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Fakultät für Gesundheitswissenschaften feiert Jubiläum


Autor*in: Universität Bielefeld

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld begeht ihr 30-jähriges Bestehen mit einer Fachtagung. Unter dem Motto „Idee – Initiative – Innovation“ werden an diesem Freitag, 11. Oktober, in der Wissenswerkstadt Bielefeld aktuelle gesundheitswissenschaftliche Forschungsfelder vorgestellt, auf die Anfänge zurückgeblickt und Zukunftsperspektiven erörtert.

Globale Gesundheitskrisen, wachsende soziale Ungleichheit und der Klimawandel fordern die Gesundheitsforschung heraus. Die Jubiläumstagung zeigt, wie Public Health (sinngemäß: öffentliche Gesundheitsfürsorge) diesen Herausforderungen entgegentritt.

„Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften ist eine wegweisende Innovationstreiberin für Prävention und Gesundheitsförderung und bereichert damit unsere Universität um eine erstklassige Kompetenz“, sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Rektorin der Universität Bielefeld. „Unsere Gesundheitsforschenden sind Architekt*innen für eine gesündere und gerechtere Gesellschaft – das beweisen sie seit drei Jahrzehnten.“

Der Dekan der Fakultät, Professor Dr. Wolfgang Greiner, ergänzt: „Wir stehen vor komplexen Herausforderungen im Gesundheitswesen. Um diese zu bewältigen, müssen wir über Fachgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Wie das geht, zeigt unsere Fakultät seit ihrer Gründung: Sie bringt seit 30 Jahren vorausschauende Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen.“

Collage mit Portraitfotos
Sie präsentieren auf der Jubiläumskonferenz aktuelle wissenschaftliche Positionen und Forschungsfelder der Public Health (v.li.): Prof’in Dr. Céline Miani, Prof. Dr. Kayvan Bozorgmehr und Prof’in Dr. Anna Oksuzyan. Die drei Bielefelder Gesundheitsforschenden werden durch die renommierten Grants des Europäischen Forschungsrats gefördert.

Die Konferenz gliedert sich in drei Teile: Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft der Gesundheitswissenschaften.

Spitzenforschende über gegenwärtige Forschungsfelder

Im ersten Teil „Wo stehen wir heute?“ stellen namhafte Wissenschaftler*innen der Fakultät aktuelle wissenschaftliche Positionen und Forschungsfelder vor – die drei Forschenden werden alle aktuell mit einem der angesehenen Grants des Europäischen Forschungsrat gefördert:

  • Professorin Dr. Céline Miani untersucht die Epidemiologie erlebter Gewalt in der gynäkologischen Versorgung – ein bisher in der Forschung und Praxis häufig ignoriertes Thema.
  • Professor Dr. Kayvan Bozorgmehr erforscht die Auswirkungen von Migrationsbewegungen auf die Gesundheit.
  • Professorin Dr. Anna Oksuzyan analysiert die gesundheitlichen Folgen von Langstreckenpendeln für Familien – eine zunehmend relevante Fragestellung in der heutigen Arbeitswelt. 

Film mit Rückblick auf die Gründungsjahre

Der zweite Tagungsabschnitt „Woher kommen wir?“ bietet einen Rückblick auf die Anfänge der Fakultät. Ein eigens produzierter Film lässt die Gründungsgeneration zu Wort kommen: die Professor*innen Dr. Klaus Hurrelmann, Dr. Bernhard Badura, Dr. Ulrich Laaser, Dr. Doris Schaeffer und Dr. Maria Blettner. Außerdem Professorin Dr. Bettina Schmidt als eine der ersten Absolvent*innen und Professorin Dr. Petra Kolip, die die Arbeitsgruppe Prävention und Gesundheitsförderung an der Fakultät leitet und bereits als wissenschaftliche Assistentin am Aufbau der Fakultät beteiligt war, sowie Reinhard Samson, erst Hilfskraft und später Stellvertreter in der Fakultätsverwaltung. Die Zeitzeug*innen erzählen von den Zielen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der Fakultät verbunden waren.


