Prof'in Dr. Martina Hofmanová im Portrait

Ein Leben für die Gleichungen


Autor*in: Maria Berentzen

Wenn es kompliziert wird, fühlt die Forscherin sich erst so richtig herausgefordert: Sie versucht herauszufinden, inwiefern sich die Erhaltungssätze aus der Physik in Form von mathematischen Gleichungen aufstellen lassen – und inwieweit sich diese eignen, um turbulente Strömungen in Flüssigkeiten zu beschreiben.

Wenn Dr. Martina Hofmanová über Strömungen in Flüssigkeiten nachdenkt, sitzt sie nicht etwa in einem Labor und lässt dort Wasser durch Röhren schießen. Stattdessen beugt sie sich an ihrem Schreibtisch über ein Blatt Papier, auf dem Gleichungen stehen – und das oft den ganzen Tag lang, sofern ihre Zeit es zulässt. „Das ist wirklich meine Leidenschaft und macht mir außerordentlich viel Freude“, sagt die Professorin für Mathematik an der Universität Bielefeld.

Prof'in Dr. Martina Hofmanová vor einer Tafel
Prof’in Dr. Martina Hofmanová, Fakultät für Mathematik

Die Forscherin befasst sich im Schwerpunkt mit Strömungsmechanik und stochastischen partiellen Differentialgleichungen. Kurz gesagt untersucht sie dabei, wie der Zufall sich auf Strömungen in Flüssigkeiten auswirkt – und inwieweit sich das berechnen lässt. „Ich arbeite mit Gleichungen aus der Physik und will herausfinden, inwiefern es dafür mathematische Lösungen gibt“, sagt sie.

Für ihr Projekt „Mathematical analysis of fluid flows: the challenge of randomness“ (“Mathematische Analyse der Strömungen in Flüssigkeiten: Die Herausforderung der Zufälligkeit“) erhielt sie 2021 eine Förderung durch einen ERC Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro, der an junge Spitzenforschende vergeben wird. Das Projekt läuft noch bis 2026. „Mein Ziel ist es, die passenden Gleichungen zu finden, um solche Strömungen zu beschreiben und herauszufinden, ob die Gleichungen eine Lösung haben“, sagt die Mathematikerin. „Und die Frage ist dabei nicht nur, ob es eine Lösung gibt, sondern vor allem auch, ob eine Lösung eindeutig ist.“

Manchmal ergeben physikalische Gleichungen nämlich auch Lösungen, die gar nicht stimmen können – die aber innerhalb der Gleichung richtig sind. „Wenn ein Wasserglas auf dem Tisch steht und ich es umrühre, dann erwarte ich, dass sich das Wasser in Bewegung setzt und es Verwirbelungen gibt“, sagt die Professorin. Was aber ist, wenn sich das Wasser von selbst, ganz ohne äußere Einflüsse, in Bewegung setzt? „Das ist nicht möglich“, sagt Hofmanová. „Die physikalischen Gleichungen geben eine solche Lösung aber her.“

Deshalb versucht sie herauszufinden, wie sich die Gleichungen so modellieren lassen, dass zutreffende Lösungen herauskommen beziehungsweise wie sich mögliche Lösungen besser einschätzen lassen. „Solche Gleichungen werden beispielsweise auch genutzt, um meteorologische Modelle zu berechnen“, sagt sie. In Wettermodelle fließt eine Vielzahl von Faktoren mit ein, die sich oftmals wechselseitig beeinflussen. „Für die Berechnungen ist es wichtig, dass man unterscheiden kann, welche Lösungen tatsächlich möglich sind und welche nicht.“

Weil nicht nur Wahrscheinlichkeiten eine Rolle spielen, sondern auch der Zufall, findet er ebenfalls Eingang in die Gleichungen – jedenfalls manchmal. „Wir untersuchen im Sonderforschungsbereich 1283, an dem ich beteiligt bin, welche Rolle zufällige Einflüsse spielen und ob wir bessere Ergebnisse erzielen, wenn wir bestimmte Arten von Zufall mit in die Gleichung einbeziehen.“ Der Zufall, der sich fortschreibt, wenn sich etwa Turbulenzen entwickeln und ein Teilchen in einer Flüssigkeit das nächste in Bewegung setzt und es zu chaotischen Verwirbelungen kommt, wird auch als stochastisches Rauschen bezeichnet. „In einigen Situationen und bei einigen Fragen könnten wir tatsächlich von einem geeigneten Rauschen profitieren, aber es gibt nicht in jedem Fall eine Verbesserung.“

Die Lösungen der Gleichungen sind längst nicht nur für die Meteorologie von Bedeutung, sondern sind wichtig für sehr viele Bereiche: Wenn es gelingt, Turbulenzen zu berechnen, sie zu vermeiden oder sogar zu nutzen, kann sich das etwa positiv auf das Flugverhalten von Flugzeugen oder für die Raumfahrt auswirken. „Aktuell geht es aber um Grundlagenforschung“, sagt Hofmanová. Ingenieur*innen und angewandte Physiker*innen verwenden die Gleichungen für reale Simulationen, ganz unabhängig von der Frage, ob es dafür eine solide mathematische Theorie gibt oder nicht. Für die Wissenschaftlerin ergibt es aktuell noch keinen Sinn, die Gleichungen in einem Labor unter Realbedingungen einem Test zu unterziehen – jedenfalls noch nicht. „Der nächste Schritt wäre irgendwann, die Strömungen am Computer zu simulieren.“

Nicht immer gelingt es, einer Gleichung auf dem Papier auf die Schliche zu kommen. Um neue Ideen zu entwickeln und ihre Gedanken einmal schweifen zu lassen, ist die Forscherin gern mit ihrem Rennrad rund um Bielefeld unterwegs. „Auf dem Fahrrad kann ich richtig abschalten und fahre gern stundenlang“, sagt sie. Viel Raum bleibt dafür zuletzt allerdings nicht, denn die Forscherin verbringt gern viel Zeit mit ihrer fast zweijährigen Tochter, die sie gemeinsam mit ihrem Mann aufzieht. Dass sie Mathematik studieren wollte, wurde Hofmanová zum Ende ihrer Schulzeit klar. „Mir ist Mathematik immer sehr viel leichter gefallen als anderen“, sagt sie. „Da habe ich gedacht, dass ich diesen Vorteil ausnutzen muss.“ Etwas schwerer fiel ihr später im Studium die Entscheidung, ob sie sich auf Finanzmathematik oder eher auf stochastische Mathematik spezialisieren sollte. „Ich hatte das Gefühl, dass die stochastische Mathematik schwieriger ist – und das hat mich herausgefordert.“ In Bielefeld, wo sie seit 2017 in diesem Bereich forscht, fühlt sie sich sehr wohl. „Die Fakultät für Mathematik ist sehr forschungsorientiert, was meiner Arbeit sehr entgegenkommt und was ich sehr schätze.“

Zur Person

Martina Hofmanová promovierte an der Karls-Universität in Prag in Tschechien und an der École Normale Supérieure de Cachan in Frankreich. Bevor sie 2017 nach Bielefeld kam, forschte sie ein Jahr in Leipzig am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften und drei Jahre an der Technischen Universität Berlin. Sie ist Mitglied des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1283 an der Universität Bielefeld, in dem die mathematische Theorie des Zufalls eine zentrale Rolle spielt. 2021 wurde sie mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet.