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Konferenz zur Technologie der Argumentations-Maschinen


Autor*in: Universität Bielefeld

Millionen Diskussionsbeiträge zu Themen wie Geflüchteten oder Handelsabkommen – im Internet sind Debatten oft nur schwer zu überblicken. Intelligente Systeme, die argumentative Strukturen automatisch analysieren und übersichtlich darstellen, sollen Abhilfe schaffen. Vom 5. bis 7. Juni wird an der Universität Bielefeld die erste internationale Konferenz zu robusten Argumentations-Maschinen ausgerichtet (Ratio-24). Dort präsentieren Wissenschaftler*innen, wie Argumente aus riesigen Textmengen automatisch analysiert werden können und wie sie dabei neuartige Sprachmodelle einsetzen.

In vielen Bereichen werden weitreichende Entscheidungen durch Abwägen von Argumenten getroffen, sei es in der Politik, Medizin oder Wissenschaft. Doch die riesigen Datenmengen, die sich online angesammelt haben, machen es aufwändig, alle relevanten Argumente systematisch zu identifizieren und zu strukturieren. Das bundesweite Schwerpunktprogramm Ratio arbeitet seit 2017 an intelligenten Systemen, die Argumentationsstrukturen automatisch analysieren und übersichtlich darstellen können. Das Programm wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und von der Universität Bielefeld geleitet.

Prof. Dr. Philipp Cimiano (mit Brille, Arme verschränkt) steht in einem Foyer mit großen Fenstern im Hintergrund
Prof. Dr. Philipp Cimiano von der Uni Bielefeld koordiniert das Schwerpunktprogramm zu Argumentations-Maschinen seit 2017.

„Wir wollen den Kern von Argumentationen erfassen: Welche Prämissen führen zu welchen Schlussfolgerungen? Und wie hängen verschiedene Standpunkte inhaltlich zusammen?“, sagt der Informatiker Professor Dr. Philipp Cimiano von der Universität Bielefeld, der das Programm koordiniert. Statt simpler Stimmungsanalysen sollen die Systeme tiefer gehende Einsichten in die Argumentation liefern.

Die Ergebnisse sind vielseitig einsetzbar – von der Analyse politischer Debatten über Gesundheitsfragen bis hin zu Anwendungen für Behörden, Journalismus und Wissenschaft. „Unsere Systeme bringen Transparenz in die Analyse großer Datenmengen. Sie zeigen, wie wir Technologien für ein besseres gegenseitiges Verständnis nutzen können“, so Cimiano.

Automatische Erstellung von „Argumentations-Landkarten“

Als konkrete Ergebnisse des Schwerpunktprogramms sind Suchmaschinen für Argumente sowie intelligente Assistenten entstanden, die Nutzer*innen bei der Suche nach guten Argumenten für oder gegen Sachverhalte unterstützen. Außerdem wurden Werkzeuge entwickelt, die Online-Debatten zusammenfassen und die zentralen Argumente sowie Narrative, Perspektiven und Framings verschiedener Gruppen darstellen. Dazu gehört die Erstellung von „Argumentations-Landkarten“ für Online-Debatten. Sie visualisieren, aus welchen ideologischen Richtungen mit welchen Argumentationsmustern und Mitteln die verschiedenen Standpunkte vertreten werden.

„Diese Werkzeuge könnten künftig dazu helfen, frühzeitig auf Debatten oder Widerstände bei der Einführung von Gesetzen und Richtlinien zu reagieren“, sagt Cimiano.

Große Sprachmodelle im Fokus

Auf der Konferenz im CITEC-Gebäude der Universität Bielefeld präsentieren Wissenschaftler*innen Entwicklungen dazu, wie Computer Argumente automatisch aus Texten und sozialen Medien extrahieren. Weitere Beiträge befassen sich mit computerlinguistischen Methoden, mit denen die Qualität und Wirksamkeit von Argumenten bestimmt werden.

Bei der automatischen Analyse von Argumenten setzen die Forscher mittlerweile auch auf große Sprachmodelle wie ChatGPT. Sie werden in vielen auf der Konferenz vorgestellten Studien und Teilprojekten des Schwerpunktprogramms Ratio genutzt.

Bekannte Gastredner*innen gehen auf der Konferenz auf Chancen und Herausforderungen der Argumentations-Maschinen ein:

  • Professorin Elena Cabrio PhD von der Université Côte d’Azur spricht darüber, wie solche Systeme für Entscheidungsprozesse in Medizin und Politik eingesetzt werden können.
  • Professor Dr. Henning Wachsmuth von der Leibniz Universität Hannover referiert über den Einfluss, den Große Sprachmodelle auf die Argumentationsanalyse haben.
  • Dr. Yufang Hou von IBM Research Ireland stellt Methoden vor, mit denen wissenschaftliche Dokumente erschlossen werden können.

60 Wissenschaftler*innen nehmen an der Konferenz teil. Sie kommen größtenteils aus der Informatik, Mensch-Maschine Interaktion und Computerlinguistik, außerdem aus den Politikwissenschaften. Mediziner*innen und Naturwissenschaftler*innen waren an vielen Projekten beteiligt, die auf der Konferenz vorgestellt werden.

Regulierung als Herausforderung

Einige Arbeiten im Schwerpunktprogramm haben gezeigt, dass Argumente zielgenau für bestimmte Zielgruppen automatisch generiert werden können. Das kann dazu führen, dass die öffentliche Meinungsbildung zunehmend mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) manipuliert wird. „Hier sind Gesetzgeber weltweit gefragt, den Einsatz von KI für manipulative Zwecke einzuschränken“, sagt Cimiano.

Die Ergebnisse des Schwerpunktprogramms sind auf viele Anwendungsfälle übertragbar. Bedeutsam ist die öffentliche Politik (Public Policy), die staatliche Maßnahmen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme umfasst. Die neuen Methoden können genutzt werden, um frühzeitig gesellschaftliche Tendenzen zu erkennen und abschätzen, ob staatliche Interventionen auf Zustimmung stoßen würden. Die neue Technologie kann auch eingesetzt werden, um angesichts der global wachsenden Anzahl von Publikationen zentrale wissenschaftliche Hypothesen und Argumente zusammenzufassen – eine große Hilfe für Forschende, etwa in Informatik oder Geisteswissenschaften.

DFG-Schwerpunktprogramm

Die Konferenz bildet den Abschluss des Schwerpunktprogramms „Robust Argumentation Machines“ (RATIO), das seit 2017 als SPP 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde und dieses Jahr endet.  Zum zentralen Koordinationsprojekt des Programms gehören außer Professor Dr. Philipp Cimiano (Universität Bielefeld): Professorin Dr. Anette Frank (Universität Heidelberg), Professor Dr. Benno Stein (Bauhaus-Universität Weimar), Professor Dr. Michael Kohlhase (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sowie Professor Dr.-Ing. Jürgen Ziegler (Universität Duisburg-Essen). Eine Folgekonferenz ist für 2026 geplant.