Oktober 1994: Ein Vierteljahrhundert nach der Universitätsgründung entstand an der Universität Bielefeld eine neue Fakultät – die Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Im Fokus sollte hier die bevölkerungsbezogene Gesundheit stehen, im Gegensatz zur Medizin, in der die Individualgesundheit im Vordergrund steht. In der Dokumentation wird mit selten gesehenem Archivmaterial und neuen Interviews gezeigt, wie die Fakultät aus einem einzelnen berufsbegleitendem Studiengang entstanden ist und wie einzigartig das Bielefelder Konzept in den 1990er Jahren innerhalb der Bundesrepublik Deutschland war – und bis heute bleibt. Filmemacherin Kathrin Sielker lässt Zeitzeug*innen und Wegbegleiter*innen zu Wort kommen: die Professor*innen Dr. Klaus Hurrelmann, Dr. Bernhard Badura, Dr. Ulrich Laaser, Dr. Doris Schaeffer und Dr. Maria Blettner. Außerdem Professorin Dr. Bettina Schmidt als eine der ersten Absolvent*innen und Professorin Dr. Petra Kolip, die die Arbeitsgruppe Prävention und Gesundheitsförderung an der Fakultät leitet und bereits als wissenschaftliche Assistentin am Aufbau der Fakultät beteiligt war, sowie Reinhard Samson, erst Hilfskraft und später Stellvertreter in der Fakultätsverwaltung. Die Zeitzeug*innen erzählen von den Zielen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der Fakultät verbunden waren.

