Hauptleitung für Trinkwasserversorgung

Wasserversorgung nachhaltig gestalten


Autor*in: Hanna Metzen

Der Trinkwasserbedarf in den Städten steigt: Im Jahr 2050 werden schätzungsweise 70 Prozent aller Menschen in städtischen Gebieten leben. Gleichzeitig führt die Erderwärmung dazu, dass Trinkwasser immer knapper wird. „Urbanisierung und Klimawandel stellen die Trinkwasserversorgung vor große Herausforderungen, sowohl in Ländern mit einem stabilen Wassersystem als auch in weniger entwickelten Ländern“, sagt Professorin Dr. Barbara Hammer, die an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld die Arbeitsgruppe „Maschinelles Lernen“ leitet. Zusammen mit Professor Dr. Marios Polycarpou von der Universität Zypern, Professor Dr. Dragan Savić vom Wasser-Forschungsinstitut KWR (Niederlande) und Professorin Dr. Phoebe Koundouri von der Wirtschaftsuniversität Athen (Griechenland) erforscht sie, wie die nächste Generation urbaner Trinkwassersysteme gestaltet sein muss.

Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert das Projekt Water-Futures mit einem Synergy Grant – einer der höchstdotierten Forschungsförderungen der Europäischen Union. Das Projekt ist Mitte 2021 gestartet, die Förderung läuft sechs Jahre. Es wird mit zehn Millionen Euro gefördert; davon gehen 2,4 Millionen Euro an die Universität Bielefeld.

Bild der Person: Professorin Dr. Barbara Hammer, Technische Fakultät / AG Machine Learning
„Das Ziel ist, die Wasserversorgung so nachhaltig und zukunftsfähig wie möglich zu gestalten“, sagt die Informatikerin Prof’in Dr. Barbara Hammer über das Projekt Water-Futures. Darin arbeiten sie und ihre europäischen Kolleg*innen daran, dass Technologien für die Wasserversorgung eigenständig Probleme erkennen und Lösungen anbieten.

Lösungen für kurz- und langfristige Anforderungen

Trinkwassersysteme umfassen die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser: komplexe Netzwerke, die sich räumlich und zeitlich verändern und von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden. „Vieles muss in Echtzeit erkannt und reguliert werden, etwa wenn die Wasserqualität sinkt, ein Rohr ein Leck hat oder es einen besonders trockenen Sommer gibt. Gleichzeitig ist auch die langfristige Planung wichtig: Wie lässt sich die Wasserversorgung so konzipieren, dass sie auch dann funktioniert, wenn sich die Erde um drei statt um zwei Grad erwärmt? Welche Auswirkungen hat eine veränderte Preispolitik auf das Trinkwassersystem?“, sagt Barbara Hammer. In ihrem Projekt versuchen die Wissenschaftler*innen, diese Anforderungen miteinander zu verknüpfen. Dabei müssen auch soziale, wirtschaftliche oder ethische Folgen miteinbezogen werden. „Das Ziel ist, die Wasserversorgung so nachhaltig und zukunftsfähig wie möglich zu gestalten“, so Hammer.

Computerprogramme sollen ihre Analysen erklären

Eine besondere Rolle spielen intelligente Technologien. Dazu zählen Sensoren, die die Wasserqualität messen, oder Computerprogramme, mit denen modelliert werden kann, welche langfristigen Auswirkungen Veränderungen des Trinkwassersystems haben. „Am Ende sind es aber Menschen, die Entscheidungen treffen, zum Beispiel Techniker*innen oder Politiker*innen. Deswegen ist es wichtig, dass Technologien Erklärungen mitliefern können“, sagt Hammer. Die Informatikerin forscht mit ihrer Arbeitsgruppe an der Universität Bielefeld zu erklärbarem maschinellem Lernen. Beim maschinellen Lernen generiert ein Computerprogramm Wissen aus Trainingsdaten – und kann damit Lösungen für neue und unbekannte Probleme finden. In der Regel sind die Rechenschritte aber so komplex, dass der Mensch nicht mehr nachvollziehen kann, wie das Programm zu seiner Lösung kommt.

„Wir untersuchen, wie maschinelles Lernen erklärbar wird. Zum Beispiel können Programme so entwickelt werden, dass sie auch die Ursache eines Problems angeben – etwa indem sie zeigen, welche Faktoren sich verändern müssen, damit das Problem nicht mehr besteht“, sagt Hammer. Für das Projekt Water-Futures wollen die Bielefelder Forschenden ihre Ergebnisse auf die Trinkwasserversorgung anwenden. „Sagen wir, ein Computerprogramm erkennt, dass es in einem Stadtviertel kein Wasser mehr gibt. Dann kann das Programm eigenständig Zusammenhänge zu anderen Veränderungen analysieren: etwa dass ein bestimmtes Wasserrohr eine Roststelle hat oder dass an einer anderen Stelle der Wasserdruck niedrig ist. Daraus ergeben sich mögliche Lösungsstrategien, die für den Menschen interpretierbar sind.“

Die Forschenden kommen aus vier Disziplinen

Water-Futures soll die theoretischen Grundlagen für eine intelligente Trinkwasserversorgung liefern, die mit den Veränderungen durch Urbanisierung und Klimawandel umgehen kann. Gleichzeitig wollen die Wissenschaftler*innen konkrete Werkzeuge entwickeln, die zum Beispiel in Wasserversorgungsanlagen benutzt werden können. „Dazu braucht es Expertise aus verschiedenen Disziplinen“, sagt Hammer. Der ERC Synergy Grant fördert diese Zusammenarbeit. Hammer und ihre Kolleg*innen Savić, Polycarpou und Koundouri bringen Kompetenzen aus jeweils unterschiedlichen Bereichen mit: Maschinelles Lernen, Wasserforschung, Kontrolltheorie und Sozioökonomik. An Water-Futures schätzt Hammer nicht nur den fachlichen Austausch: „Trinkwasserversorgung ist ein so wichtiges Thema. Es ist inspirierend, nicht nur formale Methoden der Datenanalyse zu entwickeln, sondern auch einen gesellschaftlichen Einfluss über die Forschung hinaus zu haben.“