das Institut der Universität Bielefeld veröffentlicht heute (27.04.2020) die Ergebnisse seiner Onlineumfrage zu den gesellschaftlichen Folgen der Epidemie. Demnach sind zwei Drittel der Befragten bereit, Einkäufe für Nachbar*innen zu erledigen. Die Hälfte der Befragten würde Vorräte oder Medikamente teilen. Gleichzeitig belegt die Studie einen hohen Zuspruch zu den politischen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten sprach sich für härtere Strafen bei Verstößen gegen die Auflagen aus. Mehr als 3000 Personen beteiligten sich in den ersten zwei Wochen der bundesweiten Einschränkungen an der Umfrage.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass die Hilfsbereitschaft in der aktuellen Krisenlage höher ist als Menschen gemeinhin annehmen“, sagt Dr. Jonas Rees, der das Team der Studie leitet. „Ein Viertel der Befragten war nicht nur bereit, zu helfen, sondern gab an, dies auch schon ganz konkret getan zu haben. Wir sehen gerade in dieser Krisenzeit einen bemerkenswerten gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) waren bereit, Einkäufe für andere Menschen zu erledigen. 50 Prozent der Befragten würden Vorräte oder Medikamente teilen. 16 Prozent der Teilnehmer*innen der Umfrage würden ihren Nachbar*innen Geld spenden, wenn diese sie darum bitten würden. Die Studie zeigt zudem: Die Mehrheit der Befragten unterstützt die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus. Gleichzeitig hält die Analyse fest, dass in der Coronakrise der Zuspruch zu autoritären politischen Haltungen hoch ist. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) begrüßt härtere Strafen bei Verstößen gegen die Auflagen. Ein ähnlich hoher Anteil der Befragten (52 Prozent) bejaht die Aussage „Wir sollten dankbar sein für führende Köpfe, die uns sagen, wie wir die Corona-Krise bewältigen“. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) war bereit, während der Coronakrise notfalls auch Grundrechte einzuschränken.

„Unter gewöhnlichen Umständen wären das alles bedenkliche Indizien für autoritäre Orientierungen“, warnt Rees, „Aber wir haben es derzeit nicht mit gewöhnlichen Umständen zu tun – in einer solchen Situation suchen Menschen Orientierung. Auch Verschwörungstheorien verbreiten sich daher jetzt zunehmend, werden aber bisher noch von einer Mehrheit abgelehnt.“ So lehnten 77 Prozent der Befragten die Aussage ab, dass geheime Organisationen während der Corona-Krise großen Einfluss auf politische Entscheidungen hätten – 8 Prozent stimmten ihr aber auch zu.
„Die Studie bestätigt unsere Annahme, dass die Coronakrise bei vielen Menschen zu einer pragmatischen Angepasstheit führt“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, Leiter des IKG. „Wenn die Maßnahmen, die zentrale Grundrechte einschränken, längere Zeit anhalten, kann das bei vielen Menschen zunehmend ein Gefühl der Ohnmacht zur Folge haben. Die dann entstehende Ohnmacht macht anfällig für Populismus“, sagt Zick. „Es besteht die Gefahr, dass sich damit autoritäre Einstellungen bei einer großen Zahl von Menschen verstetigen.“ Der Konfliktforscher drängt darauf, die Auswirkungen der Coronakrise auf das zivile und politische Miteinander öffentlich zu thematisieren: „Wir müssen neben den medizinischen und ökonomischen auch intensiver über die gesellschaftlichen Folgen der Krise sprechen.“
Das IKG hatte die Onlineumfrage vor einem Monat gestartet – zu der Zeit, als wegen der Coronakrise bundesweit das Kontaktverbot verhängt wurde. Der Bericht mit den ersten Ergebnissen der Studie ist heute auf der Website des IKG veröffentlicht worden. In den kommenden Wochen folgen die Auswertungen von ausführlichen, offenen Antworten der Befragten sowie die Entwicklungen der Antworten von etwa 1.600 Befragten, die sich an einer zweiten Befragung beteiligten. Zum Studienteam gehören Dr. Jonas Rees, Michael Papendick, Yann Rees, Franziska Wäschle und Professor Dr. Andreas Zick.
Weitere Informationen:
Bericht mit ersten Ergebnissen der Studie
„Geflüchtete in den Lagern sind dem Coronavirus schutzlos ausgeliefert“
Die Flüchtlinge in den Aufnahmezentren auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros müssen evakuiert werden, um nicht nur die Gesundheit einzelner, sondern der gesamten Bevölkerung zu schützen. Das sagt der Epidemiologe Professor Dr. med. Kayvan Bozorgmehr. 59 Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern in Deutschland und Luxemburg unterzubringen, sei zu wenig. Bozorgmehr warnt: In den Lagern sei die Zahl der Risikogruppen für eine Sars-CoV-2-Infektion wahrscheinlich höher als gemeinhin angenommen. Um das Gesundheitsrisiko auch für die griechische Bevölkerung zu minimieren, müssen laut dem Forscher Hotspots vermieden werden. Wie Kayvan Bozorgmehr die aktuelle Lage sieht:
(mehr …)Gutes Corona-Wissen in der Bevölkerung
Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland fühlt sich über die Corona-Pandemie gut oder sogar sehr gut informiert. Das ergibt eine repräsentative Befragung von 1.000 Personen ab 16 Jahren, die im Auftrag des Interdisziplinären Zentrums für Gesundheitskompetenzforschung der Universität Bielefeld und des Department of Public Health and Education der Hertie School of Governance in Berlin vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt wurde.
Schwerpunkt der Befragung war die „Gesundheitskompetenz“ der Bürger*innen, worunter ihre Einschätzung verstanden wird, wie gut es gelingt, die Informationen zur Corona-Pandemie zu finden, zu verstehen und auf dieser Basis Konsequenzen für das eigene Verhalten zu ziehen. Die insgesamt positive Einschätzung der Bevölkerung ist nach Ansicht des Forschungsteams auf die Entscheidungen der politischen Akteur*innen und die Maßnahmen der behördlichen Einrichtungen zurückzuführen, die insgesamt als verständlich und nützlich wahrgenommen werden.
Wie die Studie zeigt, fühlen sich 29 Prozent der Befragten sehr gut informiert, weitere 61 Prozent gut. Lediglich neun Prozent halten sich für weniger gut informiert, nur ein Prozent der Bevölkerung für gar nicht gut. Annähernd 90 Prozent beurteilen es als einfach oder sehr einfach, im Internet Informationen über Verhaltensweisen zu finden, die helfen, einer Infektion mit dem Coronavirus vorzubeugen oder die Anweisungen der eigenen Ärzt*innen, Apotheker*innen oder von Pflegekräften zu Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus zu verstehen.

Das Forschungsteam war von diesem positiven Ergebnis überrascht, weil bisherige Untersu-chungen ergeben hatten, dass über die Hälfte der Bevölkerung grundsätzlich große Schwierigkeiten hat, die nötigen Informationen über gesundheitliche Vorbeugung und den Umgang mit Krankheiten zu finden und richtig einzuordnen. „Über das Krankheitsbild von Corona ha-ben die Menschen aber offenbar so viele Informationen und über die Beschlüsse von Bund und Ländern so viele konkrete Verhaltensanweisungen erhalten, dass sie sich sicher fühlen“, so der Koordinator des Forschungsteams Dr. Orkan Okan von der Universität Bielefeld. Die Ergebnisse dieser Studie müssten vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Informationen zum Coronavirus den Lebensalltag gegenwärtig sozial und digital vollumfänglich durchdringen und eine hohe Alltagsrelevanz besitzen.
Allerdings kommt die Studie auch zu einem problematischen Befund: Eine Mehrheit der Bevölkerung (56 Prozent der Befragten) fühlt sich in der gegenwärtigen Krise durch die Vielfalt an Informationen zum Thema COVID-19 verunsichert und weiß nicht mehr genau, welchen Infor-mationen sie trauen sollen. Die Verunsicherung ist in der jungen Bevölkerung verbreiteter als unter Älteren: Personen unter 45 Jahren empfinden zu 14 Prozent große Verunsicherung, weitere 47 Prozent sind etwas verunsichert. Ab 60-Jährige sind dagegen zu sieben Prozent sehr und zu 39 Prozent etwas verunsichert, welchen Informationen sie im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie trauen sollen.
Der Forschungsbericht kann frei verwendet werden.
Kontakt:
Dr. Orkan Okan, Universität Bielefeld
E-Mail: orkan.okan@uni-bielefeld.de
„Antibiotikaresistente Keime werden uns ähnlich große Sorgen bereiten wie SARS-CoV-2“
Die derzeitige Pandemie zeigt, wie wichtig die experimentelle Forschung für die Medizin ist. Die Ausbreitungsmechanismen von Krankheitserregern wie SARS-CoV-2 lassen sich nur auf molekularer Ebene verstehen und bekämpfen. Das sagt der Biophysiker Professor Dr. Thomas Huser. Er forscht an biomedizinischen Anwendungen der Photonik und entwickelt Nanomikroskope, mit denen sich der direkte Übertragungsweg von viren-infizierten Zellen auf gesunde Zellen darstellen lässt. Wie Thomas Huser die aktuelle Lage sieht:
„Im Moment sieht es so aus, als ob die Sterblichkeit bei Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 höher ist als bei anderen viralen Infektionen der Atemwege, zum Beispiel durch Grippe-Viren. Allerdings werden auch diese Zahlen laufend revidiert und nach neuesten Informationen ist die Sterblichkeit wohl doch nicht etwa 20-mal höher als bei der bekannten Grippe, sondern etwas geringer, aber immer noch deutlich höher als bei den bekannten Grippe-Viren. Diese Zahlen hängen allerdings davon ab, dass alle SARS-CoV-2-Infektionen tatsächlich nachgewiesen und registriert werden. Momentan sieht es jedoch so aus, als ob ein Teil der Infizierten keine oder nur schwache Symptome aufweist. Falls bei diesen Personen kein Test durchgeführt wurde, sind sie nicht Teil der Statistik.

Ein weiteres Problem ist, dass es nach derzeitiger Information so aussieht, als ob das Virus nicht nur durch die Luft übertragen wird, sondern auch längere Zeit auf Oberflächen überleben kann – Menschen können sich also auch auf diese Weise unwissentlich infizieren. Die Übertragung durch die die Luft und durch Schmierinfektionen macht die Forschung an SARS-CoV-2 deutlich gefährlicher als zum Beispiel die Arbeit an HIV-1, wie sie in meiner Gruppe schon vor geraumer Zeit durchgeführt wurde. HIV-1 infiziert nur dann, wenn es direkt in erhöhter Konzentration ins Blut gelangt.
Das neue Coronavirus führt uns unsere Verwundbarkeit durch die großen Einschränkungen, die die Politik zur Vermeidung der Ausbreitung des Virus erlassen hat, besonders vor Augen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass wir auf weiteren Gebieten vor ähnlich großen Herausforderungen stehen. Ein gewaltiges Problem ist das vermehrte Auftreten von antibiotikaresistenten Keimen. Es gibt derzeit nur noch eine verschwindend kleine Zahl von Antibiotika, die als letztes Mittel der Wahl herhalten müssen, falls kein anderes mehr wirkt. Sobald diese jedoch auch nicht mehr wirksam sind, werden uns diese Keime ähnlich große Sorgen bereiten wie SARS-CoV-2.
Meine große Hoffnung ist, dass die derzeitige Krise zu einem Umdenken in unserer Gesellschaft führt. Ich war als Fünfjähriger an Tuberkulose erkrankt und habe nur aufgrund von Antibiotika überlebt. Zur Behandlung musste ich ein ganzes Jahr weg von meinen Eltern in ein Heim. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Menschen ihre Lunge durch Rauchen bewusst schädigen und ihre Mitmenschen dem Passivrauchen aussetzen. Gerade bei Raucher*innen kommt es bei SARS-CoV-2 zu einem schweren Krankheitsverlauf. Ich hoffe, dass die jetzige Krise dazu führt, dass das Rauchen aus gesellschaftlicher Sicht, notfalls auch gesetzlicher Sicht noch stärker eingeschränkt wird. Ich hoffe ebenfalls, dass die in Deutschland zunehmende Impfmüdigkeit durch diese Krise umgekehrt wird. Gegen das neue Corona-Virus gibt es ja noch keine Schutzimpfung – aber sobald diese vorliegt, empfehle ich jeder und jedem, sich impfen zu lassen.
Wir als Experimentalphysiker*innen können in dieser akuten Situation mit unserer Forschung leider nicht viel ausrichten. Langfristig könnte aber durch die Methoden, die von uns entwickelt werden, der genaue Übertragungsweg des Virus besser untersucht und verstanden werden. Das könnte wiederum neue Ansätze zur Bekämpfung des nächsten Corona- oder Grippe-Virus liefern. Solche Forschung muss interdisziplinär und experimentell sein.
Die derzeitige Pandemie sollte uns vor Augen führen, wie wichtig die experimentelle Forschung für die Medizin ist. Die Ausbreitungsmechanismen von SARS-CoV-2 und verwandter Viren lassen sich langfristig nur auf molekularer Ebene verstehen und bekämpfen. Nur dank junger naturwissenschaftlicher Methoden wie der schnellen Gen- und Protein-Sequenzierung ist es uns heute überhaupt möglich, schon relativ früh nach dem Auftreten eines neuen Krankheitserregers Tests zu möglichen Infektionen durchzuführen. Diese Methoden sind absolut notwendig, weil sie uns ein Verständnis von Infektionen auf molekularer Ebene ermöglichen. Uns können jederzeit neue Gefahren durch Krankheitserreger drohen. Nur wenn wir moderne naturwissenschaftliche Methoden weiterentwickeln und erforschen, haben wir eine Chance, schneller auf mögliche neue Epidemien zu reagieren.“
Professor Dr. Thomas Huser leitet die Arbeitsgruppe Biomolekulare Photonik an der Fakultät für Physik. Die Arbeitsgruppe entwickelt unter anderem höchstauflösende Mikroskope, mit denen es möglich ist, Strukturen in Körperzellen sichtbar zu machen und zu untersuchen, die herkömmliche optische Mikroskope nicht darstellen können. Seit mehr als einem Jahrzehnt untersucht Huser nanomikroskopisch, wie sich HI-Viren von Zelle zu Zelle ausbreiten.
Aufgezeichnet von Jörg Heeren
Minh Nguyen: Harte Arbeit und ostwestfälische Bescheidenheit
Sie gehört zu Europas besten Nachwuchswissenschaftler*innen, ausgezeichnet mit einem Forschungsstipendium über 1,5 Millionen Euro. Trotzdem ist die Anthropologin Minh Nguyen kein bisschen abgehoben.
Es sei die Arbeitsethik, die ihr in Bielefeld gefalle, sagt Professorin Dr. Minh Nguyen mit einem Lachen: „Die Menschen arbeiten hart, sie sind bodenständig und leben nicht über ihre Verhältnisse.“ Diese ostwestfälische Bescheidenheit passt gut zur Lebenseinstellung der Anthropologin. Denn eine Förderung mit dem ERC Starting Grant setzt hartes Arbeiten voraus. Doch Minh Nguyen ist bescheiden: „Ich versuche mein Bestes“, sagt sie nur und fügt an, es habe eine gewisse Ironie, dass viele nicht zu hart arbeiten wollten, um sich nicht selbst auszubeuten; dass harte Arbeit auf der anderen Seite aber sehr wichtig sei, um etwas zu erreichen.

Wie Wanderarbeit und Wohlfahrt zusammenhängen
Mit dem ERC Starting Grant hat die Vietnamesin etwas erreicht, was nur wenigen Wissenschaftler*innen gelingt. Es sei „das“ Forschungsstipendium schlechthin. „Das kannst du eigentlich gar nicht bekommen“, meint Minh Nguyen. Neben dem Prestige, das sie selbst bei einem Besuch in China zu spüren bekommen hat, ist es vor allem die Autonomie, die mit dem ERC Grant einhergeht. Die hohe Fördersumme ermöglicht es jungen Wissenschaftler*innen, ein eigenes Team aufzubauen und über längere Zeit zu forschen, ohne großen Druck, zu schnell zu publizieren und sich ständig mit neuen Forschungsanträgen zu beschäftigen. In Zeiten, in denen auch im Wissenschaftsbetrieb vermehrt auf ökonomische Verwertbarkeit der Forschung geschaut werde, sei das schon etwas Besonderes, so Minh Nguyen.
Mit ihrem neu aufgebauten Forschungsteam untersucht die Professorin für Sozialanthropologie Wohlfahrtssysteme anhand der Versorgung für Wanderarbeitskräfte in globalen Fabriken in China und Vietnam. Dort schrauben Millionen Menschen tausende Kilometer entfernt von zu Hause Smartphones zusammen, produzieren Kleidung oder stellen andere Konsumgüter her, berichtet Minh Nguyen. „Deshalb spielen Mobilität und Migration eine zentrale Rolle für meine Forschung“, sagt sie. Dabei geht es um gesellschaftliche Aushandlungsprozesse in Bezug auf das Wohlfahrtssystem, um moralische Dynamiken und um Forderungen und Auseinandersetzungen zwischen Empfänger*innen und Träger*innen der Wohlfahrt.
Streben nach einem guten Leben
Einmal auf ihre Forschungsarbeit angesprochen, sprudelt es aus der sonst eher zurückhaltenden Frau heraus. Sie ist in ihrem Element, wenn sie vom Wandel in China und Vietnam berichtet, zwei sozialistische Länder, in denen inzwischen die Marktwirtschaft Einzug gehalten hat. Die Menschen dort erlebten einerseits eine gewaltige Umstrukturierung des Arbeitsmarkts wegen Privatisierung und Globalisierung. Andererseits erlebten sie eine Ausdehnung des staatlichen Wohlfahrtsystems, dessen neue Dynamiken und Wirkungen noch wenig bekannt sind, erzählt sie. Für die Menschen gehe es nicht mehr nur ums Überleben, sondern es gebe zunehmend ein Streben nach einem guten Leben. Diese Veränderungen hätten sie auf die Idee für ihr Forschungsvorhaben WelfareStruggles gebracht, für das sie den ERC Starting Grant erhielt. In dem Projekt geht es deshalb auch um die alltäglichen Schwierigkeiten, mit denen die Menschen sich um ihre soziale Versorgung bemühen, vor allem wenn sie ihre Familienleben zwischen Arbeitsort und zu Hause führen.
Besonders freut sich Minh Nguyen auf die anstehende Feldforschung. Im Laufe des Jahres will sie mit ihrem Team Wanderarbeitskräfte und deren Familien in China und Vietnam besuchen – falls das angesichts der Einreisebeschränkungen wegen der Corona-Krise möglich ist. Ethnografische Studien sind für die Anthropologin das Herzstück ihrer Arbeit. Forschende tauchen dafür über lange Zeiträume in die alltäglichen Realitäten von Menschen und Gemeinschaften ein, um zu verstehen, wie größere Prozesse und Machtverhältnisse in ihrem Leben ablaufen.
Aus der Planwirtschaft Vietnams nach Bielefeld
Die Beschäftigung mit unbekannten Lebenswelten hat die Wissenschaftlerin bereits als Kind gereizt. Aufgewachsen in der Planwirtschaft der Achtzigerjahre in Vietnam, hat sie sich schon früh für die „Welt da draußen“ interessiert. Sie verschaffte sich Zugang zu deutscher, englischer, französischer und sowjetischer Literatur, was ihr Interesse an der Außenwelt noch beflügelte: „Das hat mich irgendwie gereizt: Es gibt eine Welt jenseits von Vietnam, die ich kennenlernen und an der ich teilhaben wollte.“
Ihr Studium verschlug sie nach Australien und Großbritannien, bevor sie eine Stelle am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle an der Saale annahm. Die Auslandsstationen hätten sich nach und nach ergeben, sagt die 43-Jährige, die bei der Frage nach ihrem Alter kurz überlegen muss, weil nach vietnamesischer Zählung immer ein bis zwei Jahre hinzugezählt werden. In Bielefeld ist sie nun seit 2018 zu Hause. Sie lebt hier mit ihrem deutschen Mann und ihrer 13-jährigen Tochter.
Minh Nguyen blickt der Zeit nach der Corona-Krise entgegen : Dann ist sie wieder häufig auf dem Markt am Kesselbrink anzutreffen, wo sie Fisch kauft. Anschließend macht sie einen Abstecher zum vietnamesischen Supermarkt nebenan. Viele exotische Zutaten braucht sie aber nicht: „Für Vietnamesen sind Reis und Fischsauce das Wichtigste. Solange ich das beides habe, ist alles gut!“ Vietnamesisch-ostwestfälische Bescheidenheit eben.
Europäischer Forschungspreis
Der ERC Starting Grantist ein Forschungsstipendium des Europäischen Forschungsrats (ERC). Das Programm unterstützt exzellente Nachwuchswissenschaftler*innen in den ersten Jahren nach Abschluss ihrer Promotion über fünf Jahre mit bis zu 1,5 Millionen Euro. Daneben gibt es ERC-Grants für etablierte Spitzenforschende, mit denen bereits der Bielefelder Chemieprofessor Dr. Achim Müller, der Kognitionswissenschaftler Professor Dr. Christoph Kayser und die Soziologin Professorin Dr. Elena Esposito unterstützt wurden.
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Mai 2020.
„Digitaler Unterricht muss sorgfältig geplant sein“
In der Zeit, in der Schüler*innen wegen der Corona-Krise nicht in die Schulen dürfen, sollten Schulen darauf achten, die Kommunikation mit ihren Schüler*innen zu stärken. Das sagt die Bildungsforscherin Professorin Dr. Anna-Maria Kamin von der Universität Bielefeld. Sie kritisiert, dass die Schulen in Deutschland dafür nicht flächendeckend auf medientechnische Infrastrukturen wie Lernplattformen zurückgreifen können. Wie Anna-Maria Kamin die aktuelle Lage sieht:
„Die Schulen sind wegen der Corona-Vorbeugung geschlossen, Schüler*innen erhalten von ihren Lehrer*innen Angebote, um zu Hause zu lernen. Durch dieses Homeschooling – das schulische Lernen zu Hause – bekommt digitale Bildung aktuell einen starken Schub. Lehrkräfte engagieren sich sehr stark, um bestmöglich mit der Situation umzugehen. Viele von ihnen nutzen und erproben digitale Tools, um das Lernen zu Hause zu begleiten.

Nicht nur im Hinblick auf Schulen, sondern auch auf Hochschulen und die Betriebe wird deutlich, welche Chancen digitale Medien bieten und wie wenig sie bislang ausgeschöpft wurden. Dennoch muss beachtet werden, dass es sich um eine Sondersituation handelt. Keinesfalls sollte Präsenzunterricht dauerhaft durch Onlinelernen ersetzt werden. Digital unterstützter Unterricht muss sorgfältig geplant sein. Wenn Lehrer*innen traditionelle Lernformen im Hinblick auf digitale Gestaltungsformen anpassen, sollte zuvor abgewogen werden, inwiefern Vorteile für das Lernen erkennbar sind.
Die aktuelle Situation wird vielfach Anstöße geben, mediengestütztes Lernen didaktisch besser im Schulunterricht zu integrieren. Schulen sollten besonders jetzt digital unterstützte Lehr-Lernmethoden erproben. Das reicht von Erklärvideos und Trickfilmen über Online-Quizze und Podcasts bis hin zu E-Books und Games, die entweder Lehrer*innen den Schüler*innen bereitstellen oder Schüler*innen selbst produzieren können.
Schulen sollten aktuell darauf achten, die Kommunikation mit ihren Schüler*innen zu stärken. Sie sollten Kommunikationsformen suchen und vereinbaren, um mit Schüler*innen und auch Eltern in Kontakt zu bleiben und Feedback zu geben. Weil oft zentrale Lösungen fehlen, bleibt Lehrer*innen momentan oft nichts anderes übrig, als das Einverständnis der Eltern zur Nutzung bestimmter digitaler Tools einzuholen und sie darauf hinzuweisen, dass sie die Kinder bei der Nutzung begleiten.
Bei allen Chancen: Viele Studien belegen, dass Deutschland im Hinblick auf Medienausstattung, Mediennutzung, medienpädagogischer Kompetenz der Lehrkräfte und Medienkompetenz von Schüler*innen weltweit lediglich im Mittelfeld liegt. Das wird jetzt zum Problem. Für die Schüler*innen und Lehrer*innen wäre die Kommunikation einfacher, wenn flächendeckend auf gemeinsame stabile und leistungsstarke medientechnische Infrastrukturen zurückgegriffen werden könnte. Dazu gehören Schul-Clouds, Lernplattformen und datenschutzrechtlich unbedenkliche Kommunikationstools. Problematisch ist auch, dass die Schüler*innen nicht mit einheitlicher Hardware ausgestattet sind und die Begleitung durch Bezugspersonen stark variiert. Daran zeigt sich, dass Homeschooling Bildungsungleichheiten verstärken kann – und zwar dann, wenn nicht alle Kinder die gleichen Rahmenbedingungen haben.
Die Wissenschaft hat die Aufgabe, den Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu beforschen: Wie hat das Homeschooling funktioniert? Welche Strategien haben Lehrer*innen angewendet und wie sind sie mit den Herausforderungen umgegangen? An welcher Stelle sind Probleme besonders deutlich geworden? So können wir aus der Krise für die Rückkehr zum normalen Lernalltag lernen.
Professorin Dr. Anna-Maria Kamin ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik im Kontext von schulischer Inklusion. In dem Projekt DigHomE untersucht ihr Team mit Kolleg*innen der Universität Paderborn, wie Eltern oder weitere Bezugspersonen Schüler*innen bei Internetrecherchen unterstützen und begleiten. Dabei wird auch erhoben, wie sich die Corona-Krise auf das digital unterstützte Lernen von Schüler*innen zu Hause auswirkt.
Aufgezeichnet von Jörg Heeren
Tagesaktuelle Schätzungen zur Ausbreitung von COVID-19
Auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite kann sich jedermann tagesaktuell darüber informieren, wie stark sich die COVID-19-Epidemie in Deutschland und anderswo auf der Welt ausbreitet. Hierzu schätzen Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau in Kooperation mit Gesundheitswissenschaftlern der Universität Bielefeld die Reproduktionszahl. Das ist die Anzahl der Personen, die ein Infizierter im Mittel ansteckt. Diese erlaubt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der angeordneten Maßnahmen sowie auf den weiteren Verlauf der Epidemie im Sinne eines Monitorings und stellt damit unter anderem ein wichtiges Werkzeug für die politischen Entscheidungsträger dar.
Seit das Coronavirus Europa erreicht hat, haben Webseiten mit Grafiken zu seiner Ausbreitung eine große Anziehungskraft entwickelt. In zahllosen Beiträgen werden Daten analysiert und interpretiert. Jetzt, da Maßnahmen ergriffen wurden, um die Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu verlangsamen, stellt sich die Frage nach deren Wirkung. Mehr noch, werden die Maßnahmen zukünftig wieder gelockert, so muss man aufpassen, dass die Epidemie nicht wieder unkontrolliert ausbricht.

Hierfür stellen nun Wissenschaftler um Professor Dr. Thomas Hotz vom Institut für Mathematik der Technischen Universität Ilmenau ein Werkzeug zur Verfügung. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit Professor Dr. Alexander Krämer von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Im Internet haben sie ein sogenanntes Dashboard erstellt, das für Deutschland und seine Bundesländer [1] Daten des Robert Koch-Instituts sowie für die gesamte Welt [2] Daten der Johns Hopkins University auswertet. Die Analyse schätzt den zeitlichen Verlauf der Reproduktionszahl. „Diese Zahl gibt an, wie viele Personen ein Infizierter bei gleichbleibenden Bedingungen im Mittel anstecken würde.” erläutert Prof. Hotz. „Ist diese größer als Eins, so werden mehr Personen angesteckt als aktuell infiziert sind und die Fallzahlen wachsen exponentiell an; ist sie hingegen kleiner als Eins, so endet die Epidemie früher oder später, sofern keine neuen Fälle von außen ins Land gelangen. Damit ist sie ein geeignetes Maß für die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Epidemie.”
Die Datenanalyse zeigt deutlich die Wirkung der in Deutschland getroffenen Maßnahmen (siehe Abbildung) Seit den Schulschließungen um den 16. März sinkt die Reproduktionszahl und beträgt jetzt seit Einführung der Maßnahmen am 23. März etwa Eins. Dies bedeutet, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit kaum beschleunigen wird, solange die Maßnahmen in Kraft bleiben. „Doch was passiert, wenn die Maßnahmen gelockert werden?” fragt Prof. Krämer. „Dann muss man kontinuierlich überwachen, wie sich die Reproduktionszahl entwickelt. Und genau das ermöglicht unsere Webseite.” In der interdisziplinären Arbeitsgruppe tragen die Bielefelder Wissenschaftler aus epidemiologischer und ge-sundheitswissenschaftlicher Sicht bei. Sie haben z.B. für das Modell zur Schätzung der Reproduktions-zahl die zugrunde liegenden epidemiologischen Parameter wie Inkubationszeit, Dauer der infektiösen Periode und andere beigetragen und gemeinsam abgestimmt.

