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„Alumni im Interview“ mit Stefan Trockel


Text: Jana Haver

Stefan Trockel hat 2004 seinen Master Linguistik und American Studies an der Universität Bielefeld abgeschlossen. 2016 gründete er Mercury.ai, ein Unternehmen, das KI-Chatbots entwickelt. Nach acht Jahren zog er sich aus der operativen Leitung des Unternehmens zurück. Seit einem halben Jahr arbeitet er als Principal Consultant AI für den IT-Dienstleister adesso. Im Interview spricht er über Künstliche Intelligenz, seine Faszination für das Thema und darüber, wie ihn die Zeit an der Universität Bielefeld geprägt hat. 

Wenn Sie an Ihre Zeit an der Uni Bielefeld zurückdenken, was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Die große Unihalle mit ihrer ganz besonderen Atmosphäre ist mir sehr präsent geblieben. Dort habe ich viele Stunden mit Kommiliton*innen auf der Treppe verbracht – immer strategisch nah an der perfekten Kaffeeversorgung positioniert. Gegen Ende meines Studiums bin ich oft abends durch die leere Halle gegangen, besonders während ich meine Magisterarbeit in der Bibliothek geschrieben habe. Wie ein leerer Bahnhof am Start einer Reise.  

Ein Porträt von Stefan Trockel
Stefan Trockel arbeitet als Principal Consultant AI für den IT-Dienstleister adesso.

Sie haben im Master Linguistik und Cultural Studies an der Universität Bielefeld studiert. Was konnten Sie aus Ihrem Masterstudium in Bielefeld für Ihre spätere Arbeit mitnehmen?

Die Studieninhalte waren natürlich spannend, aber was wirklich nachhaltig prägt, ist die Art zu denken, die im Studium gefördert wurde: Wie ich an Problemstellungen herangehe und verschiedene Perspektiven auf eine Fragestellung entwickle. Der interdisziplinäre Gedanke, der in Bielefeld so stark gelebt wird, sticht für mich besonders hervor.

Es war sehr wertvoll, sowohl die Methoden der Humanities als auch mathematisch-technische Ansätze vermittelt zu bekommen. Diese Kombination hat mir später ermöglicht, die Brücke zwischen Sprache und Technologie zu schlagen – auch wenn mir das damals noch nicht so klar war.

Sie haben am CITEC gearbeitet und dann ihr eigenes Unternehmen Mercury.ai gegründet. Wie kam es dazu? Und was ist Mercury.ai für ein Unternehmen?

Es ist schon amüsant: Gegen Ende meines Studiums stand ich abends in der leeren Uni-Halle und fragte mich, was ich eigentlich beruflich machen möchte. Ich hatte mein Studium nach Interesse gewählt, nicht nach Karriereplanung. Damals kam mir der Gedanke, wie cool es wäre, wenn Menschen einfach mit Computern sprechen könnten – aber als Ort, um daran zu arbeiten, fiel mir damals nur Google ein, und das schien mir damals zu weit weg.

Jahre später, nach meiner Zeit am CITEC, ist das Thema dann zu mir zurückgekommen. Aus einem Gespräch mit Prof. Philipp Cimiano entstanden das Gründungsteam und die Idee für Mercury.ai. Mit Mercury.ai entwickelten wir eine Software-as-a-Service-Lösung für KI-Chatbots, mit der vor allem größere Unternehmen und Konzerne ihren Kundenservice revolutionieren konnten. Der Weg von der abendlichen Zukunftsfrage in der Uni-Halle zur eigenen KI-Firma – das hätte ich mir damals nicht träumen lassen!

Jetzt haben sich nach acht Jahren entschieden, sich aus der operativen Leitung des Unternehmens zurückzuziehen. Was waren die Gründe für diese Entscheidung?

Nach dem Verkauf des Unternehmens war ich noch eine Weile in der gemeinsamen Geschäftsführung tätig, aber nach über acht Jahren war für mich die Zeit für etwas Neues gekommen. Daneben verlaufen die Entwicklungen rund um KI so rasant, dass jeden Tag spannende Innovationen entstehen. Es macht mir großen Spaß, mich mit den aktuellsten Entwicklungen rund um die Anwendbarkeit von generativer KI und großen Sprachmodelle auseinandersetzen, und an so neuen Fragestellungen zu arbeiten, dass es dazu noch keine fertigen Antworten gibt. 

Sie sind Experte für „Künstliche Intelligenz“ und haben sich schon früh mit diesem Thema beschäftigt. Was fasziniert Sie an KI?

Die Faszination begann mit einer simplen Vision: Menschen sollten mit Computern sprechen können wie mit anderen Menschen. Was damals in der dunklen Uni-Halle wie ein ferner Traum wirkte, ist heute Realität. Ich halte KI für eine der am stärksten transformativen technologischen Errungenschaften der Menschheit – vergleichbar mit der Entdeckung des Feuers oder der Elektrizität.

Dabei stehen wir aber immer noch ganz am Anfang. Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und die neuen Möglichkeiten, die entstehen, werden unser Leben fundamental verändern. Diese Mischung aus technischer Innovation und gesellschaftlicher Transformation, die ich heute mitgestalten kann, macht das Thema so unglaublich spannend.

Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie Chancen und Gefahren der KI?

Ein ganzes Regal der Uni-Bibliothek würde nicht reichen, um dieses Thema ausreichend zu beleuchten! Das Spannungsfeld zwischen Chancen und Gefahren zeigt sich schon in den unterschiedlichen Regulierungsansätzen von den USA, China und Europa.

Zwei Erkenntnisse aus dem Tech-Umfeld treffen auch hier zu: Die Auswirkungen neuer Technologien werden für die nahe Zukunft oft überschätzt, für die langfristige Entwicklung aber unterschätzt. Und die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten. Genau das versuche ich: KI so einzusetzen, dass sie Menschen unterstützt und unsere Gesellschaft voranbringt – damit die Vision vom natürlichen Dialog zwischen Mensch und Maschine eine positive Zukunft schafft. Und der Mensch weiter im Zentrum steht und die Kontrolle behält.

Aktuell arbeiten Sie als Principal Consultant AI bei adesso. Was sind Ihre Aufgaben?

Bei adesso kann ich die neuesten KI-Entwicklungen hautnah begleiten und Unternehmen sowie öffentlichen Organisationen helfen, die Möglichkeiten dieser Technologie zu nutzen. Als größter deutscher IT-Dienstleister hat adesso eine enorme Bandbreite an Kunden mit ganz spezifischen Fragen rund um KI.

Ich kann an Projekten mitwirken, die für viele Menschen etwas bewegen und so hoffentlich die positive Nutzung von KI mitgestalten. Das reicht von Automationslösungen, die helfen, Fachkräftemangel und demogrphischen Wandel zu bewerkstelligen, bis hin zu Agenten-Systemen, die uns bei allen möglichen Belangen des Alltags unterstützen. Und natürlich geht es dabei wieder um die Frage, wie Menschen einfach mit Computern sprechen können – nur heute halt mit sehr ’smarten‘ Computern.

Wenn Sie heute nochmal studieren könnten, würden Sie irgendetwas anders machen?

Klar würde mein heutiges Ich meinem Studi-Ich einige Tipps mitgeben – aber gut, dass das nicht geht und jede*r eigene Erfahrungen macht! Für meine persönliche Entwicklung war die Uni Bielefeld jedenfalls genau das richtige Umfeld. Die Offenheit, Interdisziplinarität und der Freiraum, den ich dort hatte, haben mich jedenfalls sehr gut für meinen weiteren Weg vorbereitet.

Dieser Artikel ist Teil unserer Reihe „Alumni im Interview“ des Ehemaligennetzwerks der Universität Bielefeld e.V., die verschiedene Absolvent*innen und ihre Werdegänge vorstellt.

Weitere Informationen: www.uni-bielefeld.de/alumni