Mit dem Mobirobot Gymnastik-Übungen machen, den virtuellen Assistent Flobi für die Therapie von Kindern mit ADHS kennenlernen oder erfahren, wie eine Künstliche Intelligenz Vorhofflimmern erfasst: Der Showroom „Interaktive Assistenz in Medizin und Pflege“ macht dies möglich. In der Ausstellung der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld machen die Arbeitsgruppen „Medizinische Assistenzsysteme“ und „Interaktive Robotik in Medizin und Pflege“ jetzt Hightech-Assistenzsysteme erlebbar.
Medizinische Assistenzsysteme (MAS) sind komplexe Technologien, die darauf abzielen, Patient*innen im Alltag zu unterstützen. „Das gilt für Menschen, deren körperliche oder geistige Funktionen dauerhaft oder vorübergehend eingeschränkt sind“, sagt die Informatikerin Professorin Dr.-Ing. Britta Wrede. Sie leitet die Arbeitsgruppe „Medizinische Assistenzsysteme“ der medizinischen Fakultät. MAS sollen die Autonomie der Patient*innen fördern. „Die Technologie ist deshalb so gestaltet, die Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, anstatt Nutzer*innen abhängig zu machen. Bei Verbesserung des Zustands kann das System schrittweise reduziert werden.“
© Universität Bielefeld/M. Adamski
Die MAS im Showroom sprechen dabei nicht nur Patient*innen direkt an. „Wir engagieren uns auch in der Schaffung innovativer Lösungen, die Fachkräfte im Gesundheitswesen unterstützen und Schnittstellen für verschiedene Nutzer*innengruppen bieten“, sagt Professorin Dr.-Ing. Anna-Lisa Vollmer, Leiterin der Arbeitsgruppe „Interaktive Robotik in Medizin und Pflege“. Dazu zählen Angehörige, Pflegende und Ärzt*innen.
In wechselnden Ausstellungen werden Forschenden und interessierter Öffentlichkeit neben kommerziellen Produkten auch aktuelle Forschungsprototypen vorgestellt. Derzeit sind im Showroom 13 Exponate zu sehen – und auszuprobieren. Dazu zählen unter anderem ein virtueller Assistent für die Therapie von Kindern mit ADHS, eine Virtual-Reality-Trainingssimulation für Blutabnahme und Infusionen oder eine Roboter-Robbe, die in der Altenpflege bei Menschen mit Demenz eingesetzt wird.
© Universität Bielefeld/P. Pollmeier
Nao macht mobil
Ein besonderes Exponat ist Nao. Der humanoide Roboter misst gerade einmal 58 Zentimeter, spielt aber eine große Rolle in der Arbeit mit Kindern. Nao kann seine Arme und Beine in alle Richtungen bewegen – wie ein Mensch – und ist deshalb der perfekte Vorturner für den Physiotherapie-Einsatz in der Kinderchirurgie. „So hilft er jungen Patient*innen nach Trauma oder OP wieder mobiler zu werden“, sagt Vollmer. „Wir setzen Nao aber auch in der Kinder- und Jugend-Psychiatrie ein, um jungen Menschen mit Depressionen mehr Bewegung zu verschaffen.“
Nao macht die Übungen nicht nur vor, er erklärt sie auch und motiviert die Kinder, wenn er selbst an seine Grenzen stößt: „Du kannst das gerne schneller machen als ich“, sagt er dann. Die Mobirobot-Studie in der Kinderchirurgie und Kinder- und Jugend-Psychiatrie des Evangelischen Krankenhauses Bethel, der Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums Lippe und der Physiotherapiepraxis Hand & Fuß in Bielefeld stößt auf positive Resonanz. „Vor allem natürlich bei den Kindern“, sagt Vollmer.
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Erkenntnisse fließen in Entwicklung ein
Die Anwendung des Roboters im therapeutischen Setting bietet den Wissenschaftler*innen die Gelegenheit zur Weiterentwicklung, wie Vollmer erklärt: „Im Austausch mit Anwender*innen und ihrem sozialen Umfeld aus Therapeut*innen und Ärzt*innen fragen wir Bedürfnisse ab und lassen sie in die Entwicklung einfließen. Insbesondere im Mobirobot-Projekt gehen wir damit einen Schritt über den rein technischen Aspekt hinaus.“
Der Showroom wird von Anwender*innen gut angenommen, wie Britta Wrede erklärt: „Die Entwicklung von Technologien ist im Allgemeinen sehr technikgetrieben. Wir haben schlaue tiefenneuronale Netze, die alles Mögliche können. Das trifft aber vielleicht nicht die Bedürfnisse der Anwender*innen. Wir wollen diesen menschlichen Anforderungen auf den Grund gehen.“ Eine wichtige Erkenntnis gibt es bereits: „Wir brauchen Weiterbildungsmöglichkeiten für diejenigen, die mit diesen neuen Technologien umgehen“, sagt Anna-Lisa Vollmer. Mit zunehmendem Bedarf an Unterstützung in Medizin und Pflege nehmen beide Professorinnen wahr, dass Vorbehalte gegen solche Technologien abnehmen.
Eine KI erklärt die Diagnose
Ein wichtiger Beitrag des Showrooms ist der Blick hinter die Kulissen dieser neuen Technologien. Den gewährt beispielsweise eine KI-basierte Assistenz für die Diagnose von Vorhofflimmern. „Wenn Vorhofflimmern nur ab und zu auftritt, ist es selbst von geschulten Ärzt*innen kaum zu erkennen. Patient*innen müssten tage- oder wochenlang überwacht werden, um eine Diagnose stellen zu können“, sagt Britta Wrede. Eine KI soll Mediziner*innen dabei helfen und Zeit sparen. Und nicht nur das: „Wir wollen eine erklärbare KI schaffen, die etwa durch Visualisierungen zeigt, woran das Vorhofflimmern zu erkennen ist. Das könnte Mediziner*innen bei der Erforschung des Entstehungsprozesses von Vorhofflimmern sowie einer frühzeitigen Diagnostik unterstützen. Aber auch angehende Ärzt*innen können von solchen KI-Erklärungen lernen.“
Schließlich sollen ebenfalls die Studierenden vom Showroom profitieren. „Alle Exponate können nach Voranmeldung ausprobiert und demnächst auch ausgeliehen werden“, sagt Vollmer. Geplant sind Besuchszeiten für die Öffentlichkeit und Events wie Vorträge und Workshops. Britta Wrede: „Diese Art der Partizipation ist wichtig. Um Relevanz zu schaffen, müssen wir uns intensiv miteinander beschäftigen und austauschen.“ Denn Fachkräftemangel herrsche an allen Enden – in der Therapie, Diagnostik und Pflege. „In der Zukunft wird durch Interaktive Assistenzsysteme eine hohe Qualität an medizinischer Versorgung sichergestellt.“