Ein virtuelles Gebäude für die KI-Spitzenforschung


Autor*in: Universität Bremen

Hohe Fenster, ein breiter, heller Flur, ein verspiegelter Aufzug: Das virtuelle Forschungsgebäude zur kognitionsbasierten KI lässt sich betreten wie ein Ort in einem Computerspiel, der darauf wartet, erkundet zu werden. Seit diesem Jahr stehen hier fünf virtuelle Etagen sowohl für Forschende als auch für Laien offen. Im „Virtual Research and Training Building“ (ViB) kann man mit digitalen Zwillingen von Haushaltsrobotern arbeiten, mit Robotern Fußball spielen oder sich über die Rolle von Robotern in der frühkindlichen Bildung informieren. Das Ziel des virtuellen Gebäudes: Forschung zur kognitionsbasierten KI in all ihren Facetten darstellen und dabei internationale Spitzenforschung an einem Ort zusammenbringen.

Das Bremer Institut für Künstliche Intelligenz setzt die Idee eines virtuellen Gebäudes für das Joint Research Center on Cooperative and Cognition-enabled AI (CoAI JRC) um, ein gemeinsames Forschungs-Center der Universitäten Bielefeld, Bremen und Paderborn. Auf dessen Website finden sich schon erste Einblicke in das neue Gebäude. „Was wir gemeinsam erreicht haben und wie sich unsere Forschung gegenseitig inspiriert, wird in dem Gebäude sichtbar“, sagt Dr. Hanna Voudouri, Geschäftsführerin des Wissenschaftsschwerpunktes „Minds Media Machines“ an der Universität Bremen. Gemeinsam mit Dr. Brendan Balcerak Jackson von der Universität Bielefeld und Dr. Stefanie Dick von der Universität Paderborn koordiniert sie den Aufbau des Gebäudes.

Verbindendes Thema sowohl in der Kooperation der Forschenden als auch im ViB ist die kognitionsbasierte künstliche Intelligenz. Dabei sollen die Roboter, so der Ansatz der Forschenden, ähnlich wie Menschen verstehen können, wie und warum sie etwas tun, die Konsequenzen ihrer Handlungen abschätzen können, eigene Fehler erkennen und selbstständig korrigieren. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen die Forschenden das kooperative Lernen zwischen Menschen und Robotern. Das Kernkonzept hierfür ist die Ko-Konstruktion: Roboter und Menschen erarbeiten sich hier zusammen schrittweise ein gemeinsames Verständnis ihrer Aufgaben und ihres Gegenübers, um Neues zu erlernen.

Die verschiedenen Räume des Gebäudes werden von Bielefelder, Bremer und Paderborner Forschenden erstellt und spiegeln so deren Forschungsthemen wider.

Einen offenen Ort für alle bauen

„In der Planung war uns besonders wichtig, dass das Gebäude weltweit für alle offen ist“, sagt Dr. Brendan Balcerak Jackson. Dieser Ansatz wird von zahlreichen KI-Fachgesellschaften propagiert und vor allem von Forschenden aus der kognitiven Robotik nun als Pionierleistung umgesetzt. Zu den Inspirationsquellen zählt beispielsweise die AI Roadmap des Computing Community Consortium (CCC), einer Vereinigung von führenden KI-Forschenden aus den USA. Sie nennen mehrere Gründe, warum in der KI-Forschung offene Infrastrukturen entscheidend sind: So fördern Angebote wie das ViB nach Ansicht der Forschenden interdisziplinären Austausch, indem sie auch Personen ansprechen, die selbst nicht primär zu KI forschen. Auch Studierende profitieren von offenen Infrastrukturen, weil sie schnell Einblicke in aktuelle Forschungsfragen bekommen. Und schließlich machen offene Plattformen Forschung effizienter, weil Forschungsinfrastrukturen weltweit genutzt werden und nicht separat an verschiedenen Standorten aufgebaut werden müssen. All diese Punkte spielen auch im ViB eine große Rolle.

