Seit dem 1. Oktober ist Professorin Dr. Angelika Epple Rektorin der Universität Bielefeld. Im Interview spricht die Historikerin über ihre Freude, dass es nun losgeht, den Respekt vor der Aufgabe, den Herausforderungen ihrer Amtszeit und ihren Umgang mit diesen.
Seit dem 1. Oktober sind Sie Rektorin der Universität Bielefeld. Wie fühlen Sie sich?
Ich freue mich riesig, dass es nun losgeht. Immerhin wurde ich schon im Februar gewählt. Gleichzeitig bin ich mir der besonderen Herausforderung auch sehr bewusst und der Respekt vor der Aufgabe ist groß.
Welche Herausforderungen sehen Sie? Wird jetzt alles anders?
Ich war acht Jahre Prorektorin im Rektorat von Gerhard Sagerer. Insofern stehe ich einerseits für Kontinuität. Andererseits hat sich die Welt in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Digitalisierung und der Fachkräftemangel sind hier nur vier Stichworte, hinter denen aber massive gesellschaftliche Veränderungen stecken, die uns auch an der Universität umtreiben. Daher: Wir müssen uns in den kommenden Jahren auch selbst verändern und diese Herausforderungen produktiv wenden.
Was genau meinen Sie?
Ich glaube, dass die großen Fragen unserer Gesellschaft auch das Wissenschaftssystem treffen werden. Wir konkurrieren beispielsweise bezüglich der Ressourcen mit vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die Politik wird sehr intensiv diskutieren, wo und wie sie die Steuermittel einsetzt. Können wir sicher sein, dass die finanzielle Ausstattung der Universitäten davon ausgenommen ist? Was bedeutet das für uns? Auch sind wir konfrontiert mit dem demografischen Wandel. Er hat Auswirkungen auf die Rekrutierung von Studierenden. Daher brauchen wir gute Argumente, wenn wir Studieninteressierte von unserer Universität überzeugen wollen. Der Fachkräftemangel trifft uns jetzt schon. Wenn wir nicht modern und zukunftsgewandt wahrgenommen werden, dann sind wir nicht konkurrenzfähig im Wettbewerb um die besten Talente. Hier geht es insbesondere um gute Antworten auf die Fragen der Digitalisierung oder die bauliche Entwicklung. Mein Ziel ist es, dass unsere Universität trotz dieser Herausforderungen erfolgreich ist.
Und wie wollen Sie die Universität Bielefeld in diesem Wettbewerb positionieren?
Da gibt es nicht die eine Antwort. Positionierung hat verschiedene Dimensionen – nach innen und außen. Grundsätzlich gilt: Wir wollen und müssen uns dem beschriebenen Wettbewerb um Talente und Ressourcen stellen. Dafür benötigen wir in Zukunft noch mehr als in der Vergangenheit ein überzeugendes wissenschaftliches Profil. Ich glaube dabei an einen Bielefelder Weg. Wir wollen vorausdenken und klare Ziele gemeinsam offen und mutig verfolgen. Wir sollten nicht ausschließlich auf externe Anforderungen reagieren, sondern noch mehr aktive Selbststeuerung wagen. Meine Vision: Ausgehend von unseren Stärken machen wir uns auf den Weg einer international sichtbaren Profilbildung und stärken so unsere Universität als Standort für hervorragende Forschung und exzellente Lehre. Ich lade alle Mitglieder unserer Universität ein, mit mir und dem Rektorat diesen Weg zu gehen und gemeinsam am wissenschaftlichen Profil der Universität Bielefeld zu arbeiten. Dafür stelle ich in Kürze einen partizipativen Prozess vor. Aber das ist sicher noch nicht die abschließende Antwort auf die Herausforderungen…
… sondern?
Unsere Universität soll ein spannender Ort für Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt sein. Insbesondere junge Menschen sollen hier die Möglichkeiten haben, sich auszuprobieren und sich fachlich aber auch persönlich weiter zu entwickeln. Dafür brauchen wir einen förderlichen Rahmen, der Raum für Kommunikation, Kreativität und Reflexion bereitstellt. Hier möchte ich Angebote machen und Impulse setzen. Wir planen beispielsweise eine Talent-Akademie, die ein breites Angebot für verschiedene Gruppen aus Forschung, Lehre, Management und Verwaltung bereitstellt. Das macht unsere Uni attraktiv für anspruchsvolle Nachwuchskräfte. Unsere Studierenden bilden wir für einen globalen Arbeitsmarkt aus. Wir sind weltweit vernetzt mit ambitionierten und renommierten Partner-Universitäten. Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen und profitieren von unserem intensiven Austausch – beispielsweise im NEOLAiA-Netzwerk. Das müssen und möchten wir noch stärker herausstellen.
© Universität Bielefeld/M. Adamski
Die Corona-Pandemie hat der digitalen Lehre einen immensen Schub gegeben. Wird Lehre zukünftig vorwiegend digital ablaufen?
Unsere Universität ist und bleibt eine Präsenzuniversität. Es muss uns aber gelingen, die vielfältigen Chancen und Möglichkeiten digitaler Formate für uns nutzbar zu machen. Ich möchte in der Lehre den Laborcharakter stärken. Und zwar nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften, in denen Seminare die zentrale Bedeutung spielen. Gelungene Seminare sind für mich Labore, in denen Studierende mit Ideen, Gedanken und Theorien experimentieren. Ich sehe insbesondere hier auch die Chance, unsere Lehramtsausbildung zukunftsorientiert zu entwickeln. Studierende brauchen den Raum, etwas auszuprobieren, zu diskutieren, mal zu scheitern und letztlich gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen – vor Ort in der Uni. So machen wir sie fit für die Zukunft.
Am 29. September hat die Hochschulwahlversammlung die Prorektorinnen und Prorektoren gewählt. Wofür steht dieses Rektorat?
Ich begreife das Rektorat als Team. Es steht für Begeisterung für die Aufgabe, für Verantwortungsbewusstsein angesichts großer Herausforderungen und – ganz wichtig – für einen kommunikativen und partizipativen Weg, diese anzugehen. Ich bin froh über die Zusammenstellung, die Mischung zwischen Erfahrung, Innovation, Kommunikationsstärke, Kreativität, Vernetzung und den verschiedenen Disziplinen. Wir sind eine sehr heterogene Gruppe – das macht uns stark.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Partizipation, Transparenz und vertrauensbasierte Entscheidungen – an diesen Prinzipien werde ich meinen Führungsstil ausrichten. Ich möchte kommunikativ, zugewandt und offen in den Austausch gehen mit den Mitgliedern der Universität – mit den Wissenschaftler*innen, den Beschäftigten in Technik und Verwaltung und den Studierenden
In nahezu jeder deutschen Universität – auch bei uns in Bielefeld – wird immer wieder das Verhältnis von wissenschaftlichem Bereich und Verwaltung/Servicebereiche kritisch diskutiert. Wie sehen Sie das?
Spitzenforschung und Qualitätslehre brauchen eine funktionierende Verwaltung und passgenaue Services. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, welche Anforderungen an unsere Verwaltung und Dienstleistungseinrichtungen gestellt werden – Digitalisierung, Sanierung des Universitätshauptgebäudes, Aufbau der und Bauen für die Medizinische Fakultät, Cybersicherheit, ständig neue externe Anforderungen von uns Wissenschaftler*innen, aber auch von Politik, Geldgeber*innen und Ministerien. Insofern geht die Kritik häufig zu weit. Anderseits dürfen Wissenschaftler*innen natürlich auch eine zugewandte und offene Servicekultur erwarten. Der Unterstützungsbereich unter Leitung des Kanzlers hat diese Herausforderung angenommen. Hier passiert viel. Ich finde, dass wir uns unsere gemeinsamen Erfolge öfter vor Augen führen müssen. Beispiele für gelungene Zusammenarbeit gibt es. Doch auch wenn wir mal scheitern, scheitern wir gemeinsam und müssen gemeinsam daraus für die Zukunft lernen. Als Rektorin möchte ich dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für eine offene Fehlerkultur zu stärken, damit wir unsere Ziele zusammen und mutig noch erfolgreicher verfolgen können
Welche Rolle der Universität Bielefeld sehen Sie für Stadt und Region?
Die Universität zieht mit attraktiven Studienangeboten engagierte junge Menschen aus allen Teilen der Welt nach Bielefeld. Damit werden Stadt und Region international, vielfältig und zukunftsfähig. Dies zeigt sich im Stadtbild: Bielefeld ist eine junge Stadt. Die Fachkräfte der Zukunft studieren an der Universität. Damit ist unsere Universität eine wichtige Akteurin und ein Aushängeschild. Wir übernehmen aber auch Verantwortung für gesellschaftliche Herausforderungen – die Medizinische Fakultät OWL ist da sicher das prominenteste Beispiel. Auch unsere massiven Aktivitäten beim Ausbau der Lehramtsausbildung oder im Bereich der Psychotherapie möchte ich hier nennen. Die Universität ist zudem eine starke Partnerin für Forschung und Entwicklung in Unternehmen. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die BRIC GmbH sowie it’s owl. Hier sind wir auf einen guten Weg den wir weiter gehen. Auch möchte ich den Austausch, den Dialog, mit den Bürger*innen stärken. Nur wenn wir zuhören, können wir auch Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen nehmen. Wir dürfen nicht als Elfenbeinturm wahrgenommen werden. Ich bin in diesem Zusammenhang wirklich gespannt, welche Chancen uns dafür die WissensWerkstadt bietet, die aktuell in der Bielefelder Innenstadt aufgebaut wird.
Wenn Sie in sechs Jahren auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Welches Fazit würde Sie sich dann wünschen?
Die Universität Bielefeld hat es geschafft, ein unverwechselbares Profil zu entwickeln, mit dem sie im Wettbewerb der Universitäten wahrnehmbar und erfolgreich ist. Wissenschaftler*innen – insbesondere junge und internationale – kommen gerne zu uns, weil sie hier sehr gute Bedingungen für ihre innovative und interdisziplinäre Forschung vorfinden. Die Universität Bielefeld ist eine Präsenzuniversität, nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung aber bestmöglich. Studieninteressierte entscheiden sich für die Universität Bielefeld, weil das Studienangebot, die Qualität der Lehre und die Studienbedingungen innovativ sind und überzeugen. Und Stadt und Region sind stolz auf die Universität Bielefeld, auf unsere Beiträge zur gesellschaftlichen Entwicklung. Der Bielefelder Weg war erfolgreich.