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Die unterschätzte Dynamik der Vormoderne


Autor*in: Universität Bielefeld

Bevor die Weltgeschichte in der Moderne Fahrt aufnahm und sich das Leben immer schneller wandelte, gab es eine lange Phase, in der sich nichts veränderte: Das ist die gängige Interpretation der sogenannten Vormoderne, der Zeit zwischen dem Mittelalter und etwa dem Jahr 1700. Bei der Online-Tagung „Veränderung aus sich selbst heraus – Eigendynamik in vormodernen Gesellschaften“, die vom 28. bis zum 30. Januar stattfindet, nehmen Forschende diese Sicht kritisch unter die Lupe. Ihre These: Statt eines Stillstandes hat eine ganz eigene, in den gesellschaftlichen Strukturen selbst angelegte Dynamik die Vormoderne geprägt.

„Die vormodernen Gesellschaften weisen weltweit Elemente auf, die aus sich heraus für ständigen Wandel sorgten“, so der Historiker Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Universität Bielefeld, der die Konferenz mit seinem Fachkollegen Professor Dr. Andreas Rüther (ebenfalls Universität Bielefeld) und dem Japanologen Professor Dr. Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) leitet.

Auch Gesellschaften in vormoderner Zeit haben sich fortwährend gewandelt. Um die Besonderheiten des damaligen Wandels geht es jetzt bei einer Online-Tagung. Einer der Leiter ist Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Abteilung Geschichtswissenschaft. Foto: Universität Bielefeld/P. Ottendörfer

Anders als der rasche Wandel in der Moderne, habe sich der vormoderne Wandel auf eine spezifische Weise vollzogen und dazu geführt, dass die Gesellschaften komplexer wurden, sagt Arlinghaus. In diesem Prozess habe sich die hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft fortwährend neu austariert und die Abgrenzung zwischen Familien- und Personenverbänden, etwa den Zünften, sei immer wieder neu gezogen worden. „Dies alles fand weitgehend unter den Bedingungen einer Präsenzgesellschaft statt, die zwar Schrift und Druck kannte, aber in anderer Weise nutzte als heute“, so der Historiker. Diese Prozesse führten dann zur Neubildung von Gruppierungen und Ständen und zu immer raffinierteren Formen der Grenzziehung zwischen ihnen, erklärt Arlinghaus. Der Historiker befasst sich auch in dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) mit der Vormoderne und untersucht, wie sich Menschen als Individuen ab dem 11. Jahrhundert mit anderen Menschen verglichen haben.

Die Eigendynamik der Vormoderne sei auch ein Merkmal, das ganz unterschiedliche Gesellschaften weltweit in dieser langen Epoche verbinde. Nach 1700 habe es dann eine vergleichsweise rasche Umgestaltung zur Moderne gegeben. „Es geht nicht darum, die Vorgeschichte der Moderne zu schreiben, sondern darum, den ganz eigenen Wandel in der Vormoderne zu analysieren“, sagt Andreas Rüther. „Das würde auch ein neues Licht auf das Verhältnis von Moderne und Vormoderne werfen.“

Auf der Tagung diskutieren Expert*innen, die zum vormodernen Äthiopien, China, Indien, Japan, Korea und Mitteleuropa arbeiten, über diesen neuen Ansatz.

Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dafür ist eine Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.

Weitere Informationen:
Website der Tagung