Frei zugängliche Labore für Forschende aus aller Welt

Die verschiedenen Räume des Gebäudes werden von Bielefelder, Bremer und Paderborner Forschenden erstellt und spiegeln so deren Forschungsthemen wider. Das Herzstück des Gebäudes bilden die digitalen Roboterlabore des Instituts für Künstliche Intelligenz (IAI) der Universität Bremen. Hier stehen digitale Zwillinge der Bremer Haushaltsroboter samt der zugehörigen Software Forschenden weltweit frei für Experimente zur Verfügung. Die enge Kooperation mit internationalen Forschenden über geographische Grenzen hinweg, die auf diese Weise möglich wird, ist ein zentrales Anliegen von Michael Beetz, Professor für Künstliche Intelligenz am Fachbereich für Mathematik und Informatik und Leiter des IAI. Als Vorreiter in Sachen Open Science stellt er seit vielen Jahren seine Forschungsdaten und -software frei zugänglich zur Verfügung. Darüber hinaus geht es ihm aber noch um mehr: „Wir bieten nicht nur unsere Infrastruktur an, sondern sind auch interessiert an Beiträgen aus der internationalen Forschungscommunity“, betont er. Konkret bedeutet das, dass Forschende aus aller Welt die Möglichkeit haben, eigene Räume im virtuellen Gebäude zu erstellen. Das Interesse, der Community und einer breiteren Zielgruppe eigene Arbeiten offen verfügbar zu machen, ist laut Beetz besonders in Arbeitsgruppen aus der KI enorm.

Interdisziplinarität im Fokus

Zur Vernetzung der Forschenden soll auch die virtuelle Umgebung beitragen. „Wie in einem realen Gebäude soll es hier möglich sein, einfach mal in verschiedene Räume hineinzuschauen und so auch auf Themen zu stoßen, mit denen man sich normalerweise nicht beschäftigt“, erläutert Dr. Hanna Voudouri. Zu diesem Konzept passt, dass die beteiligten Forschenden aus unterschiedlichen Fachgebieten kommen.

Ein Schild im virtuellen Gebäude, welches über die verschiedenen Etagen informiert.
Im virtuellen Gebäude stehen fünf virtuelle Etagen sowohl für Forschende als auch für Laien offen.

Auch geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung ist im virtuellen Gebäude vertreten, so etwa das Sprach-Spiel-Labor der Universität Paderborn. Hier werden theoretische Weiterentwicklungen aus der Psycholinguistik präsentiert. Das Erlernen von Sprache ist darin nicht nur an die Handlung, sondern auch den Dialog gebunden. Diese Verbindung aus der frühkindlichen Bildung wird vielfältig visualisiert und dient als Inspiration für das Verständnis von Ko-Konstruktion zwischen Menschen und Robotern. Wie Roboter von Menschen neue Aufgaben oder Fähigkeiten lernen können, untersuchen auch Forschende der Universitäten Bielefeld und Bremen im Projekt „Co-Constructive Task Learning“. Hier nutzen die Forschenden die Virtual Reality-Technologie (VR), um den Robotern bestimmte Handlungen wie „Wasser in ein Glas gießen“ zu demonstrieren. Von diesen Handlungsdemonstrationen werden anschließend für die Roboter virtuelle Modelle erstellt, die ihnen dabei helfen, die Aktionen selbst zu lernen. In Zukunft soll es möglich sein, direkt im ViB auf diese Art und Weise den Robotern Fähigkeiten beizubringen. Einen Einblick in die Demonstrationen kann man schon jetzt gewinnen, und auch die „Gedächtnisprotokolle“ der Roboter sind schon frei verfügbar.

Neue Zielgruppen erschließen mit Education und Competition Floor

Nicht nur Forschende, auch Studierende und interessierte Laien gehören zu den Zielgruppen des Gebäudes. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, ist der technische Zugang zum Gebäude bewusst einfach gehalten: Die meisten Räume sollen ohne zusätzliche technische Hilfsmittel über einen Webbrowser erreichbar sein. Für die verschiedenen Zielgruppen sind die Räume auf unterschiedlichen Etagen angeordnet. Ein „Education Floor“ etwa richtet sich gezielt an Studierende. Hier stellt sich unter anderem das Projekt „IntEL4CoRo“ vor, das Studierenden ermöglicht, theoretische Grundlagen der kognitiven Robotik zu erlernen und zeitgleich forschend mit digitalen Zwillingen von Robotern zu arbeiten. Wer sich spielerisch mit Robotern beschäftigen möchte, hat hierzu auf dem „Competition Floor“ die Gelegenheit: Hier kann man beispielsweise Roboter in Fußballspielen gegeneinander antreten lassen. „Wir wollen nicht zuletzt zeigen, dass KI-Forschung auch Spaß macht“, sagt Dr. Stefanie Dick.