Skip to main content
Schooling fish swim above wreck in North Carolina

Interdisziplinäre Forschung zu nachhaltigem Fischbestand


Autor*in: Lisa Janowski

Gemeinsam mit dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB) an der Universität Oldenburg erhält die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld Forschungsgelder für drei Einzelprojekte. Die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erfolgt im Rahmen des interdisziplinären Projektpaketes „Decision Making and information acquisition in natural resource management“. Sie beträgt rund 1,25 Millionen Euro (davon entfallen ungefähr 900.000 Euro auf die Universität Bielefeld) über einen Zeitraum von drei Jahren. Die insgesamt vier Projekte des Paketes untersuchen auf welcher Basis die Nutzung und der Schutz von natürlichen Ressourcen, zum Beispiel von Fischbeständen, nachhaltigen gestaltet werden. Hierdurch soll die Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern fortgesetzt und erweitert werden, die bereits seit Januar 2021 mit der Gründung der gemeinsamen Forschungsgruppe „Value of Information“ (VoI Group) besteht.

Die Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Dominik Karos, Juniorprofessor Dr. Michael Römer und Professor Dr. Kevin Tierney sowie der Privatdozent Dr. Thorsten Upmann (Universität Bielefeld und Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg, HIFMB) konnten in vier koordinierten Projekten mit den Oldenburger Forschern Professor Dr. Helmut Hillebrand und Professor Dr. Thilo Gross (beide HIFMB) Fördergelder der DFG einwerben. Der gemeinsame Nenner der Projekte ist die Gratwanderung einer möglichst wirtschaftlichen Befischung bei gleichzeitiger Wahrung des Meeresschutzes und Erholung des Fischbestandes. Die Bielefelder Forschenden nähern sich der Fragestellung dabei aus der wirtschaftsmathematischen Perspektive.

„In einer Zeit, in der die Erhaltung natürlicher Ressourcen und die Bewahrung der natürlichen Umwelt von größter Bedeutung sind, ist es unerlässlich, bessere Entscheidungsprozesse im Bereich des Ressourcenmanagements zu entwickeln. Unser Projekt zielt darauf ab, genau dies zu erreichen, indem wir untersuchen, wie Informationen in diesem Prozess gewonnen und genutzt werden können, um zu besseren Entscheidungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu gelangen.“, erläutert Thorsten Upmann die Ziele hinter dem Projektpaket.

Informationsbeschaffung und Fischereiquotenverhandlungen

So befasst sich ein Projekt, verantwortet von Dominik Karos, mit dem abstrakten Randbereich des Fischereimanagements. Hier geht es um die komplexen Fragen, wer, wo und wie viel Fischen darf. Gefördert wird das Projekt mit ca. 240.000 Euro.

Dabei werden Verhandlungen über wirtschaftliche und politische Themen dahingehend untersucht, wie sie effizienter gestaltet werden können. Viele Verhandlungen, sei es über Ressourcen und Gewinne, Gesetzesentwürfe oder internationale Umweltverträge, bestehen aus zwei Phasen: Zuerst versuchen die Parteien, eine starke Verhandlungsposition zu erreichen, bevor sie sich an den Verhandlungstisch setzen (zweite Phase). Das Projekt befasst sich mit der spieltheoretischen Modellierung dieser zweiphasigen Verhandlungen, bekannt als Biformspiele. Obwohl diese in der Wirtschaftsforschung bereits untersucht wurden, gibt es noch keine umfassende Theorie für Biformspiele, bei denen nicht alle Informationen vorliegen. Solche Modelle sind jedoch entscheidend, um komplexe Verhandlungsprozesse, beispielsweise über Fischfangquoten und Meeresschutzgebiete, besser zu verstehen.

Karos‘ Forschung ermöglicht es den Verhandlungspartnern, nicht nur ihre Position im kooperativen Stadium der Verhandlungen zu stärken, sondern auch den gemeinsamen Informationsstand über die Verhandlungssituation zu beeinflussen. Dies trägt einerseits dazu bei, dass Verhandlungen transparenter und effizienter ablaufen. Andererseits können durch die Analyse vergangener und die Vorbereitung auf zukünftige Verhandlungen durch strategische Informationsbeschaffung Wege gefunden werden, die eigene Verhandlungsposition zu optimieren und die Ergebnisse zu verbessern.

