„Faszinierend, neue Fähigkeiten bei Vögeln zu entdecken“


Autor*in: Jörg Heeren

Vögel begleiten den Menschen seit Jahrtausenden. Was gibt es da Neues herauszufinden? Die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft kommt vom 15. bis 17. November mit ihrer Nachwuchstagung an die Universität Bielefeld. Die Vorträge befassen sich mit der Persönlichkeit von Zebrafinken, stellen das präzise Timing von Vögeln vor und erklären, wie Spechte untereinander Gebietsansprüche regeln. Zur Tagung kommen junge Ornithologen und Ornithologinnen aus ganz Deutschland. Einen Vortrag zum Geruchssinn von Vögeln hält Dr. Barbara Caspers vom Lehrstuhl für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld.

Was macht den Standort Bielefeld so attraktiv für Vogelkundlerinnen und -kundler?

Die Bielefelder Verhaltensforschung ist in Deutschland eine der bekanntesten Einrichtungen für die Erforschung von Vögeln. Eine unserer Besonderheiten ist, dass hier Labor- und Freilandarbeit in einer Einrichtung kombiniert sind – das findet man nicht häufig. Wir sind in Deutschland neben dem Max-Planck-Institut in Seewiesen das Institut mit den meisten Zebrafinken, dem anerkannten Modellorganismus für Singvögel. Dass der Lehrstuhl für Verhaltensforschung so groß und bekannt werden konnte, ist Professor Dr. Klaus Immelmann zu verdanken. Er war der Gründer des Lehrstuhls. Mit seinen Studien zur Individualentwicklung von Prachtfinken hat er die Universität unter Vogelkundlerinnen und -kundlern weltweit bekannt gemacht. Heute leitet Professor Dr. Oliver Krüger den Lehrstuhl. Er ist einer der führenden Ornithologen Deutschlands, bekannt für seine Freilandforschung mit Bussarden. Er ist auch Sprecher des Transregio-Sonderforschungsbereichs „NC³“, der sich mit Tieren und ihren individuellen Nischen befasst.

Was bietet die Tagung den jungen Ornithologinnen und Ornithologen?

Für den Nachwuchs ist sie eine hervorragende Möglichkeit, eigene Forschungsprojekte vorzustellen und mit etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Kontakt zu treten. 20 Vorträge geben einen Überblick über die aktuelle Forschung. Die Tagung informiert außerdem über Berufsfelder für Ornithologinnen und Ornithologen, die ja – außer in Universitäten – beispielsweise auch in Behörden, Naturschutzverbänden oder Planungsbüros arbeiten.

Warum ist Vogelkunde auch mehr als 100 Jahre nach Gründung der Deutsche Ornithologen-Gesellschaft ein wichtiges Thema?

Ich finde es faszinierend, dass wir dank neuer Methoden immer wieder unerwartete Fähigkeiten bei Vögeln entdecken: vor 20 Jahren die Fähigkeit von Singvögeln, UV-Licht zu erkennen, vor wenigen Jahren, dass sie riechen können. Wir in der Forschung stellen uns dann natürlich die Frage, wie die Tiere diese Fähigkeiten nutzen. Hinzu kommt, dass Vogelkunde leicht zugänglich ist. An der Aktion „Stunde der Gartenvögel“ haben sich in diesem Jahr 56.000 Freiwillige beteiligt und in ganz Deutschland Vögel gezählt. Und wenn wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Vögel und ihr Verhalten untersuchen, hängt das oft auch mit gesellschaftlich wichtigen Aspekten, wie dem Umweltschutz, zusammen. Ein Beispiel ist der Befund zu Seevögeln und Plastikmüll. Viele Seevögel, zum Beispiel Albatrosse, finden Nahrung im Meer über einen bestimmten Duftstoff. Dieser wird von Plankton abgesondert, wenn es von Kleinstlebewesen gefressen wird. Ein Großteil der Seevögel hat heutzutage Kunststoff im Bauch, weil Kleinstorganismen sich im Meer auf Plastik ansiedeln und den gleichen Duftstoff absondern. Solche Erkenntnisse aus der Ornithologie können Menschen motivieren, achtsamer mit Ressourcen umzugehen und ihre Umwelt besser zu schützen.

Dr. Barbara Caspers (43) hat entdeckt, dass Singvögel den Geruchssinn nutzen, um sich untereinander zu erkennen. Seit 2008 forscht sie am Lehrstuhl für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld, seit 2014 als Freigeist-Fellow, einem Stipendium der Volkswagenstiftung. Sie ist Teilprojektleiterin im Transregio-Sonderforschungsbereich „NC³“, der sich mit Tieren und ihren individuellen Nischen befasst. Caspers‘ Schwerpunkt liegt auf chemischer Kommunikation unter Wirbeltieren. Das ist die Fähigkeit, Signale über Duftmoleküle zu übermitteln. Die 1850 gegründete Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) ist eine der ältesten wissenschaftlichen Vereinigungen der Welt.