Ob Ruhrdeutsch in Dortmund, Hessisch in Frankfurt oder Berlinisch in Berlin: an unterschiedlichen Orten in Deutschland reden die Menschen verschieden und haben abweichende Vorstellungen davon, welches sprachliche Verhalten als sozial angemessen gilt. Ein neues Forschungsprojekt von Sprachwissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, der Freien Universität Berlin und den Universitäten Salzburg und Zürich will den regionalen Sprachgebrauch im gesamten deutschsprachigen Raum untersuchen. Die Linguistin Professorin Dr. Tanja Ackermann forscht in Bielefeld im Bereich der Variation im Sprachgebrauch und erklärt, warum ihr Forschungsprojekt in der Variationslinguistik bisher weitestgehend unerforscht wurde, obwohl es bereits ein großes öffentliches Interesse an den Unterschieden im kommunikativen Verhalten im deutschsprachigen Raum gibt.
© Universität Bielefeld
Was hat Sie motiviert, diese Varianten im Sprachgebrauch in einem trinationalen Projekt zu untersuchen?
Tanja Ackermann: Für das Deutsche gibt es nur wenige Studien, die sich mit kommunikativen Mustern (wie z.B. Routinen beim Grüßen oder Reaktionen auf Dank) beschäftigen und dabei regionale Variation berücksichtigen. Diese basieren zudem meist auf vergleichsweise kleinen Datenmengen. Die dünne Forschungslage steht bemerkenswerterweise in starkem Kontrast zum öffentlichen Interesse an Unterschieden im kommunikativen Verhalten, was zahlreiche Blogs, Beiträge in der Ratgeberliteratur oder Forendiskussionen zu diesem Thema zeigen – wodurch wir schließlich auf dieses Thema gestoßen sind. Wenn man selbst viel im deutschsprachigen Gebiet herumkommt, fallen einem immer wieder kommunikative Unterschiede auf – sei es bei Bestellungen im Restaurant oder bei der Anrede von Leuten –, die man gerne systematisch vergleichend untersuchen möchte.
Was ist der Unterschied dieser Studie, bezogen auf die bisher schon gut untersuchten Dialekte im deutschsprachigen Raum?
Tanja Ackermann: Während es innerhalb der Variationslinguistik bereits viel Forschung zu Unterschieden in der Aussprache (z.B. Könik vs. Könich), dem Wortschatz (z.B. Semmel vs. Schrippe) und der Grammatik (z.B. der Virus vs. das Virus) des Deutschen in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz gibt, ist die pragmatische Dimension, also das kommunikative Verhalten, bislang kaum untersucht worden. Außerdem ist es uns wichtig, nicht nur Dialekte oder die nationalen Standardsprachen zu untersuchen, sondern jede Art von Alltagssprache. Dabei wird es interessant sein, herauszufinden, ob Unterschiede mit nationalen Grenzen und/oder traditionellen Dialektregionen zusammenfallen oder ob sich andere Areale zeigen.
Sie sagen, dass Unterschiede im Kommunikationsverhalten immer wieder zu Missverständnissen und Irritationen zwischen Personen aus unterschiedlichen Gebieten führen können. Haben Sie dafür ein entsprechendes Beispiel?
Tanja Ackermann: Wie der öffentliche Diskurs und Interviews zeigen, gibt es ein großes Bewusstsein für Unterschiede im kommunikativen Verhalten – gerade zwischen Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz. Beispielsweise wurde uns von einer Deutschen, die in Zürich arbeitet, berichtet, dass ein Arbeitsauftrag so indirekt formuliert war, dass sie ihn gar nicht als solchen empfunden hat. Das hat logischerweise zu Irritationen auf beiden Seiten geführt. Solchen Anekdoten wollen wir nun systematisch nachgehen.
Weitere Informationen:
Mehr zum Forschungsprojekt „Variantenpragmatik des Deutschen“ unter https://www.variprag.net