Vor 25 Jahren ging in Bielefeld ein lang gehegter Traum auf Sendung. Ein Radio aus der Universität für die Universität und längst darüber hinaus. Was mit einer studentischen Idee, viel Beharrlichkeit und einer Lizenzvergabe im Jahr 2000 begann, ist heute ein fester Bestandteil der Bielefelder Medienlandschaft. Zwischen Studiorechnern, Mikrofonen und improvisierten Schichten entstand ein Ort, an dem Generationen von Studierenden Radioluft geschnuppert und eigene Formate entwickelt haben.
Es gibt Gründungen, die aus strategischen Überlegungen entstehen. Und es gibt solche, die Wirklichkeit werden, weil eine kleine Gruppe Studierender einfach nicht nachlässt. Die Geschichte von Hertz 87.9 gehört eindeutig zur zweiten Kategorie.
Bereits 1992 formierte sich im UniFunk-Projekt, getragen von Linguistik, Pädagogik und dem Rektorat, eine studentische Initiative, die ein eigenes Campusradio aufbauen wollte. Erste Anläufe scheiterten, doch die Gruppe blieb beharrlich: Sie feilte an Konzepten, suchte Verbündete, sprach mit dem Rektorat und trieb die Finanzierung voran. Rückenwind kam 1995, als eine Gesetzesänderung in NRW erstmals nicht-kommerzielle Hochschulradios ermöglichte.
Fünf Jahre später folgte der entscheidende Schritt: Die Landesanstalt für Medien NRW vergab im Jahr 2000 die Lizenz für eine eigene UKW-Frequenz. Am 6. Dezember, kurz nach 15 Uhr, sendete die Antenne auf dem Telekom-Hochhaus zum ersten Mal. Was als studentische Vision begonnen hatte, wurde nun hörbare Realität, weit über den Campus hinaus. Das Signal erreichte große Teile Bielefelds und reichte im Osten sogar bis nach Bad Salzuflen und stellenweise bis Minden.
Eine Redaktion zwischen Betonwänden
Kreative Unordnung, Kabelsalat, Sticker und Poster. Das ehemalige Studio im untersten Geschoss des C-Zahns war über Jahrzehnte Heimat des Campusradios. Mehr als 1.500 Studierende haben dort gelernt, wie Radio funktioniert. Vom Crashkurs bis zur Chefredaktion.
Es war ein Raum, an dem man zum ersten Mal moderierte, schnitt und merkte, dass die eigene Stimme die Stadt erreicht. Ein Raum für Experimente. Neue Musikformate, Wissenschaftsmagazine, Kulturstücke, Livesendungen, Podcasts und Radiokunst. All das findet auch heute statt. Dank der Campussanierung nun im neuen Studio in S-02.
Dieses Verständnis von Redaktion und Experimentierraum teilen auch die beiden aktuellen Chefredakteur*innen. Matteo Busch beschreibt das Campusradio so: „Ich sehe Hertz 87.9 als den Ort in der Uni, an dem zügellose Kreativität und die gewisse Professionalität im nahezu perfekten Spagat sind und dabei den Fokus auf eine wertschätzende, inspirierende Ausbildung legt.“
Joana Steffmann ergänzt: „Für mich ist Hertz 87.9 ein Ort, wo super viele Menschen zusammenkommen, die Bock haben, ihre kreativen Ideen mit viel Energie und Her(t)z umzusetzen. Ich bin super dankbar für die Möglichkeiten, die der Sender als Ausbildungsradio bietet, Dinge auszuprobieren und zu lernen.“

© Radio Hertz 87.9
Ein Sender mit eigenem Profil
Hertz 87.9 wollte nie ein Abklatsch der großen Radiosender sein. Die Redaktion setzte immer wieder Themen, die anderswo untergingen. Hochschulpolitik aus nächster Nähe, verständliche Wissenschaft, Kultur abseits des Mainstreams, subkulturelle Musik, studentisches Leben, Sport und Diskurs.
Zum Selbstverständnis gehört es, Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Dinge sollen sichtbar werden, die sonst keine Bühne bekommen. Auch heute spielt dieser Gedanke eine große Rolle. „Unser Auftrag besteht grob gesagt darin, über das Geschehen an den Hochschulen in Bielefeld zu berichten und dabei zu einer freien, individuellen Meinungsbildung beizutragen“, sagt Joana Steffmann. Oder kurz wie Matteo Busch es sagt: „Wir machen Radio von Studierenden für Studierende.“
Etwa 15 feste Mitarbeitende und insgesamt rund 30 aktive Redaktionsmitglieder gestalten das Programm.
Ein Umzug als Zäsur
Die Campussanierung markierte einen der größten Umbrüche in der Geschichte des Senders. Ein Vierteljahrhundert lang arbeitete die Redaktion im Studio im C-Zahn, das für viele zu einem zweiten Zuhause geworden war. Bis Ende März 2025 konnte das Team dort bleiben. Am 29. März ging schließlich die letzte Sendung aus dem alten Raum über den Äther. Danach begann eine rund siebenwöchige Übergangszeit, in der gepackt, sortiert und viel improvisiert wurde. Am 19. Mai folgte der Neustart im neuen Studio.
Das neue Zuhause bietet deutlich mehr Platz und moderne Technik. Der höhenverstellbare Sendetisch und die größeren, helleren Räume schaffen spürbar bessere Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig erinnern sich viele noch gern an den besonderen Charme des alten Studios, der sich nicht vollständig übertragen lässt. Insgesamt überwiegt jedoch die Zufriedenheit mit dem neuen Standort, auch wenn dieser etwas abseits liegt.
Von Hertz 87.9 hinaus in die Medienwelt
Viele Ehemalige arbeiten heute in der Medienlandschaft. Beim Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Nova, WDR, NDR, Arte und dem ZDF. In Kulturinstitutionen, Pressestellen, Agenturen, NGOs oder in der Wissenschaftskommunikation. Namen wie Niklas Treppner, Philip Strunk, Jerome Leymann, Ramona Westhof, Helen Bielawa oder Lukas Bartsch stehen für diesen Weg.
Viele kehren als Alumni zurück – als Mentor*innen, im Programmbeirat oder als Ansprechpartner*innen für neue Generationen. Der Austausch zwischen früher und heute ist lebendig und eng.
Wer durch die neuen Redaktionsräume geht, spürt denselben Elan, der vor 25 Jahren den Sendestart möglich machte. Neue Stimmen, neue Formate und neue technische Möglichkeiten knüpfen an eine lange Tradition an. Hertz 87.9 bleibt ein Ort, an dem Studierende Erfahrungen sammeln, Gemeinschaft erleben und die Radiolandschaft der Region mitgestalten. Die Geschichte des Senders ist damit längst nicht abgeschlossen.




