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Algen als Alleskönner: Forschende diskutieren in Bielefeld


Autor*in: Universität Bielefeld

Von Kosmetik bis Tierfutter: Algen gelten als vielversprechende Alternative, um ökologisch nachhaltige Produktionsmethoden für die Industrie zu entwickeln. Um neue Entwicklungen in der Algenbiotechnologie geht es bis kommenden Mittwoch auf der 13. internationalen Forschungskonferenz des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec). Die Forschungseinrichtung heißt rund 100 Expert*innen aus 16 Ländern und vier Kontinenten an der Universität Bielefeld willkommen. Die vortragenden Wissenschaftler*innen kommen zum Beispiel aus den USA, Frankreich, Japan und Saudi-Arabien.

Das Programm der dreitägigen Konferenz ist umfangreich. Diskutiert werden Fragen wie: Welche Möglichkeiten bieten Algen für die Abwasserreinigung? Mit welchen Methoden können die wertvollen Proteine, die sie produzieren, in der Tierfutterindustrie genutzt werden? Wie lassen sich aus Algen Treibstoffe und Medikamente gewinnen? Auch wird erörtert, wie sich mit Algen Inhaltsstoffe für die Kosmetikindustrie herstellen lassen.

Bild der Person: Prof. Dr. Olaf Kruse vom Centrum für Biotechnologie
„Die Algenbiotechnologie ist ein stark wachsender Wissenschaftsbereich“, sagt Prof. Dr. Olaf Kruse, Organisator der 13. internationalen CeBiTec-Forschungskonferenz.

Professor Dr. Olaf Kruse ist Direktor des CeBiTec und organisiert die Tagung. „Die Algenbiotechnologie ist ein stark wachsender Wissenschaftsbereich“, sagt Kruse. „Mikroalgen sind wie kleine grüne Fabriken – indem sie Sonnenlicht und Kohlendioxid nutzen, können sie auf sehr nachhaltige Art und Weise eine Vielzahl von Produkten herstellen.“

Industrieller Einsatz von Mikroalgen

Im Labor und in Feldstudien haben Forschende in den vergangenen Jahren aussichtsreiche Verfahren entwickelt. So wirken CeBiTec-Forschende an einem Projekt mit, in dem Algen in Kläranlagen eingesetzt werden. Dort reinigen die Organismen das Abwasser, indem sie Nährstoffreste verwerten. Doch immer wieder steht nach Studien wie dieser die Frage: Wie lassen sich die Ergebnisse in industrielle Anwendungen überführen? Auf der Konferenz wird daher erörtert, wie sich Mikroalgen in großen Mengen züchten lassen, um unterschiedlichste Rohstoffe zu erzeugen.

Messgerät, zu dem ein Behälter mit grüner Flüssigkeit (darin Mikroalgen) gehört
Ein Vorteil von Mikroalgen: Sie können sowohl in kontrollierten Anlagen als auch in offenen Umgebungen wie Kläranlagen gezüchtet werden.

Algen als nachhaltige Ressource

Olaf Kruse sieht die Nutzung von Algen als große Chance an, um drängende ökologische Herausforderungen anzugehen. „Ein entscheidender Vorteil von Algen ist, dass ihr Wachstum nicht auf fruchtbares Ackerland beschränkt ist.“ Die Organismen können sich schnell vermehren und große Mengen an Biomasse produzieren. „Ein weiterer Vorteil ist, dass wir bereits über ausgereifte genetische Werkzeuge und Techniken verfügen, um Algen gezielt zu verändern und für unsere Zwecke zu optimieren. Diese Fortschritte ermöglichen oftmals ungeahnte Möglichkeiten für die Produktion von Nahrungsmitteln oder auch Biokraftstoffen.“


Wie Algen eingesetzt werden können, um mit Sonnenenergie nachhaltig zu produzieren, wird in einem Beitrag der Reihe „research_tv“ vorgestellt.

Algen sind hochinteressant und werden sicherlich in den nächsten Jahren ihre Nischen finden, weil sie eben sehr nachhaltig Produkte herstellen können.
Was sind Mikroalgen?
Wir arbeiten hier am Cebitec mit Mikroalgen. Der Name ist dabei Programm: es sind Mikroorganismen. Es sind kleine einzellige Organismen, die man tatsächlich als Organismen nur im Mikroskop erkennen kann. Das ist also nicht zu verwechseln mit sogenannten Makroalgen. Das sind die Algen, die wir natürlich alle aus unseren Urlauben am Mittelmeer, an der Nord- oder Ostsee kennen. Die dort im Meer schwimmen und auch an den Strand geschwemmt werden. Mit diesen großen Algen haben unsere Mikroalgen erst einmal nichts zu tun.
Mikroalgen als grüne Zellfabriken
Wir stellen uns vor, dass diese Mikroalgen, diese kleinen einzelligen Algen als zusätzliche Alternative in der Biotechnologie in der Zukunft eingesetzt werden können, in der industriellen Biotechnologie. Nämlich, dass diese Mikroorganismen Produkte herstellen können, aber im Gegensatz zu den Bakterien und den Hefen nachhaltiger, weil sie eben Photosynthese betreiben können, weil sie Sonnenlicht und CO2 umsetzen können in ein Produkt. Und deshalb nennen wir sie auch ganz gerne „kleine grüne Zellfabriken“.
Derzeit läuft ein EU-Projekt mit dem schönen Namen MERIT. Dabei geht es um die enzymatische Herstellung von Wertstoffen in diesen kleinen grünen Zellfabriken, in unseren Mikroalgen, die von medizinischer und kosmetischer Relevanz sein können. Zum Beispiel sind es pharmazeutische Produkte, die bei der Krebsbekämpfung eine wichtige Rolle spielen. Um die Bandbreite jetzt aber wirklich gleich zu zeigen, es könnten auch kosmetische Produkte sein, wie zum Beispiel Parfums.
Aufbau des EU-Projekts
In dem EU-Projekt arbeiten vier verschiedene Universitäten zusammen. Wir sind ein Team aus verschiedenen Molekularbiologen, aber auch Bioprozesstechnikern. Wir hier in Bielefeld sind dafür zuständig, diese Baupläne in die Alge einzubauen und die Zellen zu programmieren. Was wir durchführen, sind sogenannte Transformationen. Also wir geben den Mikroalgen neue Baupläne, um neue Eigenschaften zu erhalten.
Und das ist mal so eine Auswahl an verschiedenen Mikroalgen, die man isoliert hat, und wir machen uns jetzt daran, diese weiter zu charakterisieren. Dazu nutzen wir sie erst einmal auf einer sogenannten Agarplatte, wie wir sie hier sehen, und würden sie dann in einem größeren Volumen in ein Flüssigmedium kultivieren. Wir sehen hier ein Kulturvolumen von bis zu einem Liter und in dieser Maschine wird die Kultur der Mikroalgen unter besonders günstigen Bedingungen gehalten.
Wir sehen einmal eine Lichtintensität und eine Temperaturanlage, und wir haben verschiedene Verbindungsschläuche hier, die die Algen noch mit zusätzlichem CO2 versorgen können. Alles Bedingungen, die die Algen besonders gut mögen. Und dann können wir hier an diesem Gerät einmal nachvollziehen, wie es unseren kleinen Kulturen geht. Ob sie sich vermehren, ob es ihnen gut geht, und dann sieht man verschiedene Parameter wie den pH-Wert zum Beispiel oder auch die Lichtintensität.
Wir designen Mikroalgen so, dass wir ihnen neue Baupläne zur Verfügung stellen und diese Baupläne enthalten Signalproteine. Das sind Fluoreszenz-Proteine, die man an einem Fluoreszenz-Mikroskop nachweisen kann, über einfache Lichtsignaldetektion. Und ich habe jetzt mal vier Kandidaten-Mikroalgen da drunter platziert und wir sehen eine Aufnahme davon und sehen hier jetzt eine Mikroalge, die ein besonders starkes Lichtsignal abgibt, und das repräsentiert eine besonders starke Produktion. Zur Bestimmung der Produktionsmenge können wir eine Gaschromatografie durchführen, die uns die Menge an unserem Produkt quantifiziert.
Ausblick
Sobald wir nachweisen können, dass diese Mikroalgen unser Produkt wirklich herstellen, kommen unsere Partner in den internationalen Konsortien ins Spiel. Das sind Bioprozessingenieure, die sich mit Algen sehr gut auskennen. Die aber in der Lage sind und auch die Einrichtungen dafür haben, die Infrastruktur dafür haben, in größerem sogenannten Pilotmaßstab diese Algen sowohl unterhalb von Treibhäusern als auch richtig in der freien Natur schon zu testen.
Also sicherlich gibt es jetzt schon Anwendungen für Mikroalgen, die ihre Nischen bereits besetzt haben. Es gibt einzelne kleinere Beispiele, die in der Nahrungsergänzung zum Beispiel genutzt werden. Es gibt Algen, die für die Fischfarmen benutzt werden, für die medizinische Nutzung und diese ein bisschen hochwertigeren Produkte, an denen wir interessiert sind. Da forschen wir gerade noch, damit das wirklich Realität werden kann.
Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass das in den nächsten 10-15 Jahren auch seine Anwendung finden kann.