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Comiczeichnung: Forschende teilweise in Kitteln, gehen durch die Natur, oben im Bild fliegt ein Bussard vor dem blauen Himmel, unten guckt ein Feuersalamander auf die Personen

Ausstellung „Tierisch individuell“ im namu


Autor*in: Hanna Metzen

Ob Blattwespen oder Bussarde: Tiere gehen individuell mit ihrer Umwelt um. Wie sie ihre eigene ökologische Nische wählen, sich daran anpassen und sie verändern, hat der Transregio-Sonderforschungsbereich NC³ vergangenes Jahr im LWL-Museum für Naturkunde in Münster gezeigt. Jetzt zieht die Ausstellung in das Bielefelder Naturkunde-Museum namu um.

Jeder Bussard baut sein Nest anders – zum Beispiel indem er es mit grünen Kiefer-, Tannen- oder Lärchenzweigen auskleidet, die verschiedene Duftstoffe enthalten. Wie unterschiedlich die Zweige und damit auch einzelne Nester riechen, können Besucher*innen in der Sonderausstellung „Tierisch individuell – Wie Tiere mit ihrer Umwelt umgehen“ selbst erschnuppern – und herausfinden, warum sich Forschende der Universität Bielefeld und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für den Geruch von Bussardnestern interessieren.


Wir beschäftigen uns damit, dass Tiere variieren – dass sie unterschiedlich sind.Was jeder von seinem Haustier kennt, ist wissenschaftlich ein hochspannendes Thema.
Tiere unterscheiden sich. Sie sind, wie die Ausstellung sagt, tierisch individuell und wir wollen gucken woher kommt das, was sind die Mechanismen, aber auch was sind die Auswirkungen, was bedeutet das für die Tiere, für Population, für Ökosysteme.
Ich glaube diese Sonderausstellung zeigt einen ganz tollen Einblick in die Komplexität der Forschung, aber sie macht sie erlebbar, erfassbar und damit auch nachvollziehbar.
Und so sieht man hier in der Ausstellung erst einmal, dass sich Individuen innerhalb einer Art ganz stark unterscheiden, in ihrem Muster, in ihren Rufen, in ihren chemischen Signalen.
Und wir sehen was alles so zu einer eigenen Nische führen kann, zu der individuellen Nische. Und dazu gehören 3 Hauptprozesse die wir hier darstellen.
Der eine Prozess ist die Nischenwahl, wo Individuen eben ein ganz bestimmtes Habitat wählen, was sie besonders gut finden, vielleicht eine bestimmte Nahrung wählen die sie bevorzugen.
Der zweite Prozess ist die Nischenanpassung, da geht es darum, dass ein Tier vielleicht in eine bestimmte Umwelt geboren wird und sich dann an diese Umwelt auch anpassen muss.
Und das kann man hier sehr schön an verschiedensten Beispielen sehen, an den Blattwespen oder auch an Meerschweinchen oder auch an den Ameisen.
Und dann haben wir den dritten Prozess, das ist die Nischenkonstruktion und hier geht es darum, dass ein Individuum sogar seine Umwelt gestalten kann und um verändern kann.
Das sehen wir zum Beispiel bei den Mehlkäfern, vor denen ich hier stehe. Wo wir also Prozesse haben, wo die Tiere in das Mehl bestimmte Stoffe abgeben und damit das Mehl besser antimikrobiell geschützt ist für die Nachkommen.
Und wir sehen hier dann auch, wie wir das eben analytisch zum Beispiel feststellen können. Wir haben hier so einen Gaschromatographen aufgestellt, mit dem man das dann auch analysieren kann oder zeigen kann wie wir das eigentlich in der Forschung analysieren.
Wir haben zwei Seebärpopulationen erforscht. Die zwei Populationen wohnen an zwei unterschiedlichen Stränden. An dem einen Strand ist die Populationsdichte höher als auf dem anderen.
Und was wir herausgefunden haben ist, dass in den letzten 30 Jahren die Gesamtanzahl an Jungtieren, die an den Stränden geboren sind, ist ungefähr um die Hälfte gesunken.
Und überraschenderweise haben wir gesehen, dass die Überlebungschancen von den Jungtieren höher ist auf der Population wo die Populationsdichte auch höher ist.
Also die Zusammenarbeit, das sieht man glaube ich von den Werkstätten an beiden Universitäten, die für uns Möbel gebaut haben.
Von unserer fantastischen Koordinatorin Ruth Jakobs die diese Ausstellung zusammen mit dem Museum entwickelt, geplant und letztendlich ausgekleidet hat, bis zu den Wissenschaftlern die in ihrer Freizeit, am Wochenende noch bereit waren.
Hier ich schau nochmal in den Text rein, ich kann ein Exponat liefern. Nur so ist es einfach machbar so eine Ausstellung auf die Wege zu bringen und dann auch durchzuziehen.
Die Idee zu haben ist einfach, aber dann das praktische Umsetzen. Ich glaube das ist wirklich toll gelungen. Und für mich als Sprecher ist es wirklich eine Ehre diesem Forschungsverbund vorstehen zu dürfen.
Die Ergebnisse sind wichtig für uns alle, weil wir damit lernen unsere Umwelt bewusster wahrzunehmen, weil wir vielleicht genauer hingucken und alles was man so ein bisschen genauer anschaut, weiß man dann auch besser zu würdigen.