Quelle: Prof. Thomas Hotz/Prof. Alexander Krämer
Datenquelle: Robert Koch-Institut (RKI), dl-de/by-2-0,
https://npgeo-corona-npgeo-de.hub.arcgis.com/datasets/dd4580c810204019a7b8eb3e0b329dd6_0
Link zur deutschen Webseite:
[1] https://stochastik-tu-ilmenau.github.io/COVID-19/germany
Link zur englisch-sprachigen Webseite:
[2] https://stochastik-tu-ilmenau.github.io/COVID-19/
A new website tracking the COVID-19 epidemic which is updated daily allows everyone to stay informed about the speed of epidemic spread in Germany and the rest of the world. To this end, scientists of Technische Universität Ilmenau cooperate with public health scientists of Universität Bielefeld to estimate the reproduction number, i.e. the mean number of people one infectious person will in turn infect. It allows to quantify the impact of the countermeasures that have been imposed, and also to continuously track the epidemic‘s progress over time. As such it is an important tool for policymakers.
Since the coronavirus has reached Europe, websites featuring charts which show the spread of the Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) have attracted much public attention. In numerous articles data are analysed and interpreted. Now that countermeasures to slow the spread have been adopted in many countries, the pressing questions revolve around the efficiency of these measures. Even more importantly, when the countermeasures are to be loosened one has to ensure that the epidemic remains under control.
This is what the online tool developed by scientists around Prof. Thomas Hotz from the Institute for Mathematics at the Technische Universität Ilmenau accomplishes. Developed in close collaboration with Prof. Alexander Krämer from the School of Public Health at Bielefeld University, they created an interactive dashboard, which processes data from Johns Hopkins University for the entire world [1] and data provided by the Robert Koch-Institut for Germany as well as its federal states [2]. The analysis estimates the evolution of the reproduction number over time. “This number represents the average number of people one infectious person would infect if conditions remained the same”. explains Prof. Hotz. “A reproduction number larger than one means more people getting the disease than current cases, resulting in exponential growth; on the contrary, a value smaller than one indicates that the disease will eventually come to an end, at least as long as there are no new cases being imported from other countries. This number is therefore an appropriate measure for the speed with which the disease is currently spreading”.
The results clearly show the impact of the measures imposed by the German government (see figure): beginning with the closure of schools around March 16 the reproduction number has been declining, and with the stricter measures starting on March 23 this number has been approaching the critical value one. This means that no significant acceleration of the disease is to be expected given that the current mitigations stay in effect. “But what is going to happen, if we lift some of the restrictions?” wonders Prof. Krämer. “In this case we have to continuously track the development of the reproduction number – which is exactly what our tool enables us to”.

[1] English website: https://stochastik-tu-ilmenau.github.io/COVID-19/
[2] German website: https://stochastik-tu-ilmenau.github.io/COVID-19/germany
„Die Forschung benötigt Zugang zu umfänglichen Daten zur Pandemie“
Datenwissenschaft in Zeiten von Corona prognostiziert nicht nur Fallzahlen. Sie ist auch an der Suche nach molekularbiologischen Ursachen für den Ausbruch einer Lungeninfektion und an der Identifizierung von genetischen Risikofaktoren beteiligt. Das sagt die Datenwissenschaftlerin Professorin Dr. Christiane Fuchs. Seit wenigen Tagen gehört sie zu einem Projektteam aus Wissenschaftler*innen, dessen Sprecher die bayerische Staatsregierung zu weiteren Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit beraten soll. Wie Christiane Fuchs die aktuelle Lage sieht:
(mehr …)Wenn Populismus krank macht
Der Weltgesundheitstag am 7. April soll auf die Bedeutung der Gesundheitsversorgung und auf Krankheitsprävention aufmerksam machen. Doch diese Ziele sind in vielen Ländern gefährdet, stellen Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld in einem Beitrag im Fachmagazin „Science“ fest. Die Corona-Krise zeigt nach Ansicht des Forschungsteams, wie wichtig faktenbasierte Forschung ist und wie gefährlich es für die öffentliche Gesundheit ist, wenn Hinweise von Forschenden und Mediziner*innen auf Krankheiten politisch unterdrückt werden.
(mehr …)Zusammenhalt in der Corona-Pandemie und anderen Krisen
Die Corona-Pandemie zeigt aktuell, wie wichtig Zusammenhalt in der Gesellschaft sein kann. Menschenfeindlichkeit, Rechtspopulismus und Hasskriminalität stellen den gesellschaftlichen Zusammenhalt jedoch immer wieder in Frage. Das neue bundesweite Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) soll praxisrelevante Vorschläge erarbeiten, die dazu beitragen, das soziale Miteinander im Land zu erhalten und zu stärken. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat jetzt entschieden, das FGZ für zunächst vier Jahre zu fördern. Die Universität Bielefeld ist einer der elf Standorte des Verbunds.
(mehr …)Mit Künstlicher Intelligenz zu besseren Entscheidungen
Verfahren der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens werden immer häufiger in komplexen Entscheidungssituationen angewendet. Sie unterstützen menschliche Entscheidungen. Wissenschaftler*innen des Instituts CITEC der Universität Bielefeld untersuchen gemeinsam mit Forschenden des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Bielefeld die Chancen und Risiken maschineller Handlungsempfehlungen im Feld sozialer Dienste. Dafür arbeiten sie mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel zusammen. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen fördert das Projekt als Teil des Graduiertenkollegs „Digitale Gesellschaft“.
Künstliche Intelligenz (KI) wird beispielsweise eingesetzt, um Kreditwürdigkeit zu prüfen. Auch im Feld sozialer Dienste kann KI neue Möglichkeiten eröffnen, zum Beispiel in Form von Systemen, die Empfehlungen bei der Planung von Hilfen – etwa für Menschen mit Behinderungen – geben. Oftmals sind maschinelle Entscheidungen aber nicht transparent und die Entscheidungskriterien nicht nachvollziehbar.
Bei Entscheidungen größere Datenbasis berücksichtigen
„Wenn Menschen sich zu sehr auf maschinelle Handlungsempfehlungen verlassen, könnte das grundlegende demokratische Prinzipien gefährden“, sagt Professor Dr. Philipp Cimiano von der Technischen Fakultät und dem Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC) der Universität Bielefeld. „Gleichwohl bietet maschinelle Entscheidungsunterstützung Chancen zur Verbesserung der Qualität von Entscheidungen. Die Entscheidungen basieren auf einer größeren Datenbasis und können damit objektiver sein als menschliche Entscheidungen.“ In diesem Spannungsfeld entwickeln Wissenschaftler*innen von CITEC und der Fachhochschule Bielefeld Grundlagen für optimale maschinelle Entscheidungsunterstützung.

Damit Maschinen Entscheidungen treffen können, müssen sie zunächst mit Daten gefüttert werden. Für ihre Forschung zu KI zur Unterstützung sozialer Dienste erhalten Cimiano und seine Mitarbeiterin Angelika Maier die Daten von sozialen Einrichtungen in Bethel – stationären Einrichtungen des betreuten Wohnens in der Behindertenhilfe.
Die Daten stammen aus den Falldokumentationen von Personen, die in den Einrichtungen Unterstützung erhalten haben. Mit Algorithmen können aus diesen Daten Muster identifiziert werden. Diese geben Aufschluss über den Verlauf von Hilfen und über Besonderheiten, die sich dabei zeigen. Das ist die Grundlage für Entscheidungsfindungen, die von einem intelligenten System unterstützt werden. „Wir betrachten, welche Themen über die Zeit für die Klient*innen aktuell sind, oder wie die Eigenständigkeit eingeschätzt wird“, sagt Angelika Maier. „Mit diesen Informationen kann dann zielgenauer auf die Bedürfnisse und Ressourcen einzelner Klient*innen eingegangen werden.“
„Das neue System kann künftig dazu beitragen, dass Beschäftigte in sozialen Einrichtungen ihre Klientinnen und Klienten zielgenauer unterstützen“, sagt Professor Dr. Ingmar Steinhart vom Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
System soll Expertise von Fachkräften ergänzen
Was bei der Einführung eines neuen Systems zu berücksichtigen ist und wo es innerhalb einer Einrichtung und im Entscheidungsprozess sinnvoll eingesetzt werden kann, analysieren Professor Dr. Udo Seelmeyer und die Doktorandin Diana Schneider aus dem Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Bielefeld. Schneider beschäftigt sich in ihrem Promotionsprojekt mit Methoden der Szenarienbildung und Technikfolgenabschätzung: „Unsere Fragen sind: Welche unbeabsichtigen Nebenfolgen kann so ein technisches System haben? Und wie muss es eingesetzt werden damit Qualität der Hilfen und Fachlichkeit der Mitarbeiter befördert werden?“, sagt Diana Schneider. Udo Seelmeyer sieht in dem Projekt auch einen Vorteil für die Arbeit der Fachkräfte: „Ein solches System eröffnet neue Zugänge zu der Masse an Dokumentationstexten, die ansonsten ungenutzte Datengräber bleiben“, sagt Seelmeyer.
Algorithmen können Entscheidungen vorschlagen, die Expertise und das Erfahrungswissen der Fachkräfte sollen sie aber nicht ersetzen. „Unser Prototyp soll die demokratischen Grundprinzipien, aber auch Inklusion, Teilhabe und Gleichberechtigung nicht untergraben, sondern sichern“, sagt Cimiano. „Wir wollen ein klares Bild entstehen lassen, wie maschinelle Handlungsempfehlungen zum Vorteil aller eingesetzt werden kann.“
Das Projekt mit dem Titel „Maewin“ läuft bis Mitte 2021. Der Name steht für „Maschinelle Entscheidungsunterstützung in wohlfahrtsstaatlichen Institutionen“. Das Projekt wird im Rahmen des Forschungsverbunds „Digitale Gesellschaft“ durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Der Verbund beschäftigt sich mit der Frage, wie Digitalisierung die Gesellschaft verändert und wie sich Technologie auf die Meinungsbildung auswirkt.
Methods of artificial intelligence (AI) and machine learning are increasingly being used to support the human decision-making process. Researchers from Bielefeld University’s CITEC institute are working together with researchers from the Faculty of Social Sciences at the University of Applied Sciences Bielefeld to investigate the opportunities and risks of using algorithm-based recommendations for decision-making in the field of social services. For this, the academic researchers are partnering with the v. Bodelschwingh Foundation Bethel. The Ministry of Culture and Science of the German State of North Rhine-Westphalia is supporting the project as part of the Digital Society research program.
Artificial intelligence (AI) is used in many areas such as credit scoring. AI may also open up new possibilities in social work, for instance in the context of service planning for people with disabilities. However, it is frequently the case that algorithmic-based decisions are not necessarily transparent and that the criteria upon which such decisions are based are not readily understood by humans.

