
Wir Menschen fühlen uns als Autoren unserer Handlungen, als „Kapitän auf der Brücke“. Unsere Handlungen empfinden wir dabei durchweg als frei. Aber ist das wirklich immer so? Sind wir frei, wenn unser Unterschenkel reagiert, nachdem der Arzt mit dem Hämmerchen den Reflex ausgelöst hat? Wie frei sind wir, wenn wir nicht von der Brücke springen? Wie frei war Sokrates, als er den Schierlingsbecher trank? Wie frei sind wir, wenn wir vor dem nahenden Auto schnell noch die Strasse verlassen? Welche Wahl haben wir in solchen Situationen, oder bei der Wahl zwischen Rotwein oder Weisswein, Broccoli oder Schokolade? Oder sind wir erst im Supermarkt richtig frei, wenn wir von 10 identischen Milchkartons nach irgendeinem beliebigen greifen?
An Tieren beginnt die Wissenschaft gerade die neuronalen Vorgänge bei so verschiedenartigen Entscheidungsprozessen zu verstehen. Auch wenn die Forschung noch ganz am Anfang steht, so scheint sich als erster Eindruck ein Gradient zu zeigen, in dem Freiheit und Umweltanforderung stets neu verhandelt werden. Freiheit scheint kein Alles-oder-nichts Konzept zu sein, sondern ein Prozess der sich nicht nur über die Jahrmillionen der Evolution, sondern in jedem Individuum immer neu einstellt.