Skip to main content
Hände halten ein Buch zur Mediävistik

Maximilian Benz will historische Tiefe ins Denken bringen


Autor*in: Julia Thiem

Der Heisenberg-Professor ist der einzige Mediävist der Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Trotzdem fühlt sich sein Forscherherz in Bielefeld wohl. Denn viele der dortigen Kolleg*innen beschäftigen sich ebenfalls mit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit – wenn auch aus anderen Blickrichtungen. Der Austausch ist gerade auch deshalb fruchtbar.


Als sich Maximilian Benz für das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beworben hat, wusste er nicht genau, was ihn erwartet. Denn seit Januar 2018 gilt die Förderung im Fall der Geisteswissenschaften wahlweise für ein Stipendium, eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiter*in oder eben für eine Professur. Erst nach der Aufnahme in das Programm – dafür müssen die Bewerber*innen bereits habilitiert sein – kann zwischen den verschiedenen wissenschaftlich gleichwertigen Varianten gewählt werden.

Bild der Person: Prof. Dr. Maximilian Benz, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
„Mein Ziel ist es, die Sozialgeschichte der mittelhochdeutschen Literatur wiederzubeleben“, sagt der Mediävist Maximilian Benz.

Mittlerweile ist er von der Universität Bielefeld als Professor berufen worden, was ihn durchaus auch mal vor Herausforderungen stellt, wie er berichtet: „Die Universität hat berechtigte Interessen und Anforderungen an mich als Professor. Gleichzeitig wird meine Stelle von der DFG finanziert, damit ich meinen Forschungsaufträgen nachkomme. Teil der Aufgabe ist es damit, zwischen beiden Interessen eine Balance zu finden.“

Vielleicht ist das Heisenberg-Programm auch deshalb an Nachwuchsforschende gerichtet, die mit ihrer zum Teil noch jugendlichen Energie und frischem Elan diese Herausforderungen gerne annehmen. „Jugendlich“ ist allerdings das völlig falsche Stichwort, wenn es um den Forschungsschwerpunkt von Professor Dr. Maximilian Benz geht. Als Mediävist konzentriert er sich an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft in Bielefeld nämlich auf Werke des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Wer da nicht sofort Namen oder Werke im Kopf hat, für die seien Walther von der Vogelweide für die Lyrik oder Wolfram von Eschenbach mit dem Versroman Parzival für die Epik genannt.

Heisenberg-Professur

Die Förderung einer Heisenberg-Professur durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Nach zweieinhalb Jahren erfolgt eine Zwischenevaluation, mit der sich – sofern sie denn positiv ausfällt – die Förderung auf fünf Jahre verlängert. Die Universität selbst verpflichtet sich mit Einrichtung der Stelle, diese nach Ablauf der fünf Jahre ohne weitere Prüfung als Haushaltsprofessur fortzuführen. Damit ist die Professur im Heisenbergprogramm eine echte Besonderheit, weil sich die jeweilige Universität lange bindet.

Klären, wie sich Sozialgeschichte in der Literatur zeigt

Insgesamt, berichtet Benz, handele es sich bei der mittelalterlichen Literatur um Schriften, die oft aus der Fremdorientierung heraus entstanden sind und einer gesellschaftlichen Funktion folgten – woraus er einen seiner Forschungsschwerpunkte ableitet: „Mein Ziel ist es, die Sozialgeschichte der mittelhochdeutschen Literatur wiederzubeleben, wie es zuletzt in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versucht wurde. Aus meiner Sicht gibt es hier noch einiges zu klären.“

Ein ausdifferenziertes Literatursystem, wie wir es heute kennen, gab es damals nicht. Die künstlerischen Produkte dieser Zeit seien damals gesellschaftlich ganz anders eingebunden gewesen. Zudem gebe es gerade bei der Rekonstruktion der Kontexte große Quellenprobleme, weshalb der Heisenberg-Professor regelmäßig über die Grenzen seines eigenen Forschungsgebiets schaut. So ist Benz zum Beispiel Mitglied des Sonderforschungsbereichs 1288 „Praktiken des Vergleichens.“ Er sucht aktiv den Austausch mit Forschenden anderer Fakultäten und stößt auf großes Interesse, beispielsweise von Historiker*innen, Soziolog*innen aber auch Theolog*innen: „Religion oder religiöses Wissen ist für diese Literatur ein ganz wesentlicher Kontext.“

Bild der Person: Prof. Dr. Maximilian Benz, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Der Heisenberg-Professor Maximilian Benz weiß den interdisziplinären Ansatz und die hohe Agilität der Universität Bielefeld für seine Forschung sehr zu schätzen.

Auch als Teil der Heisenberg-Förderung untersucht Benz Praktiken der Fremd- und Selbstvergleichung. Darin geht es um die Frage nach historischem Wandel und die Epochenschwelle zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hier gebe es, sagt Benz, einen Traditionsstrang aus dem Mittelalter heraus, der von keiner der Forschungsrichtungen, die sich mit dieser Epoche beschäftigen, richtig gewürdigt werde: die Frömmigkeitstheologie. Benz nennt die christliche Traktatliteratur des Spätmittelalters als bezeichnend für die Epochenschwelle und unterstreicht, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Theolog*innen an dieser Stelle sei: „Viele Texte dieser Epoche werden auch deshalb nicht untersucht, weil sie weder theologisch im höchsten Range stehen noch formalästhetisch so gestaltet sind, dass sich die Literaturwissenschaftler*innen darauf stürzen. Was sie aber ausmacht: Sie sind breit überliefert und entfalteten eine große Wirkung.“ Thomas von Kempen mit seinem Traktat zur Nachfolge Christi sei beispielsweise einer der meistüberlieferten Texte des Mittelalters, der in vielen freikirchlichen Kreisen und katholischen Reformbewegungen auch heute noch rezipiert werde.

Nicht auf Schriften in mittelhochdeutscher Sprache begrenzt

Der Begriff Altgermanistik für die Literatur dieser Epoche, wie er in der Forschung verwendet wird, ist übrigens etwas irreführend. Denn laut Benz spielten für die Romane um 1200 alt-französische Vorlagen, aber auch die Latinität eine große Rolle: „Die für die höfischen Romane wichtigen Poetiken sind auf Latein verfasst und müssen erst einmal erschlossen werden. Deshalb ist es sehr nützlich, dass ich auch über mittellateinische Expertise verfüge. Mein Fachgebiet würde ich somit als mediävistische Komparatistik beschreiben.“

Bisher war Benz an großen Universitäten mit ausgeprägten philosophischen Fakultäten tätig: Berlin, München, Zürich. „Ich bin eigentlich als Vertretung für meinen Vorgänger an die Universität Bielefeld gekommen. Geplant war ein Jahr. So etwas ist natürlich immer Zufall, hat aber dazu geführt, dass ich die Universität im Detail kennenlernen durfte und gerne wiedergekommen bin“, betont Benz. Als Stärken der Universität nennt er beispielsweise die Neugermanistik, die im deutschsprachigen Raum hohes Ansehen genießt, aber auch die enge, fakultätsübergreifende Zusammenarbeit – beides Faktoren, die ideale Voraussetzungen für seine Forschungsvorhaben bieten.

Wenn Benz nicht alte Bücher wälzt, pardon, wenn er nicht die auf Tierhaut verfassten Handschriften studiert, sucht er Ausgleich beim Sport, insbesondere beim Kraftsport. Daran fasziniert ihn, dass es immer kleine Fortschritte zu beobachten gibt: „Ein Merksatz meines Trainers, den ich mir beim Sport aber auch in meiner Lehre gerne vor Augen führe: ‚Progression vor Perfektion‘.“

Ein interdisziplinärer Forschungsansatz

Das Forschungsgebiet von Maximilian Benz zeigt, wie ergebnisreich die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Disziplinen sein können. Er selbst sagt: „Forschungsdisziplinen haben sich aus gutem Grund so herausgebildet, aber es gibt eben immer auch Felder – in meinem Fall Texte –, die zwischen den Disziplinen liegen. Interdisziplinarität ist daher kein Selbstzweck, sondern sollte genau für diese speziellen Gegenstandsbereiche genutzt werden.“