Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung (WinRa) veröffentlicht einen Bericht zur Situation der Rassismusforschung in Deutschland. Diese ist von großer thematischer Vielfältigkeit bei massiven strukturellen Lücken geprägt: Es fehlen Professuren, stabile Förderung und zentrale Forschungsprogramme. Der Schwerpunktbereich des WinRa-Standortes an der Universität Bielefeld „Bildung und Erziehung“ wird von Professor Dr. Paul Mecheril geleitet.
Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung (WinRa) ist ein Verbund von neun Partnerinstitutionen und vier Regionalnetzwerken. Die Gesamtkoordination liegt am DeZIM-Institut in Berlin. Das Netzwerk untersucht und vernetzt Rassismusforschung in Deutschland und entwickelt Strategien für den Ausbau ihrer Infrastruktur. WinRa wird bis Ende 2027 vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert.
Die Regionalnetzwerke betrachten Rassismusforschung auch in einzelnen disziplinären Feldern. Die erziehungswissenschaftliche Analyse stammt von den Bielefelder Erziehungswissenschaftler*innen Dr. Liesa Rühlmann und Prof. Dr. Paul Mecheril des WinRa-Regionalnetzwerks West.

© Universität Bielefeld/ Yasmina Gandouz-Touati
WinRa legt erstmals eine systematische Bestandsaufnahme zur Rassismusforschung an deutschen Hochschulen für den Zeitraum 2015 bis 2025 vor. Die Untersuchung zeigt, dass das Forschungsfeld zwar wächst und vielfältige Themen bearbeitet, jedoch kaum strukturell abgesichert ist.
Bei 52.000 Professuren in Deutschland haben derzeit nur drei eine offizielle Denomination im Bereich Rassismusforschung. Eigenständige Studiengänge fehlen vollständig. Die Förderung bleibt unstetig: Zwar stiegen die Drittmittelprojekte 2022 und 2023 stark an, doch 2024 fiel die Anzahl neuer Projekte wieder auf das Niveau von 2019 zurück. Diese Schwankungen zeigen, wie stark die Förderung von öffentlichen Debatten und einzelnen Ereignissen abhängt.
In vielen gesellschaftlich relevanten Feldern gibt es kaum empirische Daten, etwa zu den Themen Wohnen, Gesundheit und polizeilicher Praxis. Rassismusforschung ermöglicht Erkenntnisse über die Bedingungen und Wirkweisen des Rassismus als eine die gesellschaftliche Realität strukturierende Größe. Diese Befunde sind notwendig, um etwa bildungspolitisch fundierte Strategien zu entwickeln.
Handlungsempfehlungen für eine stabile und breite Forschungslandschaft
WinRa formuliert klare Empfehlungen, um das Feld nachhaltig zu stärken. Dazu gehören eine langfristige Förderrichtlinie für Rassismusforschung, neue DFG-Programme und der strukturelle Ausbau an Hochschulen. Professuren in zentralen Disziplinen – etwa Rechtswissenschaft, Medizin/Public Health, Erziehungswissenschaft und Soziologie – sollen das Themenfeld dauerhaft verankern. WinRa empfiehlt außerdem die verpflichtende Integration rassismuskritischer Inhalte etwa in der Lehrkräftebildung und der Rechtswissenschaft. Nachwuchsgruppen mit Tenure-Track-Modellen sollen stabile Karrierewege schaffen und Expertise langfristig sichern.