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Sprachliche Kreativität in der Kommunikation


Autor*in: Universität Bielefeld

Unser wichtigstes Kommunikationsmittel, die Sprache, verändern wir stetig und passen sie aktuellen Gegebenheiten und Neuerungen an. In dem neuen Sonderforschungsbereich „Sprachliche Kreativität in der Kommunikation“ (SFB 1646) der Universität Bielefeld untersuchen Linguist*innen mit Kolleg*innen aus anderen Disziplinen den kreativen Prozess der sprachlichen Anpassung und Neuschöpfung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat heute (24.11.2023) die Bewilligung des SFB bekannt gegeben. Gefördert wird der neue SFB zunächst rund vier Jahre von der DFG. In einem Zeitraum von bis zu zwölf Jahren werden in dem Verbund Phänomene der sprachlichen Kreativität ermittelt, analysiert und in einen umfangreicheren Diskurs gestellt. Die Fördersumme für den SFB beträgt bis zu zwölf Millionen Euro.

„Sprache ist die Basis unserer Kommunikation“, sagt Professor Dr. Ralf Vogel. „In einer sich ständig verändernden Welt muss sie es uns ermöglichen, neue Gedanken und Erfahrungen effektiv auszudrücken. Oftmals ist dann sprachliche Kreativität gefragt, um unbekannte Situationen oder Phänomene zu beschreiben.“ Vogel gehört als Sprecher zum Koordinator*innen-Team des künftigen SFB – gemeinsam mit den Co-Sprecherinnen Professorin Dr. Joana Cholin und Professorin Dr. Jutta Hartmann.

„Die neue Förderung zur wissenschaftlichen Arbeit zur Kreativität der Sprache verdeutlicht, wie wegweisend das Verbundprojekt der antragstellenden Forscher*innen ist“, sagt Professorin Dr. Christiane Fuchs, Prorektorin für Forschung und Forschungsvernetzung der Universität Bielefeld. „Ich danke allen am Antrag Beteiligten für ihr großes Engagement und gratuliere herzlich zu der Bewilligung.“

Professor Dr. Johannes Voit, Dekan der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft: „Die Entscheidung der DFG, diesen Sonderforschungsbereich einzurichten, freut uns außerordentlich. Sie ist Ausdruck und Anerkennung der linguistischen Spitzenforschung an der Universität Bielefeld – Gratulation zu diesem herausragenden Erfolg.“

Gruppenbild mit den Professor*innen Dr. Jutta Hartmann, Dr. Ralf Vogel und Dr. Joana Cholin.
Sie koordinieren den neuen Sonderforschungsbereich der Universität Bielefeld (v.li.): die Professor*innen Dr. Jutta Hartmann, Dr. Ralf Vogel und Dr. Joana Cholin.

Sprachliche Kreativität in der Kommunikation ist allgegenwärtig

Kommunikation spielt eine zentrale Rolle bei der Konstruktion und dem Verstehen sozialer Wirklichkeit. Die Effizienz von Sprache als Werkzeug der Kommunikation wird auf einen hohen Grad an Regelhaftigkeit zurückgeführt. Gleichzeitig ist sprachliche Kreativität im Alltag notwendig, um eine veränderliche Welt abzubilden. Es ist überraschend, dass kreativer Sprachgebrauch – also die Bildung von neuen Ausdrücken und Abweichungen von den Konventionen – das Gelingen von Kommunikation kaum beeinträchtigt. Eine zentrale Frage für den SFB 1646 ist deshalb, welche Bedingungen für den Erfolg kreativen Sprachgebrauchs erfüllt sein müssen, und wie wir dies im Gespräch absichern.

Dabei werden Phänomene auf allen Ebenen der Sprachbetrachtung untersucht, von der lautlichen über die grammatische bis zur Bedeutungsebene, einschließlich der Gestik und weiterer Aspekte der kommunikativen Interaktion. Neben einem Fokus auf Individualität wird auch kreativer Sprachgebrauch unter besonderen Bedingungen erforscht wie dem Sprechen in einer Nicht-Muttersprache, in verschiedenen Phasen des Spracherwerbs und bei Menschen mit sprachlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Forschungsschwerpunkt mit Beteiligungsmöglichkeiten für Interessierte

„Die sprachliche Kreativität in der Kommunikation wird in der Fachwelt als hochaktuelles, aber auch schwieriges Forschungsthema angesehen“, sagt Joana Cholin vom Koordinator*innen-Team des SFBs. „Wir stellen uns dieser Herausforderung und sind froh, dass dieser Mut belohnt wird. Mit diesem neuen Forschungsschwerpunkt wird die Linguistik der Universität Bielefeld national und international weiter an Ansehen gewinnen.“

