Eine aktuelle Studie liefert Hinweise darauf, dass sich auch manche Ergebnisse von Verhaltensexperimenten mit Insekten nicht vollständig reproduzieren lassen. Bisher wurden mögliche Reproduzierbarkeitsprobleme in diesem Kontext wenig thematisiert. Ein Forschungsteam aus Bielefeld, Münster und Jena, das im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereichs 212„Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion“ (NC3) zusammen arbeitet, zeigt jetzt, dass auch Verhaltensversuche mit Insekten von der „Reproduzierbarkeitskrise“ betroffen sind.
Wird ein Experiment unter ähnlichen Bedingungen wiederholt, sollten gleiche Ergebnisse herauskommen. Tatsächlich sieht die Realität oft anders aus – Wissenschaftler*innen sprechen von einer „Reproduzierbarkeitskrise“, die unterschiedliche Disziplinen betrifft. Eine aktuelle Studie eines elfköpfigen Forschungsteams der Universitäten Bielefeld, Münster und Jena liefert Hinweise darauf, dass sich auch manche Ergebnisse von Verhaltensexperimenten mit Insekten nicht vollständig reproduzieren lassen. Immerhin: In den verschiedenen Experimenten klappte es mindestens bei der Hälfte der Befunde. Die Spanne der Abweichungen lag je nach unterschiedlicher Definition und Berechnung von Reproduzierbarkeit bei 17 bis 42 Prozent.

© Holger Schielzeth/CC BY 4.0
In der biomedizinischen Forschung und in der Verhaltensforschung an Säugetieren wird die Reproduzierbarkeit intensiv untersucht. Vergleichbare systematische Untersuchungen an Insekten fehlen jedoch. Das Team um die Verhaltensbiologin Prof. Dr. Helene Richter von der Universität Münster nutzte nun einen Multi-Labor-Ansatz, um die Reproduzierbarkeit von ökologischen Insektenstudien zu testen. Es führte dazu drei verschiedene Verhaltensexperimente durch. Für jedes Experiment setzten die Forscher*innen eine andere Insektenart ein (Rübsen-Blattwespe, Gemeiner Grashüpfer und Rotbrauner Reismehlkäfer). Alle drei Untersuchungen führten sie jeweils in Laboren an den Standorten Bielefeld, Münster und Jena durch und verglichen die Ergebnisse. Die Versuche betrafen Auswirkungen von Futtermangel auf Abwehrreaktionen bei Larven der Blattwespe, den Zusammenhang zwischen der Körperfarbe und der bevorzugten Umgebungsfarbe bei Grashüpfern sowie die Wahl des Lebensraums bei Reismehlkäfern.
Die Studie ist nach Kenntnis des Forschungsteams die erste, mit der man systematisch nachweisen konnte, dass teilweise auch Verhaltensstudien an Insekten von schlechter Reproduzierbarkeit betroffen sind. Das sei besonders überraschend, da Insektenstudien in der Regel vergleichsweise hohe Stichprobengrößen einsetzen und daher robustere Ergebnisse liefern könnten. Allerdings war die Reproduzierbarkeit im Vergleich zu anderen systematischen Replikationsstudien, die nicht an Insekten durchgeführt wurden, höher. Dies deute darauf hin, dass Reproduzierbarkeitsprobleme in Insektenstudien weniger ausgeprägt sind als in anderen Bereichen der Wissenschaft.
Die Ergebnisse sind insbesondere für Wissenschaftler*innen in der Verhaltensbiologie und -ökologie von Interesse, aber auch für alle anderen Disziplinen, in denen Verhaltensexperimente mit Tieren durchgeführt werden. Die gezielte Einführung systematischer Variationen könnte die Reproduzierbarkeit in Studien mit lebenden Organismen verbessern, so ein Fazit des Forschungsteams.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützte die Arbeit im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereichs „Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion“ (NC3) finanziell.