Mit Graphen lassen sich elektronische Signale mit extrem hohen Frequenzen energieeffizient verarbeiten. Das Material ist deswegen wichtig für besonders leistungsfähige Bauelemente, die zum Beispiel in Computern oder im Mobilfunk zum Einsatz kommen können. Das Problem: Um mit Graphen solche hochfrequenten Signale zu erzeugen, mussten Physiker*innen bisher auf die Unterstützung riesiger Lasersysteme oder sogar Teilchenbeschleuniger zurückgreifen. Wie sich die Technologie auf winzig kleinen elektronischen Chips realisieren lässt, erforschen Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, der Bergischen Universität Wuppertal und der Technischen Universität Berlin nun in einem neuen Forschungsprojekt. Das Projekt ist Teil des Schwerpunktprogramms (SPP) Interest, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) von 2022 bis 2028 fördert.
„Wie mit Graphen Frequenzen im Terahertz-Bereich erzeugt werden können, haben wir schon in vorherigen Studien herausgefunden. Jetzt ist unser Ziel, diese Technologie so weiterzuentwickeln, dass sie in Kombination mit modernen Halbleiter-Chips funktioniert“, sagt Professor Dr. Dmitry Turchinovich von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Turchinovich leitet die Arbeitsgruppe Terahertz-Physik. Ein Terahertz sind eine Billion, also 1000 Milliarden, Schaltungen pro Sekunde – ein Frequenzbereich, der technologisch sehr wichtig ist. Mit konventionellen Materialien können Signale im Terahertz-Bereich nur sehr schwer und ineffizient produziert werden. „Die herkömmliche Elektronik gerät hier an ihre Grenzen“, sagt Turchinovich.
Graphen ist in der Lage, Frequenzen zu vervielfachen
Ein vielversprechendes Material ist daher Graphen, das nur aus einer Lage Kohlenstoffatome besteht und dessen Struktur an Maschendraht erinnert. Graphen hat eine Eigenschaft, die Physiker*innen Nichtlinearität nennen: Das Material ist in der Lage, die Frequenzen elektronischer Signale zu vervielfachen – ohne großen Energieverlust. Dass dies bis in den Terahertz-Bereich möglich ist, konnte Turchinovich gemeinsam mit Professor Dr. Michael Gensch von der Technischen Universität Berlin erstmals zeigen. „Mit Graphen lassen sich hohe Frequenzen im sub-Terahertz Bereich in extrem hohe Terahertz-Frequenzen umwandeln. Das hochfrequente Ausgangssignal haben wir bislang in einer Teilchenbeschleuniger-basierten Strahlungsquelle erzeugt. Das verhindert die tatsächliche Anwendbarkeit der Technologie“, sagt Turchinovich.
Im SPP-Teilprojekt Integratech wollen die Wissenschaftler das Ausgangssignal nun lokal erzeugen. Integratech steht für „Integrated graphene-on-chip terahertz technology“ (Integrierte Graphen-auf-Chip Terahertz-Technologie). In dem Projekt arbeiten Turchinovich und Gensch mit Professor Dr. Ullrich Pfeiffer von der Bergischen Universität Wuppertal zusammen. Ebenfalls beteiligt sind Dr. Klaas-Jan Tielrooij vom Katalanischen Institut für Nanowissenschaften und Nanotechnologie in Barcelona (Spanien), der während des Projekts als Mercator-Fellow an der Universität Bielefeld tätig ist, sowie Dr. Hassan A. Hafez Eid von der Arbeitsgruppe Terahertz-Physik. Dmitry Turchinovich koordiniert das Integratech-Projekt.
In dem Projekt greifen die Forschenden auf eine neue Chiptechnologie auf Basis von Halbleitern wie Silizium und Germanium zurück, die sogenannte BiCMOS-Technologie. Diese winzig kleinen Schaltungen können elektrische Felder mit Frequenzen im Bereich mehrerer hundert Gigahertz generieren. „Unsere Idee ist, die Graphen- mit der Halbleitertechnologie zu kombinieren: Die Halbleiterschaltungen erzeugen das Ausgangssignal, dessen Frequenz dann wiederum in Graphen vervielfacht wird“, so Turchinovich. „Indem wir die Frequenzvervielfachung skalierbar machen, kommen wir der tatsächlichen Anwendung ein großes Stück näher.“
Rund 300.000 Euro gehen an die Universität Bielefeld
Integratech ist im Januar 2022 gestartet und läuft bis Ende 2024 mit der Option auf eine Verlängerung um weitere drei Jahre. Das Projekt ist Teil des Schwerpunktprogramms (SPP) Interest, das von der Bergischen Universität Wuppertal koordiniert wird. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert Interest in den ersten drei Jahren zunächst mit 7,2 Millionen Euro. Davon gehen rund 300.000 Euro an die Universität Bielefeld. DFG-Schwerpunktprogramme zeichnen sich durch die überregionale Kooperation der teilnehmenden Wissenschaftler*innen aus.
„Terahertzforschung wurde bislang weitestgehend isoliert in der Materialphysik, der Elektronik oder der Photonik betrieben. Im SPP bringen wir das Wissen aus diesen Disziplinen zusammen“, sagt Turchinovich, der das SPP Interest mitinitiiert hat und im Lenkungsausschuss sitzt. Die Teilprojekte reichen von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung, etwa in der Astronomie, in der drahtlosen Hochgeschwindigkeitskommunikation oder zur präzisen Detektion von Tumorgewebe in der Biomedizin. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen integrieren: „So versuchen wir, neue und bessere Technologien zu erzeugen“, sagt Turchinovich.