Kosmologie hat an der Universität Bielefeld eine lange Tradition. Mit Professorin Dr. Cora Uhlemann wird dieses Forschungsfeld um eine Professur erweitert. Das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro geförderte Projekt geht in den kommenden fünf Jahren den Fragen nach, wie Galaxien im Weltall verteilt sind und wie dort großräumige Strukturen entstehen. Damit lassen sich Erkenntnisse über die Entstehung des Universums und dessen weitere Entwicklung ableiten. Cora Uhlemann geht dabei über bisher eingesetzte Methoden hinaus und kann durch neuere Beschreibungen der Verteilung auf die Gravitationskraft von Dunkler Materie schließen.
Die Zusammensetzung unseres Universums, die Bildung und Beschreibung kosmischer Strukturen und deren Verteilung im Weltall, sind Forschungsgegenstände der Kosmologin Professorin Dr. Cora Uhlemann. Seit Anfang März untersucht Frau Uhlemann an der Universität Bielefeld dabei unter anderem, was uns die Anordnung von Millionen von Galaxien entlang einer spinnennetzartigen Struktur über die Vergangenheit und Zukunft unseres Universums verrät. Gefördert wird ihr Forschungsprojekt „Probing cosmic large-scale structure beyond the average” (Untersuchung der kosmischen Großraumstruktur jenseits des Mittelmaßes) für die kommenden fünf Jahre.
Die Forschungsförderung wurde dabei schon für 2023 an Cora Uhlemann vergeben. Geknüpft war die Förderung an das europäische Weltraumforschungsprojekt „Horizon“. Doch der damals an der englischen Newcastle University forschenden Kosmologin war es aufgrund des Ausstiegs von Großbritannien aus dem Projekt nicht mehr möglich, ihren europäischen Starting Grant anzutreten. Cora Uhlemann sah sich nach einem neuen Standort für ihr Forschungsprojekt um. Dabei fiel die Wahl auf die Universität Bielefeld.
Mit einer langen Kosmologie-Historie ist die Universität Bielefeld eine namhafte Institution, wenn es um die Erforschung des Weltalls geht. Somit fiel es Cora Uhlemann nicht allzu schwer, sich für den Forschungsstandort am Teutoburger Wald zu entscheiden.
Den Kosmos auf den größten Skalen beschreiben
Das Forschungsgebiet von Cora Uhlemann ist der Aufbau des Universums. Genauer geht es um die Verteilung von Milliarden von Galaxien im Weltall. Eine schier kaum vorstellbare Menge von Beobachtungsdaten erfordert die Kompression in informative zusammenfassende Statistiken und Modellberechnungen, um daraus Rückschlüsse auf die Bausteine des Universums zu ziehen. Daten dafür soll das Weltraumteleskop Euclid der Europäischen Weltraumorganisation ESA liefern. Es wurde im Juli 2023 ins Weltall geschossen und wird innerhalb von sechs Jahren mehr als zehn Milliarden Galaxien beobachten.
© Mike-Dennis Müller
Bisher konnten Forschende beobachten, dass die Anordnung von Galaxien im Weltall einem bestimmten Muster folgt. So ist die bisherige Grundlage eine Art Spinnennetz mit charakteristischen Abständen, die jedoch durch eine wichtige Größe maßgeblich beeinflusst werden: die Dunkle Materie. Durch sie tendieren die Galaxien dazu, Ansammlungen zu bilden, da Dunkle Materie über weitaus stärkere Anziehungskraft verfügt. Die Verteilung der Galaxien kann Kosmolog*innen darüber Aufschluss geben, wie sich das Universum verändert. Etwa, ob es schneller oder langsamer expandiert. Wenn sich das Universum schneller ausdehnt, könnte das die Dichte der dunklen Materie soweit verdünnen, dass sich in Zukunft keine neuen kosmischen Strukturen mehr bilden können.
© ATG / ESA
Bisherige Beobachtungen der Forschenden zeigen, dass normale Materie wie die Atome und Elemente aus denen unser Sonnensystem besteht, nur 5 Prozent der Energiedichte unseres aktuellen Universums ausmachen. Die restlichen 95 Prozent sind mysteriöse dunkle Zutaten: Dunkle Materie, die durch ihre Gravitationskraft die Strukturbildung im Universum befördert und die Dunkle Energie, die die Expansion des Universums vorantreibt.
Von 2-Punkt- zur 1-Punkt-Statistik
„In unserer Forschungsgruppe arbeiten wir daran, genau vorherzusagen, wie die Gravitation die Galaxienverteilung prägt, sodass die meisten Regionen ziemlich leer sind, man aber auch einige Regionen mit sehr vielen Galaxien findet. Durch den Vergleich von eher leeren und eher vollen Regionen können wir auch unterschiedlichen Teilchen besser auf die Spur kommen. Wir wissen zwar, dass es Dunkle Materie geben muss, um eine Vielzahl an Beobachtungen zu erklären. Wir wissen aber noch nicht, wie schwer diese Teilchen sind“, erklärt Cora Uhlemann ihren Forschungsschwerpunkt.
Bisher wird die Galaxienverteilung mit einer sogenannten 2-Punkt-Statistik festgehalten. Mit ihr lässt sich beschreiben, wie viele Galaxien in einem gewissen Abstand zueinanderstehen. Diese Beschreibung ist jedoch nicht aussagekräftig genug, um unterschiedliche physikalische Prozesse zu unterscheiden. Die 1-Punkt-Statistik erfasst zusätzliche Merkmale der netzartigen Struktur. Dabei gilt: Masse geht zu Masse. Die Galaxienverteilung hat sich in den letzten zehn Milliarden Jahren unter dem Wechselspiel der Schwerkraft der Dunklen Materie und der Expansion durch die Dunkle Energie des Universums entwickelt.
© Mike-Dennis Müller
Theoretische Modelle zur Bestimmung Dunkler Materie
Kosmolog*innen wie Cora Uhlemann suchen dabei nach einer Beschreibung für die bisher nur durch Indizien nachzuweisende Dunkle Materie. Die sichtbare Materie besteht aus Elementarteilchen. Dazu zählen Protonen oder Neutronen. Die Natur der Dunklen Materie ist hingegen bisher unbekannt. Die Dunkle Materie kann aktuell nur indirekt durch ihre Gravitationskraft beobachtet werden. Weder das menschliche Auge noch Teleskope können die Wirkung Dunkler Materie direkt wahrnehmen, da sie kaum mit Licht in Wechselwirkung tritt. Insgesamt umfasst die mögliche Masse von Dunkler Materie 80 Größenordnungen, von einem Trilliardstel der Masse von extrem leichten Neutrinos bis zu kompakten Objekten so schwer wie die Sonne. Uhlemann forscht daran, sehr leichte Teilchen, die sich eher wie Wellen verhalten, von schwereren Teilchen zu unterscheiden, die eher zusammenklumpen. Auch diese Größen sind ein wesentlicher Teil, um letztendlich Galaxien und deren Verteilung beschreiben zu können.
In Bielefeld wird Frau Uhlemann in den kommenden Jahren daran arbeiten, Methoden zu entwickeln, um die Beobachtungen von Millionen von Galaxien effizient zusammenzufassen und durch den Vergleich mit theoretischen Vorhersagen herauszufinden, welche Eigenschaften die Dunkle Materie, die Dunkle Energie und das frühe Universum haben.
© Mike-Dennis Müller