Das war wirklich noch sehr learning in progress.
Also auch was unsere Lehrenden anging.
Auch die haben viel rumprobiert.
Diese Zusammenarbeit zwischen Natur- und Sozialwissenschaften,
das war ja gewisserweise der Clou dieser Fakultät.
Es war die Aufgabe, ja nicht nur Forschung aufzubauen,
sondern eine neue gesundheitswissenschaftliche Disziplin.
Wenn Sie den Anspruch wirklich ernst nehmen,
dann müssen Sie an die Universitäten gehen.
Da haben wir mehrere Vorschläge gemacht, bis hin, und das kam uns damals äußerst kühn vor,
eine eigenständige Fakultät für Gesundheitswissenschaften.
Klaus Hurrelmann hat gesagt: Das wird jetzt ernst, wir wollen eine Fakultät gründen.
Wir haben natürlich immer diskutiert,
bereichert das eigentlich die Universität Bielefeld?
Und da würde ich sagen, ja.
Ich habe vor 30 Jahren hier studiert.
Ich weiß noch, dass ich da ganz begeistert war von diesem Campus.
Also dieses Denkfabrikmäßige, da hat mir total zugesagt,
weil alle sagen ja, oh, so ein furchtbarer Betonklotz.
Und ich fand das genial.
Ich habe als Studentin in einer Fabrik gearbeitet
und habe dann gedacht und hier wird Wissen fabriziert.
Das fand ich großartig, muss ich echt sagen.
Also ich war echt begeistert.
Ich meine, ich habe hier gesessen mit meiner Freundin
und wir haben geraucht und wenn’s schlimm war, Sekt getrunken.
Ja, es war Aufbruch.
So, diesen Flur L6, den kann man als Keimzelle
der Fakultät für Gesundheitswissenschaften ansehen.
Denn dort vorne, wo man noch so einen Rest von einer Tür sieht,
mittlerweile sind dort Büros zusammengelegt worden, saß Dr. Wolters.
Dr. Wolters hat die Gründung der Fakultät vorangetrieben,
hat die Gespräche mit den Ministerien geführt etc..
Und es war 1993, irgendwann im Frühsommer
sagte er, die ersten Studierenden würden im Oktober beginnen
und es gäbe ein Auswahlverfahren, Bewerbungen.
Es müssten also eine Datenbank angelegt werden, Serienbriefe geschrieben werden und so weiter.
Und so ein Sekretariat sei damit überfordert.
Ob ich da ein wenig aushelfen könnte.
Und das fand hier vorne statt.
Das war für mich die Figur eigentlich hier, die Persönlichkeit.
Er war ja nicht in der Position eines Professors,
hat aber die Dinge in Bewegung gesetzt.
Ich bin Facharzt für Innere Medizin,
habe mich aber schon sehr früh nach meinen Studienaufenthalten
in Baltimore und London,
dem Public Health zugewandt, den Gesundheitswissenschaften.
Und bin dann 86 nach Bielefeld ans Landesinstitut
für die öffentliche Gesundheitsversorgung gekommen.
Und da habe ich dann schon zwei Jahre später mit Paul Wolters,
der inzwischen leider verstorben ist, die Diskussion um die Fakultät initiiert.
Die Idee war eigentlich schon im Laufe
der 1980er Jahre geboren.
Das war die Zeit, als auch in Deutschland so allmählich sich
der Gedanke durchsetzte, dass alleine
mit individualmedizinischer Arbeit
die Gesundheitssituation der Bevölkerung nicht verbessert werden kann.
Ich denke, ich habe die Idee
im Wesentlichen aus den USA mitgebracht, nämlich das Modell der Schools of Public Health
in den Vereinigten Staaten und in Deutschland gab es ja sowas nicht.
Da gab es einen öffentlichen Gesundheitsdienst,
der durch die Nazizeit und seine Mitarbeit diskreditiert war.
Es lag am Nationalsozialismus, der diese Idee
des öffentlichen Gesundheitswesens
im Grunde zerstört hat, durch rassenhygienische
und andere genetische, ideologische Ansätze
und es traute sich in der Nachkriegszeit keiner, das Gebiet
der Volksgesundheit, der Sozialhygiene, wie es ja auch im Deutschen hieß,
wieder aufzubauen.
Also haben wir den englischen Begriff genommen.
Statt Volksgesundheit, Public Health oder öffentliche Gesundheit
haben wir zwischendurch auch einmal gesagt.
Und es war in den 1980er Jahren so,
dass auch die politischen Gremien Bundesregierung, Landesregierungen,
die Nordrhein-Westfälische Landesregierung allen voran eindeutig
erkannte, dass es günstig wäre, einen Bereich zu haben,
auch in der Wissenschaft, der sich mit der öffentlichen Gesundheit beschäftigt,
also nicht mit der Verbesserung der Individualgesundheit,
sondern der Gesundheit ganzer Bevölkerungsgruppen.
Mir ist damals schon aufgefallen, dass wir in Deutschland
einfach haben, dass in aller Welt existiert,
aber bei uns nicht, nämlich Public Health.
Und da dachte ich, dass es Sinn macht, diesen Mangel zu beheben.
Das ist dann eben auch langsam gelungen.
Es geht also darum zu fragen, wieso bestimmte Krankheiten
sich ausbreiten, andere nicht.
Und was sich hier besonders zeigt in Deutschland,
das wir seit vielen Jahren einen starken Anstieg der psychomentalen
