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Studierende erleben Probleme mit Gesundheitshinweisen zu Corona


Autor*in: Universität Bielefeld

Fast 15.000 Studierende haben sich deutschlandweit an einer Onlinebefragung zur digitalen Gesundheitskompetenz in Zeiten von Corona beteiligt. Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld und der Hochschule Fulda fragten nach Informationssuche und -zufriedenheit, dem Umgang mit den digitalen Informationen sowie der psychischen Gesundheit während der Pandemie. Der Großteil der Studierenden verfügt der Studie zufolge über ausreichend digitale Gesundheitskompetenz. Doch mehr als 42 Prozent der Befragten berichten von Schwierigkeiten, die Qualität der Gesundheitsinformationen zum Coronavirus zu bewerten.

Wie suchen und finden Studierende digitale Gesundheitsinformationen im Kontext der Corona-Pandemie? Wie gehen sie mit der Masse an Gesundheitsinformationen um, auch mit dem Nebeneinander von vertrauenswürdigen Informationen und Desinformation im Internet? Und welche Belastungen resultieren für sie aus dem Informationsangebot? Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler*innen des Interdisziplinären Zentrums für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK) der Universität Bielefeld und des Public Health Zentrums (PHZF) der Hochschule Fulda von Ende März bis Mitte April Studierende in ganz Deutschland online befragt. Nun liegen erste ausgewählte Ergebnisse von 14.895 Studierenden aus 130 Hochschulen vor.

„Studierende mit einer hohen digitalen Gesundheitskompetenz fühlen sich psychisch wohler als solcher mit geringerer Kompetenz“, sagt Dr. Orkan Okan von der Universität Bielefeld. Foto: privat

Wie zu erwarten war, informieren sich die Studierenden zur Corona-Pandemie vor allem im Internet. Etwa 95 Prozent geben an, in den vier Wochen vor der Befragung Informationen zum Coronavirus im Netz gesucht zu haben. Jeweils über 80 Prozent der Befragten recherchieren über Suchmaschinen, Nachrichtenportale und Webseiten von Behörden wie zum Beispiel das Robert Koch-Institut. Fast 40 Prozent suchen in sozialen Medien. Die häufigsten Suchanfragen betreffen die Ausbreitung des Virus, die Einschränkungen des Lebensalltags, aktuelle Situationseinschätzungen sowie Verhaltensempfehlungen zum Schutz vor dem Virus. Mehr als die Hälfte der Studierenden zeigt sich mit der Informationslage sehr zufrieden oder zufrieden. Dabei weisen Frauen eine geringere Zufriedenheit auf als Männer.

Insgesamt hohes Maß an Gesundheitskompetenz

Den meisten Studierenden fällt der Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen zum Thema Coronavirus leicht. Sie finden die gesuchten Informationen, verstehen sie, können sie bewerten und anwenden, also auf dieser Basis Entscheidungen für die Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung im Lebensalltag treffen. „In der aktuellen Pandemie ist eine ausreichende Gesundheitskompetenz entscheidend“, betont Professor Dr. Kevin Dadaczynski von der Hochschule Fulda. „In den sozialen Medien – und nicht nur dort – gibt es eine Fülle von qualitativ unterschiedlichen Informationen zum Virus. Für Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz kann diese Menge an oft widersprüchlichen Informationen psychosozial belastend und damit riskant für die Gesundheit sein“, sagt Dadaczynski.

Hinweise auf Unterstützungsbedarf

Am häufigsten berichten Studierende über Schwierigkeiten, die Zuverlässigkeit digitaler Gesundheitsinformationen zu beurteilen (42,3 Prozent) oder zu bewerten, ob mögliche kommerzielle Interessen hinter den recherchierten Informationen stehen. Neben Schwierigkeiten, die gesuchte Infor-mation im Internet ausfindig zu machen, hat ein Teil der Studierenden Probleme, das eigene Anliegen passgenau und verständlich zu formulieren, wenn sie selbst Nachrichten zum Coronavirus verfassen, und zu beurteilen, welche Personen die in sozialen Netzwerken oder Foren geposteten Nachrichten mitlesen können. Im Internet gefundene Informationen im Lebensalltag anzuwenden, bewerten 80 Prozent der Studierenden als (sehr) einfach, während 20 Prozent angeben, dass ihnen dies schwer oder sehr schwer fällt.

Geringere digitale Gesundheitskompetenz bei Frauen

Bedeutsam erscheinen den Wissenschaftler*innen die festgestellten Geschlechterunterschiede. Insgesamt weisen Frauen gegenüber Männern eine geringere digitale Gesundheitskompetenz auf, die sich insbesondere in den Handlungsbereichen Suchen und Finden sowie Beurteilung der Qualität von digitalen Gesundheitsinformationen zeigt. Diese könnte laut den Forschenden damit zusammenhängen, dass weibliche Studierende sich durch Informationen zum Thema Coronavirus möglicherweise stärker verunsichern lassen, dass sie ein höheres Gesundheitsbewusstsein aufweisen, aber vielleicht auch kritischer gegenüber den verfügbaren Informationen sind.

„Viele Studierende mit geringer Gesundheitskompetenz erleben die oft widersprüchlichen Informationen zu Corona als psychische Belastung“, sagt Professor Dr. Kevin Dadaczynski von der Hochschule Fulda. Foto: HPS Conference

Gesundheitskompetenz beeinflusst psychisches Wohlbefinden

Die Studie liefert zudem Hinweise für den Zusammenhang von Gesundheitskompetenz und psychischem Wohlbefinden: Studierende mit einer hohen digitalen Gesundheitskompetenz weisen auch ein höheres psychisches Wohlbefinden auf. Rund 20 Prozent der Studierenden geben an, schon einmal nach Informationen zum Umgang mit psychischen Belastungen gesucht zu haben. „Dies steht im Einklang mit internationalen Studien bei Studierenden und der Allgemeinbevölkerung in der Coronakrise, die bereits die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit aufzeigen konnten“, sagt Dr. Orkan Okan von der Universität Bielefeld.

Die Onlinebefragung zeigt die Selbsteinschätzung der Studierenden und deutet auf ihre selbst wahrgenommenen Herausforderungen und Belastungen hin. Rückschlüsse auf ihr tatsächliches Verhalten können daraus nicht gezogen werden. Doch eine hohe digitale Gesundheitskompetenz hilft nach Ansicht der Wissenschaftler*innen dabei, proaktiv mit gesundheitsrelevanten Informationen umzugehen und informierte Entscheidungen zu treffen. Die Wissenschaftler*innen raten dazu, bestehende hochschulische Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zu stärken, um Studierende, deren Gesundheit belastet ist, im Umgang mit Gesundheitsinformationen und weiteren Belastungen aufzufangen. Sie sehen auch die Informationsanbieter*innen und Betreiber*innen von sozialen Medien in der Pflicht. Diese müssten aufgefordert werden, vertrauenswürdige Informationen bereitzustellen und Maßnahmen gegen die Verbreitung von Des- und Fehlinformationen über ihre Webseiten und Portale zu unternehmen. Denkbar und im Einklang mit bestehenden Empfehlungen sei eine Art „Digital Detox“ – also ein zurückhaltender Gebrauch digitaler Medien, um so auch die Konfrontation mit widersprüchlichen Inhalten zu begrenzen.

Zu dem Studienteam gehören Professor Dr. Kevin Dadaczynski und Professorin Dr. Katharina Rathmann (Hochschule Fulda, Public Health Zentrum Fulda), Dr. Melanie Messer (externe Lehrende an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft, Bremen) und Dr. Orkan Okan (Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung).