Mit ausgeklügelten Experimenten und anschaulichen Arbeitsweisen vermitteln die sechs teutolabs der Universität Bielefeld Schüler*innen neues Wissen aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Die Teilnehmenden des Verbundprojekts „LFB-Labs-digital“ arbeiten daran, die Mitmach- und Experimentierlabore zu Orten der Lehrkräfteausbildung auszubauen. Dabei sollen insbesondere digitale Methoden eingesetzt werden. Referendar*innen und Lehrkräfte können sich ab sofort für die Fortbildungen anmelden. Die Chemie-Didaktikerin und stellvertretende Verbundkoordinatorin Professorin Dr. Stefanie Schwedler spricht im Interview darüber, welche Effekte das Projekt auf die Arbeit in den teutolabs hat und wie Digitalisierung genutzt werden kann, um Studierende zu guten MINT-Lehrkräften auszubilden.
Was macht die teutolabs so besonders, dass sie im Verbundprojekt „LFB-Labs-digital“ mit ihnen zusammenarbeiten, um Lehrkräftefortbildungen zu optimieren?
Stefanie Schwedler: Schüler*innenlabore wie die teutolabs sind seit Jahrzehnten ein Innovationsmotor und explorativer Lernort für MINT-Unterricht, in dem Schüler*innen Motivation und Interesse an MINT-Disziplinen entwickeln. Zugleich können Lehrkräfte dort Lernsettings ausprobieren, die neu sind oder sich bislang nicht so einfach im Regelunterricht umsetzen lassen. Die teutolab-Infrastruktur an der Universität Bielefeld ermöglicht eine systematische Zusammenarbeit mit Erfahrungsaustausch und Vernetzung über viele Disziplinen hinweg. Durch das Verbundprojekt LFB-Labs-digital werden sie nun in transferstarke, digitalisierungsbezogene Lehrkräftefortbildungen einbezogen. Die teutolabs bieten angehenden Lehrkräften einen geschützten Raum zur Erprobung und Aneignung digitalisierungsbezogener Lehrpraktiken. Hinzu kommt: Als Lernorte bieten die teutolabs eine besondere Motivierungsqualität – die wollen wir mit unserer fachdidaktischen Forschungsexpertise zur Digitalisierung produktiv verschränken.
© Sarah Jonek
Welche Auswirkung hat die Einbindung der teutolabs auf die Lehrer*innenausbildung an der Universität Bielefeld?
Stefanie Schwedler: Durch die ganz konkrete Zusammenarbeit am gemeinsamen Gegenstand „MINT Digitalisierung“ wird der bereits vorhandene Austausch zwischen den teutolabs und Fachdidaktiken verschiedener Disziplinen intensiviert. Über alle teutolabs hinweg und auch unter den MINT-Fachdisziplinen sprechen wir derzeit viel über digitale Konzepte und digitale Infrastruktur. Der Austausch nützt sowohl dem jeweiligen teutolab als auch der Fachdidaktik: Ich als Chemiedidaktikerin habe Expertise zu Lernen mit Simulationen in meinem Fach und bringe diese auch in die Lehramtsausbildung ein, beispielsweise in der Lernwerkstatt „ChemieDidaktikDigital“ im Masterstudium. Das fachwissenschaftlich geleitete teutolab-chemie hingegen bietet motivierende, experimentelle Lernsettings und einen Explorationsort für Lehrende. Durch das Projekt LFB-Labs-digital arbeitet meine Arbeitsgruppe nun gemeinsam mit dem teutolab-chemie und im Rahmen der geplanten Fortbildungen auch mit Lehrkräften und Studierenden an Lernsettings zum Lernen mit Simulationen. Von dem Austausch an Expertise profitieren beide Seiten.
Könnten Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen, wie die Bielefelder Studierenden hier involviert sind?
Stefanie Schwedler: Im Sommersemester 2024 haben wir erstmals das Berufsfeldpraktikum der Chemie im teutolab-chemie angeboten. Hier erproben, analysieren und überarbeiten unsere Lehramtsstudierenden die Lernsettings des teutolab-chemie mit Schüler*innen und verstärken den fachdidaktischen Transfer. Dabei sind unter anderem Experimentiervideos zur Nutzung von Laborgeräten, Kompetenzchecks zur digitalen Anreicherung von Sicherungsphasen und Konzepte zur Verbindung von teutolab-Besuch und regulärem Unterricht entstanden.