‘If people were to rely heavily on algorithmic recommendations during their decision-making process, it could undermine fundamental democratic principles.,’ says Dr. Philip Cimiano, a professor at Bielefeld University’s Faculty of Technology and the Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC). ‘At the same time, algorithmic assistance in decision-making also offers the possibility of improving the quality of decisions. In this case, decisions are based on a much larger set of data and can, therefore, be more objective than human decisions.’ With both of these considerations in mind, researchers from CITEC and the University of Applied Sciences Bielefeld are laying the foundation to optimize algorithm-based assistance for decision-making.
To be able to support decision-making, researchers have to feed data into the algorithms. The v. Bodelschwingh Foundation Bethel, the largest welfare institution in Europe, is providing Professor Philipp Cimiano and his colleague Angelika Maier with data for their research. Bethel social institutions include residential services such as individual apartments or group-homes for disabled individuals.
The data used in the project are drawn from Bethel case records on individuals who are part of a program that works to guarantee and promote their social participation – so called “service planning .” Using algorithms, patterns can be identified in this service planning data. These patterns offer insight into the nature of service planning and the specific issues that arise during the process. Both become the basis for decision-making supported by intelligent systems. ‘We consider which issues a client is facing over a period of time, or how their autonomy is assessed,’ says Angelika Maier. ‘With this information, an individual’s needs and resources can be met in a more targeted way.’
‘The new system can help professionals at social institutions to provide their clients with even more targeted support in the future,’ says Professor Dr. Ingmar Steinhart, who is a member of the Board of Management of the v. Bodelschwingh Foundation Bethel.

Introducing new technologies like decision support systems brings up many issues. Professor Dr. Udo Seelmeyer and doctoral researcher Diana Schneider from the Faculty of Social Services at the Bielefeld University of Applied Sciences are investigating what needs to be considered when introducing a new system and where it can be usefully applied within an institution and in the decision-making process. In her doctoral research, Schneider deals with methods of scenario analysis and technology assessment. ‘What unintended side effects and unwanted social consequences might such a technical system have? How should it be used to enhance the quality of care and professionalism of the workers?’ asks Diana Schneider. Udo Seelmeyer also sees an advantage for the professional work: ‘A decision support system offers new points of access to the vast mass of textual documentation that otherwise remains unused in the data graveyard,’ says Seelmeyer.
Algorithms may be able to make recommendations for decisions, but they will not replace the expertise and implicit knowledge gleaned from experience that social workers have. ‘Our prototype is meant to ensure – and not undermine – basic democratic principles of inclusion, participation, and equality,’ explains Cimiano. ‘It is our aim to create a clear vision of how a system providing algorithm-based recommendations for decision-making can be used for the benefit of everyone.’
The project is called “Maewin” and it will run through mid 2021. “Maewin” is the German acronym for “Maschinelle Entscheidungsunterstützung in wohlfahrtsstaatlichen Institutionen“ [Decision-Support Systems in welfare institutions]. This research is supported by the Digital Society research program funded by the Ministry of Culture and Science of the German State of North Rhine-Westphalia.. The Digital Society research program addresses questions of how digitalization is transforming society and how technology impacts the formation of opinions.
„Das Recht muss pandemietauglich bleiben“
Pandemie sei zwar die Zeit der Quarantäne für manche Bürger*innen, nicht aber für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das sagt der Staatsrechtler Professor Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld. Außergewöhnliche Maßnahmen wie das jetzt verhängte bundesweite Kontaktverbot müssten deutlich an rechtliche Vorgaben gebunden sein, und es müsse geregelt sein, wann die Ausnahmebefugnisse enden. Wie Christoph Gusy die aktuelle Lage sieht:
(mehr …)Zentrum für Deutschland- und Europastudien ist Leuchtturmprojekt
Das Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES / CGES), das gemeinsam von der Universität Bielefeld und der Staatlichen Universität St. Petersburg betrieben wird, ist als eines von fünf Leuchtturmprojekten des Deutsch-Russischen Themenjahrs der Hochschulkooperation und Wissenschaft 2018 – 2020 ausgezeichnet worden.
(mehr …)Wie Geschlechterforschung Wissenschaft und Technik verbessern kann
Die Analyse des biologischen und sozialen Geschlechts ist ein wichtiger Bestandteil der Forschung, sagt die Bielefelder Sozialpsychologin Friederike Eyssel. Sie untersucht Geschlechtszuschreibungen und deren Folgen in der sozialen Robotik.
Flobi gibt es mit kurzen und mit langen Haaren. Bei Nao kann in der Forschung der Name – mal heißt er Nero, mal Nera – und die Stimmlage verändert werden. Flobi und Nao sind Roboter – und können so modifiziert werden, dass Menschen sie mit einem bestimmten Geschlecht wahrnehmen. „Roboter sind zwar Maschinen und damit im Prinzip geschlechtslos. Aber selbst wenn sie genderneutral designt sind, schreiben Nutzer*innen ihnen, teilweise unbewusst, menschenähnliche Züge zu“, sagt die Psychologieprofessorin Dr. Friederike Eyssel. Sie leitet die Arbeitsgruppe „Angewandte Sozialpsychologie und Genderforschung“ am Institut CITEC der Universität Bielefeld und untersucht dort, inwiefern Gender die Forschung zu sozialer Robotik beeinflusst.

„Roboter menschenähnlicher zu gestalten, kann dazu beitragen, dass sich Nutzer*innen besser auf sie einlassen können. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn Roboter in der Pflege oder im Unterricht eingesetzt werden. Gleichzeitig besteht dadurch die Gefahr, Gender-Stereotype zu reproduzieren“, sagt Eyssel.
Können weibliche Roboter in der Krankenpflege besser dafür sorgen, dass Patient*innen ihre Medikamente einnehmen? Akzeptieren Nutzer*innen eher einen digitalen Assistenten mit weiblicher Stimme? Lassen sich Studierende lieber von männlichen Robotern Mathematik erklären? „Das sind alles Fragen, die empirisch zu erforschen sind – und sie zeigen, warum es wichtig ist, in der sozialen Robotik Geschlechterfragen zu berücksichtigen“, so Eyssel.
Das Gender eines Roboters manipulieren
Eyssel und ihre Arbeitsgruppe untersuchen mit Experimenten und Befragungen, welche Rolle das Geschlecht spielt: das Geschlecht der Roboter, aber auch das der Nutzer*innen, mit denen sie interagieren. Dazu verändern die Wissenschaftler*innen bestimmte Merkmale von Robotern, wie die Haarlänge, die Stimme, den Namen oder die Hüft- und Schulterbreite.
Mit dem Bielefelder Roboter Flobi – dessen Nachfolgeversion Floka mittlerweile zum Einsatz kommt – konnten sie schon früh zeigen, dass die Haarlänge die Zuschreibung genderstereotyper Merkmale und Tätigkeitsbereiche beeinflusst: Den kurzhaarigen Flobi hielten Nutzer*innen zum Beispiel geeigneter, um technische Geräte zu reparieren, während sie dem langhaarigen Flobi eher zutrauten, Kinder zu betreuen oder Essen zuzubereiten. Den Roboter Nao des Herstellers Softbank Robotics haben Eyssel und ihre Mitarbeiterinnen beispielsweise bei der Erforschung von Lernsituationen eingesetzt: Als weibliche „Nera“ oder männlicher „Nero“ leitet er Studierende beim Lösen bestimmter genderstereotyper Aufgaben an. Damit untersuchten die Wissenschaftlerinnen Effekte auf den Lernerfolg und die Motivation von Lernenden.
„Das Geschlecht als Variable in die Forschung zu integrieren, sollte selbstverständlich sein“, sagt Eyssel. „Das kann nicht nur die Robotik verbessern, sondern auch andere wissenschaftliche und technische Disziplinen.“ Zusammen mit Forschenden aus Stanford (USA), Montreal (Kanada) und Exeter (Großbritannien) hat Friederike Eyssel dazu im November 2019 einen Aufsatz in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Neben der sozialen Robotik untersuchen die Wissenschaftler*innen drei weitere Bereiche: Meeresforschung, Biomedizin und künstliche Intelligenz. Ihr Fazit: Die Analyse des biologischen oder sozialen Geschlechts trägt dazu bei, wissenschaftliche Entdeckungen zu machen und neue Technologien zu entwickeln.
Was das Geschlecht bei Crashtests bedeutet
Das zeigen die Autor*innen an zahlreichen Beispielen. Bei Meeresschildkröten etwa beeinflusst die Bruttemperatur, welches Geschlecht die Jungtiere haben. Der Klimawandel führt deswegen dazu, dass die Zahl weiblicher Schildkröten zunimmt, und bedroht ganze Populationen. Auto-Crashtests wurden lange nur mit männlichen Dummys durchgeführt – bis man herausfand, dass Frauen, die einen Sicherheitsgurt tragen, sich fast doppelt so häufig bei Autounfällen verletzen als Männer. Auch Medikamente wirken in manchen Fällen bei Frauen und Männern anders, zum Beispiel verursacht das Mittel Desmopressin häufiger Nebenwirkungen bei älteren Frauen. Im Bereich der künstlichen Intelligenz besteht die Gefahr, dass Algorithmen bereits existierende Gender-Stereotype reproduzieren – von Suchmaschinen, die Werbung für gutbezahlte Jobs eher Männern als Frauen anzeigen, bis zu Programmen, die Bilder von Männern in der Küche fälschlicherweise als Bilder von Frauen identifizieren.
In ihrem Aufsatz zeigen die Autor*innen auch, wie Geschlechterforschung besser in Wissenschaft und Technik integriert werden kann. „Das Thema muss in der Forschungsförderung, im Publikationswesen und in den Universitäten noch stärker in den Blick genommen werden“, sagt Eyssel. „Andererseits hat sich in den vergangenen Jahren schon sehr viel getan. Das gilt auch für die Forschung in der sozialen Robotik: Dort gibt es mittlerweile ein viel größeres Bewusstsein für die Relevanz der Geschlechterforschung.“
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Mai 2020.
Analysing biological and social gender is an important part of research, says Bielefeld social psychologist Friederike Eyssel. She is investigating gender attributions and their consequences in social robotics.
In research, Flobi is available with either short or long hair. Nao can take a different name—sometimes called Nero, sometimes Nera—and a different voice pitch. Flobi and Nao are robots and can be modified so that humans will perceive them as having a certain gender. ‘Robots are machines and therefore, in principle, they are genderless. But even if designed to be gender-neutral, users attribute human-like features to them, and sometimes even do this unconsciously,’ says psychology professor Dr Friederike Eyssel. She is head of the research group ‘Applied Social Psychology and Gender Research’ at Bielefeld University’s CITEC, where she is investigating how far gender influences research on social robotics.

‘Making robots more human-like can help users to engage with them better. This is important, for example, when robots are used in care settings or teaching. At the same time, it also runs the risk of reproducing gender stereotypes,’ says Eyssel. If robots in nursing care are female, will they be better at ensuring that patients take their medication? Are users more likely to accept a digital assistant with a female voice? Do students prefer to have mathematics explained to them by male robots? ‘These are all questions that need to be investigated empirically—and they show why it is important to take gender issues into account in social robotics,’ says Eyssel.
Manipulating a robot’s gender
Eyssel and her research group are using experiments and surveys to investigate the role of gender: not only the gender of the robots but also that of the users with whom they interact. The scientists are modifying certain characteristics of robots such as the length of their hair, their voice, their name, or the width of their hips and shoulders. With the Bielefeld robot Flobi—whose upgraded version, Floka, is now in use—they were able to show early on that the length of hair influences the attribution of gender-stereotyped characteristics and work fields. For example, users considered the short-haired Flobi more suitable for repairing technical devices, whereas they thought the long-haired Flobi was more capable of caring for children or preparing food. Eyssel and her colleagues have used the Nao robot from Softbank Robotics to study learning situations, for example. As a female ‘Nera’ or male ‘Nero’, it guides students in solving certain gender-stereotyped tasks. This enabled the researchers to study the effects of gender on the learning success and motivation of learners.
‘Researchers should Integrate gender into their research as a matter of course,’ says Eyssel. ‘This can improve not only robotics but also other scientific and technical disciplines.’ Together with researchers from Stanford (USA), Montreal (Canada), and Exeter (Great Britain), Friederike Eyssel published an essay on the subject in the journal Nature in November 2019. In addition to social robotics, the scientists are investigating three other areas: marine research, biomedicine, and artificial intelligence. Their conclusion is that analysing biological or social gender contributes to scientific discoveries and the development of new technologies.
What gender means in crash tests
The authors back this up with numerous examples. In sea turtles, for instance, the breeding temperature influences which sex the young hatchlings will have. Climate change is therefore leading to an increase in the number of female turtles and threatening entire populations. For a long time, car crash tests were carried out only with male dummies—until it was discovered that women wearing seat belts were almost twice as likely to be injured in car accidents than men. In some cases, drugs also work differently for women and men. For example, the drug desmopressin causes side effects more often in older women. In the field of artificial intelligence, there is a danger that algorithms will reproduce existing gender stereotypes—from search engines that display advertisements for well-paid jobs to men rather than women to programs that incorrectly identify images of men in the kitchen as images of women.
In their article, the authors also show how gender studies can be better integrated into science and technology. ‘The topic must be given even more attention in research funding, in the publication system, and at universities,’ says Eyssel. ‘Nonetheless, a great deal of progress has been made in recent years. This also applies to research in social robotics: there is now a much greater awareness of the relevance of gender studies there.’
For the article in Nature: https://www.nature.com/articles/s41586-019-1657-6
Ein neuer Weg, um wissenschaftliche Fehlschlüsse zu vermeiden
Um das aktuell verfügbare Wissen zu einem Gebiet verfügbar zu machen, fassen Wissenschaftler*innen Informationen aus mehreren Einzelstudien zusammen, zum Beispiel in Meta-Analyen oder Literaturübersichten. „Häufig findet dieser Prozess aber langsam und unkoordiniert statt und kann zu trügerischen Schlussfolgerungen führen“, sagt der Biologe Dr. Alfredo Sánchez-Tójar von der Universität Bielefeld. Gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aus den USA, Australien und Südafrika präsentiert er das Konzept einer „Evidenzsynthese-Gemeinschaft“ in einem am gestrigen Montag (23.03.2020) erschienenen Artikel im Magazin „Nature Ecology and Evolution“.
(mehr …)„Wir müssen zusammenhalten, indem wir Abstand voneinander halten“
Um die Corona-Pandemie zu bewältigen, komme es auf die Bereitschaft jeder und jedes Einzelnen an, die Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus einzuhalten. Das sagt der Epidemiologe Professor Dr. med. Oliver Razum von der Universität Bielefeld. Die Kooperation aller Bürger*innen sei auch deshalb entscheidend, weil in Deutschland drastische Maßnahmen wie in China kaum Akzeptanz finden würden. Wie Oliver Razum die aktuelle Lage sieht:
(mehr …)Methodische Mängel des THE-Ranking festgestellt
Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld, über einen Beitrag in der FAZ.
(mehr …)Nebenan das Kapitol
Dr. Levke Harders ist #ResearchFellowInDC. Auf Instagram berichtet die Geschichtswissenschaftlerin der Universität Bielefeld von ihrem Forschungsaufenthalt am Deutschen Historischen Institut in Washington, D.C, in den USA.
„Auf meinem Weg zum Institut komme ich am Weißen Haus vorbei, mein Lese- und Schreibarbeitsplatz befindet sich direkt neben dem Kapitol in der Library of Congress. Für acht Monate forsche ich am Deutschen Historischen Institut in Washington, D.C. zur Migrationsgeschichte. Neben meiner Arbeit genieße ich das politische und kulturelle Leben in der US-amerikanischen Hauptstadt. Das neue National Museum of African and American History and Culture ist mehr als nur einen Besuch wert, um sich über die Kultur und Geschichte der Afroamerikaner*innen, Rassismus und Widerstand zu informieren.

Am Deutschen Historischen Institut, das zur Max Weber Stiftung gehört und von Professorin Simone Lässig geleitet wird, treffe ich viele Kolleg*innen, die über Migration und zur Kategorie ‚Race‘ forschen. Irische Migrant*innen in den USA wurden beispielsweise als ’schwarz‘ gesehen, bevor sie mit der Ankunft neuer Migrationsgruppen langsam ‚weiß‘ wurden. Das Konzept Race ist auch für meine Forschungen über Migrationsbewegungen im 19. Jahrhundert in Europa wichtig. In Kolloquien stelle ich diesen Ansatz anderen Wissenschaftler*innen aus den USA und Deutschland vor. Ich genieße es, acht Monate lang zu diskutieren, zu schreiben und zu lesen – keine Gremienarbeit, keine Lehrveranstaltungen, keine Ablenkung. Das ist ein wahnsinniger Luxus.“
Gefördert wird Levke Harders’ achtmonatiger Auslandsaufenthalt als Postdoctoral Visiting Research Fellow von der Max Weber Stiftung. Außer in Washington, D.C., führt die Stiftung weitere historische Institute in London, Moskau, Paris, Rom und Warschau.
Weitere Informationen
Levke Harders auf Instagram und auf Twitter. Blog: https://belonging.hypotheses.org.
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Mai 2020.
Levke Harders’ eight-month stay abroad as a Postdoctoral Visiting Research Fellow is being funded by the Max Weber Foundation. In addition to Washington, DC, the Foundation runs other historical institutes in London, Moscow, Paris, Rome, and Warsaw.
„I pass the White House on my way to the Institute. But I mostly work in the Library of Congress right next to the Capitol. I am spending eight months conducting research on the history of migration at the German Historical Institute in Washington, DC. Besides my work, I am enjoying the political and cultural life in the US capital. The new National Museum of African and American History and Culture is worth visiting more than just once to learn about the culture and history of African Americans, racism, and resistance.
At the German Historical Institute, which belongs to the Max Weber Foundation and is headed by Professor Simone Lässig, I meet a lot of colleagues who are conducting research on migration and the categorization of race. Irish migrants in the USA, for example, were seen as ‘black’ before slowly becoming ‘white’ as more and more new migration groups arrived. The concept of race is also important for my research on migratory movements in Europe in the 19th century. I present this approach to other academics from the USA and Germany in the Institute’s Research Seminar.
I am enjoying eight months of discussions, writing, and reading without any committee work, lectures, and distractions. It’s an absolute luxury.“

Further information
Levke Harders on Instagram and Twitter. Blog: https://belonging.hypotheses.org.
This article is a pre-release from „BI.research„, Bielefeld University’s research magazine of. The new issue of the magazine is to be published in May 2020.
Drei Millionen Euro Förderung für neue Nano-Wasserfilter
Forschende und Ingenieur*innen aus sieben Ländern wollen spezielle Filter im Nano-Maßstab entwickeln. Sie kooperieren in einem neuen Projekt, das jetzt von der Europäischen Union bewilligt wurde. Die neuen Filter sollen Reinstwasser erzeugen, etwa für Anwendungen in Industrie und Forschung. Zugleich sollen sie es ermöglichen, Wasser aus Flüssigkeiten wie Milch oder Fruchtsaft zu extrahieren, um Konzentrate zu erzeugen. Gefördert wird das Projekt mit insgesamt drei Millionen Euro. Die Universität Bielefeld übernimmt die Leitung der bis 2023 laufenden Forschungskooperation.
(mehr …)Zum Weltfrauentag: Wie Frauen kleingehalten werden
Am 8. März ist der jährliche internationale Frauentag. Die Soziologin Heidemarie Winkel erforscht, mit welchen Begründungen Frauen diskriminiert werden. „Der Weltfrauentag regt an, auf hiesige Verhältnisse in der Bundesrepublik zu schauen“, sagt Professorin Dr. Heidemarie Winkel von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. „Frauen werden bis heute ungleich behandelt – das ist charakteristisch für alle Gesellschaften weltweit. In Deutschland werden Frauen nicht weniger diskriminiert als in anderen Gesellschaften.“
(mehr …)Mikroalgen als genügsame Rohstofflieferanten
Algen, die Patschuli-Duft produzieren, damit war Professor Dr. Olaf Kruse und seinem Team einige mediale Aufmerksamkeit gewiss. Doch das eigentliche Interesse des Forschers von der Fakultät für Biologie gilt nicht den Duftwässern: Am Zentrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld geht es um neue Methoden, die helfen können, Menschenleben zu retten und wichtige Zukunftsprobleme zu bewältigen. In research_tv stellen Professor Kruse und sein Mitarbeiter Dr. Thomas Baier vor, welche Chancen Mikroalgen als nachhaltige „Zellfabriken“ bieten.
Patschuliöl, das vielen Parfums eine besondere Note gibt, wird nur aus der namensgebenden Pflanze hergestellt, die vorwiegend in Indien vorkommt. „Verantwortlich dafür ist ein Enzym, das in dieser Pflanze vorkommt – aber nicht in einzelligen Mikro-Algen“, erklärt Kruse, Leiter der Arbeitsgruppe Algenbiotechnologie und Bioenergie. „Mit gentechnischen Methoden haben wir dieses Enzym in die Alge hereinbekommen, sodass sie jetzt den Duftstoff herstellt.“ Der hinterlässt besonders bei Besucher*innen bleibende Erinnerungen.

Mit am Strand angespülten Wasserpflanzen haben die Algen, mit denen Kruse und sein Team arbeiten, wenig gemeinsam. „Es gibt Mikroalgen und Makroalgen. Die Makroalgen sind die, die man allgemein als Algen kennt, im Meer zum Beispiel.“ Die in den Bielefelder Laboren eingesetzten Algen sind winzige einzellige Pflanzen.
Nachhaltige Zellfabriken dank Fotosynthese
Die Idee, mit solchen Mikroorganismen neue Produkte herzustellen, ist nicht neu: Schon seit Jahrtausenden nutzen Menschen Bakterien zum Beispiel bei der Käseherstellung. Im 20. Jahrhundert nahm die Molekularbiologie dann Fahrt auf: 1982 gelang es erstmals, Insulin in Bakterien herzustellen. Heute stellen Bakterien im industriellen Maßstab kostengünstig viele Stoffe her – wofür braucht es dann noch Algen?
„Weil es nachhaltiger ist“, sagt Kruse. „Bakterien müssen mit Zucker und anderen organischen Kohlenstoffen gefüttert werden. Algen machen Photosynthese, und benötigen dafür nur Sonnenlicht. Sie nehmen die Lichtphotonen auf und setzen sie in nutzbare chemische Energie um, brauchen Kohlenstoffdioxyd, Wasser und einige wenige Mineralien – und dann produzieren sie.“
Doch obwohl sich mit Algen die meisten Stoffe herstellen lassen, die mit Bakterien möglich sind, werden dafür meist Bakterien eingesetzt. „Zucker ist billig und Bakterien produzieren sehr schnell“, erklärt er.“ Zwar teilen sich auch die Mikroalgen je nach Umweltbedingungen sehr schnell – so effizient wie Bakterien sind sie aber noch nicht. „Aber das ist ja noch eine junge Technik, gerade zehn Jahre alt.“
Die einzelligen Pflanzen können so verändert werden, dass sie verschiedene Stoffe herstellen, etwa für Medizin und Kosmetik. Foto: Universität Bielefeld Die Wissenschaftler*innen übertragen besondere genetische Merkmale auf Mikroalgen, um sie zu befähigen, industriell-relevante Substanzen herzustellen. Die Forschenden isolieren die daraus resultierenden Algen und prüfen, ob die Einzeller die gewünschte Fähigkeit tatsächlich angenommen haben. Foto: Universität Bielefeld Wenige Nährsalze, etwas Licht und CO2 reichen den Mikroalgen, um sich zu vermehren. Etwa alle sechs bis acht Stunden verdoppeln sich die grünen Einzeller. Foto: Universität Bielefeld Mit speziellen Messgeräten können die Wissenschaftler*innen verfolgen, ob die Mikroalgen unter optimalen Bedingungen wachsen. Die Anzucht erfolgt in einem flüssigen Nährmedium bei 25 Grad Celsius und einem pH-Wert von 7,0. Foto: Universität Bielefeld
Hochgradig begehrte Produkte sind das Ziel
Der Preis der hergestellten Produkte ist es, der entscheidet, welcher Ansatz es schließlich aus dem Labor in die Praxis schafft. „Mit Patschuli kann man nicht genug Geld verdienen“, erklärt Kruse. „Wir hoffen, in ein paar Jahren Produkte herzustellen, die hochgradig begehrt sind, zum Beispiel in der Krebstherapie. Wir versuchen, die Mikroalgen so zu trimmen, dass sie ein pharmazeutisches oder kosmetisches Produkt von hoher Relevanz herstellen können.“
Doch die kleinen grünen Zellen können noch viel mehr. „Wir haben uns über viele Jahre mit treibstofforientierter Produktion beschäftigt.“ Angefangen hat das mit Wasserstoff, den die Algen unter bestimmten Bedingungen produzieren. Bislang ist das Verfahren aber nicht wirtschaftlich, ebenso wie die Möglichkeit, synthetische Kraftstoffe direkt auf bio-katalytischem Wege mit den Algen zu produzieren.
Dass die grünen Zellen eine große Zukunft haben, da ist Olaf Kruse sich aber sicher. Die Grundlagen dafür werden am CeBiTec gelegt.
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus „BI.research“, dem Forschungsmagazin der Universität Bielefeld. Die neue Ausgabe des Magazins erscheint im Mai 2020.
Unbekannte Galaxien per Mausklick erforschen
Astronom*innen der Universität Bielefeld rufen gemeinsam mit internationalen Forschenden dazu auf, bei der Identifikation Hunderttausender bisher unentdeckter Himmelsquellen zu helfen. Auf der Website des Projekts „Radio Galaxy Zoo: LOFAR“ können interessierte Bürger*innen die Forschenden mit wenigen Klicks bei der Auswertung unzähliger Weltraumaufnahmen unterstützen.
(mehr …)Krankmacher-Gene in Virenstämmen auf einen Blick erkennen
Wenn sich neue Viren oder Bakterien auf Menschen ausbreiten, muss rasch geklärt werden, welche besonderen Merkmale sie haben. Warum ist zum Beispiel das Coronavirus gegen übliche Medikamente resistent? Neue Big-Data-Technologie kann künftig dazu beitragen, die Besonderheiten neuer Viren- und Bakterienstämme in kurzer Zeit zu ermitteln. Dafür vergleicht sie das Erbgut eines einzelnen Organismus mit dem Genom-Bestand aller Stämme einer Spezies. Dieses Verfahren kann auch für höher entwickelte Lebewesen wie Säugetiere genutzt werden. Das neue Projekt „Pangaia“ an der Universität Bielefeld erforscht, wie sich die dabei verwendeten Datenmassen so ordnen und analysieren lassen, dass sie für die Biomedizin nutzbar sind.
(mehr …)Recap: Bielefeld University’s Anniversary Conference
Researchers from several disciplines came together for a conference celebrating the 50th anniversary of Bielefeld University. The topic of the conference was the future of theory, which posed the question of whether the “great theories” have become obsolete in the Data Age. A new video highlights the views of conference participants.
Keynote speakers included Professor Dr. Robbert Dijkgraaf, a string theorist from Princeton University’s Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, and Professor Dr. Nancy Cartwright, a philosopher of science from Durham University in Durham, United Kingdom, and the University of California, San Diego, California. In the video, they present their views on the questions raised at the conference.
The anniversary conference was preceded by the student conference “Student Research: Studierende machen Wissenschaft” (“Students Doing Science”). Another video captures the highlights from this event.
Fünf Millionen Euro für Bioinformatik-Netzwerk „de.NBI“
Forscher*innen aus den Lebenswissenschaften sollen bundesweit auf leistungsstarke Technologien zur Analyse großer Datenmengen zugreifen können. Dafür hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rund 80 Millionen Euro in ein Großprojekt investiert – das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur (de.NBI). Die Universität Bielefeld koordiniert das Projekt. Mit einem Festsymposium feiern Wissenschaftler*innen und Politiker*innen am Donnerstag, 13. Februar, in Berlin das fünfjährige Bestehen und die bisherigen Erfolge des Netzwerks: eine verteilte Cloud-Infrastruktur, bundesweit acht Servicezentren und 40 beteiligte Bioinformatik-Gruppen. Das BMBF hat jetzt die weitere Förderung von „de.NBI“ zugesagt. Bis Ende 2021 stehen allein der Universität Bielefeld bis zu 5,3 Millionen Euro zur Fortführung des Projekts zur Verfügung.
Die Geschäftsstelle von de.NBI (gesprochen: „Dennbi“) ist am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld angesiedelt. Sie hat bislang insgesamt 250 Wissenschaftler*innen zusammengebracht, die bundesweit für den Aufbau der Bioinformatik-Infrastruktur kooperieren. „Welche Fortschritte sie seit 2015 dabei erzielt haben, ist das Thema des Festsymposiums“, sagt de.NBI-Koordinator Professor Dr. Alfred Pühler.