Ihre Kollegin Jutta Hartmann erläutert: „Unser Sonderforschungsbereich will darüber hinaus auch die großen Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit, die das Thema bietet, nutzen und ausbauen. Wir freuen uns besonders auf die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit: Wir werden mit der Entwicklung neuer Forschungsmethoden der Citizen Science in der Linguistik Neuland betreten. Viele unserer Projekte bieten für alle an Sprache und Sprachwissenschaft Interessierten niederschwellige Möglichkeiten, sich an unserer Forschung zu beteiligen.“

Im neuen Sonderforschungsbereich soll in drei Förderphasen das Phänomen der sprachlichen Kreativität beobachtet, analysiert und erfasst werden. Die hauptsächlich linguistische Herangehensweise wird durch eine interdisziplinäre Perspektive ergänzt von Forscher*innen aus Informatik, Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie. Beteiligt sind außerdem die Disziplinen Rechtswissenschaft und Wissenschaftskommunikation, die in Teilprojekten rechtliche Aspekte des wissenschaftlichen Datenmanagements sowie die Möglichkeiten vertiefter Interaktion zwischen Linguistik und Öffentlichkeit erforschen. In der jetzt bewilligten ersten Förderphase des SFB wird vor allem die Ermittlung der Phänomene der sprachlichen Kreativität eine große Rolle spielen – etwa beteiligte sprachliche Prinzipien und Mechanismen, kognitive Faktoren und die Entwicklung eines differenzierten Inventars an empirischen Messgrößen sprachlicher Kreativität.

In der möglichen zweiten Phase wollen die Forschenden den Zusammenhang dieser Faktoren untersuchen, ebenso kontextuelle und soziale Bedingungen des kreativen Sprachgebrauchs. In einer dritten Förderphase sollen die bisherigen Erkenntnisse in einer umfassenderen Theorie der sprachlichen Kreativität miteinander verknüpft werden. Ziel ist es, die theoretischen, empirischen, computer- und psycholinguistischen Perspektiven sowie allgemein kognitiven Aspekte zusammenzuführen.

Siebter Sonderforschungsbereich der Universität Bielefeld

Für die Universität Bielefeld wird der SFB 1646 künftig der siebte Sonderforschungsbereich sein. Davon sind drei in Gänze in Bielefeld angesiedelt, während es sich bei den anderen um Transregio-Sonderforschungsbereiche (SFB/TRR) handelt, in denen Forschende verschiedener Universitäten zusammenarbeiten.

Der SFB 1288 der Universität Bielefeld beschäftigt sich mit den historisch variablen Praktiken des Vergleichens. Seine zweite Förderphase läuft bis Ende 2024. Der SFB/TRR 318 zur Erklärbarkeit von Künstlicher Intelligenz, für den die Universitäten Bielefeld und Paderborn kooperieren, wird in der ersten Förderphase bis Ende 2025 gefördert. Der SFB 1283 zur Erforschung des Zufalls befindet sich in der zweiten Förderphase bis Ende 2025, ebenso der SFB/TRR 211, ein Verbund mit der Technischen Universität Darmstadt und der Goethe-Universität Frankfurt – darin untersuchen Physiker*innen die Wechselwirkungen von Materie unter extremen Bedingungen. Im SFB/TRR 212 wird erforscht, warum Tiere ganz individuell ihre eigene, unverwechselbare Nische im Ökosystem wählen. Für den Verbund kooperieren die Universitäten Bielefeld und Münster seit 2018. Seine zweite Förderphase läuft bis Ende 2025. Im SFB/TRR 358 untersuchen Forscher*innen aus Bielefeld und Paderborn seit Beginn 2023 ganzzahligen Strukturen in Geometrie und Darstellungstheorie. Über ihre künftig sieben Sonderforschungsbereiche hinaus ist die Universität Bielefeld an fünf weiteren dieser Verbünde beteiligt.

Sonderforschungsbereiche sind langfristig angelegte Forschungseinrichtungen der Universitäten, in denen Wissenschaftler*innen im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Sie werden von der DFG finanziert und ermöglichen die Bearbeitung anspruchsvoller, aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben. Die Dauer der Förderung beträgt im Idealfall zwölf Jahre, wobei eine Förderperiode vier Jahre umfasst.