Lange haben Forschende versucht, das ultradünne, aus Kohlenstoff bestehende Graphen als eine Art Sieb zu nutzen. Bisher ist dies nicht gelungen, da es keine Poren hat. Nun hat ein Team ein Alternativmaterial gefunden, das die Löcher von alleine mitbringt: Forschenden aus Bielefeld, Bochum und Yale ist es gelungen, eine Schicht aus zweidimensionalem Siliziumdioxid herzustellen. Diese enthält natürliche Poren und kann daher wie ein Sieb für Moleküle und Ionen genutzt werden. Für die Arbeiten kooperierten die Teams um Dr. Petr Dementyev von der Universität Bielefeld. Professor Dr. Eric I. Altman von der Yale University und Professorin Dr. Anjana Devi von der Ruhr-Universität Bochum. Die Wissenschaft sucht schon seit Längerem nach solchen Materialien, denn sie könnten etwa beim Entsalzen von Meerwasser helfen oder in neuartigen Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. In der Fachzeitschrift Nano Letters beschreiben die Wissenschaftler*innen jetzt den Herstellungsprozess für Siliziumdioxid-Siebe.
Wenn zweidimensionale Materialien mit hoher Präzision durchstochen werden, lassen sie sich nutzen, um bestimmte Ionen oder Moleküle auszusieben. Forschende haben immer wieder versucht, das aus Kohlenstoff-Atomen bestehende Material Graphen für diesen Zweck zu verwenden. Da es keine natürlichen Poren besitzt, müssen diese künstlich eingefügt werden. Allerdings ist es schwierig, Löcher mit definierter Größe in Graphen zu erzeugen, ohne das leicht zerbrechliche Material nachhaltig zu schädigen – durch die Perforation verliert es zu sehr an Stabilität.
Die aktuelle Arbeit der Forschenden liefert eine Alternative. Das Studienteam macht sich die Tatsache zunutze, dass das Kristallgitter von zweidimensionalem Siliziumdioxid natürlicherweise Öffnungen besitzt. Die Forschenden zeigen, dass sich mithilfe dieser Öffnungen bestimmte Gase voneinander trennen lassen. „Siliziumdioxid hat natürlicherweise eine sehr hohe Dichte an winzigen Poren, die man in künstlichen Membranen nicht erzeugen könnte“, sagt Petr Dementyev von der Arbeitsgruppe Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen (Universität Bielefeld). „Im Unterschied zu Graphen sind die Poren alle nahezu gleich groß. Und es sind so unglaublich viele, dass sich das Material wie ein feinmaschiges Sieb für Moleküle verhält.“
Herstellung problematisch
2D-Siliziumdioxid ist bereits seit 2010 bekannt. Seine Herstellung war allerdings sehr teuer und nur in kleinem Maßstab möglich. Die Forschenden aus Bielefeld, Bochum und Yale brachten Expertise aus der Materialchemie, dem Chemischen Engineering und der Chemischen Physik zusammen, um einen neuen Herstellungsprozess zu erarbeiten. Sie nutzten die sogenannte Atomic Layer Deposition, um eine einzige Lage Siliziumdioxid auf einer Goldoberfläche abzuscheiden. Durch ein Hochdruckverfahren überführten die Forschenden die Lage in ihre zweidimensionale Form und charakterisierten sie dann spektroskopisch und mikroskopisch im Detail. Anschließend untersuchten sie den Gasfluss durch die 2D-Membran in einer Vakuumkammer.
Während verdampftes Wasser und verdampfter Alkohol die Siliziumdioxid-Schicht durchdringen konnten, wurden die Gase Stickstoff und Sauerstoff zurückgehalten. „Materialien wie dieses mit selektiver Durchlässigkeit sind in der Industrie sehr gefragt“, sagt Anjana Devi von der Arbeitsgruppe für Anorganische Materialchemie (Ruhr-Universität Bochum). Bevor das 2D-Siliziumdioxid in der Praxis zum Einsatz kommen kann, gilt es jedoch, genau zu evaluieren, wie sich viele verschiedene Moleküle an die Materialoberfläche anlagern oder wie sie diese durchdringen können.
„Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse für die Materialwissenschaft weltweit von Bedeutung sind“, resümiert Anjana Devi. „Solche 2D-Membranen könnten an vorderster Front bei einer nachhaltigen Entwicklung helfen, zum Beispiel im Bereich der Energiekonversion oder -speicherung.“