Krankheiten zu verzeichnen haben, das ist Depressionen, depressive Episoden,
Angststörungen und Burnout.
Und das ist ein Gebiet von Public Health.
Der Blick auf die Arbeitswelt,
dann gibt es natürlich den Blick auf das Gesundheitssystem,
das macht die Versorgungsforschung, die machen wir auch an der Fakultät.
Ich fand das mit Public Health total spannend.
Also mich hatte das schon im Studium interessiert.
Diese Gesundheitsfragen, auch während der Promotion, diese Frage,
wie kriegt man das hin, dass Menschen gesund bleiben,
also dieses Salutogenese und Ressourcen orientierte Arbeiten,
das hat mich innerlich irgendwie angesprochen.
Und dann war das einfach so ein totaler Aufbruch.
Also da waren irgendwie Leute,
die wollten was, die wollten was verändern,
die wollten auch irgendwie Strukturen schaffen.
Und das war einfach wahnsinnig spannend.
Die Kombination aus
Gesundheitswissenschaften im breiten,
also von Gesundheitsförderung, Gesundheitskommunikation,
Gesundheitspolitik, meinem eigenen Anliegen
mit meinem eigenen Forschungsthema
Krebs, Krebsepidemiologie dachte, das kann man sehr gut verbinden,
auch mit dem vielleicht sozialwissenschaftlichen Aspekten,
die ja hier eine große Rolle spielten.
Und ich habe dann doch so ein bisschen die Epidemiologie und die Medizinnähe vermisst.
Mit Paul Wolters zusammen habe ich dann die ersten Artikel geschrieben.
Wir haben 92, glaube ich, oder 93
das erste Lehrbuch für Gesundheitswissenschaften veröffentlicht.
Professor Hurrelmann und ich.
Ich weiß nicht,
vielleicht habe ich übersehen, weil ich ja überwiegend in Serbien tätig bin.
Aber ich glaube, es gibt kein anderes Lehrbuch in der Dichte
in Deutschland wie dieses hier.
Also ich habe mir das Handbuch Gesundheitswissenschaften gekauft
und habe das gelesen und habe gedacht, oh, das ist genau mein Ding.
Also ich würde jetzt nicht sagen, es hat mich
also irgendwas hat mich besonders interessiert,
sondern ich fand das alles irgendwie super interessant.
Da war dieses gelbe Schild, was man da sieht, Gesundheitswissenschaften.
Da weiß ich noch,
als ich das zum Ersten Mal gesehen habe, war ich wirklich
hingerissen, mir vorzustellen, es gibt so einen ganzen Raum, wo nur unsere Bücher sind.
Also alles was mich interessiert, steht auf einem Platz.
Das kannte ich aus meinem Erststudium überhaupt nicht und das fand ich wirklich eine Sensation.
Und das geht mir jetzt auch wieder so, dass ich hier durchgehe und denke,
ich will die alle lesen.
Das war eine Zeit, in der
die Universitäten so etwas nicht von sich aus entscheiden konnten,
sondern dass in den Kultusministerien, in den Wissenschaftsministerien ressortierte,
war nicht ganz leicht.
Man zögerte dort sehr, weil das natürlich verbunden war.
Das war erkennbar
mit zusätzlichen Mittelzuweisungen, die dann irgendwann kommen würden.
Aber es ist dem Rektor Grotemeyer,
also den muss man, glaube ich, in diesem Zusammenhang mehrfach erwähnen.
Dem ist es schon gelungen, das Ministerium zu überzeugen.
Und es gab dann schließlich den Gründungserlass im Jahre 1994.
Und dann hat Herr Grotemeyer gesagt: So, liebe Initiatoren,
die Sie jetzt hier tätig waren,
jetzt müssen Sie aber auch
Butter bei die Fische tun und jeder, der jetzt in dem bisherigen Arbeitskreis
und in der bisherigen Tätigkeit für die Gesundheitswissenschaften tätig war,
der soll bitte jetzt Mitglied der neuen Fakultät werden.
So ergaben sich verschiedene Möglichkeiten.
Es war nämlich notwendig, um eine Fakultät zu gründen,
dass vier Professoren schon in der Universität zur Verfügung standen.
Und das ist uns dann gelungen.
Und so ist es dazu gekommen, dass dann aus der Fakultät für Soziologie,
aus der Fakultät für Pädagogik und indirekt auch noch aus anderen Fakultäten
Stellen, teilweise besetzte Stellen auch in die neue Fakultät hinüber
gekommen sind und sich eine erste Basis von Personen bildete.
Aus der Fakultät für Pädagogik wurde ich sozusagen versetzt
an die neue Fakultät für Gesundheitswissenschaften.
Wir bemühten uns um weitere Professoren aus Landesmitteln,
aber auch durch Umwandlung von Stellen in der Universität Bielefeld.
Es wurde an die Fakultät für Soziologie, zum Beispiel Professor Bernhard Badora,
berufen, der dann mit der Gründung der Fakultät wechselte.
Ich war berufen vom Rektor als Vorsitzender der Aufbaukommission,
also ich musste praktisch den gesamten Prozess, Strukturierung der Fakultät, Auswahl des Personals,
Berufung von Professoren, das war im Wesentlichen
unterlag meiner Verantwortung.
Gemeinsam mit anderen natürlich
Es War auch ein Kampf innerhalb der Universität.
Man muss ja auch begründen, warum braucht es sowas
und warum will man von den universitären Ressourcen was abhaben?
Weil da Gelder natürlich dahin fließen, die dann anderswo fehlen.
Ganz einfach.
Und da gab es auch Widerstand auf Seiten der Naturwissenschaften,
die ohnehin der Meinung waren,
dass die Sozialwissenschaftler nur Quatsch machen,
also etwas überstrieben gesprochen
und diese Zusammenarbeit zwischen Natur- und Sozialwissenschaften,
das war ja gewisserweise der Clou dieser Fakultät.
Ich habe noch im Ohr, wie ich einmal in der Mensa, in der Warteschlange stand
und der Dekan der Fakultät
für Mathematik in der Nachbarwarteschlange
erkennbar für alle laut in den Raum rief.
Da drüben steht der Herr Hurrelmann,
der allen anderen Fakultäten hier die Stellen wegnimmt.
Das war gespalten, nicht nur bei mir, bei vielen anderen, dass Klaus Hurrelmann
ja diese Fakultät für Gesundheitswissenschaften mitgegründet hat,
und er war nun lange bei uns in der erziehungswissenschaftlichen Fakultät.
Und das haben viele,
Und ich habe das auch so gesehen, der haut jetzt einfach ab
und verlässt uns sozusagen
und um sich ein neues Gebiet zu schaffen, vielleicht auch,
um noch bekannter zu werden als er ohnehin schon war.
So ungefähr.
Es hat sich nachher aber alles eingerenkt, muss ich dazu sagen.
Das drückte so ein bisschen die Arbeitssituation aus,
in der wir uns befanden.
Und auch die, die ja
die herausragende Position als Buhmann,
der den Ausbau anderer Fakultäten hindert
oder stört, die allerdings alle wahnsinnig viel größer waren und
es eigentlich ohne Weiteres verschmerzen konnten, von ihren 35 Professoren
eine an eine neue kreative, interessante Fakultät abzugeben.
Man braucht ja auch Räume, man braucht auch irgendwie Geld, man braucht Personal.
Und es war so ein bisschen so ein Hinfiebern auch, auf den Tag
der Fakultätsgründung.
Das entscheidet dann ja letztlich das Ministerium.
Und das war bis zum Schluss, glaube ich, so ein bisschen unklar,
Machen die das oder machen die das nicht?
Es gab viel politische Vorarbeit, natürlich,
weil man dann auch natürlich das Parlament überzeugen muss.
Aber als das dann passiert war,
war es ein unglaublich toller Moment, so zu wissen, wir haben das geschafft,
wir sind jetzt eine Fakultät, wir sind quasi auf Augenhöhe
mit den anderen, wenn auch noch sehr klein.
Das ist unser Multifunktionsraum,
schon von Beginn an, das war der Raum, wo die Fakultätskonferenzen zum Beispiel
stattfanden, wo auch Seminare stattfanden und wo eigentlich
alles passierte, was so passieren sollte.
Weil die Fakultät so klein war, war es alles relativ familiär.
Wenn also die Fakultät einen Ausflug machte, keine Ahnung,
Burgers’ Zoo nach Holland oder so sind wir gefahren,
dann war im Grunde genommen die ganze Fakultät vertreten
Damals, es gab noch kein Windows,
das war alles noch unter DOS, standalone PCs, kein Internet, kein nix.
Ich habe dann diese Kabel, Koaxialkabel mit jemandem aus dem Rechenzentrum
verlegt und Dosen gesetzt, so dass die Leute dann,
als sie dann ihre Büros bezogen haben, eben auch einen Internetanschluss hatten.
Ich hättein der Fabrik weiter arbeiten können,
ich hätte in der Psychiatrie weiterarbeiten können,
aber das war eben immer ohne Versicherungskarte.
Und dann wollte ich unter keinen Umständen.
Ich wollte irgendwie einen Angestelltenjob haben,
wo ich regelmäßig Urlaubsgeld kriege und so.
Dann habe ich mich beworben und dann haben die mich genommen und dann war ich froh.
also als allererstes war ja der Studiengang da,
ein postgraduierten Studiengang Gesundheitswissenschaften,
der sich an Menschen richtete, die schon einen Beruf haben, aber sich im
im weitesten Sinne im Gesundheitsbereich
und sich dann weiter qualifizieren wollten.
Wir haben immer Unterricht gehabt
von montags bis mittwochs, von 15 bis 20 uhr.
Wenn ich das richtig erinnere, war das so, dass wir immer in sechs Wochen Blöcken
thematische Blöcke quasi hatten.
Also wir hatten meinetwegen erst medizinische Grundlagen, sechs Wochen,
dann psychologische Grundlagen, sechs Wochen, dann gesundheitswissenschaftlich Grundlagen,
sechs Wochen und so sind dann zwei Jahre ins Land gegangen,
mit, ich weiß nicht, zehn Fächern oder so und dann gab es Diplomarbeit
und dann war fertig.
Das war wirklich ein sehr effizientes Durchrauschen.
Also wir sind hier um, was weiß ich, um zwei angereist.
Dann haben wir noch einen Kaffee zusammen getrunken und um drei ging’s los
und um 8 sind dann alle quasi tot ins Bett gefallen.
Nach einem langen Tag, ist ja klar,
Dass der Workload hoch ist, das war toll.
Also die, die da waren, die hatten sich bewusst entschieden.
