Seit etwa einem Jahr wird die Europäische Hochschulallianz NEOLAiA von der Europäischen Union gefördert. Das gemeinsam formulierte Ziel: die Regionen der Partneruniversitäten im Sinne eines inklusiven Europas weiterzuentwickeln. Dafür arbeiten Vertreter*innen aller NEOLAiA-Partner*innen in sogenannten Arbeitspaketen („Work Packages“) zusammen. Jede der neun europäischen Hochschulen beteiligt sich mit Delegierten aus Wissenschaft, Studierendenschaft und Verwaltung übernimmt die Leitung von einem Arbeitspaket. Die Universität Bielefeld verantwortet das Arbeitspaket Diversität und Inklusion (kurz D&I). Geleitet wird es von Professorin Dr. Michaela Vogt, tatkräftig unterstützt von Dr. Amelie Labusch. Ihre Arbeit ist ein Beispiel dafür, was in der NEOLAiA-Allianz alles passiert – ein Interview.
In Ihrem Arbeitspaket geht es um „Diversität und Inklusion“ – woran arbeiten Sie genau?
Michaela Vogt: Wir treiben den Verständigungsprozess über Inklusion und Diversität auf der europäischen Ebene voran: Wie leben die NEOLAiA-Partnerhochschulen Vielfalt und Teilhabe in ihrem Land, in ihrer Region, in ihrer Institution? Wo und wie konkret im jeweiligen Universitätsalltag?
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Amelie Labusch: Wir konzentrieren uns in jeder NEOLAiA-Partnerhochschule gezielt auf positive Beispiele und Stärken im Umgang mit Inklusion und Diversität, anstatt Defizite zu suchen.
Michaela Vogt: Und wir fragen uns: Welche gelebten Praktiken sind so herausragend, dass wir sie europaweit teilen wollen – innerhalb von NEOLAiA und darüber hinaus? Wir möchten dabei die Studierenden, Mitarbeitenden in Technik und Verwaltung, Forschenden und Lehrenden innerhalb unserer Europäischen Hochschule teilhaben lassen.
Nehmen Sie uns bitte mit in Ihre Work Package-Arbeit. Wie läuft so eine Zusammenarbeit ab?
Michaela Vogt: Grundsätzlich gilt für alle Work Packages, dass sie die Zusammenarbeit in NEOLAiA strukturieren. Wir widmen uns als Allianz ja sehr vielfältigen Themen: von gemeinsamer Forschung und Lehre über europaweite Mobilität für Studierende, Forschende und Verwaltungsmitarbeitende bis hin zu Diversität und Inklusion in unserem Arbeitspaket. Die Allianz hat gegenüber der Europäischen Kommission Ziele im geförderten Antrag formuliert und diese mit Meilensteinen und Aufgaben verknüpft. Und jetzt arbeiten alle Arbeitspakete an vielen kleinen und großen Etappenzielen.
Amelie Labusch: In unserem Arbeitspaket kommen wir einmal im Monat mit den europäischen Kolleg*innen digital zusammen und definieren die nächsten zu meisternden Aufgaben. Ähnlich wie andere NEOLAiA-Arbeitspakete stehen wir hierfür im engen und regelmäßigen Kontakt mit Vertreter*innen aller Partnerhochschulen: von Wissenschaftler*innen bis Verwaltungsmitarbeitenden, von der Rechtswissenschaft bis zur Pädagogik. In unserem Arbeitspaket haben alle sogenannten D&I-Delegierten Expertise in Diversität und Inklusion. In intensiven Arbeitsphasen takten wir die Treffen enger und kommen auch persönlich zusammen. Vergangenen November zum Beispiel: Da haben wir als Work Package drei Tage lang in Bielefeld an unserem nächsten Meilenstein, der Diversity and Inclusion NEOcharter gearbeitet.
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Für die NEOcharter gehen wir in drei Schritten vor: Unsere D&I-Delegierten haben die zentralen und wichtigsten Punkte ihrer jeweiligen Hochschulleitlinien zu Diversität und Inklusion zusammengetragen. Parallel sind wir als Bielefelder Arbeitspaket-Verantwortliche zu allen NEOLAiA-Standorten in Europa gereist, um uns auch vor Ort einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Zur NEOcharter ist übrigens auch bereits ein Whitepaper in englischer Sprache entstanden.
