Die Ausstellungsreihe „miteinander gegenüber“ stellt in der Kunsthalle Bielefeld Werke verschiedener Epochen, Formate, Stile und Inhalte unter einer thematischen Fragestellung einander gegenüber. Die jüngste Ausstellung weicht davon ab. Erstmals wird ein Kunstwerk in Beziehung zu einer Institution gesetzt: Ein offener Beton-Pavillon der Künstlerin Goshka Macuga trifft auf den Sonderforschungsbereich (SFB) 1288 „Praktiken des Vergleichens“ der Universität Bielefeld.
„Die aktuelle Ausgabe der Ausstellungsreihe steht deutlich sichtbar für den Dialog von Kunsthalle und Universität“, so Dr. Britta Hochkirchen, Kunsthistorikerin und Teilprojektleiterin im SFB 1288. Für die Ausstellungsreihe „miteinander gegenüber“ kooperiert die Kunsthalle Bielefeld seit einem Jahr mit Wissenschaftler*innen des Sonderforschungsbereichs 1288 der Universität Bielefeld. Hochkirchen ist eine der Mitwirkenden der Reihe.
In drei vorangegangenen Ausstellungen wurden immer zwei Kunstwerke miteinander verglichen. So trafen im Herbst 2021 Darstellungen von Joseph Beuys’ Baumpflanzprojekt „7000 Eichen“ auf Andreas Greiners Videoarbeit „Abschied (Harz)“. Angeregt durch ein Kunstwerk der polnisch-englischen Künstlerin Goshka Macuga rückt jetzt erstmals der Sonderforschungsbereich 1288 selbst in den Fokus.
Der Beton-Pavillon, 2016 von Macuga geschaffen, gehört seit einer Schenkung im Jahr 2021 zur Sammlung der Kunsthalle Bielefeld. Der Quader trägt den Namen „Pavillon for International Institute of Intellectutal Co-operation“ (Pavillon für das Internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit).
Das Aufeinandertreffen des Werks und des Sonderforschungsbereichs 1288 trägt den Titel „Beton und geistige Zusammenarbeit“. Es wirft Fragen auf: Wie und in welchen Räumen arbeiten Menschen geistig zusammen? Welche Wechselwirkungen ergeben sich dabei zu dem Material Beton? Goshka Macugas Pavillon ist so angelegt, dass dieses Baumaterial einen Rahmen für geistige Zusammenarbeit bietet. Ebenso ist die wissenschaftliche Kooperation im Sonderforschungsbereich 1288 baulich eingerahmt von Beton – denn davon sind die Gebäude der ab Ende der 1960er-Jahre erbauten Universität Bielefeld geprägt.
Macuga versammelt in ihrer Installation Vasen-Skulpturen mit den Gesichtern von Denker*innen wie Albert Einstein oder Olympe de Gouges. Mit ihrem Beton-Pavillon lädt sie Besucher*innen ein, Platz zu nehmen und sich Gedanken über die Wirkung der Denker*innen zu machen und dabei selbst miteinander ins Gespräch zu kommen.
Die Universität Bielefeld ist für die unverdeckten und unverputzten Betonaußenflächen ihres Hauptgebäudes bekannt. Auch in den Innenräumen der Gebäude auf dem Campus ist der Sichtbeton augenfällig. In den von Beton geprägten Gebäuden der Universität Bielefeld, in denen der Sonderforschungsbereich 1288 angesiedelt ist, treffen sich zahlreiche Forscher*innen und Studierende. „Die Ausstellung fragt danach, welche Räume geistige Zusammenarbeit – damals und heute – braucht. Ist es der Raum aus Beton, sind es die Publikationen oder heutige Medien wie Onlinekonferenzen? Wie prägen die Räume – zum Beispiel aus Beton – dann auch unser gemeinsames Denken?“, sagt Britta Hochkirchen. Sie leitet im SFB 1288 das Teilprojekt Ö (Öffentlichkeitsarbeit), das sich damit befasst, wie Geisteswissenschaften und Gesellschaft in Verbindung stehen und wie Formen des Austausches praktiziert werden können.
In der Ausstellung ist der SFB 1288 durch Aushänge dargestellt, die an einer Wand gegenüber dem Beton-Pavillon angebracht sind. Die Textposter zeigen beispielhaft, woran die Wissenschaftler*innen der Einrichtung forschen. Bücher und Schriften von SFB 1288-Forschenden befinden sich direkt im Beton-Pavillon und geben weitere Einblicke in die wissenschaftliche Kooperation.
„Die Konfrontation von Goshka Macugas Pavillon mit dem Sonderforschungsbereich 1288 und den Ideen seiner Wissenschaftler*innen regt die Besucher*innen der Ausstellung an, darüber nachzusinnen, welcher Räume geistige Zusammenarbeit bedarf“, erklärt Britta Hochkirchen.
Das Werk der polnisch-britischen Künstlerin Goshka Macuga fußt oft auf Recherchen, die sie in Installationen, Skulpturen, Wandteppiche oder Collagen überführt. Ihr Pavillon bezieht sich auf die Geschichte des „Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit“, das von 1926 bis 1946 in Paris existierte und Vorgängerinstitution der UNESCO war.
Die vierte Auflage der Ausstellung in der Kunsthalle wurde Ende Januar eröffnet. Zu sehen ist „Beton und geistige Zusammenarbeit“ bis zum 15. Mai 2022.
Der Sonderforschungsbereich 1288 „Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern“ der Universität Bielefeld wurde 2017 eingerichtet. Er wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Der interdisziplinäre Forschungsverbund beschäftigt sich in 18 Teilprojekten mit den historisch variablen Praktiken des Vergleichens.