Sie binden sich dann noch mal so ein zweijähriges Studium ans Bein
und waren einfach hochmotiviert auch.
es gibt tolle Studierende,
es gibt weniger engagierte und natürlich ist gerade mein Fach,
also die Statistik, nicht gerade das Fach, wo viele für brennen.
Wenn jemand Gesundheitswissenschaften studiert,
dann denkt der natürlich nicht daran, dass er auch mal vielleicht etwas
über Maximum-Likelihood-Methoden oder Konfidenzintervalle hören muss, ja.
Die, die da waren, die wollten dann auch was von uns.
Also die haben uns als Lehrende auch sehr gefordert, weil die gesagt haben,
ich komme hier nicht für 20 Stunden Luschi-Unterricht,
dann kann ich mir das sparen und ich will auch echt mit den anderen diskutieren.
Also das war, glaube ich, mit einer der wichtigsten Lehraufgaben.
Da sitzen Leute mit einem Beruf und mit einer beruflichen Identität.
Da konnte man wirklich stolz sein.
Da konnte man merken, dass da, dass da junge Leute kamen, die selbst
fieberten und was machen wollten, was es so in dieser Form
bisher nicht gegeben hatte und die begeistert waren von der Vielfalt
der Positionen.
Stichwort Vielfalt der Positionen.
Es gab natürlich ganz viele fachliche Auseinandersetzungen in der Fakultät.
Da waren jetzt hartgesottene Mediziner und hartgesottene Soziologen
und mussten sich erst mal miteinander verständigen.
Und da gab es in den Anfangsphasen
hoch spannende und sehr, sehr kritische und geladene
fachliche Diskussionen und durchaus auch mal laute Stimmen,
also eine eine wirklich innovative
und spannende Atmosphäre.
Wir haben eine große Studie gemacht zum Thema Hirntumoren
und da haben wir hier mit den entsprechenden
Kliniken hier im Raum Bielefeld gearbeitet
und haben dort Patienten rekrutiert, befragt und Daten von denen erfasst.
Das war eine Studie,
an der sich 14 Länder beteiligt haben, also eine sehr internationale Studie.
Und die Frage war: Ist diese elektromagnetische Strahlung
möglicherweise gefährlich
für das Gehirn, für den Kopf, für die Organe, die hier sind?
Und das Ergebnis wurde lange diskutiert.
Man hat gesehen, dass Leute, die sehr lange,
wirklich sehr lange und sehr viel telefonierten,
ein leicht erhöhtes Risiko,
an Gliome hatte, Gliome ist der bösartige Hirntumor.
Es wurde sehr ausführlich diskutiert, ob das tatsächlich von der
Strahlung kommt oder von anderen damit assoziierten Lebensgewohnheiten.
Mittlerweile ist man sich eher sicher, dass die Handys
keine Erhöhung des Tumors machen.
Es gibt ein ganz einfaches Argument. Wenn Handys Hirntumoren erhöhen würden,
dann müsste insgesamt weltweit
und vor allen Dingen in den Ländern, wo Handys sehr viel genutzt werden,
die Erkrankunghäufigkeit an Hirntumoren gestiegen sein.
Das ist sie aber nicht.
Die ist über die Jahre konstant geblieben.
Bis heute gibt es nur zwei Profil Varianten.
Sagen wir mal, das eine ist die Orientierung auf
eher naturwissenschaftliche Fächer
und auch klassische Medizin.
Und das heißt, da steht die Krankheit im Vordergrund
der Beobachtung, der Aufmerksamkeit.
Und die andere Variante war die, wo es um die Gesundheit geht
und deshalb heißen wir ja auch Gesundheitswissenschaften
und nicht Krankheitswissenschaften.
Und die Gesundheitswissenschaften
hat sie sehr interdisziplinär, ganz anders, dann hier, entwickelt.
Und das konnte auch hier eigentlich nur passieren.
Viele haben eine Heimat gefunden, also viele hatten irgendwie Themen,
mit denen sie versucht haben, in anderen Fakultäten zu landen.
Also grade auch die Professoren, die gekommen sind.
Und das war aber immer eher Außenseiter.
Und mit der Fakultät gab es so eine
wie so einen Heimathafen und jeder hat so seine Ideen
auch auf den Tisch gepackt und geguckt, wo finde ich jetzt
irgendwie Mitstreiter, Mitstreiterinnen?
Die Idee war ja gerade, dass Public Health breiteren Raum einnimmt in Deutschland.
Und das ist, glaube ich, den Bielefeldern, als sozusagen Ursprung,
als Quelle auch gelungen.
Es gibt Public Health,
an vielen Orten,
also dieses Thema Gesundheit in die Breite zu bringen und vor allen Dingen für
sozialbenachteiligte Menschen. Das ist einVerdienst der Gesundheitswissenschaften,
hier in Bielefeld, würde ich sagen.
Also die Fakultät ist ja insgesamt sehr, sehr innovativ,
was man daran sieht, dass sozusagen ein Jahr nach der Gründung,
also schon das nächste Projekt da war, nämlich ein Institut für Pflegewissenschaft
zu gründen, was damals politisch sehr, sehr schwierig war.
Die wollte die Pflege nicht an der Universität haben,
sondern sie war der Auffassung, dass Pflege an die Fachhochschulen gehört.
Und das war, das war wirklich spannend,
