Welche Hürden gibt es für Frauen, die Führungspositionen im Sport anstreben? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Forschung der Bielefelder Sportwissenschaftlerin Dr. Lara Lesch. In ihrer, mit dem 1. FeMaLe-Forschungspreis des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) prämierten Dissertation „Women in sport leadership: A multi-level perspective“ („Frauen in Führungspositionen im Sport: Eine mehrstufige Perspektive“) untersucht sie die strukturellen Barrieren und gesellschaftlichen Dynamiken, die Frauen den Zugang zu Führungsrollen erschweren. Ihre Arbeit beleuchtet dabei, wie Geschlecht als zentrale Analysekategorie fungiert und welche Veränderungen notwendig sind, um Chancengleichheit im Sport zu fördern. Seit Oktober 2024 untersucht Lesch im ebenfalls vom BISp-geförderten Anschlussprojekt „LeadGap“ unter anderem, wie sich die Situation von Frauen in Führungspositionen in deutschen Sportverbänden in den letzten vier Jahren verändert hat. Im Kurzinterview spricht sie über die Schwerpunkte und Aktualität ihrer Forschung.
Welche Bedeutung sehen Sie im Gewinn des FeMaLe Forschungspreises für Ihre zukünftige Forschung?
Der Preis verdeutlicht, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Sport auch von Seiten der Politik Aufmerksamkeit erhält und Forschung in diesem Bereich explizit erwünscht ist und geschätzt wird. Das ist zum einen eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit, zum anderen motiviert das durch den Preis ausgedrückte Interesse und die Unterstützung uns auch, weiterhin Projekte mit dieser Thematik zu bearbeiten. Seit Oktober 2024 läuft das vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderte Anschlussprojekt „LeadGap“, in dem Professorin Dr. Pamela Wicker und ich untersuchen, inwiefern sich die Situation von Frauen in Führungspositionen in deutschen Sportverbänden in den letzten vier Jahren verändert hat, welche Ursachen für die Entwicklung identifizierbar sind und inwiefern sich Sportverbände bewusst sind, welche Signale die geschlechtsbezogene Besetzung des Vorstandes nach außen sendet, zum Beispiel an Athlet*innen, die über ihre nachsportliche Karriere nachdenken.
© Laurin Schmid
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für Frauen, die Führungsrollen im Sport anstreben?
Die Hürden zu Geschlechtergerechtigkeit im Sport sind multifaktoriell und erstrecken sich über verschiedene Ebenen. Auf Makroebene spielen gesamtgesellschaftliche Rollenbilder aber auch die politische, soziale und ökonomische Situation in der Umgebung von Sportverbänden eine zentrale Rolle. Hier könnte politischer und gesellschaftlicher Druck zu einer Veränderung beitragen. Auf Mesoebene sind es Faktoren wie die vorherrschende Organisationskultur, die historisch bedingt oftmals männlich konnotierte Rollenattribute und verbundene Hierarchien reproduziert. Richtlinien, Ziele oder Strategien zur verbesserten Einbindung von Frauen in Führungspositionen gibt es nur in wenigen deutschen Sportverbänden. Hier braucht es ein Bewusstsein für die Bedeutung des Themas und Kenntnis über potenzielle Vorteile von Geschlechterdiversität in Führungsgremien, beispielsweise bessere Entscheidungsprozesse und Organisationsleistung. Auf Mikroebene wurde bisher häufig die Notwendigkeit, Frauen für Führungspositionen besser zu qualifizieren beziehungsweise vorzubereiten, in den Vordergrund gerückt, zum Beispiel durch Mentoringprogramme. In unserer Forschung deutet sich aber an, dass Veränderungen eher auf den anderen beiden Ebenen stattfinden müssen.
Wie könnte Ihre Forschung langfristig dazu beitragen, den Gender Gap im Leistungssport weiter zu schließen?
Durch die Preisverleihung hat unsere Arbeit eine größere Aufmerksamkeit erhalten, auch im organisierten Sport. Diese Sichtbarkeit ist elementar, um die Relevanz und Notwendigkeit von Veränderungen zur Verringerung des Gender Gaps in die Organisationen vermitteln zu können. Dennoch zeigen die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, dass Sportorganisationen eher resistent gegenüber Veränderungen im Allgemeinen und hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit im Speziellen sind – historisch gewachsene Strukturen und Prozesse müssten verändert und gegebenenfalls auch Positionen frei gemacht werden. Die Situation in anderen Ländern zeigt, dass sportpolitischer Druck und Anreizsysteme, beispielsweise durch die Verknüpfung von Forderungen hinsichtlich der Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen und Fördermitteln, ein erster Schritt sein können.