Die Universität Bielefeld trauert um den Historiker Professor Dr. Thomas Welskopp. Er ist am 19. August 2021 im Alter von 59 Jahren verstorben, wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag. Welskopp galt als wichtiger Erneuerer der Sozialgeschichte Bielefelder Prägung und wurde als Analytiker der Arbeiter*innenbewegung geschätzt. Er war Professor für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte moderner Gesellschaften an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld.
Welskopp studierte ab 1982 Geschichtswissenschaft und Soziologie an der Universität Bielefeld. Als Student partizipierte er an der „Bielefelder Schule“, einer international bekannten Perspektive der Geschichtswissenschaft, aus der die Sozialgeschichte als Forschungsrichtung hervorgegangen war. 1992 promovierte er an der Freien Universität (FU) Berlin zu den Arbeitsbeziehungen in der deutschen und der amerikanischen Eisen- und Stahlindustrie von der ersten Industrialisierungsphase bis zu den 1940er-Jahren. In seiner Habilitation an der FU Berlin befasste Welskopp sich mit der frühen deutschen Sozialdemokratie. Nach Stationen in Zürich und Göttingen wurde er 2004 nach Bielefeld berufen.
Zu seinen Forschungsfeldern gehörten außer den Ursprüngen und Folgen der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und außer der Arbeiter*innenbewegung ebenfalls die moderne Unternehmensgeschichte und theoretische Fragen in der Geschichtswissenschaft. Welskopps Aufsätze wurden bei Fachkolleg*innen wegen ihrer gedanklichen Klarheit, ihrer komplexen und zugleich pointierten Darstellung geschätzt. Seine Kommunikation war gespickt mit sprachverspielten und humorvollen Ausdrücken.
Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehört die Monographie „Amerikas große Ernüchterung. Eine Kulturgeschichte der Prohibition“ (2010). Darin untersucht er, wie in den USA ab den 1920er-Jahren der kriminelle Teil der Wirtschaft, der illegal Alkohol produzierte und verkaufte, mit Politik, Gesellschaft und Massenmedien verwoben war. Mit den methodischen Problemen einer Geschichte des Kapitalismus befasste er sich 2014 in dem Buch „Unternehmen Praxisgeschichte. Historische Perspektiven auf Kapitalismus, Arbeit und Klassengesellschaft“. Mit dem globalen Arbeitsmarkt und dessen Auswirkungen beschäftigte er sich ab 2017 als einer von drei Leiter*innen einer internationalen Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. In dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) der Universität Bielefeld leitete er ein Teilprojekt zu vergleichenden Praktiken in der amerikanischen und der deutschen Automobilindustrie im 20. Jahrhundert.
Thomas Welskopp gehörte zu den Initiator*innen der Bielefelder Graduiertenschule für Geschichtswissenschaft und Soziologie (BGHS) und war langjähriger Direktor der Einrichtung. Auch für die Erinnerungskultur machte sich Welskopp stark. So setzte sich der Historiker mit weiteren Akteur*innen für den Ausbau der Gedenkstätte „Kriegsgefangenenlager Stalag 326“ zu einem europäischen Erinnerungsort ein. 2020 war er einer der Leiter*innen eines Symposiums, das sich der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers zwischen 1941 und 1945 widmete.