Dynamische Bewirtschaftung von Fischbeständen

In einem weiteren Projekt, geleitet von Thorsten Upmann, steht die optimale Bewirtschaftung von Fischbeständen im Fokus. Ziel ist es, die Nutzung mariner natürlicher Ressourcen zu optimieren und nachhaltige Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln.
Das Projekt konzentriert sich auf zwei zentrale Aspekte: das Management von Fischbeständen bei abrupten Systemänderungen und die Gestaltung von Meeresschutzgebieten. Das Arbeitspaket „Regimewechsel“ untersucht, wie abrupt auftretende Veränderungen in der Bestandsdynamik bewältigt und in eine nachhaltige Politik umgesetzt werden können, während das Arbeitspaket „Meeresschutzgebiete“ die optimale Größe, Lage und Form von Schutzgebieten zum Erhalt der Fischbestände und ihrer Lebensräume analysiert. Zur Entwicklung realistischer und praxisnaher Modelle werden aktuelle europäische Fischereidaten verwendet. Die Forschung stützt sich auf moderne Methoden der hybriden und räumlich verteilten Steuerung. Die Förderung umfasst eine Höhe von rund 375.000 Euro.

Entscheidungsorientiertes Lernen für die Bestimmung von Meeresschutzgebieten

Das von Kevin Tierney und Michael Römer geleitete Projekt konzentriert sich auf die Bestimmung von Meeresschutzgebieten (MPAs) und die komplexen Herausforderungen, die damit einhergehen. Hier stehen nicht nur ökologische Anliegen wie die Erhaltung der Biodiversität im Vordergrund, sondern auch wirtschaftliche Aspekte, wie die Optimierung der Wertschöpfung. Durch entscheidungsorientiertes Lernen werden Strategien entwickelt, um Entscheidungen zu treffen, die nicht auf Vorhersagen, sondern auf robusten und verlässlichen KI-gestützten Analysen basieren. Ziel des Teilprojekts „Decision Focused Learning“ (DFL) ist maschinell gelernte Modelle in den Lösungsprozess für diskrete Optimierungsprobleme zu integrieren, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.

Traditionelle Methoden stoßen oft an ihre Grenzen, weil die mathematischen Modelle nicht immer mit den Zielen der Aufgaben übereinstimmen. In diesem Projekt wird eine innovative Methode entwickelt und maschinelles Lernen in praktische Lösungswege integriert. Konkret wird diese Methode bei der Gestaltung von Meeresschutzgebieten angewendet. Ziel ist es, die Modelle und die Lösungsansätze gleichzeitig zu verbessern, um so zu besseren und effizienteren Ergebnissen zu kommen. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 320.000 Euro unterstützt.

Oldenburger Forschung zu kritischen Übergängen in der Biodiversität

Unter der Leitung von Helmut Hillebrand und Thilo Gross startet ein weiteres Projekt zur Untersuchung kritischer Übergänge in der Biodiversität („Critical transitions in biodiversity: From foundations to detections and warning“). Ziel des Projekts ist es, die Grundlagen ökologischer Stabilität zu erforschen und deren Anwendung in der Umweltpolitik zu verbessern. „Obwohl Kipppunkte in Modellen gut etabliert sind, stellt die empirische Identifizierung in realen Daten eine Herausforderung dar, vor allem bei komplexen Eigenschaften wie der biologischen Vielfalt“, so Thilo Gross. Selbst umfangreiche Daten und robuste statistische Methoden stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, Schwellenwerte als Reaktion auf externe Einflüsse zu erkennen. Helmut Hillebrand ergänzt: „Die Nutzung von Schwellenwerten ist in der Umweltpolitik sehr beliebt, aber ihr Einsatz ist nur sinnvoll, wenn wir sie verlässlich vorhersagen können“. Das 36-monatige Projekt wird sich daher nicht nur auf die empirische Identifizierung von Schwellenwerten konzentrieren, sondern auch modifizierte und alternative Konzepte untersuchen, die eine verlässlichere Basis für Umweltpolitiken bieten könnten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Vorhaben mit rund 320.000 Euro.

Die vier Projekte verbinden wirtschafts- und umweltwissenschaftliche Ansätze, um die Balance zwischen wirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz zu optimieren. Durch diese interdisziplinäre Forschung werden innovative Lösungen für das Ressourcenmanagement gefördert, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Zudem trägt die enge Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftler zur Weiterentwicklung praxisnaher Modelle bei, die eine nachhaltige Nutzung mariner Ressourcen ermöglichen. Die Kooperation zwischen den Projektpartnern wird dadurch weiter gestärkt und bietet eine solide Grundlage für zukünftige gemeinsame Forschungsinitiativen.