Als internationale ausgebildete Lehrkraft mit Berufserfahrung im Ausland ist es schwer, diesem Beruf ohne Weiteres auch in Deutschland nachzugehen. Das „Lehrkräfte Plus“ Programm baut eine Brücke zwischen den internationalen Lehrer*innen und dem deutschen Schulsystem. An der Universität Bielefeld wurde das Programm vor fünf Jahren initiiert, mittlerweile gibt es mehrere gleichnamige Programme im Bundesland. Mustafa Braun und Marcela Feijoo Gomez haben das Programm in Bielefeld absolviert und berichten von ihren Erfahrungen.
Das fachliche und herkunftssprachliche Potenzial, das internationale Lehrkräfte mitbringen, soll durch das Programm für Schulen fruchtbar gemacht werden. Ziel ist es auch, die Lehrer*innenzimmer in NRW zu diversifizieren. „Schule muss diverser werden, da die Schüler*innenschaft doch auch so vielfältig ist“, erklärt Sabrina Hermann, eine der Projektkoordinatorinnen von Lehrkräfte Plus an der Universität Bielefeld.
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Entwicklung des Programms „Lehrkräfte Plus“ an der Universität Bielefeld
Lehrkräfte Plus ist ein Qualifizierungsprogramm, das Lehrer*innen mit und ohne Fluchthintergrund aus Nicht-EU-Staaten einen Einblick in das deutsche Schulsystem gibt und für den Einsatz an Schulen in NRW vorbereitet. Im Bielefelder Programm wurden seit 2017 bislang fünf Jahrgänge ausgebildet. Das Projekt ist in Kooperation mit dem Ministerium für Schule und Bildung NRW und der Landeskoordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren in NRW entstanden. Es wurde anfangs von der Bertelsmann Stiftung und später durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Programms „NRWege Leuchttürme“ aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) gefördert. Zu Beginn wurden ausschließlich geflüchtete Lehrer*innen weiterqualifiziert. Seit 2020 werden im Programm auch internationale Lehrkräfte ohne Fluchthintergrund aus nicht EU-Staaten gefördert. Die aktuellen Zugangsvoraussetzungen sind Deutschkenntnisse auf B2-Niveau, die im Programm vertieft werden, sowie Erfahrung als Lehrkraft aus dem Herkunftsland. Der nächste Jahrgang startet im April 2023.
Passion für den Lehrerberuf und die Rolle als Vorbildfunktion
Mustafa Braun aus Syrien ist Absolvent des zweiten Jahrgangs von „Lehrkräfte Plus“ in Bielefeld. Er studierte Mathe und Physik in Aleppo und arbeitete dort einige Jahre als Lehrer, bevor er 2014 nach Deutschland floh. „Ich wollte unbedingt auch hier, wie in meinem Heimatland, meinen Beruf ausüben“, so Braun. „Es macht mich glücklich, mein Wissen an Schüler*innen zu vermitteln und zu sehen, dass sie den Stoff verstehen.“
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Sein Weg ins deutsche Schulsystem war lang: Nach seinem Asylverfahren in Deutschland lernte er drei Jahre lang intensiv Deutsch und arbeitete währenddessen in einem Minijob. Als er vom Lehrkräfte Plus-Programm in den sozialen Medien erfuhr, bewarb er sich sofort und nahm am zweiten Durchgang (2018-2019) teil, den er erfolgreich abschloss. Nach dem Programmabschluss absolvierte er an einer Realschule in Lemgo das damals neu eingeführte ILF-Programm. ILF steht für „Internationale Lehrkräfte fördern“. Braun ist stolz auf seinen Weg: „Mein erster Schulleiter in der Realschule meinte zu mir, dass ich ein Vorbild in der Schule bin – für viele ausländische Schüler*innen und auch für die anderen. Wenn sie sehen, dass ich vor ein paar Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen bin und es geschafft habe, hier wieder Lehrer zu werden, sehen sie, dass auch sie es hier schaffen können.“ Auch sprachlich konnte der Mathematiklehrer schon häufig unterstützen und übersetzen und damit unter anderem Konflikte lösen.
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Heute arbeitet er an einer Gesamtschule in Bad Salzuflen und unterrichtet Mathematik, Physik und Naturwissenschaften. Erst war er Vertretungslehrer, jetzt hat er eine sogenannte PE-Stelle (Pädagogische Einführung) mit der Chance auf Entfristung. Braun fühlt sich wohl an seiner Schule: „Ich habe hier eine Familie gegründet und würde mich freuen, wenn ich eine unbefristete Stelle bekomme.“
Sich selbst in den Schüler*innen wiedererkennen
Marcela Feijoo Gomez ist Absolventin des diesjährigen Bielefelder Lehrkräfte Plus-Jahrgangs (2022). Sie war Englisch-Lehrerin in Kolumbien und kam 2016 nach Deutschland. In Bielefeld machte sie ihren Master in „InterAmerican Studies“.
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Neben dem Studium arbeitete sie als Spanischlehrerin und während der Pandemie als Betreuerin in einer Schule. Zurzeit arbeitet sie an der Sekundarschule Königsbrügge und unterrichtet in der 5. und 8. Klasse Englisch und ihre Muttersprache Spanisch. Dort nimmt sie am ILF-Programm teil. „Dass ich aktuell Englisch und Spanisch unterrichten kann, ist für mich ein Traum. Diese kleinen Erfolge zu sehen – nach ein, zwei, drei Jahren – und auch das positive Feedback der Schüler*innen ist schön.“
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Die kulturellen Unterschiede sind für Feijoo Gomez manchmal noch eine Herausforderung. Die Arbeit mit den Schüler*innen in Deutschland sei ähnlich wie in Kolumbien. Wie es für sie nach dem ILF-Programm weitergeht, weiß sie noch nicht. Ihr Wunsch wäre eine Festanstellung als Lehrerin.
Fazit nach fünf Jahren Lehrkräfte Plus
Pro Jahrgang absolvieren 25 Programmteilnehmende „Lehrkräfte Plus“ an der Universität Bielefeld. „Wir geben Orientierung durch Einblicke ins deutsche Schulsystem auf praktischer und theoretischer Ebene und bereiten die Teilnehmenden mit Deutsch-Sprachkursen und weiteren Programmelementen auf den Einsatz in Schule vor“, so Sabrina Hermann. „Außerdem beraten wir die Teilnehmenden hinsichtlich möglicher Perspektiven und berücksichtigen dabei die unterschiedlichen Voraussetzungen und Lebenssituationen.“ Mit vielen der Absolvent*innen des Programms steht das Team rund um Hermann noch in regem Kontakt und berät und unterstützt auch über das Programm hinaus ihre Lehrkräfte. „Das ILF-Programm der Bezirksregierungen hat sich als passgenaue Anschlussperspektive für die Absolvent*innen von Lehrkräfte Plus erwiesen“, so Herrmann. „Es ermöglicht zunächst eine befristete Einstellung im System. Ein langfristiger Verbleib der Absolvent*innen im Schulsystem bleibt weiterhin eine Herausforderung für die Programme sowie Lehrkräfte.“ In den letzten zwei Jahren ist zudem ein Alumni-Programm ins Leben gerufen wurden, durch das auch der Kontakt zwischen den Teilnehmenden und Absolvent*innen gestärkt werden soll.