Am 28. Mai ist Weltmenstruationstag. Obwohl die Menstruation die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft, bleibt das Thema gesellschaftlich weitgehend unbeachtet. Dabei leiden Mädchen und Frauen jeden Monat unter Begleiterscheinungen. Oft im Stillen: „Viele denken, es sei normal, dass Schmerzen das Leben einschränken – nur, weil man eine Frau ist“, sagt Dr. Nina Pauly, Oberärztin der Universitätsfrauenklinik des Universitätsklinikums OWL am Klinikum Lippe und Geförderte im Female Clinician Scientist Programm.
Rückenschmerzen, Durchfall, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit und dazu noch Schmerzen im Unterleib. Dysmenorrhoe ist der medizinische Fachbegriff, wenn die Menstruationsbeschwerden sehr stark und die Schmerzen sogar krampfartig sind. Eine Umfrage von Plan International aus dem Jahr 2021 ergab, dass unter 1.000 Frauen in Deutschland 72 Prozent während der Periode Unterleibsschmerzen und Krämpfe haben. Manche Betroffene wirft es aus der Bahn. Normaler Alltag? Fehlanzeige. Laut Techniker Krankenkasse sind die Beschwerden bei jeder zehnten Frau so stark, dass sie ein bis drei Tage im Monat nicht in der Lage ist, ihren normalen Schul- und Berufsalltag zu bewältigen. „Von Dysmenorrhoe spricht man, wenn das Leben der Patientin massiv beeinträchtigt ist“, sagt Pauly.
© Klinikum Lippe
Wissen über den eigenen Körper fehlt
Auch wenn inzwischen mehr über Menstruationsfragen gesprochen wird, macht die Geförderte im Female Clinician Scientist Programm bei ihrer Arbeit die Erfahrung, dass vielen Frauen das Wissen über den eigenen Körper und seine Strukturen fehlt: „Dabei ist das ein wichtiger Schritt im Emanzipationsprozess.“ Regelschmerzen entstehen, wenn die Gebärmutter versucht, ihre innerste Schicht, das Endometrium, abzustoßen. „Dazu werden sogenannte Prostaglandine ausgeschüttet“, erklärt Pauly. Diese Botenstoffe fördern die Kontraktion der Gebärmutter. „Eine Hypothese besagt, dass Frauen, die eine sehr schmerzhafte Regelblutung haben, mehr von diesen Prostaglandinen produzieren.“
Was eine normale Menstruation ist, lässt sich nicht so einfach definieren. „Es gibt viele Dinge, die normal sind“, sagt Pauly. „Deshalb sprechen wir in der Medizin auch gerne von Normvarianten.“ Neben den Beschwerden ist für viele Mädchen und Frauen die Menge des verlorenen Blutes ein Anhaltspunkt. „Als Frauenärzt*innen fragen wir zum Beispiel nach der Anzahl von verwendeten Binden oder Tampons pro Menstruation. Aber auch hier gibt es eine große Bandbreite an Erfahrungen, was die Häufigkeit und Dauer der Menstruation betrifft.“ Mehr als 80 Milliliter Blut – eine Menge, die zwei Schnapsgläser füllt – sollten nicht verloren gehen. „Das misst zwar niemand nach, aber es ist eine Zahl, auf die sich die Mediziner*innen geeinigt haben. Und trotzdem kann man oft das Gefühl haben, dass viel mehr Blut kommt.“
Was ist noch normal?
Normal ist also relativ. Deshalb ist es gar nicht so einfach, eine Dysmenorrhoe von krankheitsbedingten Beschwerden zu unterscheiden. „Wir unterscheiden zwischen der primären Dysmenorrhoe, die bei Teenagern und jüngeren Menschen auftritt, und der sekundären Dysmenorrhoe, die also erst nach einer beschwerdearmen Zeit bei Frauen ab Mitte 20 auftritt“, sagt Pauly. „Diese Schmerzen hängen dann oft mit chronischen Erkrankungen wie Endometriose, Myomen oder stattgehabten Infektionen zusammen und können sich während der Menstruation verstärken.“ Der Übergang zwischen beiden Formen ist fließend, und darin liegt auch ein Problem: „Lange Zeit wurde nicht zwischen einem normalen, geschlechtsspezifischen und einem krankhaften Zustand unterschieden.“
Bei allen Beschwerden sind die Gynäkolog*innen die Ansprechpartner*innen. Doch bei Dysmenorrhoe können sie nur bedingt helfen: „Das kann sehr frustrierend sein. Die Frauen spüren Schmerzen in ihrem Körper und haben Angst, dass es etwas Schlimmeres sein könnte.“ Letztlich ließen sich Regelschmerzen am besten mit Medikamenten behandeln. „Entgegen gängiger Vorurteile wird man davon nicht abhängig oder betäubt nur ein Symptom“, so Pauly. „Bei der Dysmenorrhoe ist ja der Schmerz das Problem.“
Auch wenn viele Frauen der Pille wegen der zahlreichen Nebenwirkungen skeptisch gegenüberstehen, sei sie eine Option. „Der Zyklus ist hormonabhängig. Und Hormone haben einen bestimmten Rhythmus. Deshalb kann die Einnahme eine gute therapeutische Maßnahme sein. „Es gibt niedrig dosierte Hormonpräparate, die immer einen Versuch wert sind, wenn sie die Lebensqualität verbessern können.“
Bewusstsein schaffen
Hormonbehandlungen und Schmerztherapien können auch bei zwei Erkrankungen helfen, die im Rahmen einer sekundären Dysmenorrhoe auftreten: Endometriose und Myome. Bei der Endometriose wächst Gewebe, das normalerweise die Gebärmutter auskleidet, außerhalb der Gebärmutter. Während der Menstruation blutet dieses Gewebe wie die Gebärmutterschleimhaut, was zu Schmerzen, Entzündungen und anderen Symptomen führen kann. Myome sind gutartige Geschwülste, die in oder um die Gebärmutter herum wachsen. Sie können das Zusammenziehen der Gebärmutter während der Menstruation beeinflussen und Schmerzen verursachen.
In ihrer täglichen Arbeit begegnet Dr. Nina Pauly immer wieder Menschen, die unter dem unbehandelten Schmerz leiden: „Das muss nicht sein, auch wenn man Schmerzmittel nicht mag“, sagt Pauly. Aber auch die Forschung sieht die Medizinerin in der Pflicht: „Gemessen an den Auswirkungen, die diese Krankheiten haben, wird der Forschung unglaublich wenig Raum gegeben.“ Dennoch sieht sie Fortschritte: „Wir sprechen heute mehr über Menstruation, in manchen Schulen, Universitäten und Cafés gibt es kostenlose Hygieneartikel. Aber wir müssen auch intersektional denken. Es gibt viele Frauen, die ein anderes Verhältnis zur Menstruation haben.“
In einigen Teilen Südamerikas gilt es etwa als problematisch, einen Tampon zu benutzen, weil man sich dabei selbst berührt. In den USA haben Tampons eine Einführhülse. Pauly: „Das zeigt, dass der Bezug zum eigenen Körper unterschiedlich ist. Das ist auch eine Frage der Sozialisation.“ In einem gemeinsamen Projekt mit der Charité Berlin – „Empowerment für Diversität“-Allianz für Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung – setzt sich die Universitätsfrauenklinik für den Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen ein. Dabei stehen auch Themen der gesundheitlichen Aufklärung im Vordergrund.