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“Die Beziehung zwischen Körper und Umwelt hat sich verändert“


Autor*in: Universität Bielefeld

Menschen vergleichen sich mit Blick auf ihre Fähigkeiten und Körper, in Firmen werden Bilanzen verglichen, auf Länderebene sind es beispielsweise die Bruttoinlandsprodukte. Vergleiche können beeinflussen, wie wir Fremdes wahrnehmen: Treten dabei Ähnlichkeiten oder Unterschiede hervor? Mit Fragen wie dieser beschäftigen sich Wissenschaftler*innen der Vergleichsforschung im interdisziplinären, geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereich (SFB) 1288 der Universität Bielefeld. Einer von ihnen ist Malte Wittmaack, der dem Forschungsverbund seit 2018 angehört. Drei Fragen an den Historiker.

Ihr Forschungsschwerpunkt bezieht sich auf die frühe Neuzeit. Was haben Ihre Forschungsergebnisse mit uns heute zu tun – gibt es konkrete Anknüpfungspunkte?

In den historischen Texten, die ich untersuche, nehmen Reisende ihre eigenen Körper als ungewöhnlich und porös wahr. Sie beschreiben sie als durchlässig und anfällig für Umwelteinflüsse, wie etwa die Luft im Osmanischen Reich. Unsere heutige Sicht auf unsere Körper unterscheidet sich davon, da sie nicht im gleichen Ausmaß durch veränderte klimatische Bedingungen am Reiseziel bedroht sind. Die Beziehung zwischen Körper und Umwelt hat sich seit der Frühen Neuzeit verändert. Wir können zwar nicht direkt aus den historischen Texten lernen. Doch die unterschiedliche Wahrnehmung von Körpern und die Möglichkeit, dass sich Körper und das Verständnis von Körpern wandeln, zeigt: Die Beziehung zwischen Körpern und Umwelteinflüssen war historisch unterschiedlich. In öffentlichen Debatten, wie etwa im Kontext von Seuchen und Pandemien, können historische Perspektiven zeigen, dass es in der Vergangenheit alternative Interpretationen dieser Beziehung gab. Der Blick in die Frühe Neuzeit ermöglicht dadurch, unsere Gegenwart einzuordnen und Sachverhalte neu zu denken, die wir aus der Gegenwart heraus für „natürlich“ halten.

Portraitfoto von Malte Wittmaack
Der Historiker Malte Wittmaack forscht zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Er veröffentlichte Studien zum Zusammenhang zwischen einer sich wandelnden Umwelt, der Essentialisierung des Körpers und der produktiven Kraft von Vergleichspraktiken.

Sie haben gerade Ihre Dissertation zur Begutachtung eingereicht. Wie war Ihr Weg bis dorthin, wie sind Sie zum SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens“ gekommen?

Ich habe 2018 als studentische Hilfskraft in der Geschäftsstelle des SFB angefangen. Dort habe ich einen Einblick hinter die Kulissen bekommen: Ich habe lernen dürfen, wie ein Drittmittelprojekt wie der SFB 1288 verwaltet und organisiert wird. Über diese Arbeit konnte ich auch Kontakte knüpfen und die inhaltlichen Perspektiven des SFB kennenlernen. Gegen Ende der ersten Förderphase 2020 wurde ich in die Antragsstellung für die jetzt laufende Förderphase einbezogen. Ich bekam Einblicke in die Antragsstellung und die Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Denn ein Teilprojekt steht mit seinen Inhalten in einem Forschungsverbund nie für sich allein, sondern muss auch immer einen Beitrag zu den gemeinsamen Fragestellungen leisten.

Sie sind aktuell aktiv an der Planung der Neuausrichtung des Forschungsverbundes beteiligt. Was heißt das konkret, wie kann man sich das vorstellen?

Jede*r Wissenschaftler*in bringt ganz unterschiedliche Interessen, aber auch fachliche Perspektiven mit in die Antragsstellung ein. Unter diesen Voraussetzungen ist es oftmals nicht leicht, eine gemeinsame Linie zu finden. Gleichzeitig bringt mich die interdisziplinäre Zusammenarbeit als Historiker auch immer wieder dazu, aus meinem Fach über den disziplinären Tellerrand zu schauen. Ich lerne sehr viel durch den Austausch mit den Kolleg*innen, etwa aus der Literaturwissenschaft. Es gibt zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft viele Gemeinsamkeiten, beide arbeiten etwa vor allem mit der Untersuchung von Texten. Doch die Art und Weise, wie Literaturwissenschaftler*innen und Historiker*innen mit Texten umgehen, ist doch wieder recht unterschiedlich. Durch diese Unterschiede lernen die Wissenschaftler*innen voneinander. Für mich ist der größte Gewinn der gemeinsamen Antragsstellung, dass ich für meine Arbeit – gerade durch die Interdisziplinarität – unterschiedliche Perspektiven auf die gemeinsamen Fragen einnehmen konnte. Den Spagat zwischen den eigenen Forschungsinteressen und den gemeinsamen Fragestellungen und Zielen empfinde ich dabei als sehr inspirierend, aber auch als herausfordernd.

Zur Person

Malte Wittmaack (31) ist seit 2020 an der Universität Bielefeld in der Abteilung für Geschichtswissenschaft tätig. Er forscht zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Seit Januar 2021 ist er Doktorand im Sonderforschungsbereich 1288 „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“. In seinen Publikationen forscht er unter anderem zur Beziehung zwischen Körper und Umwelt.