Nicht nur komplizierte Rechnungen begeistern die Mathematikprofessorin Dr. Claudia Alfes-Neumann, sondern auch die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler*innen. An der Fakultät für Mathematik erforscht sie Modulformen: spezielle Funktionen, die in vielen mathematischen Teilbereichen eine Rolle spielen.
Für Claudia Alfes-Neumann ist Mathematik manchmal wie Magie: „Unsere Rechnungen sind sehr komplex, oft dauert es Monate, um sie zu verstehen – und dann greifen die Dinge am Ende ineinander. Das fasziniert mich sehr.“ Alfes-Neumann ist seit 2021 Arbeitsgruppenleiterin an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld und forscht zu Modulformen.
Modulformen sind spezielle mathematische Funktionen. Besonders wichtig sind sie in der Zahlentheorie, einem Bereich der Mathematik, der sich mit Eigenschaften von Zahlen beschäftigt. „Modulformen können zum Beispiel verwendet werden, um etwas zu zählen“, sagt Alfes-Neumann. Etwa wie viele Möglichkeiten es gibt, eine natürliche Zahl als Summe von zwei Quadratzahlen darzustellen: Die Zahl acht lässt sich als 22+22 darstellen, aber auch als (-2)2+(-2)2, 22+(-2)2 und (-2)2+22 .
„Indem wir Modulformen untersuchen, können wir Dinge über andere Probleme in der Mathematik lernen: etwa ob bestimmte Zahlen, die durch geometrische Ausdrücke gegeben sind, zu den rationalen Zahlen gehören“, sagt Alfes-Neumann. Modulformen sind für wichtige mathematische Beweise von Bedeutung: Zum Beispiel spielen Modulformen eine zentrale Rolle in einem Beweis zu dichtesten Kugelpackungen, für den die ukrainische Wissenschaftlerin Maryna Viazovska 2022 die Fields-Medaille erhalten hat, den höchsten Preis in der Mathematik. Forscher*innen haben Modulformen zudem benutzt, um den Großen Satz von Fermat zu beweisen. Dies gilt als einer der wichtigsten Beweise in der Geschichte der Mathematik.
© Universität Bielefeld/Michael Adamski
Mathematische Probleme lösen
Zu ihrem Forschungsgebiet kam Alfes-Neumann durch einen Aufenthalt in den USA. Während ihres Mathematik-Studiums an der RWTH Aachen verbrachte sie ein Jahr an der University of Wisconsin, Madison. „Dort habe ich mich zum ersten Mal intensiv mit Modulformen beschäftigt. Anders als in meinem bisherigen Studium konnte ich mich plötzlich mit mathematischen Problemen auseinandersetzen, die noch keine Lösung hatten“, erinnert sich Alfes-Neumann. Dies fand sie so spannend, dass sie sich für eine Promotion entschied – und gegen ein Angebot einer Unternehmensberatung. Nach Stationen in Darmstadt, Heidelberg, Köln und Paderborn ist Alfes-Neumann nun an der Universität Bielefeld angekommen.
Im Sonderforschungsbereich „Ganzzahlige Strukturen in Geometrie und Darstellungstheorie“ (SFB/TRR 358) ist Alfes-Neumann Mitglied des Vorstands und leitet zwei Teilprojekte. Der Transregio-SFB wird von den Universitäten Bielefeld und Paderborn gemeinsam getragen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den Verbund seit Januar 2023 für zunächst vier Jahre mit 10,7 Millionen Euro. „Im SFB versuche ich unter anderem, Zetafunktionen von Gruppen und Ringen mithilfe von Modulformen zu verstehen. Dazu arbeite ich zum Beispiel mit Forscher*innen aus der Algebra zusammen“, sagt Alfes-Neumann.
„Modulformen sind auch deswegen so interessant, weil sie in vielen mathematischen Bereichen eine Rolle spielen“, so Alfes-Neumann. Solche Synergien will sie mit ihren Kolleg*innen in Zukunft noch systematischer schaffen und ausbauen: „Wir müssen uns stärker über Teildisziplinen hinweg Gedanken machen, was wir bereits können und welche Probleme sich mit diesem Wissen lösen lassen.“
Alfes-Neumann schätzt die Freiheiten, die ihr die Arbeit als Wissenschaftlerin gibt: „Ich kann mich in meinem Büro einschließen und alleine forschen oder mit Studierenden und Doktorand*innen über diese Mathematik diskutieren. Ich kann mich aber auch dazu entscheiden, ein größeres Forschungsprojekt mitzugestalten.“ Zum Beispiel setzt sich Alfes-Neumann für die Förderungen von Frauen ein: Sie organisiert regelmäßige Treffen für weibliche SFB-Mitglieder und veranstaltet zusammen mit Kolleginnen der Universitäten Konstanz und Bremen eine Konferenz, die sich explizit an Mathematikerinnen richtet.
Mathematikerinnen besser vernetzen
„Mathematik ist noch immer ein männerdominierter Bereich. Bei meinem eigenen Studium hat es bis zum vierten Studienjahr gedauert, bis mich das erste Mal eine weibliche Dozentin unterrichtet hat“, sagt Alfes-Neumann. Sie findet es wichtig, Frauen in der Wissenschaft besser miteinander zu vernetzen: „Dadurch gibt es mehr Möglichkeiten, auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen – etwa wie es ist, als Postdoktorandin Mutter zu werden.“
Alfes-Neumann hat einen siebenjährigen Sohn. „Wir machen aber natürlich nicht nur Mathe zusammen“, sagt sie. Alfes-Neumann war lange Zeit als Triathletin auf Wettkämpfen aktiv, geht viel laufen und schwimmen und spielt gerne Fußball – mittlerweile auch beim Bielefelder Professor*innenfußball.