Mit winzigen Nanopartikeln zu besserem Ladungstransport


Autor*in: Hanna Metzen

Dreidimensionale topologische Isolatoren sind Materialien, die elektrischen Strom widerstandsfrei leiten können – allerdings nur auf ihrer Oberfläche. Dieser Effekt ist jedoch schwer messbar: Weil die Materialien üblicherweise wenig Oberfläche im Verhältnis zu ihrem Volumen haben, dominiert der Ladungstransport im Inneren. Physiker*innen der Universität Bielefeld ist es nun gelungen, topologische Isolatoren auf Basis winzig kleiner Nanopartikel zu entwickeln und so den Ladungstransport auf der Oberfläche nachzuweisen. Die Studie entstand in Kooperation mit Forschenden der Universität Duisburg-Essen und des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler*innen heute (21.09.2021) im Fachmagazin Small veröffentlicht. Der Europäische Forschungsrat ERC hat die Studie mit einem Consolidator Grant gefördert.

Sepideh Izadi (links) und Prof’in Dr. Gabi Schierning (rechts) forschen zu Nanopartikel-basierten Quantenmaterialien. Foto: Universität Bielefeld

Topologische Isolatoren haben Eigenschaften, die nur durch die Quantenphysik beschrieben werden können. Das Besondere dieser Quantenmaterialien: In ihrem Inneren leiten sie elektrischen Strom gar nicht oder nur sehr schlecht, auf ihrer Oberfläche können sich Ladungsträger hingegen störungsfrei in geschützten Transportkanälen bewegen. Ein Material mit solchen geschützten Transportkanälen ist die Verbindung Bismut-Tellurid.

„Makroskopisch große Proben dieser dreidimensionalen topologischen Isolatoren haben jedoch ein sehr hohes Volumen im Vergleich zu ihrer Oberfläche. Dadurch gibt es sehr viel mehr Ladungsträger in ihrem Inneren, sodass der schlechte Ladungstransport im Inneren den Ladungstransport auf der Oberfläche dominiert“, sagt Professorin Dr. Gabi Schierning von der Arbeitsgruppe „Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen“ an der Universität Bielefeld. „Obwohl die besonderen Transporteigenschaften von dreidimensionalen topologischen Isolatoren also theoretisch vorhergesagt sind, ist es schwer, sie experimentell zu untersuchen.“

Um dieses Problem zu umgehen, greifen die Wissenschaftler*innen auf Nanopartikel zurück. Nanopartikel sind winzig klein – ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter. Weil diese Partikel so klein sind, haben sie im Verhältnis zu ihrem Volumen eine große Oberfläche. Schierning und ihre Kolleg*innen haben nun Nanopartikel aus Bismut-Tellurid zu fünf Millimeter breiten und 0,5 Millimetern dicken Pellets zusammengepresst – und so einen dreidimensionalen topologischen Isolator hergestellt, der aus Nanoeinheiten aufgebaut ist.

Makroskopische Materialproben mit vielen Grenzflächen

„Durch diesen Trick konnten wir makroskopische Materialproben mit sehr vielen Grenz- und Oberflächen erzeugen. Unsere Studie zeigt, dass sich die geschützten Ladungsträger auf diesen Flächen untersuchen lassen und dass dort elektrischer Strom sehr gut geleitet wird“, sagt Sepideh Izadi, die als Doktorandin in Schiernings Arbeitsgruppe forscht und Erstautorin der Studie ist. Schierning ergänzt: „Durch unser spezielles Materialdesign haben wir es geschafft, Eigenschaften herauszukitzeln, die wir aus der Theorie kennen, aber bisher so nicht sehen konnten. Das ist für mich das Besondere der Arbeit.“

Die Studie ist in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Universität Duisburg-Essen und des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden entstanden. Zunächst wurden in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Stephan Schulz von der Universität Duisburg-Essen die Materialproben hergestellt. Dazu war viel Aufwand nötig: Die Nanopartikel müssen zum Beispiel sehr saubere Oberflächen haben und dürfen nicht mit der Umgebung reagieren. „Außerdem müssen sie so zusammengebracht werden, dass sie aneinander haften bleiben – wie beim Bauen einer Sandburg –, gleichzeitig dürfen sie nicht so sehr verdichtet werden, dass die geschützten Transportkanäle auf den Grenzflächen verloren gehen“, sagt Schierning.

Aufnahmen der Oberfläche eines Bismut-Tellurid-Pellets, aufgenommen mit einem Rasterkraftmikroskop.
Aufnahmen mit einem Rasterkraftmikroskop zeigen die Oberfläche eines Bismut-Tellurid-Pellets im Querschnitt (links) sowie den elektrischen Stromfluss (mittig). Die Überlagerung der Aufnahmen (rechts) macht deutlich, dass der Strom vor allem entlang der Kanten und Grenzflächen fließt. Bild: Small

Anschließend haben die Forschenden mit verschiedenen Methoden den Ladungstransport auf den Grenz- und Oberflächen untersucht. Die Bielefelder Wissenschaftler*innen haben zum Beispiel gemeinsam mit Kolleg*innen des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden gemessen, wie gut die Materialprobe unter verschiedenen Bedingungen Strom leitet, etwa bei unterschiedlichen Temperaturen oder unterschiedlich starken Magnetfeldern. „Die Ergebnisse sind ein klarer Hinweis auf Transportmechanismen eines dreidimensionalen topologischen Isolators“, so Schierning.

Ergänzt wurden die Untersuchungen durch Terahertz-Spektroskopie, für die das Forschungsteam von Professor Dr. Martin Mittendorff von der Universität Duisburg-Essen verantwortlich war: Dabei wird die Probe mit elektromagnetischen Wellen im Terahertz-Bereich angeregt und die reflektierte Strahlung gemessen. Auch hier ließen sich spezielle Phänomene beobachten, die nur bei dreidimensionalen topologischen Isolatoren vorkommen – und das sogar bei Temperaturen bis etwa minus 70 Grad Celsius, also recht hohen Temperaturen für einen solchen Effekt.

Ein wichtiger Schritt in der Grundlagenforschung

„Unsere Studie zeigt, dass sich dreidimensionale topologische Isolatoren in makroskopischer Größe und bei vergleichsweise hohen Temperaturen realisieren lassen. Das ist ein wichtiger Schritt in der Grundlagenforschung, der auch für potenzielle Anwendungen wichtig sein könnte – davon sind wir allerdings noch weit entfernt“, so Schierning. Dreidimensionale Topologische Isolatoren könnten zum Beispiel in Quantencomputern zum Einsatz kommen. Die Arbeit ist Teil des Forschungsprojekts Matter, das der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) mit zwei Millionen Euro fördert. 2019 hat Schierning dafür einen ERC Consolidator Grant erhalten, die Förderung läuft bis 2025. Mit der Auszeichnung unterstützt der Forschungsrat vielversprechende Wissenschaftler*innen, die ihr eigenes Forschungsteam aufbauen. Gabi Schierning, die vorher am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden tätig war, ist seit Oktober 2020 Professorin für Experimentalphysik an der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld.