Aus der Arbeitsstelle Physik ging am 10. Juli 1972 die Fakultät für Physik der Universität Bielefeld hervor. Jetzt feiert die Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ihr 50-jähriges Bestehen. Wissenschaftler*innen und Studierende laden anlässlich dieses Jubiläums dazu ein, an der Universität Bielefeld Physik zu erleben. Zum Festprogramm am Samstag, 9. Juli, von 14 bis 19 Uhr gehören eine Vorstellung des Comedians Vince Ebert, der Ausschnitte aus seinem Programm „Make Science Great Again“ darbietet, und die Showvorlesung „Spiderman und kalte Luft“. Außerdem können die Besucher*innen selbst experimentieren und an Workshops teilnehmen – etwa zu den Themen „Was ist ein Quantencomputer?“ oder „Warum ist es nachts dunkel“. Ebenfalls können die Besucher*innen Labore und das Bielefelder GPU-Rechencluster besichtigen und sich über das Studienangebot informieren. Zentraler Ort der Feierlichkeiten am Freitag und Ausgangspunkt der Aktivitäten am Samstag ist das Hörsaalgebäude Y an der Konsequenz. Anmeldung und weitere Informationen unter www.physik-in-bielefeld.de.
Der Dekan Professor Dr. Dietrich Bödeker freut sich gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen der Fakultät darauf, mit den Bürger*innen ins Gespräch zu kommen: „Nach einer langen Phase im Homeoffice können wir nun endlich wieder nicht nur mit den Studierenden, die ja schon das gesamte Sommersemester wieder in der Universität sind, sondern auch mit der gesamten Bevölkerung in Austausch treten. So ein Jubiläum bietet da einen guten Anlass. Die gesamte Fakultät hat dafür ein attraktives Programm organisiert.“
Die Feierlichkeiten starten bereits am Montag, 4. Juli, mit einem öffentlichen physikalischen Kolloquium. Dr. Bastian Brandt von der Fakultät für Physik spricht über Massen für Elementarteilchen und offene Fragen der Teilchenphysik (16 Uhr, Hörsaal X-001). Das 50-jährige Bestehen der Fakultät fällt an diesem Tag mit den Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Entdeckung des Higgs-Teilchens am Large Hadron Collider (LHC) des Europäischen Kernforschungszentrums CERN zusammen. Zur modernen Teilchenphysik wird auch in Bielefeld intensiv geforscht.
Am Vorabend, 8. Juli, findet ein akademischer Festakt für geladene Gäste statt. Der Festredner Dr. Lutz Schröter, Vizepräsident der deutschen physikalischen Gesellschaft, ist Absolvent der Bielefelder Fakultät für Physik und heute in der Industrie bei der Volkswagen AG tätig. In seiner Rede befasst er sich mit dem Thema Physik und Gesellschaft. Die Feier wird vom Motion Quartett der Musikhochschule Detmold musikalisch begleitet.
Von Materie unter extremen Bedingungen über Material- und Biophysik bis zu Radioastronomie
Oberflächen- und Laserphysik sind seit Beginn an Forschungsgebiete der Physik. Foto: Universität Bielefeld Die Fakultät für Physik an der Universität Bielefeld umfasst derzeit 20 Arbeitsgruppen, die zu einer breiten Palette physikalischer Fragen forschen.
Ein Schwerpunkt in der Grundlagenforschung ist die Untersuchung von Materie unter extremen Bedingungen, von der das frühe Universum geprägt war. Solche Bedingungen treten bei Stößen von Atomkernen in Teilchenbeschleunigern auf, ebenso in sehr dichten Sternen, die als Radiopulsare beobachtet werden. Die beteiligten Arbeitsgruppen werden dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio (SFB/TRR) 211 unterstützt. Die direkte zeitaufgelöste Erforschung ultraschneller Prozesse in Materie und die Untersuchung des Verhaltens von Systemen sehr vieler Teilchen, stehen ebenfalls im Fokus und werden zum Teil im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe (FOR) 2692 bearbeitet.
In der angewandten Forschung liegt ein Schwerpunkt in der Materialphysik. Erforscht werden hier zum Beispiel neuartige magnetische Materialen, Datenspeicher, Nanosensoren und Nanomembranen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Biophysik. Die Bielefelder Forschung dazu umfasst beispielsweise die Beobachtung von Viren und ihrem Verhalten in lebenden Zellen wie auch das Studium physikalischer Eigenschaften von DNA-Molekülen mithilfe sogenannter optischer Pinzetten.
Andere angewandte Forschungsbereiche der Fakultät waren die Erforschung der Verbrennungsdynamik in Motoren, die Entwicklung von Optiken für die heute in der Mikroelektronik eingesetzte EUV-Lithographie, die Optimierung von Solarzellen und in jüngster Zeit die Nutzbarmachung des Elektronenspins in der Mikroelektronik. In der Theoretischen Biophysik lieferte die Fakultät bedeutsame Beiträge zum Verständnis biologischer Transportphänomene durch sogenannte Ratschen.
„Die Fakultät entwickelt sich kontinuierlich weiter“, hebt Dekan Dietrich Bödeker hervor. So wurden in den vergangenen Jahren neue Arbeitsgruppen zur Ultrakurzzeitphysik, der Radioastronomie und einer Erweiterung auf dem Gebiet der Materialphysik aufgebaut.
Fakultät setzte im Lauf der Jahre zunehmend bildgebende Verfahren ein
Mit dem Helium-Ionen-Mikroskop lassen sich auch verborgene Schichten von Materialien abbilden. Foto: Universität Bielefeld Zu den weiteren Höhepunkten der physikalischen Forschung in Bielefeld gehört die numerische Simulation von Quantenfeldern bei hoher Temperatur und Dichte, um die Eigenschaften sogenannter Quark-Gluon-Plasmen zu berechnen. Bei diesen Plasmen handelt es sich um einen fünften Aggregatzustand, nachgewiesen an der Großforschungseinrichtung CERN und dem Brookhaven National Lab.
Im Lauf der Jahre haben bildgebende Verfahren in der Fakultät für Physik an Bedeutung gewonnen. Im Mittelpunkt stehen heute höchst aufgelöste Abbildungen, die entweder mit Licht im Röntgenbereich oder durch Teilchenstrahlung erzeugt werden. Mit Teilchenstrahlung arbeitet etwa das Helium-Ionen-Mikroskop der Fakultät, das zum Zeitpunkt seiner Beschaffung eines der ersten weltweit war. Kürzlich wurde es verwendet, um die Auswirkungen von SARS-CoV-2-Viren auf menschliches Gewerbe zu untersuchen.
Fakultät ist Mitbetreiberin einer Station des weltgrößten Radioteleskops LOFAR
Die Fakultät ist international eng vernetzt. Das zeigt sich in einer Vielzahl von Kooperationen und Partnerschaften und einem hohen Anteil an Mitarbeiter*innen aus allen Teilen der Welt. So betreibt die Fakultät gemeinsam mit der Universität Hamburg eine von 52 Stationen des über Europa verteilten und weltgrößten Radioteleskops LOFAR, ein Großforschungsgerät zur Beobachtung des Himmels mit niederfrequenten Radiowellen.
An der Fakultät für Physik sind rund 1.200 Studierende im Bachelorstudium oder einem der Masterstudiengänge eingeschrieben. Neben dem klassischen Masterstudium Physik bietet die Fakultät die fachwissenschaftlichen Masterstudiengänge Biophysik, Nanowissenschaften und Mathematische und Theoretische Physik sowie Studiengänge für das Lehramt an. „Die Lehrer*innenausbildung liegt der Fakultät besonders am Herzen, nicht zuletzt da sich ein eklatanter Mangel an Physiklehrer*innen in ganz NRW abzeichnet. Die Arbeitsmarktsituation für Absolvent*innen der Fakultät in Schule, Wirtschaft und Industrie ist hervorragend“, sagt der Fakultätsdekan Professor Dr. Dietrich Bödeker.
Meilensteine der Fakultät für Physik:
- 1972 gründet sich die Fakultät noch vor der Fertigstellung des Universitätshauptgebäudes. Sie forschte in ihren Anfangstagen am Berliner Platz (heute Willy-Brandt-Platz) und in der Viktoriastraße.
- 1976 ziehen die Physiker*innen in den „D-Zahn“ und Teile des D- und E-Längsbaus des neuen Universitätshauptgebäudes. Die Forschungsschwerpunkte liegen in den Gründungsjahren in der Atom- und Molekülphysik und der Kern- und Teilchenphysik.
- 1983 nimmt der erste Sonderforschungsbereich der Fakultät seine Arbeit auf. Der SFB 216 zur „Polarisation und Korrelation in atomaren Stoßkomplexe“ integriert die Fakultät für Chemie und die Physik der Universität Münster in die gemeinsame Forschung.
- 1993 gründet die Europäische Union (EU) das EU-Großprojekt, „Computational Particle Physics“; es verband zwanzig europäische Universitäten von Amsterdam bis Zaragoza und wurde in Bielefeld koordiniert.
- 2002 wurde der neue Sonderforschungsbereich 612 „Physik von Einzelmolekülprozessen und molekularer Erkennung in organischen Systemen“ genehmigt. Darin kooperieren Physiker*innen mit Kolleg*innen aus Chemie und Biologie.
- 2003 wurde das Internationale Graduierten-Kolleg zu Quantenfeldern und stark wechsel-wirkender Materie genehmigt. Kooperationspartner sind die Universität Paris-Sud, die französischen Großforschungseinrichtung Saclay und die Universität Helsinki.
- 2004 gründete sich das BINAS. Das Bielefeld Institute for Nanoscience (BINAS) bündelt die Aktivitäten in den Bereichen Nanowissenschaften und Biophysik.
- 2010 erhält die Bielefelder Fakultät für Physik als erste deutsche Universität ein Helium-Ionen-Mikroskop. Es erlaubt eine fünf- bis zehnfach größere Auflösung als bei gängigen Rasterelektronenmikroskopen.
- 2015 startet die Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie zum Thema Nanoschichten und komplexe Materialien. Ebenso nimmt die internationale LOFAR Station DE609, im gemeinsamen Eigentum der Universitäten Hamburg und Bielefeld ihren Betrieb auf. Damit wird die Universität Bielefeld auch Mitglied im Rat deutscher Sternwarten.
- 2017 nehmen die ersten Labore im Neubau der Experimentalphysik ihre Arbeit auf. Um die empfindlichen Messgeräte zu schützen, ist das Gebäude mit extra dicken Decken und Fußböden ausgestattet und lässt kein Tageslicht in die Labore.
- 2017 wird der neue Transregio-Sonderforschungsbereich 211 zu “Stark-wechselwirkender Materie unter extremen Bedingungen” bewilligt, an dem die Fakultät beteiligt ist. Kooperationspartner sind die Universitäten Frankfurt und Darmstadt.
- 2019 nimmt das Kompetenzzentrum MagSens der Universitäten Bielefeld und Mainz seine Arbeit auf. Es erforscht und entwickelt magnetische Hochleistungssensoren, die robust, energiesparend und verzögerungsfrei messen.
Weitere Informationen:
Website zum Festprogramm der Fakultät für Physik
Teilnehmende müssen sich vor dem Hintergrund der Coronapandemie an die in der Universität Bielefeld geltenden Hygieneregeln halten