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Wie sich Metallatome auf einem Isolator ordnen können


Autor*in: Hanna Metzen

Um in Zukunft winzig kleine elektronische Speicher oder Sensoren herzustellen, ist es entscheidend, einzelne Metallatome auf einer isolierenden Schicht anordnen zu können. Wissenschaftler*innen der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld haben nun nachgewiesen, dass dies bei Zimmertemperatur gelingt: Moleküle der metallhaltigen Verbindung Molybdänacetat bilden auf dem Isolator Calcit eine geordnete Struktur, ohne an andere Positionen zu springen oder sich zu drehen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler*innen heute (21.12.2020) im Fachmagazin Nature Communications. Die Arbeit ist in Kooperation mit Forschenden der Universitäten Kaiserslautern, Lincoln (Großbritannien) und Mainz entstanden.

Wie sich Metallatome auf einem Isolator anordnen lassen, untersucht Prof’in Dr. Angelika Kühnle in einer neuen Studie. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

„Bisher ist es schwierig, Metallatome auf einer Isolatoroberfläche anzuordnen. Auf einer Metalloberfläche ist das leichter, nützt aber für die Anwendung in elektronischen Bauteilen nicht so viel“, sagt Professorin Dr. Angelika Kühnle, die die Arbeitsgruppe Physikalische Chemie I an der Fakultät für Chemie leitet. „Das ist das Besondere an unserer Studie: Wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie Metallatome auf Isolatoren in einer gitterartigen Struktur angeordnet werden können.“ Isolatoren sind Materialien, in denen sich Elektronen nicht frei bewegen können und die daher nur sehr schlecht Strom leiten.

Die Schwierigkeit besteht darin, die Metallatome auch bei Zimmertemperatur stabil zu verankern – ohne, dass sie sich untereinander anziehen, an andere Positionen springen oder sich drehen. Bisher konnten Wissenschaftler*innen bei sehr tiefen Temperaturen schon kleine Moleküle auf Isolatoren anordnen, bei Zimmertemperatur waren diese jedoch zu beweglich. Größere Moleküle lösten das Problem der Beweglichkeit, bildeten aber schnell Cluster, also eine Ansammlung vieler Moleküle.

Kühnle und ihre Arbeitsgruppe verwendeten für ihre Forschung Molybdänacetat, eine Verbindung, die jeweils zwei Atome des Metalls Molybdän enthält. Dass diese Verbindung interessante strukturelle Eigenschaften auf einer Goldoberfläche zeigt, hatte zuvor bereits ein Forschungsteam der Technischen Universität Kaiserslautern entdeckt. „Wird Molybdänacetat nun auf eine Calcit-Oberfläche aufgebracht, bilden die Moleküle eine geordnete Struktur. Damit sind auch die Molybdän-Atome angeordnet“, sagt Dr. Simon Aeschlimann, der in Kühnles Arbeitsgruppe geforscht hat und Erstautor der veröffentlichten Studie ist. „Mit verschiedenen Experimenten und Simulationen konnten wir zeigen, dass die Molybdänacetat-Moleküle weder springen oder sich drehen, noch Cluster bilden. Sie sind fest auf der Calcit-Oberfläche verankert.“

Für ihre Studie arbeiten die Wissenschaftler*innen mit einem Rasterkraftmikroskop. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

Die Experimente haben die Wissenschaftler*innen mithilfe eines Rasterkraftmikroskops durchgeführt. „Bei der Rasterkraftmikroskopie tastet eine winzig kleine Nadel die Oberfläche von Materialien ab – wie bei einem Schallplattenspieler, nur dass die Nadel die Oberfläche nicht direkt berührt, sondern durch atomare Kräfte ausgelenkt wird. Dies erzeugt dann ein Bild der Oberflächenstruktur“, sagt Aeschlimann. So haben die Wissenschaftler*innen zum Beispiel untersucht, wo sich die Molybdänacetat-Moleküle auf der Calcit-Oberfläche befinden und in welche Richtung sie sich ausrichten.

Die geordnete Struktur entsteht, weil sich die Molybdänacetat-Moleküle passgenau zur Ladungsverteilung der Calcit-Oberfläche ausrichten. Calcit besteht aus Calcium- und Carbonat-Bausteinen, die eine regelmäßige Gitterstruktur bilden. „Jedes Molybdänacetat-Molekül passt nur an eine ganz bestimmte Stelle auf der Calcit-Oberfläche und wechselwirkt gleichzeitig nicht mit seinen benachbarten Molybdänacetat-Molekülen. Dadurch ist es fest verankert“, sagt Kühnle.

Kühnle interessiert sich als Grundlagenforscherin für die Frage, wie sich molekulare Strukturen auf Oberflächen oder Grenzflächen bilden. Für elektronische Anwendungen sind die Ergebnisse aber auch relevant: Lassen sich nach dem gleichen Prinzip zum Beispiel magnetische Metalle anordnen, könnte das genutzt werden, um Datenspeicher im Nanometerbereich herzustellen – also Speicher, die nur wenige Millionstel Millimeter groß sind. Andere Anwendungsmöglichkeiten sind optische oder chemische Sensoren.