Auch für Wanderarbeiter*innen in den Fabriken des Globalen Südens – in Ländern wie China, Indien, Vietnam, Brasilien oder Südafrika – gibt es Sozialversicherungen und andere Schutzprogramme. Der Zusammenhang zwischen Arbeit und Wohlfahrt samt der Frage, wie weit solche Maßnahmen die Menschen wirklich schützen und wie sie ihre Arbeitswelt verändern, ist Thema der internationalen Onlinetagung „Neukonfiguration von Arbeit und Wohlfahrt in aufstrebenden Volkswirtschaften des Globalen Südens“ („Reconfiguring Labour and Welfare in Emerging Economies of the Global South“). Die Konferenz wird am 7. und 8. Dezember vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ausgerichtet.
„In den letzten zwanzig Jahren haben viele Länder des Globalen Südens universelle Schutzprogramme für Arbeiter*innen eingeführt, etwa Geldtransfers, Grundrente und Krankenversicherung“, berichtet Dr. Minh T.N. Nguyen, Professorin für Sozialanthropologie an der Universität Bielefeld. Sie leitet die Tagung zusammen mit Dr. Jake Lin, Ngoc Minh Luong und Yueran Tian von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Die Schutzprogramme seien vor allem als Reaktion auf Unruhen und ökonomische Krisen eingeführt worden, sagt Minh Nguyen. Zwar haben die Programme einen universalen Anspruch. Doch wie wirksam die Programme tatsächlich sind, Ungleichheit zu vermindern und Bedürftige – insbesondere Wanderarbeiter*innen – zu schützen, das sei bislang unklar, so die Forscherin. Sie beobachtet, dass die Einführung von Versicherungen mit der Privatisierung von Wohlfahrt einhergeht.
Für die Arbeiter*innen bedeute dies, sich eigenverantwortlich in einem Dschungel von mehr oder weniger gut zusammenpassenden Angeboten zurechtfinden zu müssen. Um diese Entwicklungen besser zu verstehen, hat Nguyen fünfzig Kolleg*innen aus Sozialanthropologie, Soziologie, und Politikwissenschaft zu der Onlinetagung eingeladen. Die Teilnehmenden kommen aus 15 Ländern – unter anderem aus Vietnam, Brasilien und Südafrika.
Auf der Tagung befassen sie sich damit, wie sich die Wohlfahrtsmaßnahmen in den Staaten des Globalen Südens in den vergangenen Jahren verändert haben und wie sie die Arbeitswelt verändern. Außerdem setzen sie sich damit auseinander, welche moralischen und politischen Triebkräfte hinter diesen Veränderungen stehen und wie diese Veränderungen im weltweiten Kontext zu verstehen sind.
Auf dem Programm steht eine Keynote von Professor Biao Xiang PhD, Direktor am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle an der Saale. In den Panels der Tagung geht es um Fabrikarbeit, informelle Arbeit, transnationale Arbeitsmigration, Finanzwesen und die Auswirkungen der Coronapandemie. Die Tagung steht im Kontext des Forschungsprojekts „WelfareStruggles“, das vom European Research Council unterstützt wird.
Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld ist eine unabhängige, thematisch ungebundene Forschungseinrichtung und steht Wissenschaftler*innen aller Länder und aller Disziplinen offen.