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Verantwortung abgeben: 1,5 Millionen Euro für ERC-Projekt


Autor*in: Universität Bielefeld

Die Psychologin Dr. Alexa Weiss von der Universität Bielefeld erhält eine bedeutende Forschungsförderung der Europäischen Union. Mit rund 1,5 Millionen Euro wird ihr neues Projekt für fünf Jahre vom Europäischen Forschungsrat (ERC) unterstützt. Zentrale Frage des Projekts: Unter welchen Bedingungen lassen Menschen andere für sich entscheiden, um eigene Ziele zu erreichen, ohne selbst die Verantwortung zu tragen? Mit der Förderung zählt Alexa Weiss zu den besten europäischen Wissenschaftler*innen in frühen Phasen ihrer Karriere.

In unserer Gesellschaft treffen wir viele Entscheidungen gemeinsam oder lassen andere für uns entscheiden – andere Personen oder auch nicht-menschliche Akteure wie Künstliche Intelligenz. Das kann dazu führen, dass einzelne Personen sich weniger verantwortlich fühlen und dies kann besonders schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn es um schwierige oder umstrittene Entscheidungen geht. Dr. Alexa Weiss erforscht dieses bisher wenig systematisch untersuchte Thema. „Wir vermuten, dass Menschen oft andere entscheiden lassen, wenn sie etwas Eigennütziges oder moralisch Fragwürdiges erreichen wollen. So fallen sie weniger negativ auf und fühlen sich weniger schlecht dabei“, sagt die Wissenschaftlerin.

Die Übergabe von Schlüsseln von der Hand einer alten Frau an die Hand einer jungen Frau.
Wann und warum delegieren Menschen moralisch relevante Entscheidungen? Darum geht es in dem neuen Projekt unter Leitung von Dr. Alexa Weiss.

Verantwortung vermeiden und Schuldgefühle reduzieren

„Manchmal haben Menschen eigennützige Ziele oder andere Ziele, die moralischen Normen zuwiderlaufen“, erläutert Alexa Weiss. „Diese Menschen möchten sich aber nicht schuldig fühlen oder von anderen für die negativen Konsequenzen ihrer Handlungen verantwortlich gemacht werden. In solchen Situationen könnte es eine Lösung sein, moralisch relevante Handlungen und Entscheidungen darüber anderen zu überlassen. Wenn die andere Person sich ihrerseits entscheidet, die Regel zu brechen, profitiert man selbst mit davon, gewissermaßen als Trittbrettfahrer*in“.

Moralisch fragwürdige Entscheidungen delegieren

Das neue Projekt heißt „Delegating decisions: An overlooked way of pursuing immoral goals“ (zu Deutsch: Entscheidungen delegieren: Ein übersehener Weg zur Verfolgung unmoralischer Ziele, Kurzname: DELEGATION). Weiss und ihr Team werden mit psychologischen Methoden ergründen, weshalb und unter welchen Umständen Menschen moralisch relevante Entscheidungen an andere weitergeben. „Wir wollen herausfinden, inwiefern dies die wahrgenommene Verantwortung oder Schuldzuweisungen, aber auch die Anerkennung von hilfsbereitem, also prosozialem Verhalten beeinflussen kann.“ Sie untersuchen das Phänomen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern, um zu verstehen, wie sich dieses Verhalten im Lauf des Lebens entwickelt.

Methoden kombinieren und Verhalten analysieren

Die Forschenden nutzen theoretische Ansätze und Methoden aus der Sozialpsychologie, den Wirtschaftswissenschaften und der Kognitions- und Entwicklungspsychologie. Alexa Weiss ist zuversichtlich, dass das Projekt einen Beitrag zu verschiedenen Forschungsdisziplinen leistet und über das Phänomen der Delegation hinausweisen kann. „Beispielsweise lassen sich enge Bezüge herstellen zu gemeinschaftlichem unmoralischem Verhalten in Form von Teamentscheidungen oder zu Konsumentscheidungen.“ Das Projekt startet voraussichtlich im April 2025 an der Universität Bielefeld. In den darauffolgenden fünf Jahren wird Weiss dann mit einem Team von bis zu drei weiteren Forschenden zu diesem Thema arbeiten. „Die Förderung ermöglicht mir, ein Team aufzubauen, das gleichermaßen hoch spezialisiert und interdisziplinär arbeitet“, sagt Alexa Weiss.

ERC Starting Grants

Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt den Starting Grant an herausragende junge Wissenschaftler*innen. Sie erhalten bis zu 1,5 Millionen Euro für fünf Jahre, um neue Forschungsideen umzusetzen. Bewerben können sich Forschende zwei bis sieben Jahre nach ihrer Doktorarbeit. An der Universität Bielefeld haben bisher fünf Forschende diese Förderung erhalten.