weil das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales das wollte die Pflege an die Uni haben.
Es war die Aufgabe, ja nicht nur Forschung aufzubauen,
sondern eine neue gesundheitswissenschaftliche Disziplin.
Das kann man nicht an Fachhochschulen.
Also wenn Sie den Anspruch wirklich ernst nehmen,
dann müssen Sie an die Universitäten gehen.
Und da war eine Gesellschaft für Gesundheit- und Pflegewissenschaften
und diese Gesellschaft hat dann ein ein Institut,
ein An-Institut an der Uni Bielefeld gegründet,
und da wurde Doris Schäffer berufen, die hat das geleitet,
und ein paar Jahre später
ist dieses An-Institut dann integriert worden in die Universität.
Dazu kam ein anderer Gesichtspunkt.
Ich sag’s ganz offen. Die Lehrstühle im Bereich
Gesundheitswissenschaften waren besetzt, es war nichts mehr da
und Frauen, für Frauen war schon gar kein Platz, so ungefähr.
Das war ja ein sehr männliches Gebiet am Anfang.
Und so habe ich dann gedacht okay,
ich habe lange genug im Bereich der Forschung gearbeitet, okay,
ich finde das gut, dieses Gebiet aufzubauen.
Für Deutschland.
Ich hab mich halt durchgeboxt.
Ich war zu der Zeit mehr oder weniger alleinerziehende Mutter mit einem pubertierenden Kind.
Da musste man sich ab und zu Gehör verschaffen und sagen Nein,
zu diesen Zeiten kann ich nicht, weil
da gibt es auch noch was anderes, um das ich mich kümmern muss.
Das war sicherlich das eine, aber eigentlich kann ich sonst nicht
dass ich als Frau großartige Probleme hätte.
Eher wegen des Gebiets, das ich vertreten habe dann.
Und da kann man natürlich doch wieder auf Geschlechtsaspekte zurückkommen,
weil die Pflege ist ein Frauenberuf.
Das war ja eine Zeit, da war das erst mal selbstverständlich,
also sozusagen Dekane sind Männer und Entscheider sind irgendwie Männer.
War ja was, wo man irgendwie mit leben musste.
Umso auffälliger war es dann, wenn es eben Männer gab,
die sagten, das interessiert mich jetzt irgendwie nicht.
Und ich stehe jetzt auch irgendwie Frauen ein.
In den ersten Jahren war das keine Diskussion.
Das kam irgendwie deutlich später als insgesamt so bundesweit
die Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit,
als die so hochkam.
Dann hat man auch viel genauer hingeguckt.
Wieso haben wir eigentlich nicht nicht mehr Kolleginnen hier im Hause?
Und die Fakultät hat sich auch als eine entwickelt, wo dann der Frauenanteil
auch bei den Professorinnen relativ hoch war.
Und immer noch ist
Ich wünsche der Fakultät, dass sie weiter blüht und gedeiht
Ich wünsche ihr, dass sie das professorale Personal
auch danach auswählt, dass die Menschen gut zusammenarbeiten können,
nicht nur Spezialisten sind, sondern dass sie eben auch offen sind für Kollaboration.
Ich wünsche ihr sehr, dass sie neben der Medizin bestehen bleibt.
Denn die Medizin braucht Public Health und Public Health braucht die Medizin,
aber beide brauchen auch ihre Eigenständigkeit.
Ein moderater Wachstumskurs, ich glaube, das ist sehr richtig,
weil die Fakultät kann ja nicht ins Unendliche so explosiv weiter wachsen.
Die kann natürlich immer noch Forschungsprojekte einwerben.
Ich wünsche ihr, dass sie bald eine Fakultät für Pflegewissenschaft als weiteren Partner bekommt.
Das wäre mein Traum für die Uni Bielefeld und da könnte sich
die Universität Bielefeld im ganzen Bereich
der Gesundheitswissenschaften sehr stark etablieren.
Ich wünsche ihr eigentlich die Frische, die sie in den, ja sagen wir mal, 2010er, 2005er Jahren hatte.
Na ja, dass Sie weiter so macht.
Viel Erfolg natürlich.
Und dass sie vor allen Dingen und das ist das Allerwichtigste für eine Fakultät
viel tut für den Nachwuchs, für die Jungen Studierenden
und gute Forschung macht.
Und dass diese Forschung auch
einen Einfluss hat auf unsere Gesundheit, auf unsere Gesundheitspolitik.
Ich finde, es ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, dass wir uns
so lange nicht nur haben halten können, sondern uns haben weiterentwickeln können.
Also das Fächer Spektrum hat sich verändert,
wir sind größer geworden, wir sind bunter geworden,
wir haben neue Perspektiven auch dazugewonnen.
Ich wünsche der Fakultät, dass das ist sozusagen tatsächlich
ein gemeinsames Ziehen an einem Strang ist.
So unterschiedlich die einzelnen Stränge dann vielleicht irgendwie sein mögen,
an denen man selber arbeitet,
Dass sie immer, wenn Personen aus Altersgründen ausscheiden,
dass sie die Besten berufen kann, die es im Markt gibt,
das ist sehr wichtig für die Qualität der Forschung und Lehre.
Ich glaube, das wäre vermessen, den irgendwas zu wünschen.
Außer alles Gute.