Cloud für Forschende aus den Lebenswissenschaften
Das Netzwerk bietet Forschenden aus den Lebenswissenschaften eine IT-Infrastruktur an, mit der Daten über eine de.NBI-eigene Rechnerstruktur ausgewertet werden können. „Dafür sind wir einen innovativen Weg gegangen und haben an inzwischen sechs Standorten eine förderative Cloud eingerichtet“, sagt Professor Dr. Alexander Sczyrba, Leiter der Arbeitsgruppe Computational Metagenomics an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld. „Diese Cloud steht allen Forschenden aus den Lebenswissenschaften kostenlos zur Verfügung. Sie ist auf Deutschland beschränkt und stellt somit sicher, dass keine sensitiven Forschungsdaten ins Ausland gelangen.“ Mehr als 100 Bioinformatik-Programme zur Datenanalyse stehen den Forschenden aus den Lebenswissenschaften zur Verfügung.
Bundesweit acht Servicezentren eingerichtet
Doch die Rechnerleistung und Software alleine würde nicht ausreichen, um die bioinformatische Forschung zu unterstützen. „Entscheidend ist es, den Forscher*innen die Kompetenzen für den Umgang mit der Technik zu vermitteln und ihnen mit Dienstleistungen zur Seite zu stehen“, sagt Alfred Pühler. Dem Netzwerk sei es gelungen, bundesweit acht Servicezentren aufzubauen, an denen 40 Gruppen aus Bioinformatiker*innen ihre IT-Dienstleistungen, Beratungen und Fortbildungen anbieten.
Die Zentren sind thematisch unterschiedlich ausgerichtet und decken unter anderem die humane, pflanzliche und mikrobielle Bioinformatik ab. „In Bielefeld betreiben wir das Servicezentrum für mikrobielle Bioinformatik, das die bioinformatische Analyse aller molekularen Daten von Mikroorganismen, aber auch von mikrobiellen Gemeinschaften im Blick hat“, sagt Professor Dr. Jens Stoye, Leiter der Arbeitsgruppe für Genominformatik an der Technischen Fakultät. Von de.NBI profitiere auch die Forschung an der Universität Bielefeld, sagt Professor Dr. Martin Egelhaaf, Prorektor für Forschung und Forschungstransfer der Universität Bielefeld. „Unsere Wissenschaftler*innen können dank der Möglichkeiten des Netzwerks heute schneller und unkomplizierter bioinformatische Analysen vornehmen als bislang. Das gilt für unterschiedlichste Gebiete – von Biotechnologie bis Medizin“, so Egelhaaf.
„Herausragende Zentrum für Bioinformatik-Infrastruktur“
„Jedes Jahr organisiert das Netzwerk mehr als 80 Trainingskurse für den Umgang mit den Bioinformatik-Programmen. So konnten seit Beginn der Initiative mehr als 6.000 Wissenschaftler*innen geschult werden“, sagt Professor Dr. Andreas Tauch. Er ist Leiter der de.NBI-Geschäftsstelle, die die Dienstleistungen und Trainings des Netzwerks koordiniert und Nutzer*innen an die spezialisierten Servicezentren vermittelt.
„Die Universität Bielefeld hat sich zu einem herausragenden Zentrum für Bioinformatik-Infrastruktur in Deutschland entwickelt“, bilanziert Netzwerk-Koordinator Alfred Pühler. Er betont, dass de.NBI von seiner Ausrichtung her auf Dauer angelegt ist. „Die Wissenschaftler*innen aus den Lebenswissenschaften sind auf eine stabile, zentrale Infrastruktur angewiesen, um ihre riesigen Datenmengen zu verarbeiten und unkompliziert miteinander teilen zu können“, sagt Pühler. Aktuell werde an einer Lösung gearbeitet, um das Netzwerk zu verstetigen. „Das Bundesforschungsministerium hat die weitere Finanzierung des Netzwerks bis Ende 2021 zugesagt, um diesen Diskussionen mehr Zeit zu geben.“
It should be possible for researchers in the life sciences to draw on powerful technological services throughout Germany when they need to analyse large data sets. This is why the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) invested about 80 million euros in a major large-scale project: the German Network for Bioinformatics Infrastructure (de.NBI). Bielefeld University is coordinating the project. On Thursday 13 February, scientists and politicians celebrated the fifth anniversary and the previous successes of the network with a symposium in Berlin. These successes include a distributed cloud infrastructure, eight service centres throughout the nation, and 40 participating bioinformatics groups. The BMBF has now announced continued funding for the de.NBI. Until the end of 2021, Bielefeld University alone will have up to 5.3 million euros at its disposal to continue the project.
The administration office of the de.NBI (pronounced ‘Dennbi’) is located at Bielefeld University’s Center for Biotechnology (CeBiTec). Up to now, it has brought together a total of 250 scientists who are cooperating in building up the bioinformatics infrastructure throughout Germany. ‘The progress they have made since 2015 is the topic of the symposium,’ says the de.NBI coordinator Professor Dr Alfred Pühler.

The network offers researchers in the life sciences an IT infrastructure that can be used to analyse data over de.NBI’s own computer network. ‘We took an innovative approach here and set up a national cloud at what are now six locations,’ says Professor Dr Alexander Sczyrba, head of the Computational Metagenomics research group at Bielefeld University’s Faculty of Technology. ‘This cloud is available free of charge to all researchers in the life sciences. It is restricted to Germany, thereby ensuring that no sensitive research data leave the country.’ More than 100 bioinformatics programs are available to researchers in the life sciences with which to analyse their data.
However, computing power and software alone would not be enough to support bioinformatics research. ‘What is decisive is to enable researchers to acquire the necessary competencies to handle the technology and to support them with services,’ says Alfred Pühler. The network has succeeded in setting up eight service centres throughout Germany in which 40 groups of bioinformatics experts offer their IT services, advice, and training courses.
The centres focus on different fields covering, among others, human, plant, and microbial bioinformatics. ‘Bielefeld runs the service centre for microbial bioinformatics focusing on the bioinformatic analysis of all molecular data on micro-organisms but also on microbial communities,’ says Professor Dr Jens Stoye, head of the Genome Informatics research group at the Faculty of Technology. Research at Bielefeld University also profits from the de.NBI according to Professor Dr Martin Egelhaaf, Bielefeld University’s Vice-rector for Research and Research Transfer. ‘Thanks to the possibilities provided by the network, our scientists can perform bioinformatic analyses more quickly and with fewer complications than before. That applies to the greatest variety of disciplines—from biotechnology to medicine,’ says Egelhaaf.
‘Each year, the network organizes more than 80 training courses on how to use the bioinformatics programs. This means that we have trained more than 6,000 scientists since the beginning of the initiative,’ says Professor Dr Andreas Tauch. He heads the de.NBI administration office that coordinates the network’s services and training courses and refers users to the specialized service centres.
‘Bielefeld University has become an outstanding centre for bioinformatics infrastructure in Germany,’ concludes the Network Coordinator Alfred Pühler. He emphasizes that the de.NBI is designed to become a permanent structure. ‘Scientists in the life sciences depend on having a stable central infrastructure so that they can process their enormous data sets and communicate them in uncomplicated ways,’ says Pühler. Currently, they are working on a way to make the network permanent. ‘The Federal Ministry of Education and Research (BMBF) has agreed to finance the network until the end of 2021 to give more time for these discussions.’
Further information:
Website of the German Network for Bioinformatics Infrastructure
„Auch die beste Lehrkraft braucht geeignetes Unterrichtsmaterial“
Eine Lehrerin möchte einem Kind mit starker Sehschwäche und einem Kind mit speziellem Förderbedarf denselben Inhalt näherbringen. Doch wie soll das funktionieren, wenn beide Schüler*innen vollkommen unterschiedliche Anforderungen an das Unterrichtsmaterial haben? Eine Bielefelder Erziehungswissenschaftlerin leitet ein Forschungsprojekt, das für solche Fälle Lösungskonzepte entwerfen soll. Drei Fragen an die Professorin Dr. Michaela Vogt.
Was macht Unterrichtsmaterialien inklusiv?
Es gibt nicht das eine Paradebeispiel für Material zum inklusiven Unterrichten. Unterschiedliche Kinder haben unterschiedliche Bedarfslagen, jede Schulklasse ist heterogen zusammengesetzt. Deswegen braucht es ein Baukastensystem. Damit kann die Lehrkraft das Material an die Kinder anpassen. Aktuell steht jedoch den unterschiedlichen Bedürfnissen der Schüler*innen ein Mangel an geeignetem Unterrichtsmaterial gegenüber. Die Lehrkraft steht dazwischen und muss ausgleichen. Aber die beste Lehrkraft ist nichts ohne geeignetes Material. An dieser Stelle setzen wir – das sind der Projektkoordinator Christoph Bierschwale und ich – mit unserem Projekt an: Ausgangsbasis ist eine international-vergleichende Studie, in der wir mit Projektpartner*innen Unterrichtsmaterialien mit inklusivem Anspruch aus europäischen Ländern analysieren, Bewertungskriterien zusammenstellen und selbst Unterrichtsmaterialien entwickeln. Außerdem brauchen die Lehrer*innen Fortbildungen, damit sie lernen, wie sie verfügbare Materialien selbst anpassen.

Wen möchten Sie mit der Forschung erreichen?
Das allgemeine Problem ist, dass die Anforderungen an die Lehrkräfte durch den Anspruch an inklusives Unterrichten eher zunehmen, aber neue Lehrer*innenstellen fehlen. Ich glaube, dass gute Unterrichtsmaterialien einen Ausgleich schaffen können. Mit unserer Forschung setzen wir am Lehrer*innenbedarf an und hoffen, die Situation in Teilen zu verbessern. So profitieren auch Schüler*innen von besserem Unterricht. Außerdem möchten wir die Verlage erreichen. Sie produzieren in Deutschland Unterrichtsmaterialien, passen diese jedoch häufig nicht an die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Kinder an – sogar wenn die Materialien als „inklusiv“ bezeichnet werden. Letztendlich hoffe ich, dass wir sowohl das Interesse der Bildungspolitik als auch das der Wissenschaftler*innen wecken und die Forschung in diesem Feld vorantreiben.
Inwiefern passt Ihr Projekt in das Forschungsprofil der Universität Bielefeld?
Die Universität ist im Forschungsbereich „Inklusion“ im nationalen wie internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Der Bereich ist an der Universität Bielefeld zum interdisziplinären Querschnittsthema geworden. Das zeigen sowohl die neun Professuren dazu an der Fakultät für Erziehungswissenschaft als auch weitere Forschungen. Das Projekt profitiert zudem von der lebendigen Forschungs- und Diskurskultur hier in Bielefeld. Ich habe die Universität als offen gegenüber neuen Impulsen erlebt und das hilft ungemein beim gemeinsamen Arbeiten an innovativen Themen.
Professorin Dr. Michaela Vogt (37) ist seit 2018 an der Universität Bielefeld, bis Ende 2019 als Juniorprofessorin. Sie leitet das von der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekt „Inklusive Unterrichtsmaterialien im europäischen Vergleich – Kriterien für ihre Entwicklung und Bewertung“. Sie promovierte an der Universität Würzburg, wo sie später auch als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik arbeitete. Zudem forschte sie als Juniorprofessorin für Pädagogik und Didaktik der Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
Universität Bielefeld koordiniert zwei Projekte in Erasmus+
Das EU-Programm Erasmus+ fördert das Projekt noch bis August 2021 mit über 400.000 Euro. Es ist eines von zwei Projekten in Erasmus+, die die Universität Bielefeld aktuell koordiniert. Noch bis August 2022 läuft das Projekt „LabSchoolsEurope: Participatory Research for Democratic Education [Partizipationsforschung für Demokratische Bildung]“, geleitet von Professorin Dr. Annette Textor.