Fast alle Bereiche des menschlichen Lebens werden von Unsicherheiten tangiert. Die Art und Weise wie zum Beispiel Individuen, Institutionen oder politische Entscheidungsträger diese Unsicherheit wahrnehmen und behandeln, ist ein wichtiger Treiber des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels. Sie kann konstruktive und destruktive Auswirkungen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft haben, die es zu bewältigen gilt. Die Konferenz „Navigating Uncertainty: Preparing Society for the Future“ („Navigation von Unsicherheit: Die Gesellschaft auf die Zukunft vorbereiten“), die von Montag, 5. Juni, bis Mittwoch, 7. Juni, im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) an der Universität Bielefeld stattfindet, soll eine Plattform für den interdisziplinären Austausch hierzu bieten.
„Verschiedene Forscher*innen in den Sozial- und Geisteswissenschaften haben im Laufe der Zeit eine Vielzahl von theoretischen und empirischen Ansätzen entwickelt, um die Auswirkungen von Unsicherheit auf individuelle Entscheidungen und soziale Phänomene zu untersuchen und zu interpretieren“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Herbert Dawid: „Mit dieser Konferenz möchten wir sie an einem Ort des interdisziplinären Austauschs zusammenbringen.“
© Universität Bielefeld/M. Adamski
Gemeinsam mit Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, und der Geschichtswissenschaftlerin Professorin Dr. Silke Schwandt koordiniert Dawid eine Forschungsinitiative an der Universität Bielefeld, die sich intensiv mit Unsicherheit beschäftigt. „Lange Zeit ist Unsicherheit als allgegenwärtige Bedrohung betrachtet worden, die es zu kontrollieren und im Zaum zu halten galt. Die Initiative strebt hingegen danach, die Forschung zu Ungewissheiten und Unsicherheiten auf eine breitere Basis zu stellen und voranzubringen“, erklärt Professorin Silke Schwandt. Professor Zick: „Dafür werden die vielfältigen Arten der Navigation von Unsicherheit in den Mittelpunkt gestellt.“ In den vergangenen Monaten fanden bereits mehrere Uncertainty-Talks statt, die durch verschiedene Blickwinkel auf diese Analyse einen Beitrag zum interdisziplinären Verständnis dieses Forschungsansatzes leisten sollten.
Die Konferenz wird in verschiedenen Panels organisiert. Es gibt zwei öffentliche Keynotes von Miriam Posner (University of California, USA) und Carlo Jaeger (Global Climate Forum, Berlin) sowie eine Podiumsdiskussion mit Experten und Stakeholdern aus Politik und Gesellschaft. Zusätzlich wird eine Lightning-Talk-Session mit zugehöriger Poster-Session organisiert.
Eröffnungskeynote zu Varianten der Unsicherheit
Professorin Dr. Miriam Posner spricht am Montag, 5. Juni, zum Thema „Varieties of Uncertainty: Data and/vs. the Humanities“ („Varianten der Unsicherheit: Daten und/oder Geisteswissenschaften“). In ihrem Vortrag sollen die Bedenken einiger Geisteswissenschaftler über das Wachstum der datengesteuerten Wissenschaft erörtert werden. Digitale Humanisten, so das Argument, könnten davon profitieren, wenn sie einige dieser Einwände ernst nehmen. Sie verwiesen auf reale erkenntnistheoretische Unterschiede zwischen „Daten“, wie der Begriff verwendet wird, und den traditionellen Praktiken der humanistischen Wissenschaft. Das Verständnis dieser Spannung könne dazu beitragen, sowohl Daten als auch die Geisteswissenschaften besser zu verstehen – und einige zukünftige Richtungen für datenbeschäftigte Wissenschaft aufzuzeigen. Die ausgebildete Amerikanistin Posner arbeitet derzeit an zwei Projekten: was „Daten“ für die geisteswissenschaftliche Forschung bedeuten könnten und wie multinationale Konzerne Daten in ihren Lieferketten nutzen. Der Vortrag beginnt um 09.45 Uhr.
Unsicherheit im Anthropozän in der Abschlusskeynote
„Uncertainty in the Anthropocene“ („Unsicherheit im Anthropozän“) lautet der Titel des Vortrags von Professor Dr. Carlo Jaeger, der am Mittwoch, 7. Juni, um 15 Uhr beginnt. Jaeger beschäftigt sich in seinem Vortrag unter anderem mit Jürgen Renn, der in seinem monumentalen Werk „Die Evolution des Wissens“ eine Abfolge von drei punktuellen Gleichgewichten entlang der Art und Weise, wie der Mensch bisher mit Wissen – und damit auch mit Unsicherheit – umgegangen ist beschreibt. Aus diesen drei Punkten resultiere eine wichtige Errungenschaft des Gefüges von Wissenschaft und Technologie: die Fähigkeit, die Risiken und Unsicherheiten der Kapitalanlage mit Hilfe von Konzepten der Wahrscheinlichkeit und Optimierung zu managen. Paradoxerweise habe diese Fähigkeit die Menschheit zu den globalen Risiken und Unsicherheiten des Anthropozäns geführt. Carlo Jaeger ist Nachhaltigkeitswissenschaftler mit einem Hintergrund in Ökonomie, Soziologie und Humanökologie. Er beschäftigt sich mit globalen Systemen, insbesondere mit der Rolle der Finanzmärkte bei der Bewältigung – oder Verschärfung – des Problems des Klimawandels. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des Global Climate Forum und Professor an der Universität Potsdam. Jaegers aktuelle Forschung konzentriert sich auf Probleme der globalen Koordination, insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung.