Sich als Wissenschaftler*in mit Bielefelder Bürger*innen über die Klimakrise austauschen – in kurzer Zeit, auf unterschiedliches Vorwissen eingehen, ohne zu belehren: Das ist das Ziel der Klimabahn, die sich seit rund einem Jahr im Bielefelder StadtBahn-Netz bewegt. Die Organisator*innen der Klimabahn möchten über die Themen Klima und Klimakrise informieren, aufklären und sensibilisieren. Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen – Mitglieder der seit 2021 bestehenden Regionalgruppe der Scientists for Future Bielefeld – haben das Projekt ins Leben gerufen. Sie sind als sogenannte Klimalots*innen auch immer wieder in der Bahn auf den Bielefelder Schienen unterwegs, unter ihnen auch der Dekan der Fakultät für Physik Professor Dr. Walter Pfeiffer.
Die Klimabahn fährt regulär auf den Linien 2 und 4 im Bielefelder Stadtbahnnetz. Sie ist von außen mit den Warming Stripes beklebt, die für die Klimakrise stehen und so zum Teil des öffentlichen Straßenbildes in der Stadt werden. Im Inneren der Bahn finden sich Materialien rund um das Thema Klima und Klimakrise. Die Klimabahn versteht sich auch als Plattform und Einladung zum Austausch zur Klimakrise zwischen Wissenschaftler*innen und Bürger*innen – immer basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Bielefelder Organisator*innen nahmen sich bei dem Projekt Vorbild an der Klimabahn Bremen, die dort schon seit November 2021 auf den Schienen ist.
„Es ist eine fantastische Idee, über den Klimawandel, der bereits stattfindet, ins Gespräch zu kommen, zu diskutieren, zu informieren und aufzuzeigen, was jeder und jede Einzelne tun kann“, so Walter Pfeiffer. Er arbeitet seit 2006 an der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Hobbymäßig hat ihn das Thema Klima schon immer beschäftigt. Seit 2017 vertritt und vermittelt er es auch in der Lehre, in Form von Veranstaltungen, wie in dem Seminar „Energie und Umweltphysik“ oder auch durch die Auswahl von Vertiefungsthemen in den normalen Kursvorlesungen. Der Physiker ist einer der Initiator*innen der Scientists for Future Regionalgruppe Bielefeld, die vor etwa drei Jahren gegründet wurden. Dabei handelt es sich um Wissenschaftler*innen aus der Universität Bielefeld, der Hochschule Bielefeld und aus dem Raum Bielefeld, die sich für Klimaschutz engagieren. Dr. Katharina Sielemann und Simon Hollnaicher brachten als Mitglieder der Arbeitsgruppe „Wissenschaft und Gesellschaft“ die Idee auf, auch in Bielefeld eine Klimabahn ins Leben zu rufen. „Ihre Ausdauer und ihr Einsatz haben das Projekt und seine Finanzierung erst ermöglicht“, so Walter Pfeiffer.
© Universität Bielefeld
Die Wissenschaftler*innen fahren regelmäßig auch als Klimalots*innen in der Klimabahn mit und kommen aktiv mit Fahrgästen ins Gespräch. Walter Pfeiffer blickt zurück und hatte vor seinem ersten Einsatz als Klimalotse durchaus Fragen: Muss er mit unangenehmen Situationen rechnen? Sind die Fahrgäste grundsätzlich offen für Gespräche? Seine gesammelten Erfahrungen als Klimalotse waren dann ganz unterschiedlich: „Über intensive Diskussionen mit Bürger*innen, wie zum Beispiel mit dem damaligen Rektor der Universität, der zufällig auch in der Bahn saß, bis hin zu Beleidigungen und Diffamierungen als Klimakleber, habe ich alles erlebt“, erinnert sich Walter Pfeiffer. „Je nach Person, mit der ich spreche, möchte ich meine Art der Kommunikation anpassen und muss schnell überlegen, wie ich kommuniziere: Welche Beispiele funktionieren? Wie drücke ich mich verständlich aus, ohne zu fachwissenschaftlich zu sprechen?“ Der Großteil der Personen, die der Professor in den 2,5 Stunden Fahrt ansprach, sei sehr offen und häufig auch schon gut informiert gewesen. „Viele waren aber eher pessimistisch im Sinne von: Wir können doch eh nichts machen und es wird sich nichts ändern“, so Walter Pfeiffer. Er hingegen versuchte seinen Gesprächspartner*innen Mut zu machen und resümiert: „Jedes dieser Gespräche war für mich auch eine interessante und wichtige Rückkopplung.“
© Universität Bielefeld
Die Bahn auch als Zeichen
Kristoffer Klement promoviert aktuell an der Fakultät für Soziologie und war bis vor kurzem als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität tätig. Auch er war an der Organisation und der Bespielung der Klimabahn beteiligt und erklärt: „Die Bahn selbst ist auch schon Teil einer ökologischen Transformation, indem sie auf den öffentlichen Nahverkehr als Mobilitätsform der Zukunft hinweist.“
moBiel unterstützt das Projekt Klimabahn. „Uns war wichtig, dass wir hier Partner sind und gerade auch als städtisches Unternehmen Teil dieser Bewegung sein können“, so Sarah Leffers von moBiel. „Ich habe die Klimalots*innen als sehr positiv wahrgenommen, weil ich das Thema sehr spannend finde – auch für die Fahrgäste, die häufig erst durch die Gespräche mit den Lots*innen merken, dass sie in der Klimabahn sitzen.“
© Universität Bielefeld
Der Alltag als Klimalots*innen
Dr. med. Phyllis Bollgönn, Ärztin in Weiterbildung, und Dr. med. Cornelia Buldmann, Fachärztin für Allgemeinmedizin, engagieren sich als Klimalotsinnen und sind regelmäßig in der Bahn unterwegs. „Unser Ziel ist es, mit der Bevölkerung außerhalb der eigenen Blase in Kontakt zu kommen“, erklärt Phyllis Bollgönn. Sie engagiert sich bei den Parents for Future und Health for Future. Sie ergänzt: „Es gehört auch Mut dazu, weil die Menschen ja nicht unbedingt damit rechnen, angesprochen zu werden und man sie ja in gewisser Weise überfällt.“ Nicht jede Person ließe sich auf Gespräch ein, was die Klimalots*innen respektieren würden. Viele nähmen aber Flyer mit weiterführenden Informationen und Links mit nach Hause. Ihre Kollegin Cornelia Buldmann ist Hausärztin seit 33 Jahren und bei den Scientists for Future, Health for Future und KLUG, Allianz für Klimawandel und Gesundheit aktiv. Sie sagt: „Manche Personen beschäftigen sich vielleicht auch erst im Nachhinein mit dem Thema.“ Sie erkenne in den Eins-zu-Eins-Gesprächen in der Bahn Aspekte ihrer hausärztlichen Arbeit wieder. „Die Sorgen der Menschen können sehr unterschiedlich sein – je nachdem wo in Bielefeld ich mit der Bahn gerade bin und mit welchen Menschen ich spreche“, so Cornelia Buldmann.
© Universität Bielefeld
Das Anliegen der Initiator*innen der Klimabahn
Kristoffer Klement fasst zusammen: „Die aktuelle Krise kann auch als Chance verstanden werden, dass eine bessere Gesellschaft entsteht – mit der Klimabahn möchten wir dazu einen kleinen Beitrag leisten und lösungsorientierte Impulse aufzeigen.“ Phyllis Bollgönn stellt fest: „Wir glauben daran: Diese hoffnungsvollen Impulse können wir am besten auf der persönlichen Ebene und im persönlichen Gespräch setzen.“ Cornelia Buldmann möchte in Zukunft noch viel öfter Klimabahn fahren. „In und mit der Bahn können wir die Menschen wirklich erreichen“, sagt sie. „Bei Gesprächen zum persönlichen Hitzeschutz kommt dann auch die Frage von Fahrgästen: was kann ich denn selber tun? Schnell entsteht dann ein Austausch zu einer mehr pflanzenbasierten Ernährung.“ Buldmann sieht die Hauptaufgabe aber bei der Politik, die Anreize schaffen müsse. Walter Pfeiffer hofft darauf, dass die Klimabahn noch breiter von den Bürger*innen in Bielefeld wahrgenommen wird und noch mehr von ihnen in den gesellschaftlichen Diskurs eingebunden werden. Er sagt: „Wer uns als Klimalots*innen in der Bahn sieht, ist herzlich eingeladen mit uns ins Gespräch zu kommen. Auch Wissenschaftler*innen, die selbst auch mal als Klimalots*innen mitfahren wollen, sind bei uns herzlich willkommen.“