Interdisziplinärer Austausch zur Individualisierung


Autor*in: Dr. Kristina Nienhaus

Individualisierung ist das Thema, mit dem sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften im Joint Institute for Individualisation in a Changing Environment (JICE) befassen. Jährlich im April veranstalten das JICE, das von den Universitäten Münster und Bielefeld getragen wird, das Verbundprojekt InChangE und der SFB-TRR 212 gemeinsam das interdisziplinäre Individualisation Symposium im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Dabei steht der interdisziplinäre Diskurs über Individualisierung in sich ändernden Umwelten sowie die Vernetzung zwischen den Forschungsverbünden im Vordergrund. Die beiden JICE-Wissenschaftlerinnen, Angela Schwering, Professorin der Geoinformatik von der Universität Münster, und Meike Wittmann, Juniorprofessorin für Theoretische Biologie an der Universität Bielefeld berichten im Interview von ihren bisherigen Erfahrungen in dem Verbund.

Das JICE ist ein Zentrum für Individualisierungsforschung. Was macht die Arbeit so einzigartig?

Angela Schwering: Das Besondere am JICE ist, dass Forscher*innen, mit so unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammenkommen, und mit sehr unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen zum Schluss doch die gleiche Frage untersuchen: Was bedeutet Individualisierung in meinem Forschungskontext für meine Forschungsobjekte?

Porträt von Professorin Dr. Angela Schwering vom Institut für Geo-Informatik der Universität Münster.
Professorin Dr. Angela Schwering vom Institut für Geoinformatik der Universität Münster.

Im JICE kommen viele unterschiedliche Fachrichtungen zusammen – von Biologie über Ökonomie bis hin zu Psychiatrie. Wie zeigt sich der interdisziplinäre Austausch in der Praxis?

Meike Wittmann: Wir diskutieren neben den Forschungsansätzen und Ergebnissen viel über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Verwendung verschiedener Begriffe wie zum Beispiel Individualisierung oder Umwelt. Daraus ergeben sich oft spannende Anknüpfungspunkte. Es ist aber auch nicht immer einfach, weil alle JICE-Mitglieder einen vollen Terminkalender haben und interdisziplinärer Austausch eben auch Zeit und Energie braucht. Aber ich finde, es lohnt sich!

Das JICE wurde vor anderthalb Jahren gegründet. Wie hat sich die Zusammenarbeit in dem heterogenen Team mit vielen Fachrichtungen eingespielt?

Angela Schwering: Es war gar nicht schwierig, in dem heterogenen Team zu arbeiten. Sicher ist es so, dass man zunächst ein gemeinsames Vokabular entwickeln muss, aber da alle sehr neugierig und offen für die Fragen und Herangehensweisen der anderen Forschungsdisziplinen waren, ist uns das leicht gefallen.

Porträt von Juniorprofessorin Dr. Meike Wittmann von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld.
Juniorprofessorin Dr. Meike Wittmann von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld.

In dem Verbundprojekt „InChangE“, gefördert vom Land Nordrhein-Westfalen, untersuchen JICE-Wissenschaftler*innen Individualisierung systematisch und experimentell. Was ist der Ansatz des Projekts?

Meike Wittmann: Im InChangE-Projekt erforschen wir die Ursachen und Auswirkungen von Individualisierung in sich ändernden Umwelten und wir versuchen Modelle zu entwickeln, die ein besseres Verständnis und bessere Vorhersagen dieser Prozesse liefern können. In den verschiedenen Teilprojekten kommt ein sehr breites Methodenspektrum zum Einsatz: zum Beispiel Auswertung von menschlichen und tierischen Bewegungsdaten, individuen- bzw. agentenbasierte Simulation, Bioinformatik, Immunologie, Spieltheorie, und disziplinenübergreifende konzeptionelle Synthese. Wobei ich hier wahrscheinlich viele wichtige Methoden vergessen habe.

Außer vom JICE und InChangE wird das bevorstehende Symposium auch vom Sonderforschungsbereich NC³ (SFB/TRR 212) veranstaltet, der von den Universitäten Bielefeld und Münster getragen wird. Welche Perspektive trägt NC³ zur Forschung zu Individualisierung bei?

Angela Schwering: Für mich als jemand, die nicht dem NC³ angehört, war es sehr beeindruckend, welche Vorarbeiten der NC³ bereits im Bereich Biologie und Evolution geleistet hat. Zudem existierten bereits bewährte Kommunikations- und Organisationsmechanismen, was für JICE von großem Vorteil ist.

Wenn Sie auf die bisherige Arbeit des JICE schauen: Welche Forschungsergebnisse aus dem Institut haben Sie besonders beeindruckt?

Meike Wittmann: Beim Symposium zum Thema Umwelt im vergangenen Jahr hat mich zum Beispiel beeindruckt, wie stark Individuen sich in ihrer subjektiv erlebten Umwelt unterscheiden können, obwohl sie in derselben physikalischen Umwelt leben. Eindrücklich gezeigt hatten das Jakub Krukar und Angela Schwering in ihrem gemeinsamen Vortrag anhand von Landkarten, die aufgrund subjektiven Erlebens skizziert wurden.

Was erwarten Sie sich von dem Symposium?

Angela Schwering: Das Wichtigste ist für mich der Austausch zwischen den verschiedenen Forschenden. Seit Corona schätze ich es besonders Wert, wenn man die Gelegenheit hat, sich persönlich auszutauschen. Besonders inspirierend sind dafür natürlich die Keynotes, die auch dieses Jahr sehr hochkarätig aus verschiedenen, wichtigen Disziplinen für unsere Forschung kommen!
 
Meike Wittmann: Ich freue mich auch wieder auf den Austausch mit Kolleg*innen aus den verschiedenen Disziplinen. Außerdem sieht das Programm sehr spannend aus, mit Vorträgen beispielsweise zur Arbeitsteilung als Mechanismus für Individualisierung. Und aus dem Vortrag zur interdisziplinären Zusammenarbeit können wir uns vielleicht auch noch ein paar Tipps mitnehmen.