Zur Kooperation mit der Medizinischen Fakultät

Im dritten Teil „Wohin wollen wir?“ geht es um die Zusammenarbeit mit der neuen Medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld. In Tandem-Vorträgen wird präsentiert, wie Gesundheitswissenschaften und Medizin gemeinsam an Lösungen arbeiten: Professorin Dr. Christiane Muth und Professor Dr. Oliver Razum fokussieren auf die Forschung und wollen den Zugang zur Brustkrebsnachsorge verbessern, besonders für türkeistämmige Frauen. Dr. Anja Bittner und Prof. Dr. Doreen Reifegerste präsentieren neue Ansätze in der Lehre und thematisieren gemeinsame Ansätze zur Angehörigenkommunikation.

Zukunftsperspektiven von Public Health und Medizin

Zum Abschluss befasst sich eine Diskussionsrunde mit der Zukunft der Public Health. Daran nehmen teil: 

  • Rektorin Prof. Dr. Angelika Epple
  • Professorin Dr. Claudia Maier von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften
  • Professor Dr. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie Bremen und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)
  • Professorin Claudia Hornberg, Dekanin der Medizinischen Fakultät OWL
  • Professor Dr. Wolfgang Greiner, Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften 

Sie tauschen sich unter anderem darüber aus, wie Public Health und Medizin wirksam zusammenarbeiten können. Dabei thematisieren sie auch etwa die Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Gesundheit und die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft.

Display einer professionellen Videokamera zeigt Szene mit Professorin Dr. Maria Blettner.
Dreharbeiten für den Film anlässlich des Fakultätsjubiläums: Zu Wort kommen die Gründungsgeneration und andere Mitglieder der Fakultät – hier im Bild: Prof’in Dr. Maria Blettner.