Mit der Ausstellung zeigen Wissenschaftler*innen des Transregio-Sonderforschungsbereichs NC³ (SFB/TRR 212), der an den beiden Universitäten angesiedelt ist, ihre Arbeit. Der Sonderforschungsbereich untersucht, wie Lebewesen individuell auf ihre Umwelt reagieren und so ihre eigene ökologische Nische finden und für sich nutzen. „Jedes Tier hat einzigartige Eigenschaften. Feuersalamander unterscheiden sich etwa an ihrem Muster, Mäuse an ihrer Erwartungshaltung. Wir untersuchen bei einer Vielzahl von Tierarten, was ihre Individualität ausmacht und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen“, sagt Professor Dr. Oliver Krüger, Verhaltensforscher an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld und Sprecher des Sonderforschungsbereichs.

Oliver Krüger
Oliver Krüger ist Sprecher des Transregio-Sonderforschungsbereichs NC3.

Zu diesen Lebewesen zählt auch der Mäusebussard, den Krüger selbst erforscht: „Ein Nest ist ein gutes Beispiel für eine individualisierte Nische. Wir untersuchen, wie Bussarde ihre Nester bauen und welche Vorteile sie von einer bestimmten Bauweise haben könnten.“ Dabei kommt der Geruch ins Spiel: Eine der Hypothesen ist, dass die Duftstoffe der grünen Zweige eine Strategie gegen Parasitenbefall sind.

Gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen entdecken und erforschen

Die Ausstellung im Naturkunde-Museum namu ermöglicht Besucher*innen einen Blick über die Schulter der Forschenden. Verschiedene Stationen stellen jeweils Teilprojekte des Sonderforschungsbereichs vor, daneben sind Comic-Figuren von Wissenschaftler*innen zu finden – von der Verhaltensendokrinologin bis zum Philosophen der Biologie. Besucher*innen können nicht nur etwas über Tiere und ihre ökologischen Nischen lernen, sondern auch herausfinden, wie DNA sequenziert wird oder wie eine chemische Analyse mit einem Gaschromatographen funktioniert.

„Normalerweise dauerte es Jahre, bis aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft Eingang in Lehr- und Schulbücher finden. Das Besondere der Ausstellung ist, dass hier wichtige Erkenntnisse aus der Biologie ohne Zeitverzögerung in die Gesellschaft getragen werden – und zwar von den Forschenden selbst“, sagt Professor Dr. Norbert Sachser vom Fachbereich Biologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Wir wollen eine breite Öffentlichkeit an unseren wissenschaftlichen Fortschritten teilhaben lassen und zeigen, warum unsere Forschung relevant ist, etwa für den Tier- und Naturschutz.“

Im Sonderforschungsbereich NC³ untersucht Sachser mit seinen Kolleg*innen das Verhalten von Meerschweinchen. Im Museum sind die Verhaltensweisen der Tiere auf Videoaufnahmen zu sehen: Jungtiere, die miteinander spielen, oder männliche Tiere, die um ein Weibchen werben. Dabei interessiert die Wissenschaftler*innen, ob sich Meerschweinchen auch im Erwachsenenalter noch hormonell und in ihrem Verhalten an eine neue soziale Umwelt anpassen können – zum Beispiel, wenn ein Männchen aus einer Meerschweinchen-Kolonie zu einem fremden Weibchen gesetzt wird.

Nischenanpassung bei Blattwespen

Wie sich Tiere an eine individualisierte Nische anpassen, zeigt auch die Blattwespen-Station. Manche Blattwespenarten knabbern an bestimmten Pflanzen, von denen sie Clerodanoide aufnehmen. Diese chemischen Verbindungen beeinflussen, wie Blattwespen mit ihren Artgenossen interagieren: zum Beispiel, ob sie sich paaren oder miteinander kämpfen. Die Ausstellung demonstriert das mit Blattwespen-Modellen aus dem 3D-Drucker. „Die Aufnahme von Clerodanoiden steuert das individuelle chemische Erscheinungsbild und damit potentiell auch die soziale Umwelt der Blattwespen“, sagt Professorin Dr. Caroline Müller von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld, die sich im Sonderforschungsbereich mit chemischen Anpassungsmechanismen beschäftigt.

„Es war eine spannende Aufgabe, die Ausstellung so zu gestalten, dass sich alle Altersstufen angesprochen fühlen und der Inhalt allgemeinverständlich ist“, sagt Müller. Nachdem die Wissenschaftlerin eine Ausstellung von Kolleg*innen aus Jena gesehen hatte, kam ihr die Idee, auch für den Sonderforschungsbereich NC³ eine Museumsausstellung zu konzipieren.

2019 begannen die Planungen, Dr. Ruth Jakobs von der Universität Bielefeld koordinierte und begleitete die Umsetzung der Ausstellung inhaltlich. Im April 2021 wurde die Sonderausstellung schließlich im LWL-Museum für Naturkunde in Münster eröffnet. Dort war sie bis Oktober 2021 zu sehen und hatte in dieser Zeit rund 70.000 Besucher*innen. Nun zieht sie ins Naturkunde-Museum namu nach Bielefeld.

Studierende entwickeln interaktive Medienstation

Für die Entwicklung der einzelnen Stationen haben die NC³-Forschenden mit Wissenschaftlerinnen der Fachhochschule Münster zusammengearbeitet. Unter der Leitung von Professorin Tina Glückselig vom Fachbereich Design und Professorin Dr. Kathrin Ungru vom Fachbereich Elektrotechnik und Informatik haben Studierende in einem Seminar interaktive Medienstationen entworfen: Spiele zu Fluchtstrategien von Grashüpfern, zum Konzept der individualisierten Nische und zur Populationsdichte von Seebären. Weitere Stationen wurden von Bachelor-Studierenden des Fachbereichs Design gestaltet.

„Zusammen mit den Studierenden zum Gelingen der Ausstellung beizutragen, hat viel Freude gemacht. Wir können mit unserer Expertise dabei helfen, komplexe Themen erlebbar und begreifbar zu machen“, sagt Glückselig. Ungru ergänzt: „Es war toll zu sehen, wie die Beteiligten der verschiedenen Fachbereiche gemeinsam die Projekte umgesetzt haben. Wir hoffen, auf diese spielerische Weise einen Beitrag zum Naturschutz leisten zu können.“

Die Sonderausstellung ist für alle Altersgruppen geeignet. Vom 13. März bis zum 11. September 2022 wird sie im Naturkunde-Museum Bielefeld gezeigt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Ausstellung als Teil des SFB-TRR 212.