© Universität Bielefeld
Inwiefern spielt Digitalisierung in der MINT-Ausbildung bei Lehrkräften eine Rolle?
Stefanie Schwedler: Der digitale Wandel unserer Gesellschaft berührt selbstverständlich auch den MINT-Unterricht und damit die Kompetenzen der Lehrkräfte. Zum einen beeinflusst die Digitalisierung die Forschung und Technik der MINT-Disziplinen selbst. So prägen beispielsweise modellbasierte Computersimulationen zum Klimawandel oder zum Verlauf von Pandemien die Art der Forschung. Gleichzeitig verändern sich Kommunikations- und Entscheidungsprozesse in unserer Gesellschaft durch Social Media, Fake News und Künstliche Intelligenz wie Chat-GPT. Auch damit müssen Lehrkräfte sich auskennen, um die Schüler*innen zu mündigen, demokratiefähigen Bürgern unserer technologisierten Gesellschaft erziehen zu können. Unser Ziel ist es, MINT-Lehrkräfte fit zu machen für digital angereichertes Lernen.
Auf die zukünftigen Lehrkräfte kommen also neue Anforderungen zu?
Stefanie Schwedler: Die Digitalisierung eröffnet nicht zuletzt ein riesiges Feld unterschiedlichster Lernwerkzeuge, die neben erheblichen Chancen zumeist auch mit Risiken einhergehen und das Lernen der Schüler*innen nur dann maßgeblich positiv beeinflussen, wenn man sie richtig einsetzt. So entscheidet beispielsweise die fachdidaktische Kompetenz der jeweiligen Lehrkraft darüber, ob Moleküldynamik-Simulationen als effizientes Lernwerkzeug im Chemieunterricht eingesetzt werden oder eher eine technisch aufwändige Zeitverschwendung darstellen. Das ist eine Riesenherausforderung für die Lehrkräfte. Denn zusätzlich zum chemischen und pädagogischen Wissen müssen die Lehrkräfte jetzt auch über technisches und digitalisierungsbezogenes Wissen verfügen und diese verschiedenen Facetten im praktischen Unterricht zu lernwirksamer Unterrichtskompetenz verschränken. Das stellt auch für uns als lehramtsausbildende Fakultäten eine große Anforderung dar.
Wie werden die Lehrkräftefortbildungen, die im Projekt entwickelt werden, in der Praxis der teutolabs konkret umgesetzt?
Stefanie Schwedler: Wichtig ist uns, dass die Angebote keine One-Shot-Formate im Vorlesungsstil darstellen. Es handelt sich also nicht um kurze Inputvorträge – die haben sich nicht als nachhaltig herausgestellt, unterstützen den Transfer in die Schulpraxis nur wenig. Stattdessen geht es darum, dass die Lehrkräfte neue Techniken und Lehrpraktiken innerhalb der Fortbildungen und der Lehrpraxis – also in den teutolabs oder im eigenen Unterricht – erproben können. In der Chemie zum Beispiel umfasst die Fortbildung vier Phasen: Zunächst erarbeiten die Lehrkräfte die Grundlagen zum Lernen mit Simulationen, das ist Phase 1. Nachmittags eruieren Lehrkräfte, Fortbildner*innen und Studierende in der Phase 2 projektbasiert in multiprofessionellen Teams, wie vorhandene Simulationen aus dem Netz in experimentelle Lernsettings des teutolabs integriert werden können. In Phase 3 hat jede teilnehmende Lehrkraft die Gelegenheit, mit einer eigenen Klasse das teutolab-chemie zu besuchen und zu beobachten, inwieweit sich das jeweilige Lernsetting in der Praxis bewährt. In Phase 4 tragen wir die Erfahrungen aller Lehrkräfte zusammen, überarbeiten die Ansätze und reflektieren gemeinsam, wie die Lehrkräfte das Lernen mit Simulationen in den eigenen Unterricht implementieren können.