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Ein Blick auf das Unsichtbare


Autor*in: Lisa Janowski

Mit einem innovativen Ansatz hat der Biophysiker Professor Dr. Thomas Huser von der Universität Bielefeld die Grenzen der Mikroskopie neu definiert. Sein neu entwickeltes Mikroskop erlaubt es, lebendige Zellen in nie zuvor gesehener Detailtreue zu untersuchen – eine Innovation, die ihm den diesjährigen Jörg Schwarzbich Inventor Award und ein Preisgeld von 40.000 Euro einbrachte. Die Auszeichnung wird jährlich von der Universitätsgesellschaft Bielefeld (UGBi) in enger Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld vergeben.

Die visuelle Auflösung eines Mikroskops ist nach den physikalischen Gesetzen begrenzt, und bisher können bestimmte Details von Zellen und anderen winzigen Organismen nur durch die leistungsstärksten Raster-Elektronenmikroskope sichtbar gemacht werden. Die Erstellung von Proben für solche Elektronenmikroskope ist zudem sehr aufwendig und teuer. Doch genau hier setzt die innovative Forschung von Professor Dr. Thomas Huser an.

Ein Durchbruch in der Auflösung

2018 entwickelte Thomas Huser den theoretischen Aufbau eines Mikroskops, das durch eine innovative Bauweise und die Multiplikation von Lichtsequenzen die bisherige Auflösungsgrenze überwindet. Vorrausgegangen waren dabei die Forschungsergebnisse von Professor Dr. Stefan Hell, vom Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Wissenschaften in Göttingen, der 2014 für seine Entwicklungen auf dem Gebiet der ultrahochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie gemeinsam mit den Amerikanern Eric Betzig und William E. Moerner mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. 2019 konnte Thomas Huser durch eingeworbene Mittel über die Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit der praktischen Umsetzung seiner Erfindung beginnen.

Von links: Herbert Vogel (UGBi), Preisträger Prof. Dr. Thomas Huser und Jörg Schwarzbich. Mit dem Preis werden Personen und deren Erfindungen ausgezeichnet, die eine ökologische, soziale oder ökonomische Perspektive bieten.

Dank der Methode der „Strukturierten Beleuchtung“ wird ein Laserstrahl aufgespalten und in unterschiedlichen Mustern übereinandergelegt. Dieser optische Effekt ermöglicht es, Strukturen und Feinheiten sichtbar zu machen, die bisher verborgen waren. Im Gegensatz zu Elektronenmikroskopen, bei denen die Zellen durch einen langen Präparationsprozess gehen müssen, bleiben die Zellen in Husers Mikroskop lebendig und schwimmen in einer Nährlösung. Dieses Verfahren ermöglicht es, mit den Zellen über längere Zeit zu arbeiten – eine Probe ist damit äußerst ergiebig und kann zudem Prozesse innerhalb der lebenden Zelle abbilden.

Neue Einblicke in die Zellbiologie

Ein zentrales Anwendungsgebiet von Husers Mikroskop ist die Erforschung von Leberzellen. Die Leber hat extrem feingliedrige Kanäle, um bestimmte Stoffe zu filtern – ein Filtersystem, das bisher nicht gänzlich erforscht werden konnte, da die nötige Auflösung fehlte. Mit dem neuen Mikroskop können Wissenschaftler*innen nun den Zellaufbau und die Filtrationsprozesse in Leberzellen in Echtzeit beobachten und so besser verstehen, wie diese lebenswichtigen Zellen arbeiten.

Nahaufnahme des Mikroskops.
Das von Professor Dr. Thomas Huser entwickelte Mikroskop mit höchster Auflösung, erlaubt detaillierte Bilder Dank der „Strukturierten Beleuchtung”.

Anwendungsgebiete: Von Polypharmazie bis Diagnostik

Die Einsatzmöglichkeiten dieses Mikroskops sind vielfältig. In Zusammenarbeit mit Gruppen der Medizinischen Fakultät OWL, in Norwegen, Brüssel, sowie Firmenpartnern in Deutschland und Frankreich entwickelt Huser gerade die Möglichkeit, Polypharmazie-Effekte zu untersuchen. Hierbei kann untersucht werden, wie verschiedene Medikamente miteinander reagieren, was gerade bei Patienten, die auf mehrere Medikamente für unterschiedliche Erkrankungen angewiesen sind, entscheidend ist. Wechselwirkungen, die sich zum Teil individuell unterscheiden, könnten so frühzeitig erkannt werden. Leberzellen geben hier aufgrund ihrer Filterfunktion für den Körper entsprechend Aufschluss.

Auch in der Diagnostik gibt es bereits Ansätze, mit dem Mikroskop andere Organe, wie z.B. die Niere zu untersuchen, um frühzeitig Erkrankungen minimalinvasiv festzustellen. Die Niere hat eine ähnliche Struktur wie die Leber und spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Filterfunktion des Körpers. Durch eine frühe Diagnostik lassen sich Erkrankungen bereits im Anfangsstadium gut behandeln.

Aufnahme einer Leber-Endothelzelle. In der Vergrößerung erkennt man, dass diese mit hunderten von Poren durchsetzt ist (rot). Das Zytoskelett (grün) der Zellen unterteilt diese.

Ein Mikroskop für den Alltag

Die Entwicklungen von Professor Huser könnten schon bald den Weg in den medizinischen Alltag finden. Eine Ausgründung ist in Planung, um das Mikroskop für den breiteren Einsatz zugänglich zu machen. Ziel ist es, ein viel günstigeres und praktikableres Instrument als ein Elektronenmikroskop zu schaffen, das Ergebnisse in Echtzeit liefert und daher auch in Diagnostiklaboren und Krankenhäusern stehen könnte, oder sogar in normalen Arztpraxen denkbar wäre. Die Verleihung des Jörg Schwarzbich Inventor Awards unterstreicht die Bedeutung dieser Innovation, die das Potenzial hat, die medizinische Forschung und Diagnostik zu verbessern.

Vorsitzende des Organisationsteams Juniorprofessorin Dr. Sabrina Backs betont: „Der Award ist eine gute Möglichkeit einen aktiven Wissens- und Technologietransfer zu motivieren und die Forschung an der Universität Bielefeld in die Wirtschaft und die Gesellschaft zu bringen. In Bezug auf den diesjährigen Preisträger Herrn Professor Huser ist besonders hervorzuheben, dass er die technologische Entwicklung von der Idee bis hin zur Umsetzung konsequent verfolgt, Studierende einbindet und motiviert und nun gemeinsam mit seinen Doktorand*innen ein Spin-off gründen möchte.“

Auszeichnung für bedeutsame Innovationen

Der Jörg Schwarzbich Inventor Award wird seit 2019 von der Universitätsgesellschaft Bielefeld (UGBi) in Kooperation mit der Universität Bielefeld vergeben. Ziel des Preises ist es, herausragende Erfindungen und Innovationen aus der Wissenschaft zu würdigen, die das Potenzial haben, das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern. Die Preisträger*innen kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen und werden für Arbeiten ausgezeichnet, die sowohl wissenschaftliche Exzellenz als auch praxisorientierte Anwendbarkeit vereinen. Mit einem Preisgeld von 40.000 Euro ist die Auszeichnung eine der bedeutendsten Ehrungen, die an der Universität Bielefeld vergeben werden. Im Fokus stehen dabei Projekte, die nicht nur theoretisch wegweisend sind, sondern auch konkrete Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen bieten.

von links Herbert Vogel (UGBi), Prof. Dr. Thomas Huser, Rektorin Angelika Epple, Jörg Schwarzbich, Dr. Rainer Wend (UGBi), Juniorprof’in Dr. Sabrina Backs
Herbert Vogel (UGBi), Prof. Dr. Thomas Huser, Rektorin Dr. Angelika Epple, Jörg Schwarzbich, Dr. Rainer Wend (UGBi), Juniorprof’in Dr. Sabrina Backs