Helfen uns materielle Gegenstände aus der vermeintlich guten alten Zeit, uns ein Bild von der Vergangenheit zu machen? New materialism und actor-network-theory einerseits und living history andererseits würden diese Frage vielleicht bejahen. Zweifel an ihrem epistemologischen Optimismus weckt jedoch die Tatsache, dass sich Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände ebenso wie der Umgang mit ihnen grundlegend gewandelt haben. Wir leben nicht mehr in einem manuellen Gebrauchs- und bioenergetischen Energieregime, sondern rechnergesteuerte Maschinen nehmen uns die Arbeit ab. Diese unverzichtbare Entlastung geht mit dem Verlust handwerklicher Geschicklichkeit einher. Der vorliegende Band erörtert, welche Rolle materielle Überreste und ihre Handhabung für historisches Denken haben. Er greift dazu auf Technikgeschichte, Anthropologie, Kognitionspsychologie sowie Geschichtstheorie zurück und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass Neugier ein zentraler Faktor historischen Denkens ist. Vergangenheit als das Fremde, das diese Neugier auslöst, geht in ihrer narrativen Aneignung verloren. Dieser gerade für Historiker*innen schmerzhafte Verlust hat Bildungswert. Er beraubt die Gegenwart ihrer Alternativlosigkeit und eröffnet damit den Möglichkeitsraum, Zukunft zu gestalten.
Hybridveranstaltung – Präsenz in Raum X E0-002
Link zur Onlineteilnahme über: theoriezentrale-geschichte@uni-bielefeld.de