Wie können Geschlechterrollen und -normen umgestaltet werden, um die gesundheitliche Ungleichheit zu reduzieren oder gar aufzuheben? Dieser Frage widmet sich seit 2021 das Forschungsprojekt „Manfokus. Männlichkeit(en) im Fokus – Auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Versorgung“. In einem Online-Symposium am Mittwoch, 18. Januar, präsentiert das Projekt seine Abschlussergebnisse. Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert und ist an der Fakultät für Gesundheitswissenschaft der Universität Bielefeld angesiedelt.
„Eine der Motivationen für das Forschungsprojekt war, dass Verhütung und Familienplanung nach wie vor primär als Frauenthemen gelten. Wir wollten mit unserem Projekt erforschen, warum das so ist und wie diese Situation in Zukunft verändert werden kann“, erklärt die Projektleiterin Dr. Céline Miani von der Arbeitsgruppe Epidemiologie und International Public Health der Fakultät für Gesundheitswissenschaft.
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Was es bedeutet, transformative Geschlechterrollen zu berücksichtigen
Der Umgang von Menschen mit Gesundheit und Krankheit ist unterschiedlich. Gleichzeitig werden Menschen durch soziale Kontexte in unterschiedlicher Weise geprägt, Gesundheitsthemen werden oft geschlechtsspezifisch vermittelt.
Gendertransformative Ansätze zielen darauf ab, Machtverhältnisse und Geschlechternormen in Frage zu stellen. Sie sollen helfen, Ressourcen, Erwartungen und Verantwortlichkeiten zwischen Frauen, Männern und nicht-binären Geschlechtsidentitäten neu zu verteilen. Um diesem Ziel näher zu kommen, hat sich das Forschungsprojekt mit den Männlichkeiten in Bezug auf die Gesundheitsversorgung beschäftigt.
„Damit wollen wir nicht die Männer in den Mittelpunkt stellen oder Frauen vernachlässigen“, sagt die Projektmitarbeiterin Dr. Julia Zielke. „Vielmehr geht es uns darum, Geschlechterstereotypen und geschlechtsbezogene Ungleichheit in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zu verstehen und so dazu beizutragen, sie zu verändern. Denn stärkere Geschlechtergerechtigkeit bedeutet bessere Gesundheit für alle.“
Männer nutzen Gesundheitsdienste vergleichsweise selten
Ein zentrales Ergebnis des Forschungsprojektes ist, dass Männlichkeit unzureichend in die Gesundheitsversorgung integriert ist. „Das zeigt sich etwa darin, dass Männer Gesundheitsdienste im Vergleich seltener in Anspruch nehmen“, so Céline Miani. „Auch sind Männer häufig von der Versorgung rund um die Gesundheit von Müttern und Kindern ausgeschlossen. Das wiederum verstärkt die bestehenden Geschlechterrollen.“ Die Gesundheitsversorgung muss neue Wege gehen, um alle Geschlechter gleichermaßen zu berücksichtigen und anzusprechen, sagt Miani. In Bezug auf Verhütung und Familienplanung, die durch Geschlechterrollen und -normen geprägt sind, gehe es dabei nicht nur um Aufklärung in der Schule oder im Familienkreis. „Wichtig ist es vor allem, informelle Räumen wie Internetforen, Filme und Reportagen zu berücksichtigen und Angebote zu fördern, die geschlechtersensibel ausgerichtet sind“, sagt die Gesundheitswissenschaftlerin. „Insgesamt sehen wir unsere Ergebnisse als Grundlagenforschung, auf denen weitere Studien zu unterschiedlichen Gesundheitsthemen aufbauen sollten.“
Forschungsprojekt soll praxisnahe Empfehlungen geben
Das Forschungsprojekt unterteilte sich in drei Arbeitsphasen. In den ersten beiden Phasen analysierte das Projektteam theoretische Ansätze von Männlichkeiten und geschlechtergerechten Versorgungsleistungen. Im dritten Schritt führte das Team Interviews mit Männern und Menschen, die sich als Mann sehen oder mit einem Hoden geboren wurden. Den Teilnehmenden wurden Fragen rund um Männlichkeit und Verhütung gestellt, die Antworten wurden narrativ ausgewertet. Darüber hinaus wird das Projektteam praxisnahe Empfehlungen zur Gestaltung der Gesundheitsversorgung formulieren. Dies geschieht im Anschluss an das Symposium, um die Argumente der interdisziplinären Diskussionen auf der Konferenz mit aufzunehmen.