Michaela Vogt: Uns war wichtig zu verstehen: Was sind die Stimmen der Studierenden und Mitarbeitenden der Universitäten zu den institutionellen Leitlinien? Wo sehen sie Inklusion und Diversität an ihrer Hochschule gelebt? Wir haben eine Umfrage an allen NEOLAiA-Hochschulen durchgeführt und haben uns die Sichtweisen in zusätzlichen persönlichen Interviews erklären lassen. Alle Teilergebnisse haben wir zusammengefasst und beim Meeting in Bielefeld im November intensiv diskutiert. Dieses hohe Maß an Partizipation ist die Grundlage unserer NEOcharter.
Die Zusammenarbeit mit Partner*innen unterschiedlicher Kulturen und Hochschulen ist sicherlich eine Herausforderung …
Michaela Vogt: Wir haben als Gruppe von Anfang an sehr offen und herzlich zusammengearbeitet – und im positiven Sinne kritisch. Wir lernen fortwährend voneinander und gehen aufeinander ein. So hat unser persönliches Treffen in Bielefeld für das Erarbeiten der NEOcharter zum Beispiel nach drei Tagen zu einer vollständigen Umarbeitung der Skizze geführt, mit der wir zu Beginn des Meetings gestartet sind. Und es ist ein besserer Text geworden! Unerlässlich war dabei die Unterstützung der lokalen Bielefelder Expert*innen – zum Beispiel von der Zentralen Anlaufstelle Barrierefrei, der Gleichstellung, der Diversität und vom Familienservice.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Meilenstein NEOcharter?
Michaela Vogt: Die Finalisierung der im persönlichen Treffen veränderten Version und die Gänge durch die Gremien an allen Partnerhochschulen wie auch in Bielefeld stehen nun an. Mit der Unterzeichnung der NEOcharter durch alle Allianzmitglieder im Mai verpflichten sich diese, ihren Umgang mit Inklusion und Diversität prinzipiell an dem Rahmenpapier auszurichten. Dazu gehört auch, dass sie sich Gedanken über Aktionspläne machen. Das sind konkrete Maßnahmen an der jeweiligen Hochschule im Sinne von Diversität und Inklusion. Die NEOcharter wird damit eine Initialzündung, um das Themenfeld an unseren europäischen NEOLAiA-Partnerhochschulen und auch bei uns weiter zu stärken.
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Was sind weitere Aufgaben und Meilensteine Ihres Work Packages?
Amelie Labusch: Wir arbeiten zudem an einer Datenbank mit Best Practice Beispielen zu Diversität und Inklusion an den NEOLAiA-Hochschulen. Außerdem planen wir erste NEOlive-Events zum Themenfeld, an denen Partner*innen der Allianz und darüber hinaus persönlich oder digital teilnehmen können. Ab 2026 stehen Trainingsmodule als Angebote für alle Statusgruppen der NEOLAiA-Partnerhochschulen auf dem Plan, um den Umgang mit Diversität und Inklusion auf allen Ebenen zu fördern.
Zum Abschluss: Was macht eigentlich eine funktionierende Zusammenarbeit auf europäischer Ebene aus?
Amelie Labusch: Bei unserer Arbeit erfahren wir herzliche Gastfreundschaft und großzügige Unterstützung von all unseren Partner*innen, wofür wir sehr dankbar sind. Es beeindruckt mich, wie offen alle Beteiligten gemeinsam an die vielschichtigen Aufgaben herangehen. Und dabei ist ja klar, dass bei einem so großen Projekt nicht immer alles perfekt läuft, aber gemeinsam finden wir immer Lösungen.
Michaela Vogt: Die Grundlage der Zusammenarbeit der neun NEOLAiA-Partner*innen ist Vertrauen. Hier bestehen viele langjährige, vertrauensvolle Beziehungen, die wir aktuell fortwährend erweitern. Langfristig ist es für uns alle jedoch vor allem wichtig, diese Beziehungen in Strukturen zu übertragen. Wir möchten NEOLAiA so ausbauen und strukturell verankern, dass die Allianz stabil weiter wachsen und wirken kann.