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Neue Professuren: Forschung zu chronischen Erkrankungen und zu digitaler Medizin


Autor*in: Jörg Heeren

Die Universität Bielefeld besetzt zum Oktober zwei medizintheoretische Professuren – sie sind zentral für die Entwicklung des Forschungsprofils der neuen Medizinischen Fakultät OWL. Professorin Dr. med. Christiane Muth forscht zu Medizin für Menschen mit chronischen Mehrfacherkrankungen. Sie baut die Arbeitsgruppe Allgemein- und Familienmedizin auf. Professor Dr. med. Sebastian Kuhn forscht zu digitaler Medizin und baut die gleichnamige Arbeitsgruppe auf.

„Christiane Muth und Sebastian Kuhn sind ein großer Gewinn für unsere junge medizinische Fakultät“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. „Beide haben sich als wichtige Impulsgeber*innen für die Lehre im Medizinstudium hervorgetan. Sie arbeiten in ihrer Forschung eng mit Praktiker*innen und weiteren Akteur*innen in der Gesundheitsversorgung zusammen und haben immer wieder gezeigt, wie eine partizipativ angelegte Zusammenarbeit zu Innovationen im Gesundheitswesen führt.“

„Beide Wissenschaftler*innen sind die Idealbesetzung für unser Forschungsprofil ‚Medizin für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen‘, sagt Professorin Dr. med. Claudia Hornberg, Gründungsdekanin der Medizinischen Fakultät OWL. „Ihre Kompetenzen und Expertisen sind grundlegend für die Weiterentwicklung des Forschungsprofils der Fakultät – das war ausschlaggebend dafür, dass sie sich im Berufungsverfahren durchgesetzt haben. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihnen.“

„Der Universität Bielefeld ist es gelungen, zwei zentrale Professuren für das zukünftige Forschungs- und Lehrprofil der neuen Medizinischen Fakultät OWL zu besetzen“, sagt die NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. „Damit schreitet der personelle und akademische Aufbau wie geplant weiter voran. Die digitale Medizin ist ein wichtiges Zukunftsfeld in der Gesundheitsversorgung. Sie ist für Forschung und Lehre einer modernen Universitätsmedizin äußerst relevant und auch ein entscheidender Faktor für die Vernetzung und Kooperation mit den verschiedenen Krankenhäusern und Arztpraxen der Region.“

„Es ist schön, zu sehen, wie die Medizinische Fakultät OWL nach und nach an Profil gewinnt“, sagt der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Mit der Berufung der neuen Professuren werden in der heutigen Zeit wichtige medizinische Forschungsfelder besetzt, von denen die Studierenden nachhaltig profitieren werden. Chronische Krankheiten und Mehrfacherkrankungen stellen in der medizinischen Versorgung eine besondere Herausforderung dar. Die Menschen werden älter und die Erkrankungen immer komplexer. Die Berufung von Frau Professorin Dr. Muth an die Universität Bielefeld bietet beste Voraussetzungen, damit die Studierenden am Ende ihres Studiums auch in diesem Bereich qualifiziert und gut ausgebildet in die Tätigkeit als Medizinerin oder Mediziner starten können.“

Christiane Muth: Medizin für Menschen mit chronischen Mehrfacherkrankungen

Prof’in Dr. med. Christiane Muth wechselt in diesem Monat an die Medizinische Fakultät OWL. Sie baut die Arbeitsgruppe Allgemein- und Familienmedizin auf. Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek

Professorin Dr. med. Christiane Muth hat seit 2004 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main maßgeblich dazu beigetragen, das Institut für Allgemeinmedizin und das damit verbundene Forschungspraxisnetzwerk aufzubauen. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit der hausärztlichen Versorgung von Patient*innen mit chronischen Krankheiten und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität), außerdem mit Multimedikation sowie der Methodenentwicklung in evidenzbasierter Medizin. „Gerade weil die Zahl älterer Menschen in unserer Gesellschaft steigt, wird das Thema chronische Mehrfacherkrankungen immer wichtiger“, sagt Muth. „Auch deswegen ist das Forschungsprofil der neuen Fakultät zeitgemäß und kann dazu beitragen, dass sich die niedergelassenen Ärzt*innen und Kliniken besser auf den Wandel einstellen können.“

Die international und interdisziplinär vernetzte Leiterin der neuen Arbeitsgruppe Allgemein- und Familienmedizin bringt die Forschung zur Versorgung von chronisch Erkrankten auch mit der Digitalisierung zusammen. So ist Christiane Muth seit 2017 Sprecherin des Forschungskonsortiums AdAM, in dem es um die Anwendung eines digital unterstützten Managements für Arzneimitteltherapien in Hausarztpraxen in Westfalen-Lippe geht.

Die Medizinerin und Gesundheitswissenschaftlerin hat an der Goethe-Universität Frankfurt am Main innovative Lehrkonzepte zur wissenschaftlichen und interprofessionellen Lehre im Medizinstudium entwickelt. „Diese Erfahrungen möchte ich in Bielefeld einbringen“, kündigt sie an. „Der geplante Modellstudiengang Humanmedizin mit Schwerpunkt Allgemeinmedizin erlaubt es, Hausärzt*innen der Region aktiv in die Curriculumsentwicklung und in das Angebot einer authentischen, praxisrelevanten Lehre einzubeziehen.“

Christiane Muth habilitierte sich 2019 am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dort leitete die 57-Jährige bislang den Arbeitsbereich Klinische Entscheidungsunterstützung. Sie studierte Humanmedizin in Leipzig und Münster sowie Public Health in Hannover. Seit 1999 ist sie Fachärztin für Innere Medizin, ihre internistische Weiterbildung absolvierte sie überwiegend am Klinikum Minden.

Sebastian Kuhn: Ärztliches Handeln im digitalen Zeitalter

Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn ist ebenfalls an die Medizinische Fakultät OWL berufen worden. Er richtet dort die Arbeitsgruppe Digitale Medizin ein. Foto: Universität Bielefeld/S. Jonek

Professor Dr. med. Sebastian Kuhn befasst sich in seiner neuen Arbeitsgruppe Digitale Medizin mit ärztlichem Handeln im digitalen Zeitalter. Die Arbeitsgruppe wird zum Forschungsschwerpunkt „Intelligente Systeme – Assistenz – Interprofessionelle Vernetzung“ der Medizinischen Fakultät OWL forschen.

„Ich beschäftige mich in meiner Forschung mit der Entwicklung, Implementierung und Evaluation von innovativen, digitalen Technologien“, sagt Kuhn. „Gleichzeitig geht es mir auch darum, Medizinstudierende darauf vorzubereiten, die neuen Möglichkeiten kompetent in der Praxis anzuwenden. Wir schaffen den digitalen Wandel nur durch die Kombination aus technischer Innovation und Qualifizierung von Menschen.“ Kuhn etablierte 2017 im Lehrangebot der Universitätsmedizin Mainz das deutschlandweit erste Curriculum „Medizin im digitalen Zeitalter“. Der Wechsel nach Bielefeld sei für ihn konsequent, weil die Medizinische Fakultät OWL mit der Lehre, die zum Wintersemester 2021/22 startet, noch einen Schritt weiter gehe, sagt Kuhn. „Schließlich wird die digitale Medizin hier grundlegend im Curriculum verankert und soll sich durch das gesamte Studium ziehen, statt sich auf eine Lehrveranstaltung zu beschränken.“

Sebastian Kuhn ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er begann vor mehr als zehn Jahren, Abläufe der Schwerverletztenversorgung zu optimieren und sich mit digitalen Lösungen zu beschäftigen. Seine Forschung zu digitalen Gesundheitsanwendungen führte zum Beispiel in diesem Jahr dazu, dass er mit einem Softwarehersteller eine App für die ambulante Behandlung von Covid-19-Patient*innen entwickelt hat.

Sebastian Kuhn hat an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Medizin studiert und promoviert. 2016 habilitierte er sich für das Fach „Orthopädie und Unfallchirurgie“. Neben einem amerikanischen Staatsexamen hat er 2016 zudem an der Universität Heidelberg einen „Master of Medical Education“ erworben. Zuletzt war der 45-Jährige als Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Universitätsmedizin Mainz tätig. Kuhn engagiert sich in verschiedenen Gremien zur Digitalisierung und Ausbildung von Ärzt*innen. Unter anderem ist er Mitglied in den Ausschüssen der Bundesärztekammer „Digitalisierung der Gesundheitsversorgung“ sowie „Ärztliche Ausbildung und Universitätsmedizin“.

Medizinische Fakultät OWL und Gleichstellung

Zum Wintersemester 2021/22 bietet die Universität Bielefeld zunächst 60 Studierenden ab dem ersten Fachsemester ein humanmedizinisches Studium als Modellstudiengang. Aktuell laufen 26 Berufungsverfahren für neu zu besetzende Professuren, die Entwicklung des Curriculums, der Aufbau der Lehr- und Forschungspraxen-Netzwerke sowie die Entwicklung der Qualifizierungsprogramme für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Gründungsdekanin Professorin Dr. med. Claudia Hornberg weist darauf hin, dass die Medizinische Fakultät OWL eine ambitionierte gendersensible Berufungsstrategie verfolge. „Daher freue ich mich, nun die erste von extern berufene Frau an der Fakultät begrüßen können“, sagt Hornberg.