Über die Verbreitung und die sozialen Auswirkungen von Neuro-Enhancement spricht der Soziologe Dr. Sebastian Sattler im neuen research_tv-Interview. Neuro-Enhancement bezieht sich auf Methoden, die das Gehirn leistungsfähiger machen sollen. Sattler leitet die bislang größte repräsentative Studie zu Verbreitung und Ursachen von Neuro-Enhancement in Deutschland. Er gehört auch zum Leitungsteam einer bevorstehenden Tagung zu interdisziplinären Perspektiven auf Neuro-Enhancement am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld.
Das Phänomen, was wir jetzt betrachten, ist auch eins von diesen Phänomenen. Also Menschen versuchen jetzt mittels Stimulanzien zum Beispiel ihre Konzentration zu steigern, ihre Merkfähigkeit, ihre Aufmerksamkeit. Teilweise machen sie das aber auch nur in der Hoffnung, dass es irgendwas bringt. Es ist nicht zwangsläufig so, dass man das, was man schluckt, auch wirklich dann am Ende merkt, im Sinne von einer Leistungssteigerung.
Also erste Diskussionen zu dem Thema fangen mit dem Thema Honig an. Also Menschen haben, ich glaube, um sportliche Leistungen zu bringen oder höhere Leistung zu bringen, haben sie Honig oder honigähnliche Substanzen genommen, um sich zu dopen in einer gewissen Weise. Jetzt, bei unserem Thema kognitiven Enhancement, da geht es häufig um zum Beispiel Koffein, aber auch Teein kann zum Beispiel schon die Leistung fördern. Es geht aber hin bis zu Kokain oder anderen, auch illegalen Substanzen.
Wir sehen auf jeden Fall, dass so was wie Statusstreben, aber auch Statusangst und Wettbewerb alles zusammen die Einnahmebereitschaft beeinflussen. Das heißt, das ist schon mal ein Phänomen, dass Menschen aufgrund dieser drei Phänomene bereit sind, auch Risiken in Kauf zu nehmen, Gesundheitsrisiken in Kauf zu nehmen. Und das ist natürlich ein Problem, dass sie aufgrund von externen Zwängen sich dazu genötigt fühlen teilweise, Mittel einzunehmen, die ihre Gesundheit mittelfristig oder langfristig beeinträchtigen kann.
Es gibt ja einige Berufsfelder, wo es einen erhöhten Stress gibt und einen erhöhten Druck, gut abzuliefern. Ärztinnen und Ärzte sind zum Beispiel so ein Beruf. Und wir wollten zum Beispiel wissen: Wie bewerten Menschen das, wenn ein Arzt oder eine Ärztin vor einer OP so was nimmt? Und da haben wir rausgefunden, dass es moralisch als sehr negativ bewertet wird und das auch die Bereitschaft senkt, sich von so einer Person behandeln zu lassen.
Also es gibt einige Studien mittlerweile, die auch untersuchen, wie wirken eigentlich diese Mittel bei gesunden Menschen? Denn dann ist ja eigentlich die wichtige Frage, Die wurden ja eigentlich für Menschen zur Behandlung, zum Beispiel von ADHS oder Demenz entwickelt. Und die Frage ist, wie wirkt sich das bei gesunden Menschen aus? Und da gibt es einige Studien, die zeigen, das hat eigentlich nicht den erwünschten Effekt. Andere Studien zeigen, dass es eher so mittlere Effekte gibt. Das heißt, die Leute, die das nehmen, die überschätzen eigentlich häufig das, was die Substanzen wirklich können.
Sebastian Sattler berichtet im Interview, dass viele Menschen bewusst Substanzen wie Koffein oder Medikament einsetzen, um ihre kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern. „Menschen haben schon immer versucht, ihre Leistung in irgendeiner Form zu steigern“, sagt er. Diese Tendenz reicht bis zur Nutzung illegaler Mittel wie Kokain.
Doch wie steht es um die Akzeptanz solcher Mittel in anspruchsvollen Berufsfeldern wie der Medizin? Wie beeinflusst der Konsum das Vertrauen in die Fachkräfte? Darauf geht Sebastian Sattler im research_tv-Interview ein.