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„Unbewusst wahrgenommene Reize können Sportler*innen irritieren und zu ungeplanten Körperbewegungen führen“


Autor*in: Universität Bielefeld

Im Alltag reagieren wir auf eine Vielzahl von uns umgebenden Reizen. In der Regel nehmen wir diese bewusst wahr und handeln entsprechend – zum Beispiel wenn wir einen Ball fangen, der auf uns zugeflogen kommt. Dass aber auch unbewusst verarbeitete Reize unser Verhalten beeinflussen und sogar Bewegungen des ganzen Körpers auslösen können, zeigt eine Studie der Universität Bielefeld. Studienautor Juniorprofessor Dr. Christoph Schütz von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft spricht im Interview über die Ergebnisse.

In Ihrer Studie untersuchen Sie, wie unbewusste Reize unsere Handlungen beeinflussen. Wie sind Sie dafür vorgegangen?

In den meisten Experimenten zu diesem Thema wird anhand der Reaktionszeit gemessen, ob und wie unbewusste Reize verarbeitet werden. In einem Versuch versetzt sich etwa eine Probandin in die Rolle einer Basketballspielerin. Sie sieht Fotos gegnerischer Spieler*innen, die einen Pass nach links oder nach rechts ausführen. Die Aufgabe ist es, den Pass durch Drücken einer Taste abzuwehren. Was die Probandin nicht weiß: Vor diesen Fotos, die wir Target-Bilder nennen, werden zusätzliche Fotos derselben Basketballspieler*innen präsentiert. Diese Prime-Bilder sind so kurz zu sehen, dass die Probandin sie nicht bewusst wahrnimmt. Ein typisches Ergebnis solcher Experimente: Wenn die Passrichtung in beiden Bildern übereinstimmt, reagieren die Teilnehmer*innen schneller – wenn sie sich widerspricht, reagieren die Teilnehmer*innen langsamer. Wir haben hingegen den Körper mit in die Messung einbezogen. So wollten wir klären, ob der unbewusst verarbeitete Reiz eine Körperbewegung auslöst. Während unseres Experiments stehen die Proband*innen mittig auf einer Kraftmessplatte und sollen möglichst schnell die beschriebene Ballabwehrreaktion nach links oder rechts ausführen.

Neben der Passrichtung haben Sie in Ihrem Experiment noch einen weiteren Reiz benutzt. Warum?

Wir haben uns gefragt: Kann ein Reiz auch komplett unbewusst unsere Reaktionen beeinflussen, also ganz ohne in dem länger präsentierten Target-Bild aufzutauchen? Um das herauszufinden, haben wir unserem Versuch einen wichtigen sozialen Reiz hinzugefügt: nämlich die Blickrichtung der Basketballspieler*innen. Für die Aufgabe ist sie eigentlich irrelevant – die Proband*innen sollten schließlich nur auf die Passrichtung achten. In unserem Experiment dazu haben wir den Blick in den Target-Bildern unkenntlich gemacht. Dennoch konnten wir auch in diesem Experiment nachweisen: Die Reaktionszeit wird langsamer, wenn der Blick im Prime-Bild und die Passrichtung im Target-Bild sich widersprechen und sie wird schneller, wenn beides übereinstimmt. Und nicht nur das: Mithilfe der Kraftmessplatte konnten wir auch eine tatsächliche Körperschwerpunkt-Verlagerung messen. Sobald das Prime-Bild eine gegensätzliche Blick- und Passrichtung zeigt, bewegten sich die Proband*innen automatisch zum falschen Knopf, mussten dann korrigieren und den richtigen Knopf drücken. Für einige Teilnehmer*innen war das sehr frustrierend. Sie sollten möglichst schnell reagieren, zuckten aber ständig zuerst in die falsche Richtung, ohne zu wissen, warum. Auf die Praxis angewandt bedeutet das: Unbewusst wahrgenommene Reize können Sportler*innen irritieren und zu ungeplanten Körperbewegungen führen.

Was nehmen Sie aus Ihrer Studie für die zukünftige Forschung mit?

Auf der Kraftmessplatte löste die unbewusst wahrgenommene Blickrichtung, wie gesagt, eine Bewegung des Körpers und eine Veränderung der Reaktionszeit aus. Wir haben ein Vergleichsexperiment durchgeführt, bei dem die Proband*innen ganz klassisch Tasten am Computer drücken mussten, statt ihren gesamten Körper einzusetzen. Dabei kam heraus: In dieser Bedingung konnte kein Einfluss der unbewusst wahrgenommenen Blickrichtung auf die Proband*innen nachgewiesen werden. Das zeigt uns, wie wichtig ein realitätsnaher Kontext in Studien sein kann. Für zukünftige Priming-Experimente werden wir deshalb wieder einen Ganzkörperkontext nutzen. Denn nur so konnten wir wertvolle Zusatzinformationen gewinnen.

Der Sportwissenschaftler Juniorprof. Dr. Christoph Schütz untersucht körperliche Reaktionen auf unbewusste Reize.

Christoph Schütz forscht am CITEC zu Motorischer Kontrolle und Training. Sein Schwerpunkt ist die Motorhysterese. Diese beschreibt, wie Menschen motorische Handlungen planen und dabei frühere Handlungspläne recyceln. 2012 promovierte er zu kognitiven Prinzipien der Bewegungskontrolle bei Menschen. Seit 2019 ist er Juniorprofessor und leitet die Arbeitsgruppe „Motorische Kontrolle und Training“ in der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft.